Leitsatz (amtlich)
Eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangt hat, kann in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 WRV in ihrer Gründungsphase durch Kirchengesetz einen zu der Gemeinschaft gehörenden privatrechtlich organisierten Verein in die Körperschaft eingliedern und damit dessen eigenständige rechtliche Existenz beenden.
Dies erfordert ein - im Amtsblatt der Religionsgemeinschaft zu veröffentlichendes - hinreichend klares Gesetz der Körperschaft, in welchem Gesamtrechtsnachfolge angeordnet, der einzugliedernde Verein benannt und der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Eingliederung eindeutig geregelt ist. Zudem muss sich der Verein der Regelungsbefugnis der Religionsgemeinschaft hinsichtlich einer Eingliederung und einer damit verbundenen Vermögensübertragung unterworfen haben.
Ist ein eingetragener Verein eingegliedert und seine rechtliche Existenz beendet worden, hat die Körperschaft dies in entsprechender Anwendung von §§ 278 Abs. 1, 198 Abs. 2 Satz 3 UmwG zur Eintragung in das Vereinsregister anzumelden.
Normenkette
GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3 S. 1, Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 15.2.2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Am 4.10.2003 verletzte sich eine Versicherungsnehmerin der Klägerin in einem damals im Eigentum des beklagten Vereins stehenden Gebäude; die Klägerin verlangt deshalb von dem Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
Rz. 2
Der Beklagte ist eine örtliche Untergliederung des deutschen Zweigs der Glaubensgemeinschaft Jehovas Zeugen. Der deutsche Zweig der Glaubensgemeinschaft war ursprünglich als "Jehovas Zeugen in Deutschland e.V." organisiert, der Beklagte als "Jehovas Zeugen Versammlung Ö. e.V.". Am 13.6.2006 wurden dem Verein "Jehovas Zeugen in Deutschland e.V." vom Land Berlin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen. Diese erließ am 8.7.2006 ein Übergangsgesetz (Amtsblatt von Jehovas Zeugen in Deutschland, Nr. 1, Jahrgang 2006, Seite 6), in welchem es in Art. 1 Ziff. I heißt:
"Bereits bestehende Versammlungen werden als vom Zweigkomitee gegründete Versammlungen anerkannt, ohne dass dies eines erneuten Anerkennungsaktes bedarf. Mit der Verleihung der Körperschaftsrechte sind sie religionsrechtlich selbständige Untergliederungen des öffentlichen Rechts. Dies gilt auch, soweit sie zur Teilnahme am Rechtsverkehr als eingetragene Vereine gehandelt haben. Bis zu ihrer Löschung im Vereinsregister sind sie kirchliche Vereine im Sinne der Abgabenordnung. Das Eigentum der eingetragenen Vereine bleibt den Versammlungen zugeordnetes Eigentum i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2 StRG. (...)."
Rz. 3
§ 6 Abs. 1 Statusrechtsgesetz (StRG) in der Fassung vom 8.7.2006 (Amtsblatt von Jehovas Zeugen in Deutschland, Nr. 1, Jahrgang 2006, Seite 1) lautet:
"Die Versammlungen sind religionsrechtlich selbständige Gliederungen des öffentlichen Rechts. Das ihnen zugeordnete Eigentum sowie die durch sie vereinnahmten Spenden werden von ihnen verwaltet."
Rz. 4
Am 12.12.2007 löschte das AG Ö. den Beklagten aus dem Vereinsregister mit der Begründung, dass die Mitglieder durch schriftlichen Beschluss auf die Rechtsfähigkeit verzichtet hätten.
Rz. 5
Mit einem an "Jehovas Zeugen, Versammlung Ö." gerichteten Schreiben vom 26.5.2008 teilte das Zweigkomitee von Jehovas Zeugen in Deutschland KdöR u.a. folgendes mit:
"Als das zuständige Organ (...) bestätigen wir euch mit diesem Schriftstück, dass eure Versammlung seit jeher - ungeachtet der Rechtsform, in der sie jeweils existierte (und damit auch als Verein) - eine Untergliederung unserer Religionsgemeinschaft war (...). Es wird festgestellt, dass das Vermögen eures Versammlungsvereins im Ganzen durch religionsrechtliche (kirchengesetzliche) Anordnung (Art. 1 I Übergangsgesetz) auf die Körperschaft des öffentlichen Rechts übergegangen ist. In Konkretisierung des Übergangsgesetzes wird festgestellt, dass der dadurch bewirkte Eigentumsübergang des Grundstücks An der L. 5, Flurstück 2015/9, eingetragen im Grundbuch von Ö. Blatt 7116, vormaliger Eigentümer: Jehovas Zeugen, Versammlung Ö. e.V. auf Jehovas Zeugen in Deutschland, K.d.ö.R. mit Inkrafttreten des Übergangsgesetzes am 8.7.2006 erfolgte. Hiermit bestätigen wir euch die Zuordnung eures vormaligen Vereinsvermögens als Eigentum i.S.d. §§ 6 Abs. 1 Satz 2 StRG, 1 Abs. 1 Satz 2 VersO (Art. 1 I Satz 5 Übergangsgesetz). Dieses Schriftstück ist zugleich feststellender religionsrechtlicher (kirchenrechtlicher) Verwaltungsakt i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 4 StRG."
Rz. 6
Am 23.7.2008 berichtigte das Grundbuchamt O. das Grundbuchblatt 7116 dahingehend, dass Eigentümerin "Jehovas Zeugen, Versammlung Ö." sei.
Rz. 7
Im Dezember 2010 hat die Klägerin gegen den Verein "Jehovas Zeugen, Versammlung Ö. e.V." Klage erhoben. Das LG hat den Beklagten im Wege eines Versäumnisurteils zur Zahlung von 120.564,15 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass er verpflichtet ist, der Klägerin 50 % aller weiteren materiellen Schäden aus dem Unfall vom 4.10.2003 zu ersetzen. Den hiergegen von dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Vereins ausdrücklich im eigenen Namen eingelegten Einspruch hat es als unzulässig verworfen. Auf dessen Berufung hat das OLG die Urteile des LG aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie in erster Linie die Verwerfung der Berufung als unzulässig erreichen will. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Vereins beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 8
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des beklagten Vereins zulässig. Er sei mit der Einspruchseinlegung dem Verfahren konkludent als Streithelfer des Beklagten beigetreten und daher zur Berufungseinlegung berechtigt gewesen. Die Berufung sei auch begründet. Denn die Klage sei unzulässig, da der Beklagte im Zeitpunkt der Klageerhebung als eingetragener Verein nicht mehr existiert habe. Sein Vermögen sei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge aufgrund der Regelung in Art. 1 Ziff. I des Übergangsgesetzes und des nachfolgenden kirchenrechtlichen Verwaltungsaktes vom 26.5.2008 auf Jehovas Zeugen in Deutschland KdöR oder die Untergliederung "Versammlung Ö." - soweit diese Rechtsfähigkeit erlangt haben sollte - übergegangen. Aufgrund dieses Vermögensübergangs und der Löschung im Vereinsregister habe der Beklagte seine Rechts- und Parteifähigkeit verloren.
II.
Rz. 9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht sieht die Klage zu Unrecht als unzulässig an.
Rz. 10
A. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die von dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des beklagten Vereins eingelegte Berufung gegen das Urteil des LG sei zulässig.
Rz. 11
I. Zu Recht hat das Berufungsgericht dessen Einspruch gegen das Versäumnisurteil des LG zugleich als Erklärung des Beitritts als Streithelfer auf Beklagtenseite ausgelegt. Diese - in vollem Umfang nachprüfbare (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1990 - V ZR 329/89, NJW 1991, 1175 f.) - Auslegung geht von dem anerkannten Grundsatz aus, dass bei Prozesshandlungen im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (s. nur BGH, Urt. v. 19.10.2012 - V ZR 233/11, ZfIR 2013, 23 Rz. 11 m.w.N.). In dem Einspruchsschriftsatz wurde ausdrücklich klargestellt, dass der Einspruch nicht im Namen des beklagten Vereins eingelegt werde, sondern für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden selbst. Dieser wollte sich somit im eigenen Namen an dem Rechtsstreit beteiligen, was ausschließlich im Wege einer Nebenintervention nach §§ 66 ff. ZPO möglich war (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1994 - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537 f.). Mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein nicht gegen ihn ergangenes Urteil hat er auch eine typische Unterstützungshandlung vorgenommen (vgl. §§ 66 Abs. 2, 70 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BGH, Urt. v. 10.3.1994 - IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537 f.).
Rz. 12
II. Ob der Streitbeitritt den Anforderungen der §§ 66, 70 ZPO genügt, insb. ob der als Streithelfer Beitretende ein rechtliches Interesse an dem Obsiegen der Partei hat, ist im Rahmen der Zulässigkeit der Berufung des Streithelfers nicht zu prüfen.
Rz. 13
1. Bei der Nebenintervention beschränkt sich die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ihrer Zulässigkeit auf die allgemeinen persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen, also darauf, ob Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit gegeben sind; insoweit bestehen hier keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Nebenintervention. Die besonderen Voraussetzungen der Nebenintervention werden hingegen nur auf Antrag einer Hauptpartei und nur im Verfahren nach § 71 ZPO geprüft (BGH, Beschl. v. 25.7.2012 - IV ZR 233/09, juris Rz. 13, BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358 [362]). Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines von einem Streithelfer eingelegten Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs (vgl. BGH, Beschl. v. 10.1.2006 - VIII ZB 82/05, BGHZ 165, 358 [362]; BGH, Urt. v. 27.2.1980 - IV ZR 167/78, NJW 1980, 1693; RGZ 163, 361 [364 ff.]; RG, JW 1901, 798 f.; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 71 Rz. 1 Fn. 2; a.A. Baur, FS Lent, 1957, S. 1, 8).
Rz. 14
2. Ob die Klägerin mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung konkludent zugleich einen Antrag gem. § 71 Abs. 1 ZPO auf Zurückweisung der Nebenintervention gestellt hat (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 12.6.1989 - II ZB 2/89, juris Rz. 11; Urt. v. 21.6.1951 - III ZR 5/50, LM Nr. 1 zu § 66 ZPO; RG, JW 1901, 798 f.) und ob das Berufungsurteil ein Zwischenurteil gem. § 71 Abs. 2 ZPO enthält (vgl. BGH, Beschl. v. 12.6.1989 - II ZB 2/89, juris Rz. 9; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 71 Rz. 5), kann offen bleiben. Denn ein im Zwischenstreit über die Nebenintervention ergangenes Zwischenurteil, das im ersten Rechtszug vom OLG erlassen worden ist, ist unanfechtbar; dies gilt auch dann, wenn ein Rechtsmittel zugelassen worden ist (BGH, Beschl. v. 5.12.2012 - I ZB 7/12, juris Rz. 7 ff.).
Rz. 15
III. Als Streithelfer durfte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Beklagten selbst Berufung einlegen (vgl. §§ 66 Abs. 2, 70 Abs. 1 ZPO). Soweit die Revision meint, die Berufung des Streithelfers sei unzulässig, weil das LG dessen Nebenintervention bereits rechtskräftig zurückgewiesen habe, ist dies unzutreffend. Das Urteil, mit dem das LG den vom Streithelfer eingelegten Einspruch verworfen hat, enthält keine Zurückweisung der Nebenintervention. Weder hat die Klägerin einen entsprechenden Zurückweisungsantrag gestellt noch hat sich das LG mit der Frage eines Beitritts auseinandergesetzt oder gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach mündlicher Verhandlung entschieden.
Rz. 16
B. Das Berufungsgericht hat die Klage jedoch zu Unrecht wegen fehlender Parteifähigkeit des Beklagten als unzulässig abgewiesen.
Rz. 17
I. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt es an, dass der Beklagte - lässt man die kirchenrechtlichen Regelungen unberücksichtigt - nach den allgemeinen vereinsrechtlichen Bestimmungen seine rechtliche Existenz und damit seine Parteifähigkeit nicht verloren hat. Einem Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit des Beklagten steht bereits der Umstand entgegen, dass noch Vereinsvermögen vorhanden ist (vgl. Reuter in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 41 Rz. 13 m.w.N., § 49 Rz. 19); eine Übertragung des dem Verein gehörenden Grundstücks "An der L. 5" nach zivilrechtlichen Regeln auf die Körperschaft Jehovas Zeugen in Deutschland ist nicht erfolgt. Darüber hinaus führen der Verzicht auf die Rechtsfähigkeit und die Löschung im Vereinsregister dazu, dass ein eingetragener Verein als nicht rechtsfähiger Verein fortbesteht (Waldner/Wörle-Himmel in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 19. Aufl., Rz. 401; Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rz. 2213; BeckOK/BGB/Schöpflin, Edition 26, § 41 Rz. 13; Reuter in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 41 Rz. 22; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl., § 47 Rz. 2; Schäfer, RNotZ 2008, 22). Als nicht rechtsfähiger Verein ist der Beklagte gem. § 50 Abs. 2 ZPO weiterhin parteifähig.
Rz. 18
II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt aus den kirchenrechtlichen Regelungen, welche die Körperschaft Jehovas Zeugen in Deutschland erlassen hat, kein anderes Ergebnis.
Rz. 19
1. Die Verleihung des Körperschaftsstatus erstreckt sich nur auf den Dachverband "Jehovas Zeugen in Deutschland e.V.", nicht auch auf dessen örtliche Untergliederungen. Allerdings ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangt hat, in ihrer Gründungsphase durch Kirchengesetz einen zu der Gemeinschaft gehörenden privatrechtlich organisierten Verein in die Körperschaft eingliedert und damit dessen eigenständige rechtliche Existenz beendet.
Rz. 20
a) Eine solche Maßnahme ist gem. Art. 140 GG, 137 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 WRV Gegenstand des Selbstbestimmungsrechts einer Religionsgesellschaft.
Rz. 21
Der über Art. 140 GG als Bestandteil des Grundgesetzes fortgeltende Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV (zur Fortgeltung der Weimarer Kirchenartikel s. BVerfGE 102, 370 [386 f.] m.w.N.) garantiert den Religionsgesellschaften die Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist diese Garantie eine notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG) die dazu unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt. Das Ordnen und Verwalten umfasst das Recht, alle eigenen Angelegenheiten auf Grundlage des religiösen Selbstverständnisses rechtlich zu gestalten (vgl. zum Ganzen BVerfG, DVBl. 2007, 1555, 1561; BGH, Urt. v. 11.2.2000 - V ZR 271/99, NJW 2000, 1555 f., jeweils m.w.N.).
Rz. 22
Das durch Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV allen Religionsgesellschaften garantierte Selbstbestimmungsrecht wird durch die Körperschaftsrechte gem. Art. 137 Abs. 5 und 6 WRV erweitert (Korioth in Maunz/Dürig, GG, Stand: Februar 2003, Art. 137 WRV Rz. 90). Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 140 GG, 137 Abs. 5 WRV ist ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religionsfreiheit, welches die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen soll (BVerfGE 102, 370, 387, 393). Durch seine Verleihung erhält die Religionsgemeinschaft eine besondere Rechtsstellung, die über diejenige privatrechtlich verfasster Religionsgemeinschaften hinausgeht (BVerfGE 102, 370 [388]; 66, 1, 20; BGH, Beschl. v. 24.7.2001 - VI ZB 12/01, BGHZ 148, 307 [309]). Zu den anerkannten Korporationsrechten zählt neben der Organisationsgewalt die - gegenständlich auf die normative Ausgestaltung der Körperschaft und der aus ihr abgeleiteten einzelnen Rechte beschränkte (BVerwG, NVwZ 2008, 1357 Rz. 14) - Rechtsetzungsautonomie (P. Kirchhof in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., S. 651, 670 f.; Korioth, a.a.O., Rz. 87, 90; von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl., S. 257 ff., 266; Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, S. 294 f.; Zacharias, NVwZ 2007, 1257 [1259 f.]; Magen, NVwZ 2001, 888 f.). Diese unmittelbar mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verbundene und deshalb schon in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV wurzelnde Befugnis stellt ein zentrales Recht der korporierten Religionsgemeinschaften zur Gestaltung einer ihrem religiösen Selbstverständnis gemäßen Organisationsform dar (vgl. Zacharias, a.a.O.; Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, S. 15, 271 ff. und NVwZ 2001, 888 f.; P. Kirchhof, a.a.O., S. 671).
Rz. 23
b) Da eine Regelung über die Eingliederung lokaler Vereine in die neu entstandene Körperschaft Rechte außenstehender Dritter - wie beispielsweise der Vereinsgläubiger - und damit den bürgerlichen Rechtskreis berührt, handelt es allerdings nicht um eine allein den inneren Bereich einer Religionsgemeinschaft betreffende Angelegenheit, für die sich aus den staatlichen Gesetzen keine Schranken ergeben (vgl. BVerfG, NJW 1999, 350; BGH, Urt. v. 11.2.2000 - V ZR 271/99, NJW 2000, 1555 f.; BVerfG, DVBl. 2007, 1555, 1561 m.w.N.). Vielmehr wird die Rechtsetzungsbefugnis der Körperschaft durch die Schranke des für alle geltenden Gesetzes gem. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV begrenzt, welche gegenüber allen Gewährleistungen des Art. 137 WRV gilt (Morlok in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 137 WRV Rz. 57).
Rz. 24
Zu den für alle geltenden Gesetzen zählen auch die Vorschriften des Sachenrechts (BVerfG NJW 1983, 2571 f.; BGH, Urt. v. 11.2.2000 - V ZR 271/99, NJW 2000, 1555 f.; BayObLG NJW-RR 1994, 914 f.; vgl. auch BVerwG, NVwZ 2008, 1357 Rz. 17 und NVwZ 1991, 774 [776]) und die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, welche den Erwerb und Verlust der Rechtsfähigkeit regeln (vgl. BVerfGE 83, 341 [355]; Muckel in Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., S. 827, 836 f.; Ehlers in Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 137 WRV Rz. 18 f.; Magen in Umbach/Clemens, GG, Art. 140 Rz. 88 ff.; von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl., S. 106; vgl. auch Mückl in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., Band VII, S. 711, 783; von Campenhausen/Unruh, in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 137 WRV Rz. 190 ff. und BVerwG NVwZ 1991, 774 [776]). Diese Regelungen haben für Religionsgemeinschaften dieselbe Bedeutung wie für jedermann und treffen sie in ihrer Besonderheit nicht härter als andere (vgl. dazu BVerfG, DVBl. 2007, 1555, 1561; BVerfGE 66, 1 [20 m.w.N.]).
Rz. 25
c) Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften des Sachenrechts und des Vereinsrechts führt jedoch nicht dazu, dass sich diese Normen stets gegenüber den grundgesetzlich geschützten Rechten der Religionsgemeinschaften durchsetzen (vgl. BVerfGE 53, 366, 400, 404; 66, 1, 22; 70, 138, 167; Mückl, a.a.O., S. 783; Morlok, a.a.O., Rz. 34). Die inkorporierten Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung bilden mit dem Grundgesetz ein organisches Ganzes. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gewährleistet mit Rücksicht auf das zwingende Erfordernis des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche sowohl das selbständige Ordnen der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung von Kirchenfreiheit und Schrankenzweck ist durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen (BVerfGE 53, 366 [400 f.]; 66, 1, 22; 70, 138, 167; BGH, Urt. v. 11.2.2000 - V ZR 271/99, NJW 2000, 1555 f.; v. 28.3.2003 - V ZR 261/02, NJW 2003, 2097 [2099]).
Rz. 26
Dementsprechend ist anerkannt, dass auch im Bereich des bürgerlichen Rechts die Religionsfreiheit ihre Grenze nicht stets an den Rechten außenstehender Dritter findet (vgl. BVerfGE 57, 220 [244]; Khan, Rpfleger 1990, 71 f.). So sind beispielsweise innerkirchliche Regelungen über die Vertretung bei Rechtsgeschäften und über Genehmigungserfordernisse grundsätzlich auch im staatlichen Recht zu beachten (BVerwG, NVwZ 2008, 1357 Rz. 15; OLG Braunschweig Rpfleger 1991, 452 f.; OLG Hamm Rpfleger 1981, 60 f.; Seeger, MittBayNot 2003, 361; Eckert/Heckel, MittBayNot 2006, 471 f.; Schäfer, NVwZ 2008, 1319 f.; Khan, Rpfleger 1990, 71 f.). Auch ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung, dass religionsrechtliche Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht insolvenzfähig sind, obwohl dadurch auch die Rechtsstellung der Gläubiger tangiert wird (BVerfGE 66, 1 [25]). Zudem steht den religiösen Körperschaften die hoheitliche Befugnis zu, Gegenstände mit Wirkung auch gegenüber Außenstehenden zu widmen (BVerfGE 102, 370 [388]; BVerwG, NVwZ 2008, 1357 Rz. 22). Für das Vereinsrecht ist anerkannt, dass bei seiner Anwendung auf Religionsgemeinschaften deren Eigenverständnis in besonderem Maße zu berücksichtigen ist, wobei jedoch unabweisbare Rücksichten auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs und auf die Rechte anderer nicht vernachlässigt werden dürfen (BVerfGE 83, 341 [356]; von Campenhausen/Unruh, in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 137 WRV, Rz. 191 f.). Bei der Anwendung des Vereinsrechts auf Vereine, die Teilgliederungen einer Religionsgemeinschaft sind oder mit ihr in besonderer Verbindung stehen, ist auch den sich daraus ergebenden besonderen Anforderungen an die innere Organisation Rechnung zu tragen (BVerfGE 83, 341 [356]).
Rz. 27
d) Bei der danach erforderlichen Güterabwägung ist auf der einen Seite von Bedeutung, dass eine der Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nachfolgende Eingliederung von Vereinen dem Aufbau der Körperschaft dient (vgl. zu diesem Aspekt Claasen, Religionsfreiheit und Staatskirchenrecht in der Grundrechtsordnung, S. 175). Da die Neuverleihung der Körperschaftsrechte und damit auch der Aufbau einer Körperschaft in Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. Claasen, a.a.O., S. 175), kommen dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft und der privilegierten Rechtsposition, welche sich aus dem Körperschaftsstatus ergibt, in dieser Gründungsphase besonderes Gewicht zu. Hier erhielt die Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen in Deutschland durch die Verleihung der Körperschaftsrechte erstmals die Möglichkeit, sich in Deutschland eine ihrem Selbstverständnis entsprechende Organisationsstruktur zu geben. In Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 GG, 137 Abs. 3 Satz 1 WRV hat sie entschieden, die bislang als selbständige Vereine organisierten regionalen Untergliederungen in die Körperschaft einzugliedern. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die Auflösung der zahlreichen lokalen Vereine nach dem allgemeinen Vereinsrecht und die Übertragung ihres Eigentums nach zivilrechtlichen Regeln auf die Körperschaft mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden wäre, der die Ausübung des Selbstverwaltungs- und Selbstorganisationsrechts erheblich - wenn nicht gar unzumutbar - erschwerte. Die Vereine müssten nach § 47 BGB liquidiert werden (vgl. BeckOK/BGB/Schöpflin, Edition 26, § 41 Rz. 3 f., § 47 Rz. 1). Das Vereinsvermögen könnte erst nach Ablauf des Sperrjahres nach § 51 BGB an die Körperschaft ausgeantwortet werden, die Vereine bestünden gem. § 49 Abs. 2 BGB bis zur Beendigung der Liquidation fort. Die Übertragung von unbeweglichem Vermögen auf die Körperschaft bedürfte jeweils gem. §§ 873, 925 BGB der Auflassung und Eintragung in das Grundbuch.
Rz. 28
Auf der anderen Seite haben aber auch die mit den hier tangierten Normen des Zivilrechts verfolgten Ziele erhebliches Gewicht. Der Schutz der Religionsfreiheit sowie des Selbstverwaltungsrechts der Religionsgemeinschaften darf nicht dazu führen, unabweisbare Rücksichten auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs und auf die Rechte anderer zu vernachlässigen (vgl. BVerfGE 83, 341 [356]; BK/Kästner, Art. 140 GG, Rz. 322, Stand: März 2010, Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl., Art. 140 Rz. 25). Die Vorschriften über die Liquidation von Vereinen dienen dem Schutz der Gläubiger (Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 47 Rz. 1). Deswegen kann grundsätzlich gem. § 47 BGB die Verteilung des Vereinsvermögens bei Auflösung des Vereins nur in dem gesetzlich vorgeschriebenen Liquidationsverfahrens erfolgen (BeckOK/BGB/Schöpflin, Edition 26, § 41 Rz. 3 f., § 47 Rz. 1). Im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs unterrichtet das Vereinsregister die Öffentlichkeit über die Rechtsverhältnisse des eingetragenen Vereins (BeckOK/BGB/Schöpflin, Edition 26, § 55 Rz. 1; Waldner/Wörle-Himmel in Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 19. Aufl., Rz. 139a aE); dort sind gem. § 76 Abs. 1 BGB auch die Liquidatoren, ihre Vertretungsmacht und die Beendigung der Liquidation einzutragen. Die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken ergeben sich grundsätzlich aus dem Grundbuch (vgl. aber auch § 3 Abs. 2 GBO). Erfolgt eine Grundbucheintragung, wird hierdurch der im Sachenrecht geltende Publizitätsgrundsatz verwirklicht. Die Umwandlung von Rechtsträgern - welche eine Gesamtrechtsnachfolge ohne Gläubigerzustimmung und ohne Liquidation ermöglicht (vgl. Decker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 UmwG Rz. 2) - wird durch das Umwandlungsgesetz geregelt, wobei § 1 Abs. 2 UmwG eine Umwandlung außerhalb des Umwandlungsgesetzes nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässt und § 1 Abs. 3 UmwG die Regeln des Umwandlungsgesetzes zu zwingendem Recht erklärt (Semler in Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 3. Aufl., § 1 Rz. 1). Auch diese Regelungen dienen dem Schutz der Gläubiger und dem Interesse der Rechtssicherheit (Semler, a.a.O.; vgl. auch Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, UmwStG, 5. Aufl., § 1 UmwG, Rz. 73).
Rz. 29
e) Die widerstreitenden Rechtspositionen sind zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Dies führt dazu, dass die Eingliederung eines eingetragenen Vereins in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts durch Kirchengesetz in der Gründungsphase grundsätzlich möglich ist.
Rz. 30
aa) Zur Wahrung der Sicherheit des Rechtsverkehrs müssen für eine wirksame Eingliederung allerdings folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Rz. 31
(1) Die Eingliederung hat durch - im Amtsblatt der Religionsgemeinschaft zu veröffentlichendes - Gesetz der Körperschaft zu erfolgen, ein Verwaltungsakt ist nicht ausreichend. Das Gesetz muss hinreichend klar sein. Der einzugliedernde Verein muss namentlich benannt und der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Eingliederung eindeutig geregelt sein.
Rz. 32
(2) Es muss Gesamtrechtsnachfolge angeordnet sein. Eine Übertragung nur des Vermögens oder einzelner Vermögensgegenstände wäre mit den Gläubigerinteressen unvereinbar. Durch eine Gesamtrechtsnachfolge kommt es zwar zu einem Austausch des Schuldners ohne Mitwirkung des Gläubigers. Die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des neuen Schuldners - der Körperschaft des öffentlichen Rechts - ist aber gering (vgl. BVerfGE 66, 1 [24]). Denn die Verleihung des Körperschaftsstatus an eine Religionsgemeinschaft setzt voraus, dass diese nach ihrem Mitgliederbestand und den Vermögensverhältnissen in der Lage ist, ihren finanziellen Verpflichtungen auf Dauer nachzukommen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im Verleihungsverfahren sorgfältig zu prüfen (BVerfG, a.a.O.).
Rz. 33
Die vollständige Eingliederung eines Vereins in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist mit der Übertragung des Eigentums an einzelnen Vermögensgegenständen nicht vergleichbar. Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob und ggf. unter welchen Bedingungen eine solche Eigentumsübertragung durch Kirchengesetz erfolgen kann (vgl. nur BVerfG NJW 1983, 2571 f. - obiter dictum, Demharter, GBO, 28. Aufl., § 20 Rz. 9; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rz. 3295a; Mainusch, NJW 1999, 2148 ff.), bedarf somit keiner Entscheidung.
Rz. 34
(3) Schließlich muss der Verein der Religionsgemeinschaft angehören und sich deren Regelungsbefugnis hinsichtlich einer Eingliederung und einer damit verbundenen Vermögensübertragung unterworfen haben. Der Staat kann einer Religionsgemeinschaft keine Hoheitsbefugnisse gegenüber Personen verleihen, die ihr nicht angehören (BVerfGE 19, 206 [216]).
Rz. 35
bb) Betrifft die Eingliederung einen im Vereinsregister eingetragenen Verein, müssen sich die rechtliche Beendigung des Vereins und die Rechtsnachfolge durch die Körperschaft klar aus dem Register ergeben, damit dieses seine Funktion erfüllen kann, die Öffentlichkeit über die Verhältnisse des Vereins zu unterrichten (vgl. BeckOK/BGB/Schöpflin, Edition 26, § 55 Rz. 1; Waldner/Wörle-Himmel, a.a.O., Rz. 139a aE). Daher hat die Körperschaft die Eingliederung eines eingetragenen Vereins in entsprechender Anwendung von §§ 278 Abs. 1, 198 Abs. 2 Satz 3 UmwG zur Eintragung in das Vereinsregister anzumelden. Eine solche Eintragung ist zwar nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Beendigung des Vereins und seine Eingliederung in die Körperschaft. Kommt die Körperschaft ihrer Verpflichtung zur Anmeldung nicht nach und führt die fehlende Eintragung der Eingliederung zu einer Irreführung von Vereinsgläubigern, vermag dies aber Schadensersatzansprüche gegen die Körperschaft zu begründen.
Rz. 36
2. Das von der Körperschaft Jehovas Zeugen in Deutschland erlassene Gesetz hat die Eingliederung des Beklagten in die Körperschaft nicht herbeigeführt, da die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die eigenständige rechtliche Existenz des Beklagten ist daher nicht beendet.
Rz. 37
a) Allerdings ist Art. 1 Ziff. I Übergangsgesetz dahingehend auszulegen, dass damit die Eingliederung des Beklagten in die Körperschaft Jehovas Zeugen in Deutschland und die Beendigung seiner Rechtsfähigkeit beabsichtigt waren.
Rz. 38
Die Regelung ist hingegen nicht so zu verstehen - wie es das Berufungsgericht für möglich hält -, dass der Beklagte in eine religionsrechtliche Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit umgewandelt werden sollte. Art. 1 Ziff. I Übergangsgesetz i.V.m. § 6 StRG ist zwar missverständlich dahingehend formuliert, dass mit der Verleihung der Körperschaftsrechte die Versammlungen religionsrechtlich selbständige Untergliederungen des öffentlichen Rechts sind, deren Eigentum ihnen zugeordnet bleibt und von ihnen verwaltet wird. Aus dem an die Versammlung Ö. gerichteten Schreiben des Zweigkomitees vom 26.5.2008, worin festgestellt ist, dass das Vermögen des Beklagten auf die Körperschaft Jehovas Zeugen in Deutschland übergangen ist, die nun ihrerseits dessen "Zuordnung" zu der Versammlung bestätigt, wird jedoch deutlich, dass die Versammlungen durch Art. 1 Ziff. I Übergangsgesetz nicht in rechtlich selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts umgewandelt werden sollten. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft, wie sich aus der späteren Klarstellung in § 5 Abs. 4 Statusrechtsgesetz in der Fassung vom 27.5.2009 (Amtsblatt von Jehovas Zeugen in Deutschland, Nr. 2, Jahrgang 2009, Seite 1) ergibt. Danach verfügen die religionsrechtlich selbständigen Gliederungen grundsätzlich nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit im staatlichen Recht, soweit Vorschriften des Religionsrechts eine solche nicht ausdrücklich anordnen.
Rz. 39
b) Durch diese Regelungen konnte die Eingliederung des Beklagten in die Körperschaft jedoch nicht erreicht werden.
Rz. 40
Sie sind schon nicht hinreichend klar. Dass im Wege der Gesamtrechtsnachfolge eine Eingliederung der lokalen Vereine in die Körperschaft und damit verbunden die Beendigung der eigenständigen rechtlichen Existenz der Vereine erreicht werden sollte, ergibt sich aus Art. 1 Ziff. I Übergangsgesetz i.V.m. § 6 Statusrechtsgesetz nicht. Erst aufgrund der späteren Klarstellung in § 5 Abs. 4 Statusrechtsgesetz in der Fassung vom 27.5.2009 wird erkennbar, dass die Versammlungen jedenfalls keine eigene Rechtspersönlichkeit mehr besitzen sollen. Aus den Regelungen wird jedoch nicht deutlich, dass eine Gesamtrechtsnachfolge und damit auch der Übergang der Verbindlichkeiten des jeweiligen Vereins auf die Körperschaft eintreten soll. Der feststellende Verwaltungsakt im Schreiben der Körperschaft vom 26.5.2008, wonach das "Vermögen" des Vereins auf die Körperschaft übergegangen ist und das vormalige Vereinsvermögen dem Verein lediglich zugeordnet wird, verhilft den kirchengesetzlichen Regelungen nicht zu der erforderlichen Klarheit. Denn die Unklarheit eines Gesetzes kann nicht durch den Erlass eines Verwaltungsaktes behoben werden. Hinzu kommt, dass die einzugliedernden Vereine in dem Gesetz nicht benannt sind und auch der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Eingliederung nicht geregelt ist.
Rz. 41
Den Regelungen muss somit die Anerkennung versagt bleiben. Sie tragen den Interessen des Rechtsverkehrs und insb. der Gläubiger nicht hinreichend Rechnung. Auch für einen aufmerksamen Gläubiger bleibt unklar, welches rechtliche Schicksal die ihm zustehende Forderung erfahren hat und gegen wen eine mögliche Klage zu richten wäre. Die Unklarheit der von der Körperschaft erlassenen Regelungen zeigt sich letztlich auch darin, dass das Grundbuchamt diese dahingehend verstanden hat, dass die "Versammlung Ö." Rechtsnachfolgerin des Beklagten geworden ist. Eine Auslegung in dieser Weise hat auch das Berufungsgericht für möglich gehalten.
Rz. 42
3. Da die versuchte Eingliederung des Beklagten bereits aus den vorgenannten Gründen unwirksam ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob sich die Regelungsbefugnis der Körperschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland auf das Land Baden-Württemberg erstreckte, wo der Beklagte ansässig ist, obwohl dort bislang keine Zweitverleihung der Körperschaftsrechte erfolgt ist (s. dazu VG Mainz, NVwZ-RR 2012, 417 f.; VG München, ZevKR 29 (1984), 628 ff. mit Anm. Störle; Zacharias, NVwZ 2007, 1257 ff.; P. Kirchhof, a.a.O., S. 687; von Campenhausen/de Wall, a.a.O., S. 139; Mückl, a.a.O., S. 774; BeckOK/GG/Germann, Edition 17, Art. 140 Rz. 70; Bohl, Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften, S. 95 f.; Ehlers in Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 137 WRV Rz. 29).
Rz. 43
C. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 3722635 |
BGHZ 2013, 61 |