Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauträgermodell. Prospekthaftungsansprüche. Dreijährige Verjährungsfrist § 195 BGB
Leitsatz (amtlich)
Prospekthaftungsansprüche beim Bauträgermodell verjähren in der regelmäßigen Frist des § 195 BGB a. F.
Normenkette
BGB § 195 a.F.
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 19.12.2002) |
LG Stuttgart |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 19.12.2002 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz aus Prospekthaftung.
Der Beklagte war Alleingesellschafter der K.-GmbH, einer inzwischen insolvent gewordenen Bauträgergesellschaft. Diese ließ in den Jahren 1991 bis 1993 in B. eine aus mehreren Häusern bestehende Wohnanlage durch einen Generalunternehmer schlüsselfertig errichten. Der bundesweite Vertrieb der Wohnungen lag in den Händen einer Vertriebsgesellschaft. Zur Gewinnung von Erwerbern der noch zu errichtenden Wohnungen dienten für die einzelnen Häuser erstellte, hinsichtlich der allgemeinen Angaben inhaltsgleiche Prospekte. In diesen fehlte ein Hinweis, dass in den mit 85 % des Gesamtaufwands bezeichneten Kosten für Grundstückserwerb und Herstellung eine an die Vertriebsgesellschaft zu zahlende sog. Innenprovision von 17,1 % des Kaufpreises enthalten war. Die vertragliche Abwicklung lag in den Händen eines Treuhänders, über den die Klägerin 1991 im Haus 1A eine Galeriewohnung erwarb. Die Größe dieser Wohnung war in dem Prospekt für das Haus 1 A mit 24,20 m2 angegeben.
Die Klägerin stützt ihre Klage auf den fehlenden Hinweis auf die Innenprovision sowie darauf, dass die Wohnfläche fehlerhaft zu hoch angegeben worden sei. Sie hat zuletzt 92.831,51 Euro und Zinsen geltend gemacht und die Feststellung begehrt, dass der Beklagte auch den weiter entstehenden Schaden zu ersetzen habe. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch und den zur Verjährung ergangenen Überleitungsvorschriften (Art. 229 § 5 S. 1, § 6 EGBGB).
I.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte ein für den Inhalt des Prospekts verantwortlicher sog. Hintermann des Bauträgermodells. Er habe die Entscheidung über den Grundstückskauf getroffen. Zwar habe er die technische Durchführung des Projekts weitgehend delegiert. Er habe sich jedoch laufend informieren lassen, habe jederzeit die Kontrolle behalten und damit maßgeblichen Einfluss ausgeübt. Der Prospekt sei mit seinem Wissen in den Verkehr gebracht worden. Dieser Prospekt enthalte zwei für die Erwerbsentscheidung der Klägerin wesentliche Fehler. Zum einen sei die Innenprovision nicht ausgewiesen. Zum anderen habe die Wohnung eine Fläche von 24,20 m2 aufweisen sollen. Eine Teilfläche von 5,52 m2 sei jedoch bauaufsichtsrechtlich nicht zum dauernden Aufenthalt von Personen zugelassen.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Durch die Schadensersatzklage des Erwerbers einer anderen Galeriewohnung war der Senat bereits mit dem Bauvorhaben in B. und der Verantwortlichkeit des Beklagten für den Inhalt eines Prospekts befasst. Er hat in seinem Urt. v. 7.9.2000 (BGH, Urt. v. 7.9.2000 - VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121 = MDR 2001, 206 = BGHReport 2001, 74) die Verurteilung des Beklagten zu Schadensersatz gebilligt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Die Angriffe der Revision gegen das Berufungsurteil führen zu keiner anderen Beurteilung.
a) Der Beklagte gehört als sog. Hintermann zum Kreis der Personen, die für den Inhalt des Prospekts verantwortlich waren. Das Berufungsgericht würdigt das Ergebnis der Beweisaufnahme vertretbar und damit revisionsrechtlich unangreifbar dahin, dass der Beklagte auf die Durchführung des Projekts maßgeblichen Einfluss ausgeübt hat und der Prospekt mit seinem Wissen in den Verkehr gebracht worden ist. Die Revision zeigt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten auf. Sie versucht lediglich, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts durch ihre eigene zu ersetzen.
b) Gegen die Prospekthaftung des Beklagten bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung sind nicht wegen eines Wertungswiderspruchs zu § 13 Abs. 2 GmbHG überschritten.
Der Beklagte meint, dies sei deshalb der Fall, weil er als Alleingesellschafter der K.-GmbH lediglich deren wirtschaftliche Interessen im Auge gehabt, sich sein aktives Tun auf die Vorfinanzierung und die Kaufentscheidung reduziert und er lediglich Kenntnis vom Inverkehrbringen des Prospekts gehabt habe. Er übersieht, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung nicht nur dieser, sondern noch weiterer Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass er auf die Durchführung des Projekts maßgeblichen Einfluss ausgeübt hat. Er haftet nicht, weil er Alleingesellschafter war, sondern weil ihm das Publikum wegen seiner Einflussmöglichkeiten und der von ihm getragenen Verantwortung typischerweise Vertrauen entgegengebracht hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.1978 - II ZR 94/77, BGHZ 72, 382).
c) Die Haftung des Beklagten scheitert nicht daran, dass der Klägerin ein Prospekt für das Haus 3, nicht aber ein solcher für das Haus 1A übergeben worden ist. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass ihr der Prospekt für das Haus 1A mangels einer ausreichenden Anzahl von Originalen bei den Erwerbsverhandlungen in Fotokopie zur Einsicht vorgelegt worden ist. Auch in diesem Prospekt war die Galerie als Wohnfläche ausgewiesen.
d) Der Prospekt enthielt folglich einen relevanten Fehler. Die Angaben zu der für Wohnzwecke geeigneten Fläche waren unzutreffend.
Wie der Senat bereits in seinem Urt. v. 7.9.2000 (BGH, Urt. v. 7.9.2000 - VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121 = MDR 2001, 206 = BGHReport 2001, 74) dargelegt hat, konnte und durfte ein potenzieller Erwerber den Prospekt dahin verstehen, dass die in den Grundrissen dargestellten Flächen einschließlich der Galerie und abgesehen von den Funktionsräumen uneingeschränkt zu Wohnzwecken genutzt werden konnten. Das war jedoch nicht der Fall. Der Beklagte hat selbst eingeräumt, dass durch Auflagen der Baugenehmigungsbehörde die Galerie mit einer Fläche von 5,52 m2 nicht zum dauernden Wohnen zugelassen war.
Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Innenprovisionen in einem Prospekt ausgewiesen werden müssen, muss der Senat auch jetzt nicht entscheiden.
II.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt. Für Prospekthaftungsansprüche beim Bauträgermodell gelte wie beim Bauherrenmodell die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB, bis zum 31.12.2001 somit eine Frist von 30 Jahren. § 638 BGB sei nicht entsprechend anwendbar. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB sei die nunmehr 3-jährige Verjährungsfrist gehemmt.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Entgegen der Ansicht der Revision sind die für Kapitalanlagen maßgeblichen Verjährungsregelungen nicht anwendbar. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Urt. v. 7.9.2000 (BGH, Urt. v. 7.9.2000 - VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121 = MDR 2001, 206 = BGHReport 2001, 74) hingewiesen. Der Erwerb einer Immobilie im Bauherren- oder Bauträgermodell ist anders zu beurteilen als eine Kapitalanlage oder der gesellschaftsrechtlich geprägte Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfond.
b) Die Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen beim Bauträgermodell richtet sich wie beim Bauherrenmodell nach § 195 BGB und nicht nach § 638 BGB. Für das Bauherrenmodell hat das der VIII. Zivilsenat des BGH bereits entschieden (BGH, Urt. v. 1.6.1994 - VIII ZR 36/93, BGHZ 126, 166 [171] = MDR 1994, 1083). Dem schließt sich der Senat, der diese Frage in seinem Urt. v. 7.9.2000 (BGH, Urt. v. 7.9.2000 - VII ZR 443/99, BGHZ 145, 121 = MDR 2001, 206 = BGHReport 2001, 74) noch offen lassen konnte, an. Für das Bauträgermodell kann wegen der vergleichbaren Situation der Erwerber nichts Anderes gelten.
Fundstellen
DB 2004, 67 |
DStZ 2004, 99 |
NJW 2004, 288 |
BGHR 2004, 292 |
BauR 2004, 330 |
DWW 2004, 34 |
EBE/BGH 2004, 3 |
EWiR 2004, 167 |
IBR 2004, 72 |
NZM 2004, 146 |
WM 2004, 289 |
WuB 2004, 321 |
ZAP 2004, 224 |
ZIP 2004, 40 |
ZfIR 2004, 187 |
MDR 2004, 161 |
VersR 2004, 620 |
VuR 2004, 66 |
ZfBR 2004, 163 |
BTR 2004, 85 |
Info M 2004, 24 |
NZBau 2004, 98 |
ZBB 2004, 60 |
ZNotP 2004, 146 |
BauRB 2004, 62 |
FB 2004, 160 |
JWO-VerbrR 2004, 27 |