Leitsatz (amtlich)
Der Frachtführer hat die für die Anwendbarkeit der Beweisvermutung gemäß Art. 18 Abs. 2 Satz 1 CMR erforderliche Schadenskausalität ausreichend dargelegt, wenn er die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den in Art. 17 Abs. 4 CMR bezeichneten besonderen Gefahren und einem Verlust des Transportgutes konkret aufzeigt oder dieser aus einer der Gefahren lebenserfahrungsgemäß folgt.
Normenkette
CMR Art. 17 Abs. 4, Art. 18 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 44 (16) O 216/94) |
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 18 U 70/97) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich eines Betrages von 102.060 DM nebst Zinsen zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt das beklagte Speditionsunternehmen auf Zahlung von Schadensersatz für in Verlust geratenes Transportgut und Rückzahlung von Frachtkosten in Anspruch.
Am 16. Juni 1994 erteilte die Klägerin der Beklagten zu fixen Kosten (5.600,– DM) den Auftrag, die Beförderung von 24 Europaletten Kaugummi von Mülheim an der Ruhr nach Moskau zu besorgen. Die Klägerin hatte die Ware zuvor laut einer Rechnung vom 14. Juni 1994 zu einem Preis von 102.060,– DM an die niederländische Firma Sk. verkauft. Als Empfängerin des Transportgutes war im CMR-Frachtbrief die A. Ltd., P. 18, in Moskau eingetragen. Die Beklagte gab den Transportauftrag an die S. Deutschland AG weiter, die ihrerseits ein slowakisches Transportunternehmen einschaltete, das schließlich die Firma M. Trans mit der Durchführung der Beförderung betraute. Deren Fahrer T. übernahm die Ware am 17. Juni 1994 in Mülheim an der Ruhr.
Die Klägerin hat behauptet, die Ware sei bei der Empfängerin nicht angekommen. Sie habe den Fahrer der Unterfrachtführerin bei Übernahme des Transportgutes angewiesen, er solle sich nach Ankunft in Moskau unter einer auf einem mitgegebenen Zettel notierten Telefonnummer entweder bei der Empfängerfirma oder unter der ebenfalls notierten privaten Telefonnummer bei deren Direktor melden, die ihm genaue Anweisungen erteilen würden. Hieran habe sich der Fahrer nicht gehalten. Der auf dem CMR-Frachtbrief als Empfangsquittung aufgebrachte Stempel sei gefälscht und stamme ebensowenig wie die dazugehörige Unterschrift von einem Mitarbeiter der Empfängerin. Es habe auch keine Abfertigung des Lkw beim russischen Zoll stattgefunden.
Zur Schadenshöhe hat die Klägerin behauptet, daß der in der Rechnung vom 14. Juni 1994 ausgewiesene Betrag von 102.060,– DM dem tatsächlichen Warenwert entsprochen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 107.660,– DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte ist dem Schadensersatzverlangen nach Grund und Höhe entgegengetreten. Sie hat behauptet, die Ware sei ordnungsgemäß abgeliefert worden. Der Fahrer sei am Ankunftstag gegen 16.00 Uhr direkt zu der im CMR-Frachtbrief angegebenen Empfängerin gefahren, um sich in deren Büro zu melden. Er sei von zwei Mitarbeitern der Empfängerin, die sich durch Dokumente und Ausweise als solche ausgewiesen hätten, gebeten worden, auf einem bewachten Parkplatz zu übernachten, da die Verzollung der Ware erst am nächsten Morgen habe erfolgen können. Am nächsten Morgen hätten dieselben Mitarbeiter der Empfängerin den Fahrer abgeholt und ihn zum Zollamt begleitet. Anschließend hätten sie sich mit den Frachtunterlagen um die Verzollung der Ware gekümmert, die dabei auch überprüft worden sei. Sodann sei der Fahrer mit seinen Begleitern zum Lager der Empfängerin gefahren, wo die Entladung des Lkw vorgenommen worden sei. Bei dieser Gelegenheit sei auch der Frachtbrief quittiert worden.
Hinsichtlich der geltend gemachten Schadenshöhe hat die Beklagte behauptet, die in der Rechnung vom 14. Juni 1994 ausgewiesenen Preise entsprächen nicht dem in Deutschland zu erzielenden Marktpreis. Sie seien bezogen auf die einzelnen Kaugummimarken um 30 % überhöht. Im übrigen bestreite sie, die Beklagte, daß die Klägerin Zahlung gemäß der in Rede stehenden Lieferrechnung erhalten habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat dem Klagebegehren in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 4 i.V. mit Art. 3 CMR entsprochen. Die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluß nach Art. 17 Abs. 2 CMR hat es verneint. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die Beklagte habe die Ablieferung des Transportgutes bei dem rechtmäßigen Empfänger nicht bewiesen. Der konkrete Verbleib der Ware sei vielmehr ungeklärt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stamme die Empfangsquittung mit Stempel und Unterschrift auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief nicht von einem Mitarbeiter der Empfängerfirma. Es handele sich hierbei nach den glaubhaften Bekundungen des Generaldirektors der Empfängerin vielmehr um eine Fälschung.
Die Beklagte könne sich nicht auf die Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 2 CMR berufen, da nicht festgestellt werden könne, daß der Verlust der Ware vor Ablieferung durch ein Verschulden der Klägerin verursacht worden sei. Die beweispflichtige Beklagte habe nicht nachweisen können, daß der Fahrer tatsächlich ohne Telefonnummern als Kontaktmöglichkeit zur Abwicklung der Auslieferung unterwegs gewesen sei. Überdies habe die Beklagte – bei unterstellter fehlender Telefonnummern – nicht nachweisen können, daß dieser Umstand für den Verlust des Transportgutes ursächlich gewesen sei, da sie ihre Darlegungen zur Transportabwicklung nach Ankunft in Moskau nicht bewiesen habe. Aus demselben Grund könne auch nicht festgestellt werden, daß der Verlust des Transportgutes für den Fahrer unabwendbar gewesen sei.
Den der Erwerberin der Ware aufgrund des Abhandenkommens des Gutes entstandenen Schaden könne die Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten mit Zustimmung der Geschädigten im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen. Die Höhe des zu ersetzenden Schadens ergebe sich aus der Lieferrechnung der Klägerin vom 14. Juni 1994 mit 102.060,– DM, da der tatsächlich erzielte Verkaufspreis in der Regel den Marktpreis darstelle. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe überhöhte Preise in Rechnung gestellt, sei demgegenüber unsubstantiiert. Daneben stehe der Klägerin gemäß Art. 23 Abs. 4 CMR ein eigener Anspruch auf Erstattung der bereits gezahlten Frachtkosten zu.
II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich eines Betrages von 102.060 DM zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Sie führen in diesem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte zumindest als Fixkostenspediteurin i.S. des § 413 Abs. 1 HGB (in der bis zum 30.6.1998 gültigen Fassung) anzusehen ist und als solche der Haftung nach der CMR unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1997 – I ZR 131/95, TranspR 1998, 25, 26 = VersR 1998, 82; Urt. v. 13.11.1997 – I ZR 157/95, TranspR 1998, 250; Herber/Piper, CMR, Art. 1 Rdn. 28 ff., m.w.N.).
Nach Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR schuldet der Frachtführer grundsätzlich Schadensersatz u.a. für den während seiner Obhutszeit eingetretenen Verlust des Transportgutes. Er ist von dieser Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR dann befreit, wenn der Schaden durch ein Verschulden des Verfügungsberechtigten oder durch Umstände verursacht worden ist, die sowohl für den Frachtführer selbst als auch für seine Gehilfen (Art. 3 CMR) unvermeidbar waren und deren Folgen keine dieser Personen abwenden konnte. Unvermeidbarkeit i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, daß der Schaden auch bei Anwendung der äußersten, ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 – I ZR 164/96, TranspR 1999, 59, 61 = VersR 1999, 469).
2. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 CMR bejaht, weil sie nicht bewiesen habe, daß das von der Unterfrachtführerin (unstreitig) bei der Absenderin in Mülheim/Ruhr übernommene Gut bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin in Moskau abgeliefert worden sei. Es hat angenommen, daß Stempel und Unterschrift auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief zum Nachweis der Ablieferung ungeeignet seien, weil es sich hierbei um Fälschungen handele. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß es grundsätzlich Sache des Frachtführers ist, die Ablieferung des Gutes zu beweisen (vgl. Herber/Piper, CMR, Art. 17 Rdn. 168; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 17 CMR Rdn. 12, jeweils m.w.N.). Es hat seine Annahme, daß die ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin nicht bewiesen sei, vor allem darauf gestützt, daß der auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief aufgebrachte Stempel der Empfängerin gefälscht sei. Zu dieser Feststellung ist das Berufungsgericht aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Stempels und der Aussage des Zeugen K. gelangt.
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß sich der Zeuge K. nicht zu der Frage geäußert habe, ob die Unterschrift auf dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief von einem Mitarbeiter der bestimmungsgemäßen Empfängerin A. Ltd. stammen könne; auf den Stempel komme es – worauf die Klägerin selbst hingewiesen habe – nicht an. Hiermit vermag die Revision nicht durchzudringen.
Der objektive Beweiswert der Aussage des Zeugen K. wird nicht deshalb gemindert, weil er sich nicht ausdrücklich dazu geäußert hat, ob die zum Stempel gehörende Unterschrift von einem Mitarbeiter der Empfängerfirma stammt. Der Zeuge hat auf die Frage, ob das auf dem Firmenstempel befindliche Handzeichen von einem Mitarbeiter der Empfängerin stamme, geantwortet, der Stempel sei gefälscht. Diese Antwort hat das Berufungsgericht, das sich die Ausführungen des Landgerichts zu eigen gemacht hat, im Rahmen seiner eigenen tatrichterlichen Würdigung zugleich als Verneinung der an den Zeugen gerichteten Frage gewertet. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es lag aus Sicht des Berufungsgerichts nahe, daß der Zeuge mit seinem Hinweis auf die Fälschung des Stempels zugleich auch in Abrede stellen wollte, daß die Unterschrift von einem Mitarbeiter der bestimmungsgemäßen Empfängerin stamme. Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge die an ihn gerichtete Frage nicht richtig aufgenommen haben könnte, sind nicht ersichtlich.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte den Zeugen K. gemäß § 398 ZPO erneut vernehmen müssen.
aa) Es steht grundsätzlich im Ermessen des Rechtsmittelgerichts, ob es einen in erster Instanz gehörten Zeugen erneut vernimmt (§ 398 Abs. 1 ZPO). Zwar kann das Ermessen im Einzelfall gebunden sein, so etwa dann, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will und es hierfür auf den persönlichen Eindruck ankommt, den der Zeuge hinterläßt (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1998 – VI ZR 30/97, NJW 1998, 2222; Urt. v. 16.7.1998 – I ZR 32/96, GRUR 1999, 367, 368 = WRP 1999, 208 – Vieraugengespräch). Auch dann, wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen oder anders würdigen will als die Vorinstanz, kann eine erneute Vernehmung des Zeugen erforderlich sein (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.1998 – I ZR 20/96, NJW-RR 1998, 1601, 1602 m.w.N.). Schließlich ist anerkannt, daß eine Beweisaufnahme dann zu wiederholen ist, wenn die erste Instanz von einer Würdigung der Aussage eines von ihr vernommenen Zeugen ganz abgesehen oder diese in einer völlig ungenügenden Weise vorgenommen hat (vgl. BGHZ 53, 245, 257; BGH, Urt. v. 28.10.1987 – I ZR 164/85, BGHR ZPO § 398 Abs. 1 – Ermessen 6; Urt. v. 16.12.1999 – III ZR 295/98, VersR 2000, 227, 228). Derartige Fallgestaltungen liegen hier jedoch nicht vor.
bb) Die Revision meint, eine Verpflichtung zur erneuten Vernehmung des Zeugen K. habe sich daraus ergeben, daß seine Aussage im Widerspruch zum Klagevorbringen und zum Wortlaut des am 6. Juli 1994 abgefaßten Telefaxschreibens stehe. Während der Zeuge bekundet habe, er habe erst am 7. Juli 1994 wegen des Ausbleibens der Ladung Kontakt mit der Klägerin aufgenommen und sei erst Mitte Juli 1994 in den Besitz einer Fotokopie des Frachtbriefes gelangt, trage die Klägerin vor, sie habe durch ein Telefaxschreiben der Empfängerin bereits am 6. Juli 1994 vom Verlust der Ware erfahren.
Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Denn die Rüge, das Berufungsgericht habe durch Übernahme eines erstinstanzlichen Beweisergebnisses gegen § 286 ZPO verstoßen, weil es eine im ersten Rechtszug durchgeführte Beweisaufnahme nicht wiederholt habe, kann grundsätzlich nur dann erfolgreich erhoben werden, wenn diese Rüge bereits im Berufungsrechtszug erhoben wurde (vgl. BGHZ 133, 36, 39). Die Partei muß nämlich dem Berufungsgericht den Rechtsstreit so unterbreiten, daß dieses erkennen kann, aus welchen Gründen das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird (vgl. BGHZ 35, 103, 106 f.; 133, 36, 39).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da in der Berufungsbegründung der Beklagten die von der Revision aufgezeigten angeblichen Widersprüche nicht behauptet worden sind. Insbesondere bezieht sich der auf den Seiten 7 und 8 der Berufungsbegründung vorgetragene Angriff nicht auf die von der Revision dargestellten vermeintlichen Ungereimtheiten. Vielmehr betrifft das Berufungsvorbringen den Umstand, daß dem Zeugen K. zu Beginn seiner Vernehmung eine Fotokopie des Frachtbriefes vorgelegt worden sei und er darauf spontan mit den von der Dolmetscherin übersetzten Worten „Der hier befindliche Stempel ist echt” reagiert habe. Nach Verlesung und Rückübersetzung der protokollierten Aussage hat der Zeuge sodann das Protokoll korrigiert und klargestellt, daß er den Stempel von Anfang an als Fälschung bezeichnet habe. Die Dolmetscherin hielt es für möglich, daß sie den Zeugen falsch verstanden habe. Aus dieser nachträglichen Berichtigung der Aussage hat die Berufungsbegründung Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage hergeleitet. Darum geht es hier indes nicht. Daher hat für das Berufungsgericht aufgrund des Berufungsvorbringens kein Anlaß zur Prüfung bestanden, ob die erstmals von der Revision aufgezeigten Widersprüche Anlaß für eine Wiederholung der Beweisaufnahme gaben (vgl. Wieczorek/Rössler, ZPO, 2. Aufl., § 526 Anm. A; MünchKommZPO/Rimmelspacher, § 525 Rdn. 3).
c) Eine erneute Vernehmung des Zeugen T. war ebenfalls nicht geboten, da das Berufungsgericht von der Beweiswürdigung des Landgerichts nicht abgewichen, sondern dieser ausdrücklich beigetreten ist. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die Zuverlässigkeit des Zeugen T. nicht offengelassen, sondern deutlich in Zweifel gezogen. Es hat aus der Tatsache, daß der Zeuge erst nach Verlesen des in der Klageerwiderung vorgetragenen Sachvortrags in der Lage war, die Beweisfrage zu beantworten, Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage hergeleitet. Diese Beweiswürdigung steht mit den allgemein anerkannten Beweisregeln und den Denkgesetzen in Einklang. Auch die Revision, die die anfängliche Erinnerungsschwäche des Zeugen lediglich anders würdigt, zeigt insoweit keinen revisiblen Rechtsfehler auf.
Entgegen der Annahme der Revision werden die Darlegungen zur eingeschränkten Zuverlässigkeit der Aussage des Zeugen T. durch die abschließenden Überlegungen des Landgerichts zur Beweiswürdigung nicht relativiert. Es hat mit seiner durch die Worte „Doch selbst wenn diese Zweifel zurückgestellt werden” eingeleiteten Hilfserwägung zusätzlich den objektiven Beweiswert der Aussage in Zweifel gezogen, indem es darauf hinweist, daß selbst bei unterstellter Richtigkeit der Aussage des Zeugen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne, daß er von Dritten getäuscht worden sei.
d) Auch die weitere Rüge der Revision, bei der rechtlichen Überprüfung der Beweiswürdigung zur Frage der Ablieferung des Gutes müsse zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß die Ware ordnungsgemäß verzollt worden sei, bleibt ohne Erfolg.
Die Frage der ordnungsgemäßen Verzollung war zwischen den Parteien in beiden Tatsacheninstanzen umstritten und konnte auch nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht geklärt werden. Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht das von der Beklagten angebotene Sachverständigengutachten zur Frage, daß sich bei ordnungsgemäßer Zollabfertigung derjenige, der die Zollanmeldung unter Vorlage eines CMR-Frachtbriefes betreibe, als Mitarbeiter der im CMR-Frachtbrief angegebenen Empfangsfirma legitimieren müsse, nicht einzuholen.
e) Schließlich ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb revisionsrechtlich zu beanstanden, wie die Revision geltend macht, weil der Zeuge K. bekundet hat, unter der im Frachtbrief angegebenen Empfängeranschrift habe sich kein Büro befunden und zum damaligen Zeitpunkt habe bei der Empfängerfirma kein Mitarbeiter Deutsch oder Englisch gesprochen. Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen K. wird dadurch nicht in Zweifel gezogen.
3. Die Revision wendet sich des weiteren ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich nicht auf eine Haftungsbefreiung nach Art. 17 Abs. 2 CMR berufen, weil sie nicht habe nachweisen können, daß der Verlust der Ware vor Ablieferung durch ein Verschulden der Klägerin verursacht worden sei.
Es kann offenbleiben, ob – wie von der Beklagten geltend gemacht – der Klägerin deshalb ein Verschulden anzulasten ist, weil es sich bei der von ihr im Frachtbrief angegebenen Adresse lediglich um eine Postanschrift der Empfängerin gehandelt habe, unter der das Gut nicht habe abgeliefert werden können. Ebensowenig kommt es darauf an, ob dem Fahrer die Weisung erteilt worden ist, er solle sich nach seiner Ankunft in Moskau bei der Empfängerin oder deren Direktor telefonisch melden, und ob ihm hierfür entsprechende Telefonnummern mitgeteilt worden sind. Denn die gemäß Art. 18 Abs. 1 CMR beweisbelastete Beklagte hat nicht bewiesen, daß die von ihr behaupteten Sorgfaltsverstöße der Klägerin für den Eintritt des Schadens ursächlich waren.
aa) Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang angenommen, die Beklagte habe ihre Darlegungen zum Transportablauf, wonach der Fahrer die reine Postanschrift der Empfängerin, P. 18 in Moskau, angefahren habe und daß er dort von unbekannten Personen in Empfang genommen worden sei, nicht bewiesen. Die erstinstanzliche Aussage des Zeugen T. sei in bezug auf eine Bestätigung des Beklagtenvortrags nicht überzeugend, da der Zeuge offenbar keine tatsächliche Erinnerung mehr an den konkret in Rede stehenden Transport gehabt habe. An der erst zuletzt erklärten Bestätigung der Darstellung der Beklagten über die Art und Weise der Ablieferung gebe es daher, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, erhebliche Zweifel.
bb) Diese tatrichterliche Würdigung wird von der Revision ohne Erfolg angegriffen. Ihr kann – wie unter II 2 c bereits dargelegt wurde – nicht darin beigetreten werden, daß das Landgericht keine abschließende Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen T. vorgenommen und dessen Bestätigung des Vortrags der Beklagten als wahr unterstellt habe. Das Landgericht hat die Zuverlässigkeit des Zeugen T. deutlich in Zweifel gezogen. Da das Berufungsgericht der Beweiswürdigung des Landgerichts ausdrücklich gefolgt ist, brauchte es den Zeugen nicht gemäß § 398 ZPO erneut zu vernehmen. Danach kann das Vorbringen der Beklagten zum Transportablauf entgegen der Auffassung der Revision nicht als wahr unterstellt werden.
Steht somit nicht fest, daß der streitgegenständliche Transport in Moskau den von der Beklagten behaupteten Verlauf genommen hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die angeblichen Sorgfaltsverstöße der Klägerin für den Verlust des Gutes ursächlich waren.
Auf die Beweiserleichterung nach Art. 18 Abs. 2 i.V. mit Art. 17 Abs. 4 lit. e CMR kann sich die Beklagte entgegen der Ansicht der Revision schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil von dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift nur Kennzeichnungen erfaßt werden, die unmittelbar auf den Frachtstücken angebracht sind. Darum geht es hier indes nicht. Zudem setzt die Anwendbarkeit der Beweisvermutung des Art. 18 Abs. 2 Satz 1 CMR voraus, daß der Frachtführer die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Verlust und den in Art. 17 Abs. 4 CMR bezeichneten besonderen Gefahren konkret aufzeigt oder dieser aus einer der Gefahren lebenserfahrungsgemäß folgt (vgl. Herber/Piper aaO Art. 18 Rdn. 11). Daran fehlt es im Streitfall ebenfalls.
cc) Aus dem nicht erbrachten Nachweis des Ursachenzusammenhangs folgt zugleich, daß der Beklagten keine Schadensersatzansprüche aus Art. 7 Abs. 1 lit. a CMR zustehen, die der Klageforderung im Wege des dolo-petit-Einwands (§ 242 BGB) entgegengesetzt werden könnten. Denn der Schadensersatzanspruch aus Art. 7 Abs. 1 CMR erfordert, daß die zu ersetzenden Schäden durch die unvollständigen Angaben im Frachtbrief verursacht worden sind. Diesen Nachweis hat die beweisbelastete Beklagte (vgl. Teutsch in: Thume, CMR, Art. 7 Rdn. 6) gerade nicht erbracht.
4. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Umfang des Schadensersatzanspruchs der Klägerin nicht gemäß Art. 17 Abs. 5 i.V. mit Abs. 2 CMR zu begrenzen. Eine Haftungsverteilung setzt den vom Frachtführer zu erbringenden Nachweis voraus, daß der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, für die er nicht haftet (vgl. Thume/Seltmann in: Thume aaO Art. 18 Rdn. 89 ff.). Diesen Nachweis hat die Beklagte – wie bereits dargelegt – indes nicht erbracht.
5. Da die Beklagte verpflichtet ist, für den streitgegenständlichen Verlust gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR Schadensersatz zu leisten, muß sie nach Art. 23 Abs. 4 CMR die von der Klägerin erhaltenen Frachtkosten in Höhe von 5.600,– DM zurückerstatten. In diesem Umfang ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
6. Erfolg haben dagegen die von der Revision gegen die Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs erhobenen Rügen.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Höhe des nach Art. 23 Abs. 1 und 2 CMR zu ersetzenden Schadens ergebe sich aus der vorgelegten Lieferrechnung der Klägerin vom 14. Juni 1994. Der darin ausgewiesene Rechnungsbetrag von 102.060,– DM stelle den Marktpreis dar. Die dagegen gerichtete Behauptung der Beklagten, die Preise seien überhöht, sei nicht hinreichend substantiiert.
b) Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an ein wirksames Bestreiten überspannt hat. Im Grundsatz hängt die Substantiierungslast des Bestreitenden davon ab, wie eingehend die darlegungspflichtige Gegenpartei vorgetragen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 12.10.1989 – IX ZR 184/88, WM 1989, 1779; Urt. v. 8.12.1992 – VI ZR 24/92, WM 1993, 461; Urt. v. 3.2.1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers ein einfaches Bestreiten des Beklagten (vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1993 – VI ZR 176/92, NJW 1993, 1782; Urt. v. 11.7.1995 – X ZR 42/93, NJW 1995, 3311). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht darlegungsbelastete Partei im Regelfall nur dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgeblichen Tatsachen nicht kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, WM 1990, 1844; Urt. v. 17.10.1996 – IX ZR 293/95, WM 1996, 2253; BGH NJW 1999, 1404, 1405 f.). Die Voraussetzungen für ein qualifiziertes Bestreiten liegen im Streitfall nicht vor.
Die Beklagte hat als Speditionsunternehmen gegenüber der für die Schadenshöhe darlegungspflichtigen Klägerin hinsichtlich des Marktpreises von Kaugummi keinen Informationsvorsprung. Die Klägerin ist als Importeurin und Großhändlerin von Süßwaren vielmehr auch ohne Mithilfe der Beklagten zum sachgerechten Vortrag über das im Rahmen des Art. 23 Abs. 2 CMR maßgebliche Preisniveau der in Verlust geratenen Ware in der Lage. Unter diesen Umständen durfte sich die Beklagte prozessual zulässig darauf beschränken, die Angaben der Klägerin zum Wert der Ladung durch einfaches Bestreiten in Abrede zu stellen.
Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Beklagte die Schadenshöhe prozessual rechtsmißbräuchlich, gewissermaßen „ins Blaue hinein” bestritten hat. Diese Grenze des zulässigen Vortrags wird erst dann überschritten, wenn die Behauptungen willkürlich, ohne greifbare Anhaltspunkte aufgestellt werden (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.1998 – III ZR 174/97, NJW-RR 1999, 361, m.w.N.). Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der wechselseitige Sachvortrag wie im vorliegenden Fall gleichermaßen plausibel ist. Auch der Sachvortrag der Klägerin zur Schadenshöhe besteht bei wertender Betrachtung aus einer einfachen Tatsachenbehauptung, deren Plausibilität sie nicht durch objektivierbare Angaben zur Preisgestaltung auf dem Süßwarenmarkt erläutert hat.
III. Danach war das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Pokrant, Büscher, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.06.2000 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 510795 |
BB 2000, 2491 |
NJW-RR 2000, 1635 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2166 |
MDR 2001, 44 |
VRS 2000, 356 |
VersR 2001, 216 |