Leitsatz (amtlich)
Auch beim Erbenermittler kann für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung angesichts dessen, dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und daher eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Erforderlich ist vielmehr eine abwägende Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich bei ihm um Rechtsbesorgung oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität oder der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann.
Normenkette
UWG § 1; RBerG § 1 § 1 Abs. 1, § 5 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 07.06.2000) |
LG Baden-Baden |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Karlsruhe v. 7.6.2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Rechtsanwaltskammer nimmt die Beklagten wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) und das UWG auf Unterlassung in Anspruch.
Die Beklagten sind Erbenermittler (Genealogen). Sie bezeichnen ihre Geschäftstätigkeit als "Internationale Erbenermittlungen, Bearbeitung von Nachlassangelegenheiten". Über eine Erlaubnis gemäß Art. 1 § 1 RBerG verfügen sie nicht.
Mit Schreiben v. 29.1.1999 übersandten die Beklagten einer ermittelten Erbin den Entwurf einer Honorarvereinbarung sowie einer Vollmacht. Nach dieser sollten die Beklagten ermächtigt sein, die Erbin in allen den Nachlass betreffenden Angelegenheiten zu vertreten, Ermittlungen von Verwandtschaftszusammenhängen durchzuführen, entsprechende Beweismittel zu beschaffen, für die Erbin Eigentumshandlungen jeder Art vorzunehmen, Eintragungen in das Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen, die Werte in Empfang zu nehmen, darüber zu quittieren und Entlastung zu erteilen.
Die Klägerin erblickt hierin einen Verstoß der Beklagten gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG und damit zugleich gegen § 1 UWG. Der Text der übersandten Vollmacht weise aus, dass sich an die von den Beklagten betriebene, erlaubnisfrei zulässige Erbenermittlung eine erlaubnispflichtige Rechtsberatung und Rechtsbesorgung im Rahmen der Nachlassabwicklung, insbesondere durch die Vornahme von Eigentumshandlungen, die Bewilligung und Beantragung von Eintragungen in das Grundbuch, die Annahme von Werten sowie deren Quittierung und die Erteilung von Entlastung anschließe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in Nachlassangelegenheiten rechtsberatend und rechtsbesorgend tätig zu werden, insbesondere es zu unterlassen,
Eigentumshandlungen jeder Art für potenzielle Erben vorzunehmen,
Eintragungen in das Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen,
Entlastungen zu erteilen, soweit keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz vorliegt.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben vorgetragen, die Vorbereitung eines Erbscheinsantrags, die in der Vollmacht enthaltenen Vollmachtshandlungen, mit denen der Erbe jeden Dritten beauftragen könne, sowie das Entgegennehmen von Werten stellten keine Rechtsberatung dar. Soweit dem Nachlasspfleger Entlastung erteilt werde oder Grundbuchanträge zu stellen seien, handele es sich um völlig untergeordnete Tätigkeiten, die keiner Erlaubnis bedürften. Zumindest aber seien diese Tätigkeiten im Rahmen des Art. 1 § 5 RBerG, der am Schutz des Berufsbildes des Genealogen orientiert verfassungskonform auszulegen sei, zulässig.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Karlsruhe ZEV 2001, 36).
Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch für gem. § 1 UWG i. V. m. Art. 1 § 1 RBerG begründet erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Beklagten stellten im Berufungsrechtszug nicht mehr in Abrede, dass die Tätigkeiten, die sie nach der von ihnen an ermittelte Erben übersandten Vollmacht im Geschäftsverkehr anbieten würden, Rechtsbesorgungen i. S. v. Art. 1 § 1 RBerG darstellten. Der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift unterfielen alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet und geeignet seien, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Der in Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG normierte Erlaubnisvorbehalt für rechtsberatende und rechtsbesorgende Tätigkeiten sei mit Art. 12 GG vereinbar. Für eine Anwendung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG fehle es an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erlaubnisfreien Erbenermittlung und der danach angebotenen konkreten Rechtsberatung. Die Rechtsanwaltschaft verfüge auch über die erforderliche Kompetenz für die rechtsbesorgende und rechtsberatende Tätigkeit im Rahmen einer Nachlassabwicklung. Die Heranziehung des Rechtsberatungsgesetzes scheide ferner nicht deshalb aus, weil Rechtsanwälte dem Verbot eines Erfolgshonorars unterlägen. Der dem Beschluss des BVerfG v. 29.10.1997 (BVerfG, Beschl. v. 29.10.1997 - 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12) zu Grunde liegende Sachverhalt sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar, da es dort um eine einfache kaufmännische Hilfstätigkeit gegangen sei, die keine Rechtskenntnisse erfordert habe. Die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Nachlassabwicklung stelle demgegenüber eine substanzielle Rechtsberatung dar, die nicht erlaubnisfrei durchgeführt werden dürfe. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin erstrecke sich auch auf das Entgegennehmen von Nachlasswerten, deren Quittierung und die Erteilung der Entlastung; denn diese Tätigkeiten stünden typischerweise im Zusammenhang mit der den Beklagten verbotenen Abwicklung von Nachlässen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Keine Bedenken bestehen dagegen, dass das Berufungsgericht von der Klagebefugnis der Klägerin nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ausgegangen ist. Denn die Klägerin macht geltend, dass die Beklagten wettbewerbswidrig handeln, soweit sie sich mit den von ihnen angebotenen Nachlassregulierungen in Wettbewerb mit den Mitgliedern der Klägerin stellen (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1997 - I ZR 154/95, MDR 1997, 1144 = CR 1997, 691 = GRUR 1997, 914 [915] = WRP 1997, 1051 - Die Besten II).
2. Der Klageantrag ist jedoch in seiner abstrakten Form nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig. Der mit "insbesondere" eingeleitete Teil des Antrags genügt zwar den Anforderungen an die Bestimmtheit; das dort umschriebene Verhalten verstößt aber nicht stets gegen das Rechtsberatungsgesetz. Eine Reduzierung des Antrags auf die stets verbotenen Verhaltensweisen ist in der Revisionsinstanz nicht möglich.
a) Mit Recht rügt die Revision aber, dass der Klageantrag mit dem abstrakt gefassten Klagebegehren ("in Nachlassangelegenheiten rechtsberatend und rechtsbesorgend tätig zu werden") und damit auch der ihm entsprechende Urteilsausspruch den Bestimmtheitsanforderungen der § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht genügen.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - so deutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 - I ZR 189/97, MDR 2000, 1028 = GRUR 2000, 438 [440] = WRP 2000, 389 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 101/99, BGHReport 2002, 695 = GRUR 2002, 993 [994] = WRP 2002, 970 - Wie bitte?!, m. w. N.). Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, erfüllen diese Voraussetzungen nur ausnahmsweise. So ist ein entsprechender Verbotsantrag dann hinreichend bestimmt, wenn bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst ist und auch zwischen den Parteien kein Streit besteht, welche von mehreren Verhaltensweisen ihm unterfällt (vgl. BGH, Urt. v. 2.4.1992 - I ZR 131/90, MDR 1992, 657 = WRP 1992, 482 [483] - Ortspreis [insoweit in BGHZ 118, 1 nicht abgedr.]; Köhler in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Vor § 13 Rz. 284 m. w. N.). Dasselbe gilt, wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt und daher allein zu prüfen ist, ob der den Wortlaut der Norm wiederholende Klageantrag zu weit geht und mithin insoweit unbegründet ist (vgl. Köhler, Anm. zu BGH LM § 13 UWG Nr. 101 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge), sowie dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH, Urt. v. 9.11.2000 - I ZR 167/98, BGHReport 2001, 389 = MDR 2001, 827 = GRUR 2001, 529 [531] = WRP 2001, 531 - Herz-Kreislauf-Studie). Diesen Anforderungen entspricht der weiter gehende abstrakte Teil des Klageantrags nicht.
b) Der mit "insbesondere" eingeleitete Teil des Klageantrags ist zwar hinreichend bestimmt, geht aber sachlich zu weit. Die dort angeführten Beispielsfälle dienen zum einen dazu, das in erster Linie begehrte abstrakte Verbot zu erläutern; sie sollen zum anderen deutlich machen, dass Gegenstand des Klagebegehrens und damit Streitgegenstand nicht allein das umfassende abstrakte Verbot sein sollte, sondern - quasi hilfsweise - jedenfalls die Unterlassung der konkret beanstandeten Verhaltensweisen (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 94/97, WRP 1999, 509 [511] - Kaufpreis je nur 1,- DM; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 51 Rz. 36 f., jew. m. w. N.). In dieser konkretisierten Form ist der Antrag zwar in dem genannten Sinn hinreichend bestimmt, er geht aber - wie sich aus den Ausführungen zu nachstehend III. ergibt - sachlich zu weit, weil die danach zu untersagenden Verhaltensweisen nicht schlechthin, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen und damit wettbewerbswidrig sind. Die Abgrenzung des erlaubten vom verbotenen Tätigkeitsbereich erfordert in rechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht weiter gehendes Vorbringen der Parteien und damit ein nochmaliges Tätigwerden des Tatrichters.
3. Die Klage kann beim derzeitigen Verfahrensstand allerdings auch nicht (teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet) abgewiesen werden. Die Fragen der Bestimmtheit des abstrakten Teils des Klageantrags und des sachlich zu weiten Umfangs des konkretisierten Klagebegehrens sind in den Vorinstanzen nicht angesprochen worden. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht der Klägerin nach § 139 Abs. 1 ZPO Gelegenheit geben müssen, ihren Klageantrag zu prüfen und ggf. neu zu fassen sowie sachdienlichen Vortrag dazu zu halten. Dementsprechend ist hier im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes und den Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren von der Abweisung der Klage als unzulässig abzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 - I ZR 189/87, GRUR 2000, 438 [441] - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH, Urt. v. 12.7.2001 - I ZR 261/98, BGHReport 2001, 969 = MDR 2002, 405 = GRUR 2002, 77 [78] = WRP 2002, 85 - Rechenzentrum; BGH, Urt. v. 12.7.2001 - I ZR 40/99, BGHReport 2001, 925 = GRUR 2002, [86] 89 = WRP 2001, 1294 - Laubhefter, jew. m. w. N.).
III. Danach ist auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Ohne Erfolg stellt die Revision zur Überprüfung, ob die Vorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG einer Überprüfung anhand der Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG standhält. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG gehört die genannte Bestimmung zur verfassungsmäßigen Ordnung, wobei sie u. a. durch den Gemeinwohlbelang gerechtfertigt ist, den Einzelnen und die Allgemeinheit vor nicht sachkundigem Rechtsrat zu schützen; auch genügt sie dem Gebot der Erforderlichkeit und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG v. 29.10.1997 - 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12 [26 f.] = NJW 1998, 3481; BVerfG, Beschl. v. 15.12.1999 - 1 BvR 2161/93, AG 2000, 178 = NJW 2000, 1251; BRAK-Mitt. 2001, 80 [81]; BVerfG v. 27.9.2002 - 1 BvR 2251/01, WRP 2002, 1423 [1424]).
2. Ebenfalls vergebens wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die von den Parteien übereinstimmend als erlaubnisfrei zulässig angesehene Tätigkeit des Erbensuchers umfasse nicht die Verhaltensweisen der Beklagten, welche die Klägerin zum Anlass für die Erhebung der vorliegenden Klage genommen hat.
Die Erlaubnispflicht nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG für die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gilt grundsätzlich für alle geschäftsmäßigen Tätigkeiten, die darauf gerichtet und geeignet sind, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung kann angesichts dessen, dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und daher eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Erforderlich ist vielmehr eine abwägende Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich bei ihm um Rechtsbesorgung oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität oder der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1998 - I ZR 62/96, MDR 1999, 110 = GRUR 1998, 956 [957] = WRP 1998, 976 - Titelschutzanzeigen für Dritte; Urt. v. 30.3.2000 —I ZR 289/97, MDR 2000, 1447 = GRUR 2000, 729 [730] = WRP 2000, 727 —- Sachverständigenbeauftragung; BGH v. 6.12.2001 - I ZR 101/99, BGHReport 2002, 695 = GRUR 2002, 993 [995] - Wie bitte?!, jew. m. w. N.). Dabei sind die öffentlichen Belange, die den Erlaubnisvorbehalt des Rechtsberatungsgesetzes rechtfertigen, gegen die Berufsfreiheit desjenigen abzuwägen, dem wegen des Fehlens einer entsprechenden Erlaubnis die Vornahme bestimmter Handlungen untersagt werden soll (BVerfG v. 27.9.2002 - 1 BvR 2251/01, WRP 2002, 1423 [1425]).
In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, ob der Auftraggeber im Rahmen der Geschäftsbesorgung eine besondere rechtliche Prüfung des Inhalts des Geschäfts oder der mit diesem verbundenen Risiken ausdrücklich wünscht oder zumindest erkennbar erwartet. Die dementsprechende Erwartung richtet sich im Zweifel nach der Person und der Qualifikation des Geschäftsbesorgers, nach den verkehrstypischen Gepflogenheiten und nach den objektiven Maßstäben des jeweiligen Geschäfts (BGH GRUR 2000, 729 [730] - Sachverständigenbeauftragung, m. w. N.). Eine nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung liegt vor, wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der Tätigkeit eine umfassende Beratung auf mindestens einem Teilgebiet des Rechts auf der Grundlage von Kenntnissen und Fertigkeiten erfordert, die durch ein Studium oder durch langjährige Berufserfahrung vermittelt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.10.1997 - 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12 [28 f.] = NJW 1998, 3481). Dem stehen solche Tätigkeiten wirtschaftlicher Art gegenüber, bei denen eine besondere rechtliche Prüfung weder verkehrsüblich noch im Einzelfall offensichtlich geboten noch auch vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht ist, sondern die notwendige rechtliche Betätigung in für die angesprochenen Verkehrskreise so geläufigen Bahnen verläuft, dass sie nicht mehr als ein Handeln auf dem Gebiet des Rechts empfunden wird (BGH, Urt. v. 16.3.1989 - I ZR 30/87, MDR 1989, 793 = GRUR 1989, 437 [439] = WRP 1989, 508 - Erbensucher; BGH, Urt. v. 30.3.2000 - I ZR 289/97, MDR 2000, 1447 = GRUR 2000, 729 [730 f.] Sachverständigenbeauftragung). Entsprechende kaufmännische Hilfstätigkeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie typischerweise keine individuelle Beratung über rechtliche Sachverhalte unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfordern, dass sie nicht darauf gerichtet sind, dem Auftraggeber im Einzelfall bei auf dem Gebiet des Rechts liegenden Entscheidungsprozessen Hilfestellung zu leisten, dass die Aufgabenwahrnehmung keine maßgebliche rechtliche Vorbildung erfordert und dass sie sich auf eindeutige rechtliche Grundlagen stützen kann (vgl. BVerfG v. 29.10.1997 - 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12 [26-30] = NJW 1998, 3481; Birkenheier, FS für Isensee, 2002, 149 [165]). Allerdings ist bei kaufmännischen Hilfstätigkeiten ebenfalls zu fragen, ob die konkrete Tätigkeit im Einzelfall im Hinblick auf die das Rechtsberatungsgesetz tragenden Gemeinwohlbelange des Schutzes der Rechtssuchenden und des Schutzes der Rechtspflege nicht doch als "Hilfstätigkeit zur Rechtsberatung" in den Erlaubnisvorbehalt einzubeziehen ist (BVerfG v. 29.10.1997 - 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12 [30-32] = NJW 1998, 3481; Birkenheier, FS für Isensee, 2002, 166-173). Andererseits ist auch zu prüfen, ob ein sich danach ergebendes etwaiges Betätigungsverbot dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG v. 29.10.1997 - 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12 [32-34] = NJW 1998, 3481; Birkenheier, FS für Isensee, 2002, 174 f.).
3. Die Beklagten können sich zur Verteidigung ihres Standpunkts nicht auf die Bestimmung des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG stützen. Danach greifen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes nicht ein, wenn ein kaufmännisches oder sonstiges gewerbliches Unternehmen für seine Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigt, die mit einem Geschäft des Gewerbebetriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Berufe, die ohne gleichzeitige Rechtsberatung nicht ausgeübt werden können, nicht am Rechtsberatungsgesetz scheitern (BGH v. 4.11.1987 - IVa ZR 158/86, BGHZ 102, 128 [132] = MDR 1988, 297; Grunewald, ZEV 2001, 37 [38] m. w. N.). Sie betrifft daher nicht nur solche Fälle, in denen die Haupttätigkeit des Unternehmers ohne die Erledigung rechtlicher Angelegenheiten für seine Kunden überhaupt unmöglich wäre, sondern gilt auch dann, wenn die Haupttätigkeit nicht sachgemäß erledigt werden könnte (BGH v. 4.11.1987 - IVa ZR 158/86, BGHZ 102, 128 [134] = MDR 1988, 297; BGH, Urt. v. 26.4.1994 - VI ZR 305/93, MDR 1994, 1148 = NJW-RR 1994, 1081 [1083]). Dieses trifft für die Tätigkeit des Erbensuchers, der im Rahmen seines Hauptgeschäfts nicht zugleich als Nebengeschäft den Nachlass abwickeln kann, jedoch nicht zu (vgl. BGH v. 16.3.1989 - I ZR 30/87, MDR 1989, 793 = GRUR 1989, 437 [438 f.] - Erbensucher). Dem steht nicht entgegen, dass der Erbensucher von einem von ihm ermittelten Erben keinerlei Vergütung beanspruchen kann, wenn dieser, ohne eine Honorarvereinbarung abzuschließen, auf Grund der erteilten Informationen den Nachlass selbst auffindet (vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1999 - III ZR 322/98, MDR 2000, 77 = NJW 2000, 72 f.). Das insoweit für den Erbensucher selbst bei erfolgreicher Erbenermittlung bestehende Geschäftsrisiko rechtfertigt es nicht, das Rechtsberatungsgesetz in einer seinen Schutzzwecken widersprechenden Weise auszulegen (Grunewald, ZEV 2001, 38 m. w. N.). Außerdem steht der Umstand, dass die Nachlassabwicklung jedenfalls nicht ohne weiteres erlaubnisfrei vorgenommen werden kann, einer sinnvollen Arbeitsteilung zwischen Rechtsanwälten und Erbensuchern in diesem Bereich geschäftlicher Betätigung nicht entgegen (a. A. Kleine-Cosack, NJW 2000, 1593 [1601]). Denn auch hier besteht in vielen Fällen noch ein Bedarf an genealogischen Informationen, die der Rechtsanwalt, da er regelmäßig über kein entsprechendes Archiv verfügt, nur durch die Einschaltung eines Erbenermittlers erlangen kann (vgl. Grunewald, ZEV 2001, 38 m. w. N.).
4. Nach den Ausführungen zu vorstehend 2. reichte allerdings ein Gebot an die Beklagten, sich im Rahmen der Abwicklung von Nachlässen jeglicher Betätigung zu enthalten, zu weit. Auch eine Abgrenzung der den Beklagten erlaubten Geschäftsbesorgungen ihrer Art nach - etwa danach, ob ein vom Gericht bestellter Nachlasspfleger für das betreffende Geschäft gem. § 1960 Abs. 2, §§ 1962, 1915, 1812, 1821, 1822 BGB einer gerichtlichen Genehmigung bedürfte - scheidet aus. Denn die genannten Bestimmungen dienen ausschließlich dem Interesse an der Erhaltung des verwalteten Vermögens, während die Erlaubnispflicht nach dem Rechtsberatungsgesetz sich auf diejenigen Geschäfte bezieht, in denen eine rechtliche Prüfung und ggf. eine rechtliche Beratung gewünscht oder jedenfalls erkennbar erwartet wird. Dies kann bei von der Genehmigung durch das Vormundschafts- bzw. Nachlassgericht abhängigen Geschäften der Fall sein, wenn es sich dabei nicht um reine kaufmännische Hilfstätigkeiten handelt.
Aus den bereits dargelegten Gründen kann entgegen der Auffassung der Revision umgekehrt aber ebenso wenig davon ausgegangen werden, dass auf die Eintragung der Rechtsnachfolge in das Grundbuch und die Erteilung eines Erbscheins gerichtete Anträge oder gar "Eigentumshandlungen jeder Art" erlaubnisfrei zulässig seien. Bei der Verwertung und Auseinandersetzung umfangreicher Nachlässe, zu denen etwa Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen gehören, kann eine umfangreiche rechtliche Prüfung üblich oder geboten sein. Maßgebend sind auch insoweit die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles, wobei dem Wert der betroffenen Vermögensgegenstände eine zwar nicht zu vernachlässigende, aber keineswegs allein ausschlaggebende Bedeutung zukommt. So setzt etwa die zum Zwecke der Erbauseinandersetzung erfolgende Veräußerung zwar wertvoller, aber gut handelbarer Wirtschaftsgüter wie etwa von Kraftfahrzeugen, Antiquitäten oder Schmuckstücken grundsätzlich keine Prüfung voraus, ob damit rechtliche Nachteile verbunden sein können, und ist deren Veräußerung unter dieser Voraussetzung daher ebenso erlaubnisfrei wie etwa regelmäßig die Auflösung eines Haushalts. Jedoch kann in solchen Fällen - ggf. auch bei niedrigen Werten - etwa im Hinblick auf vom Erblasser getroffene Verfügungen, die entgegenstehen könnten, eine rechtliche Überprüfung ebenfalls geboten erscheinen. In gleicher Weise kann das Anbringen von auf die Berichtigung des Grundbuchs und die Erteilung von Erbscheinen gerichteten Anträgen, selbst wenn es vielfach routinemäßig erfolgen wird, im Einzelfall eine vorherige rechtliche Prüfung und Beratung voraussetzen. Auch die Erteilung von Entlastungen wird nach den genannten Grundsätzen keinesfalls stets ohne eine vorangegangene rechtliche Überprüfung durch eine zur Rechtsberatung zugelassene Person erfolgen können. In gleicher Weise wird die Auseinandersetzung zwischen mehreren Erben, wenngleich sie vielfach unproblematisch sein mag, in nicht wenigen Fällen bei der Anwendung der einschlägigen und jedenfalls bei komplizierten Fallagen durchaus nicht einfach zu handhabenden Bestimmungen der §§ 2042 ff. BGB und der in § 2042 Abs. 2 BGB in Bezug genommenen Vorschriften des Rechts der Bruchteilsgemeinschaft in rechtlicher Hinsicht Probleme aufwerfen, die eine qualifizierte rechtliche Prüfung und Beratung geboten erscheinen lassen.
5. Angesichts des mit der Regelung des Art. 1 § 1 RBerG insbesondere bezweckten Schutzes des Einzelnen sowie der Allgemeinheit vor nicht sachkundigem Rechtsrat stellte ein Verstoß gegen diese Bestimmung zugleich ein nach § 1 UWG wettbewerbswidriges Verhalten dar (vgl. BGH v. 16.3.1989 - I ZR 30/87, MDR 1989, 793 = GRUR 1989, 437 [438] - Erbensucher; Teplitzky in Großkomm., UWG, § 1 Rz. G 116 m. w. N. in Fn. 479). Ein entsprechendes Verhalten der Beklagten wäre im Hinblick auf den Rang des dadurch betroffenen Rechtsguts zudem geeignet, den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt i. S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG wesentlich zu beeinträchtigen (vgl. Köhler in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 13 Rz. 16 m. w. N. zu der st. Rspr. in den Fällen, in denen die Volksgesundheit betroffen ist).
Fundstellen
Haufe-Index 962591 |
BB 2003, 1751 |
NJW 2003, 3046 |
NWB 2003, 3276 |
BGHR 2003, 1086 |
FamRZ 2003, 1643 |
FamRZ 2004, 861 |
EWiR 2003, 1051 |
GRUR 2003, 886 |
WM 2003, 2000 |
ZAP 2003, 1047 |
ZEV 2003, 467 |
AnwBl 2003, 719 |
ErbBstg 2003, 129 |
ErbBstg 2003, 260 |
WRP 2003, 1103 |
RENOpraxis 2004, 58 |
ZErb 2003, 129 |
ZErb 2003, 328 |