Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Juni 1998 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte zu 1 betreibt ein Optikerfachgeschäft. Die Beklagten zu 2 und 3 sind ihre Geschäftsführer. Die Beklagte zu 1 ließ vor dem Hintergrund des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1. November 1996, nach dessen Vorschriften die Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkassen an Brillengestellen mit Ablauf des 31. Dezember 1996 weggefallen war, am 3. Januar 1997 im Stadtanzeiger W. eine Anzeige erscheinen, in welcher sie mit der Aussage warb:
„Nulltarif*
für komplette Brille
Wir bleiben dabei!”.
Der angebotene „Nulltarif” sollte dabei nach einem räumlich abgesetzten Sternchenhinweis „für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse mit Leistungsanspruch auf zwei Korrektionsgläser” gelten.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat diese Werbeaussage beanstandet und die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie sieht in der beanstandeten Werbung das Angebot zu einer unentgeltlichen Abgabe von Brillenfassungen an Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen, in dem sowohl eine unzulässige Zugabe zu den verordneten Brillengläsern als auch ein übertriebenes und damit wettbewerbswidriges Anlocken von Kunden liege.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zeitungsinseraten oder anderen öffentlichen Mitteilungen mit den Aussagen zu werben
„Nulltarif*
für komplette Brille
Wir bleiben dabei!”
*für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse mit Leistungsanspruch auf zwei Korrektionsgläser”,
insbesondere, wenn dies in der nachfolgend wiedergegebenen Art geschieht
und/oder
Brillen, bestehend aus Fassungen und handwerklich eingearbeiteten Gläsern an Kunden mit einem Leistungsanspruch auf zwei Korrektionsgläser abzugeben, ohne die Fassung gesondert zu berechnen.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit ihrer (zugelassenen) Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt:
Eine Verletzung von § 1 Abs. 1 ZugabeVO scheide aus. Ein Verkehrsverständnis, nach dem die Brillengläser als Hauptware veräußert und das Brillengestell kostenlos als Nebenleistung mitgegeben werde, erscheine erfahrungswidrig. Beworben werde ausdrücklich eine komplette Brille bestehend aus Gestell und Gläsern. Auch wenn die Brille zum selben Preis wie die Gläser abgegeben werde, suggeriere dies keineswegs, daß damit das Brillengestell eine ohne Berechnung gewährte Nebenleistung darstelle. Vielmehr seien von den Beklagten zwei grundsätzlich als Gegenstand einer Hauptware anzusehende Teile zu einer Leistungseinheit zusammengefaßt und dieses Gesamtangebot zu einem Gesamtpreis beworben worden. Dies gelte unabhängig davon, auf welchem Teil des Angebots das Schwergewicht liege. Entscheidend sei allein, daß der Verbraucher das Angebot „komplette Brille” hier so verstehe, daß er die einzelnen Bestandteile bei der Entrichtung des Gesamtpreises zusammen bezahle.
Selbst wenn man aber das Vorliegen einer Zugabe in Form der Brillenfassungen unterstelle, sei die Werbung der Beklagten zu 1 insoweit nicht zu beanstanden, da sie sich nur auf die unentgeltliche Mitgabe handelsüblichen Zubehörs i.S. des § 1 Abs. 2 Buchst. d ZugabeVO beziehe.
Ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines verdeckten Koppelungsangebotes oder des übertriebenen Anlockens sei gleichfalls nicht gegeben. Die Werbung der Beklagten zu 1 sei auch nicht irreführend im Sinne von § 3 UWG.
II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, daß die Beklagten in der beanstandeten Anzeige keine Zugabe angekündigt und § 1 Abs. 1 ZugabeVO nicht zuwidergehandelt haben.
a) Eine Zugabe liegt vor, wenn eine Leistung ohne besondere Berechnung neben einer entgeltlich angebotenen Hauptware gewährt wird, der Erwerb der Nebenleistung vom Abschluß des Geschäfts über die Hauptware abhängig ist und dabei in der Weise ein innerer Zusammenhang besteht, daß die Nebenleistung mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware gewährt wird und das Angebot wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Eine Zugabe kann danach immer nur eine von der Hauptware verschiedene, zusätzlich in Aussicht gestellte oder gewährte Nebenleistung sein. Werden dagegen die beiden in Rede stehenden Waren oder Leistungen vom Verkehr als eine Einheit angesehen, ist eine Zugabe begrifflich ausgeschlossen (st. Rspr.; BGHZ 139, 368, 371 f. – Handy für 0,00 DM, m.w.N.).
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, der Letztverbraucher verstehe die streitgegenständliche Werbung nicht dahin, daß die Gläser die Hauptware und die Brillenfassung eine von dieser verschiedene Nebenware sei. Der Letztverbraucher sehe darin vielmehr nur eine Hauptware als Leistungseinheit.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 28. November 1996 „Brillenpreise II” (I ZR 197/94, GRUR 1997, 767, 770 = WRP 1997, 735) – in anderem rechtlichen Zusammenhang – entschieden, daß die sozialversicherungsrechtliche Leistungsabgeltung bei Sehhilfen in ihrer unterschiedlichen Eintrittspflicht für Gläser einerseits, Brillenfassungen andererseits, die Verkehrsauffassung nicht präge. Daran hat sich im hier gegebenen Zusammenhang auch durch das Beitragsentlastungsgesetz vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1631) nichts geändert (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2000 – I ZR 271/97 – Null-Tarif, Umdr. S. 7, zur Veröffentlichung bestimmt).
Entgegen den Ausführungen der Revision hat das Berufungsgericht bei seiner tatrichterlichen Würdigung auch die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Werbung nicht erkennbar vernachlässigt und nicht lediglich auf ein „abstraktes” Verkehrsverständnis abgestellt. Die Revision folgert dies zu Unrecht aus dem Sternchenhinweis der streitbefangenen Anzeige, mit dem sich das Berufungsgericht nicht im einzelnen auseinandergesetzt hat. Eine solche Auseinandersetzung war indes nicht mehr geboten. Denn das Berufungsgericht hat sich rechtsbedenkenfrei darauf gestützt, daß in der beanstandeten Anzeige ausdrücklich eine „komplette Brille” – so die Unterzeile der Überschrift – beworben worden ist. Die Rüge der Denkgesetzwidrigkeit geht deshalb fehl, zumal der Sternchenhinweis der Anzeige, den die Revision insoweit heranzieht, nicht das beworbene einheitliche Angebot spaltet, sondern nur den Fall näher bezeichnet, für den das Angebot gelten soll.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG verneint.
a) Ein Verstoß gegen § 1 UWG durch ein verdecktes Koppelungsangebot scheidet schon deshalb aus, weil hier nicht – was das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang offengelassen hat – mehrere Einzelwaren zu einem Gesamtangebot verbunden worden sind. Wie das Berufungsgericht mit Blick auf die Zugabeverordnung zutreffend angenommen hat, ist Gegenstand der beanstandeten Werbung nur eine aus mehreren unselbständigen Teilen zusammengesetzte Hauptware, nämlich das einheitliche Angebot einer kompletten, zuzahlungsfrei abgegebenen Brille.
b) Entgegen der Ansicht der Revision, die auch das Oberlandesgericht Hamburg in einer – im Verfügungsverfahren ergangenen – Entscheidung vertreten hat (WRP 1999, 374), ist die angegriffene Werbung der Beklagten zu 1 auch nicht geeignet, in übertriebener, sittenwidriger Weise Kunden anzulocken.
aa) Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs. Ein wettbewerbswidriger Anlockeffekt kann erst durch den Einsatz zusätzlicher, unsachlicher Mittel entstehen. Kennzeichen solcher Mittel ist, daß sie nicht Preiswürdigkeit oder Qualität des Angebotes steigern, sondern Kunden von einer preis- und qualitätsbewußten Prüfung verschiedener Angebote durch werbendes Herausstellen leistungsfremder Vergünstigungen abhalten (BGH, Urt. v. 28.4.1994 – I ZR 68/92, GRUR 1994, 743, 745 = WRP 1994, 610 – Zinsgünstige Kfz-Finanzierung durch Herstellerbank; Urt. v. 25.9.1997 – I ZR 84/95, GRUR 1998, 500, 502 = WRP 1998, 388 – Skibindungsmontage; BGHZ 139, 368, 375 – Handy für 0,00 DM).
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die beanstandete Werbung der Beklagten zu 1 für den zuzahlungsfreien Erwerb von Brillen durch Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen auch nach Inkrafttreten des Beitragsentlastungsgesetzes keinen besonderen Anreiz geschaffen habe, der den angesprochenen Kassenmitgliedern den Blick für eine sachgerechte Entscheidung beim Brillenkauf verstellte.
Der Annahme einer leistungsfremden Vergünstigung als Lockmittel steht schon entgegen, daß sich die angegriffene Werbeaussage ebenso wie die ältere Null-Tarif-Werbung des Augenoptikerhandwerks auf die Lieferung von Brillen an Kassenmitglieder als einheitliches Angebot bezieht. Es ist nicht zu mißbilligen, wenn die Beklagte zu 1 die bei Belieferung von Kassenmitgliedern mit ärztlich verordneten Sehhilfen gewährten Festbeträge der Kassen für genügend hielt, um im Rahmen dieser Vergütung auch die in der sozialversicherungsrechtlichen Versorgung ausgesparten Brillengestelle zuzahlungsfrei an ihre versicherten Kunden mitliefern zu können (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2000 – I ZR 271/97 – Null-Tarif, Umdr. S. 9, zur Veröffentlichung bestimmt).
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision ferner dagegen, daß das Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 3 UWG verneint hat. Einen solchen Verstoß hat auch die Klägerin in den Tatsacheninstanzen nicht beanstandet und mit gezieltem Sachvortrag untermauert, sondern lediglich mit Blick auf den Vorwurf übertriebenen Anlockens behauptet, bei den von der Anzeige angesprochenen Kassenmitgliedern entstehe der Eindruck, sie erhielten das Brillengestell von der Beklagten zu 1 geschenkt.
Diese Behauptung der Klägerin beruht auf unzutreffenden Annahmen. Die von der Werbung angesprochenen Versicherten können nämlich ohne weiteres erkennen, daß die Beklagte zu 1 die sozialversicherungsrechtliche Leistungsabgeltung bei Lieferung einer Brille mit zwei verordneten Gläsern an Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Mischkalkulation insgesamt für ausreichend hält und deswegen für die Kosten des Gestells auf Zuzahlung verzichtet.
III. Danach war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Pokrant, Büscher, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.06.2000 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen