Leitsatz (amtlich)
1. Konkludenter Streitbeitritt nach §§ 66 II, 70 I 2 ZPO durch Einlegung eines Einspruchs gegen Versäumnisurteil.
2. Vermögensübergang von einem eingetragenen Verein "Jehovas Zeugen Versammlung Ö. e.V." auf die Religionsgemeinschaft "Jehovas Zeugen in Deutschland" bzw. die Untergliederung der Religionsgemeinschaft "Versammlung Ö." (§ 51 BGB; Übergangsgesetz vom 8.7.2006, Amtsblatt von Jehovas Zeugen in Deutschland, Nr. 1, Jahrgang 2006, S. 6 und Neufassung vom 27.5.2009, Amtsblatt von Jehovas Zeugen in Deutschland, Nr. 2, Jahrgang 2009, S. 1 ff
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen 1 O 181/10 Ri) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Streithelfers wird das Urteil des LG Heilbronn vom 17.5.2011 - Az. 1 O 181/10 - abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Das Versäumnisurteil des LG Heilbronn vom 11.3.2011 wird aufgehoben.
2. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention in beiden Instanzen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten und des Streithelfers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten und der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 180.847,72 EUR
Gründe
I. Die Klägerin hat in I. Instanz die nach § 116 SGB X auf sie als gesetzlichen Krankenversicherer übergegangenen Ansprüche ihrer Versicherungsnehmerin G. auf Schadensersatz wegen eines am 4.10.2003 im Zusammenhang mit der Durchführung von Renovierungsarbeiten am Königreichssaal von Jehovas Zeugen in Ö. erlittenen Unfalls gegen den Beklagten Ziff. 1 geltend gemacht.
Am 4.10.2003 wurden an dem zum damaligen Zeitpunkt noch im Eigentum des Beklagten Ziff. 1 stehenden Königreichssaal in Ö. Renovierungsarbeiten durchgeführt. Die zunächst mit der Verpflegung der dort beschäftigten Personen befasste Versicherungsnehmerin der Klägerin, G., begab sich danach in das Dachgeschoss. Dabei stürzte sie durch die Decke auf den Boden des Saales und erlitt eine dauerhafte Querschnittlähmung. Die Klägerin hat bisher 241.130,29 EUR an Krankenversicherungs- und Pflegeleistungen erbracht, die sie unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Versicherungsnehmerin zu 50 % vom Beklagten Ziff. 1 als privatem Bauherrn wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten verlangt.
Der Beklagte Ziff. 1 war seit 8.2.1968 zunächst unter VR ..., sodann unter VR ... als Zeugen Jehovas Versammlung Ö. e.V. im Vereinsregister des AG Ö. eingetragen.
Nach Anerkennung der Jehovas Zeugen in Deutschland (Beklagte Ziff. 2) als Religionsgemeinschaft und Erstverleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erließ die Religionsgemeinschaft das Übergangsgesetz vom 8.7.2006 (veröffentlicht im Amtsblatt von Jehovas Zeugen in Deutschland, Nr. 1, Jahrgang 2006, S. 6, einsehbar als pdf-Datei auf der homepage "www.jehovaszeugen.de").
Aufgrund dessen Art. 1 gilt zu § 8 des Statuts von Jehovas Zeugen in Deutschland (StRG):
"Bereits bestehende Versammlungen werden als vom Zweigkomitee gegründete Versammlungen anerkannt, ohne dass dies eines erneuten Anerkennungsakt des bedarf. Mit der Verleihung der Körperschaftsrechte sind sie religionsrechtlich selbständige Untergliederungen des öffentlichen Rechts. Dies gilt auch, soweit sie zur Teilnahme am Rechtsverkehr als eingetragene Vereine gehandelt haben. Bis zu ihrer Löschung im Vereinsregister sind sie kirchliche Vereine im Sinne der Abgabenordnung. Das Eigentum der eingetragenen Vereine bleibt den Versammlungen zugeordnetes Eigentum i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 3 StRG. Soweit Versammlungen nicht als eingetragene Vereine gehandelt haben, wird ihnen durch Beschluss des Zweigkomitees Eigentum zugeordnet."
§ 8 StRG (Neufassung vom 27.5.2009, veröffentlicht im Amtsblatt von Jehovas Zeugen in Deutschland, Nr. 2, Jahrgang 2009, S. 1 ff., einsehbar als pdf-Datei auf der homepage www.jehovaszeugen.de) lautet:
"(1) Die Versammlungen sind religionsrechtlich selbständige Gliederungen. Ihr Wirken ist öffentlich-religionsrechtliches Handeln. Das ihnen als Eigentum zugeordnete Vermögen sowie vereinnahmte Spenden werden von ihnen verwaltet.
(2) Jede Versammlung wird durch die Ältestenschaft, die aus den für die Versammlung ernannten Ältesten besteht, geleitet und vertreten.
(3) Die Versammlungen werden vom Zweigkomitee gegründet, aufgelöst oder zusammengelegt und unterliegen der Aufsicht des Zweigbüros. Sie tragen den Namen "Jehovas Zeugen, Versammlung ...".
(4) Die Versammlungen erfüllen ihre Aufgaben im Rahmen der Versammlungsordnung (VersO), die für alle Versammlungen verbindlich ist."
Am 12.12.2007 löschte das AG Ö. den Beklagten Ziff. 1 als Verein aus dem Vereinsregister, weil jener mit schriftlichem Beschluss aller Mitglieder vom 5.8.2007 auf die Rechtsfähigkeit verzichtet habe (Bl. 55 ...