Leitsatz (amtlich)
1. Der Entladevorgang gehört zum "Gebrauch" des Fahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen daran beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann "durch den Gebrauch" des Kraftfahrzeugs entstanden, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt worden ist. Das Entladen eines Tanklastzugs mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe ist danach dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt.
2. Zum Begriff der Anlage im Sinne des § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG.
Normenkette
PflVG § 1; WHG § 89 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. September 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie auf die Berufung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten das Grund- und Teilurteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. September 2021 zum Nachteil der Beklagten abgeändert worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten noch um einen von der Beklagten mit der Wider- und Drittwiderklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch aufgrund einer Heizöllieferung.
Rz. 2
Die Beklagte ist Miteigentümerin eines Hausgrundstücks. Sie bestellte bei der Klägerin Heizöl. Diese beauftragte mit der Lieferung den Streithelfer der Drittwiderbeklagten, einen Spediteur, dessen Kfz-Haftpflichtversicherer die Drittwiderbeklagte ist. Als Fahrer der Spedition lieferte der Drittwiderbeklagte der Beklagten das Heizöl am 1. Juli 2019. Das Hausgrundstück der Beklagten verfügt über einen Erdtank. Der Zugang zum Erdtank führt über einen Domschacht, in dem sich neben dem Füllstutzen für den Erdtank ein weiterer, "blinder" Füllstutzen befindet, der zu einem im Jahr 2007 entfernten Tank im Haus führte. Die Beklagte wies den Fahrer bei Anlieferung des Öls darauf hin, dass von den zwei im Domschacht vorhandenen Einfüllstutzen einer "blind" ist. Der Fahrer schloss den Ölschlauch des Tankwagens anstatt an den zum Erdtank gehörenden an den über ein Stück Rohrleitung in den Keller führenden Einfüllstutzen an und pumpte mit der Pumpe des Tanklastwagens 2.926 l Heizöl in den Keller. Es kam zu Verunreinigungen des Erdreichs und am Gebäude.
Rz. 3
Mit ihrer Wider- und Drittwiderklage verlangt die Beklagte von der Klägerin, dem Kfz-Haftpflichtversicherer und dem Fahrer als Gesamtschuldner Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 25.060,01 € nebst Prozesszinsen (Antrag 1), Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden aus dem Ölunfall (Antrag 2) und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Antrag 3).
Rz. 4
Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil die Wider- und Drittwiderklageanträge 1 und 3 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit sie sich gegen die Klägerin und den Fahrer richten, und die begehrte Feststellung (Antrag 2) gegen die Klägerin und den Fahrer ausgesprochen. Die gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer gerichteten Anträge hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin und des Fahrers hat das Oberlandesgericht das Grund- und Teilurteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Anträge 1 bis 3 gegen die Klägerin und den Fahrer abgewiesen, soweit die Beklagte mit ihnen Schadensersatzansprüche auf der Grundlage einer Haftungsquote von mehr als 50 % geltend macht. Die Berufung der Beklagten, mit der sie ihre Anträge gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer weiterverfolgt, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und insoweit die Revision zugelassen.
Rz. 5
Mit der teilweise vom Berufungsgericht und im Übrigen vom Senat zugunsten der Beklagten zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Wider- und Drittwiderklageanträge gegen die Klägerin, den Kfz-Haftpflichtversicherer und den Fahrer weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Die Beklagte, die aufgrund der Ermächtigung der weiteren Miteigentümer des Hausgrundstücks aktivlegitimiert sei, habe gegen die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB. Im Rahmen des zwischen der Beklagten und der Klägerin geschlossenen Kaufvertrags über die Lieferung von Heizöl sei es zu einer Pflichtverletzung gekommen. Der Fahrer des Tanklastwagens habe als Erfüllungsgehilfe der Klägerin bei der Lieferung des Heizöls nicht überprüft, ob der von ihm für den Anschluss des Ölschlauchs des Tankfahrzeugs gewählte Stutzen tatsächlich in den Erdtank führe. Die Beklagte habe bei der Lieferung des Öls gegenüber dem Fahrer erklärt, es seien in dem Domschacht zwei Einfüllstutzen vorhanden, einer davon sei "blind"; er solle sichergehen, dass er den Richtigen wähle. Die Beklagte müsse sich als Anlagenbetreiberin allerdings nach § 89 Abs. 2 WHG eine Mithaftung von 50 % anrechnen lassen. Sie sei für den Zustand der Anlage und die Einhaltung der Verkehrssicherheit verantwortlich. Der Einstufung des "blinden" Einfüllstutzens als Anlage im Sinne des § 89 Abs. 2 WHG stehe nicht entgegen, dass von der ursprünglich vorhandenen Heizungsanlage nach Entfernen des Kellertanks nur noch ein Stück der Rohrleitung mit dem im Domschacht befindlichen Stutzen vorhanden sei. Der Anlagenbegriff des § 89 Abs. 2 WHG sei im Hinblick auf den Gewässerschutz weit gefasst und erfasse auch stillgelegte Anlagen, wenn sie weiterhin für ihre Umgebung gefährlich seien. Diese Gefahr für den Gewässerschutz gehe auch von der Restanlage der Beklagten aus, da aufgrund der nicht gesicherten Öffnung des Stutzens ein versehentliches Einfüllen von Heizöl und damit auch eine Gefährdung möglich sei. Bei der Bemessung der beiderseitigen Schadensbeiträge sei von zwei Anlagenbetreibern auszugehen, auch wenn die Klägerin nicht selbst Inhaberin des Tanklastwagens sei. Es sei eine hälftige Schadensteilung vorzunehmen.
Rz. 8
Die gleichen Erwägungen zur Mithaftung würden auch für die Ansprüche der Beklagten gegen den Fahrer gelten. Dieser hafte aus § 823 Abs. 1 BGB, da er das Eigentum der Beklagten verletzt und dabei fahrlässig gehandelt habe. Er habe trotz Hinweises auf zwei Stutzen und Bitte der Beklagten, deren Zugehörigkeit zum Erdtank zu prüfen, ihren Verlauf nicht kontrolliert.
Rz. 9
Ein Anspruch der Beklagten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer auf Ersatz der Schäden aus dem Ölunfall nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bestehe hingegen nicht. Das Landgericht habe eine Haftung des von der Klägerin mit der Öllieferung beauftragten Streithelfers des Kfz-Haftpflichtversicherers, eines Spediteurs, aus § 7 Abs. 1 StVG, und dessen Fahrers aus § 18 StVG zutreffend verneint. Es scheide auch eine Haftung des Streithelfers nach § 2 Abs. 1 HPflG aus. Zwar hafte der Streithelfer nach § 831 BGB, weil sein Fahrer mit dem Anschluss des Ölschlauchs des Tanklastwagens an den falschen Einfüllstutzen im Domschacht schuldhaft das Eigentum der Beklagten verletzt habe. Voraussetzung eines Anspruchs gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer sei jedoch, dass der Schadensersatzanspruch im Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt sei. Diese umfasse zwar nicht nur Schäden aufgrund des Betriebs eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG, sondern auch aufgrund dessen Gebrauchs. Zum Gebrauch gehöre auch der Entladevorgang, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen beteiligt seien. Unabhängig davon, ob der Tanklastzug mit seinen speziellen Vorrichtungen eingesetzt worden sei, habe sich hier jedoch keine vom Fahrzeug selbst ausgehende Gefahr verwirklicht. Der Schaden sei nicht durch eine Fehlfunktion oder Fehlbedienung des Fahrzeugs oder einer seiner Betriebseinrichtungen verursacht worden, sondern allein auf eine fahrzeugfremde Ursache zurückzuführen.
II.
Rz. 10
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Anspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VVG, § 1 PflVG verneint (unter 1.). Außerdem rechtfertigen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen seine Annahme, die gegen die Klägerin und den Fahrer geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien aufgrund mitwirkender Gefahr der Anlage nach § 254 BGB i.V.m. § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG nur zur Hälfte berechtigt, nicht (unter 2.).
Rz. 11
1. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Anspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VVG, § 1 PflVG nicht verneint werden. Die gegen den Fahrer nach § 823 Abs. 1 BGB und den Streithelfer des Kfz-Haftpflichtversicherers nach § 831 Abs. 1 BGB bestehenden Ansprüche sind von der Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers umfasst.
Rz. 12
a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings einen Anspruch der Beklagten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VVG, § 1 PflVG i.V.m. § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG mit der Begründung verneint, dass der Schaden nicht "bei dem Betrieb" des Fahrzeugs entstanden sei. Das wird von der Revision auch nicht angegriffen.
Rz. 13
aa) Ein Schaden ist dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist dabei stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit grundsätzlich maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 2023 - VI ZR 87/22, NZV 2023, 265 Rn. 8 f.; vom 21. September 2021 - VI ZR 726/20, NJW 2022, 624 Rn. 6; jeweils mwN). Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird (vgl. Senatsurteile vom 18. Juli 2023 - VI ZR 16/23, juris Rn. 13; vom 21. September 2021 - VI ZR 726/20, NJW 2022, 624 Rn. 7; vom 13. Dezember 1994 - VI ZR 283/93, NJW 1995, 1150, 1151, juris Rn. 22; jeweils mwN).
Rz. 14
bb) Ursache des Schadens war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, dass der Fahrer des Tanklastwagens den Schlauch des Fahrzeuges im Domschacht an den "blinden" Einfüllstutzen anschloss, der in den Keller des Hauses führte. Die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Tanklastwagens spielte in dieser Situation für das Schadensgeschehen keine Rolle mehr. Das Fahrzeug wurde hierbei nur als Arbeitsmaschine eingesetzt (zu einer vergleichbaren Situation Senatsurteil vom 23. Mai 1978 - VI ZR 150/76, BGHZ 71, 212, 215 f., juris Rn. 9).
Rz. 15
b) Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht eine Haftung des Fahrers des Tanklastwagens nach § 823 Abs. 1 BGB und des Spediteurs, bei dem der Fahrer beschäftigt ist, nach § 831 Abs. 1 BGB rechtsfehlerfrei bejaht. Dies wird von der Revisionserwiderung auch nicht angegriffen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Beklagte diese Schadensersatzansprüche auch gegen die Drittwiderbeklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VVG, § 1 PflVG geltend machen.
Rz. 16
aa) Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VVG kann ein Dritter, der einen Anspruch auf Schadensersatz hat, seinen Anspruch auch gegen den Versicherer geltend machen (Direktanspruch), wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt und für den Anspruch eine Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis besteht. § 1 PflVG regelt die Versicherungspflicht des Halters eines Kraftfahrzeugs und damit den Mindeststandard des zu gewährleistenden Haftpflichtversicherungsschutzes; an diese Vorschrift knüpft die Regelung des Direktanspruchs an (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 21). Nach § 1 PflVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personen-, Sach- und sonstigen Vermögensschäden abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet wird. Der Begriff "Gebrauch des Fahrzeugs" in § 1 PflVG (vgl. auch § 2 Abs. 1 KfzPflVV) schließt den "Betrieb eines Kraftfahrzeugs" im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG ein, geht aber noch darüber hinaus (vgl. Senatsurteile vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 23; vom 26. Juni 1979 - VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45, 48, juris Rn. 34; jeweils mwN).
Rz. 17
Bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist das Interesse versichert, das der Versicherte daran hat, durch den Gebrauch des Fahrzeugs nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden, gleich ob diese auf §§ 7 ff. StVG, §§ 823 ff. BGB oder anderen Haftungsnormen beruhen. Von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung soll die typische, vom Gebrauch des Fahrzeugs selbst und unmittelbar ausgehende Gefahr gedeckt sein (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 22; BGH, Urteile vom 27. Oktober 1993 - IV ZR 243/92, NJW-RR 1994, 218, 219, juris Rn. 16; vom 19. Juli 2023 - IV ZR 384/22, VersR 2023, 1226 Rn. 21). "Gebraucht" wird ein Kraftfahrzeug auch dann, wenn es nur als Arbeitsmaschine eingesetzt wird. Der Entladevorgang gehört danach zu seinem Gebrauch, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen daran beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann "durch den Gebrauch" des Kraftfahrzeugs entstanden, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt worden ist. Nach diesen Grundsätzen ist das Entladen eines Tanklastzugs mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt. Damit wird der Tanklastzug mit seinen speziellen Vorrichtungen unmittelbar eingesetzt. Kommt es hierbei zu einer Schädigung, so verwirklicht sich eine Gefahr, die von dem Fahrzeug selbst ausgeht (vgl. Senatsurteile vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 22; vom 19. September 1989 - VI ZR 301/88, NJW 1990, 257, 258, juris Rn. 8; Senatsbeschluss vom 8. April 2008 - VI ZR 229/07, Schaden-Praxis 2008, 338; Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., AKB 2015 A.1.1 Rn. 19 ff.; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl., A.1 AKB Rn. 49).
Rz. 18
Diesem Verständnis steht die Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (im Folgenden: 6. KH-Richtlinie) nicht entgegen. § 1 PflVG dient heute der Umsetzung von Art. 3 der 6. KH-Richtlinie. Art. 3 der 6. KH-Richtlinie ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit Art. 3 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (im Folgenden 1. KH-Richtlinie; vgl. zu Art. 3 der 1. KH-Richtlinie Senatsurteil vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 24 ff.). Ein Fahrzeug, das zum Zeitpunkt des Unfalls in erster Linie als Arbeitsmaschine und nicht als Transportmittel verwendet wird, fällt nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs nicht unter Art. 3 der 1. bzw. 6. KH-Richtlinie (vgl. EuGH, VersR 2018, 156 Rn. 38, 40 f.; EuGH, VersR 2019, 1008 Rn. 35 f.). Demgegenüber fällt der Einsatz als Arbeitsmaschine nach den oben angeführten Grundsätzen unter den "Gebrauch des Fahrzeugs" nach § 1 PflVG. Der Gesetzgeber sieht mit § 1 PflVG eine für den Geschädigten günstigere Bestimmung vor, als sie zur Umsetzung der 6. KH-Richtlinie erforderlich wäre. Die Besserstellung des Geschädigten ist den Mitgliedstaaten nach Art. 28 der 6. KH-Richtlinie erlaubt.
Rz. 19
bb) In folgenden Fällen hat der Senat Schäden, die beim Entladen von Tankfahrzeugen entstanden sind, als "durch den Gebrauch" des Fahrzeugs entstanden angesehen: Beim Entladen von Heizöl trat wegen einer Undichtigkeit des zur Schlauchtrommel des Tanklastwagens führenden Verbindungsschlauchs Öl aus (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140); während des Befüllens einer aus drei Tankbehältern bestehenden Tankanlage mittels einer mit der Motorkraft des Tanklastzugs betriebenen, auf diesem befindlichen Pumpe trat Heizöl über eine Entlüftungsleitung an der Hauswand aus (Senatsbeschluss vom 8. April 2008 - VI ZR 229/07, Schaden-Praxis 2008, 338; vorhergehend OLG Frankfurt, ZfSch 2008, 377); beim Entladen von Chemikalien aus einem Tankwagen durch Einsatz eines auf diesem befindlichen und durch den Motor des Fahrzeugs angetriebenen Kompressors war der Umfüllschlauch zu hohem Druck ausgesetzt und glitt aus der Öffnung des Tanks (vgl. Senatsurteil vom 19. September 1989 - VI ZR 301/88, NJW 1990, 257); beim Entladen von Öl aus einem Tanklastzug mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe sprang beim Befüllen des Tanks der Schlauch aus der Öffnung und verspritzte Öl (Senatsurteil vom 26. Juni 1979 - VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45, 46, 49, juris Rn. 2, 35). Offengelassen hat der Senat die Frage, ob in einem Fall, in dem ein vom Motor des zu entladenden Kraftfahrzeugs betriebener Kompressor Futter in ein Silo blies und dieses die Wand des Silos durchschlug, der Schaden beim Gebrauch eines Fahrzeugs entstanden ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 1975 - VI ZR 95/74, VersR 1975, 945, juris Rn. 2 f., 19).
Rz. 20
cc) Soweit das Berufungsgericht - der Argumentation des Oberlandesgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 26. Juni 2008 (OLG Hamburg, OLGR 2008, 895) folgend - die Ansicht vertreten hat, es habe sich im Streitfall keine vom Fahrzeug selbst ausgehende Gefahr verwirklicht, vielmehr habe sich das menschliche Versagen des Fahrers ausgewirkt, weshalb der Schaden nicht dem Gebrauch des Fahrzeugs zuzuordnen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Nach den unter aa) dargelegten Maßstäben und der unter bb) wiedergegebenen Senatsrechtsprechung ist im Streitfall der Schaden "durch den Gebrauch" des Tanklastwagens verursacht worden.
Rz. 21
Der Schaden am Hausgrundstück der Beklagten ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beim Entladen des Tanklastwagens mithilfe der Pumpe des Tanklastzugs entstanden, die über den Ölschlauch des Fahrzeugs, der an den "blinden" Einfüllstutzen im Domschacht angeschlossen war, Öl in den Keller der Beklagten pumpte. An der schadensstiftenden Verrichtung waren der Tanklastwagen und seine speziellen Vorrichtungen aktuell und unmittelbar beteiligt. Ein Schaden wird - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht nur dann "durch den Gebrauch des Fahrzeugs" verursacht, wenn der Schaden aufgrund einer fehlerhaften Funktion des Fahrzeugs oder einer seiner Vorrichtungen entsteht. Fahrlässiges Verhalten des Fahrers beim Entladen des Fahrzeugs - wie im Streitfall - hindert die Annahme, dass der Schadenseintritt "durch den Gebrauch des Fahrzeugs" verursacht wurde, nicht. Selbst wenn die Gefahr nicht unmittelbar vom Fahrzeug ausgegangen ist, sondern von einer Person, die eine typische Fahrerhandlung vorgenommen hat, wird angenommen, dass der Schaden "durch den Gebrauch des Fahrzeugs" verursacht wurde (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1980 - IVa ZR 17/80, BGHZ 78, 52, 55 f., juris Rn. 12 f.). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung führt ein solches Verständnis auch nicht zu einer grenzenlosen Einstandspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers nach § 1 PflVG. Diese wird bereits dadurch begrenzt, dass ein Direktanspruch gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer nicht schon dann besteht, wenn ein Schaden "durch den Gebrauch des Fahrzeugs" verursacht wurde; weitere Voraussetzung ist, dass dem Geschädigten ein Anspruch gegen den Eigentümer, den Fahrer oder den Halter des Kraftfahrzeugs aus einer Haftungsnorm zusteht.
Rz. 22
2. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen rechtsfehlerhaft eine mitwirkende Gefahr der Anlage nach § 254 BGB i.V.m. § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG bejaht. Eine solche Gefahr ist im Rahmen des § 254 BGB anspruchsmindernd zu berücksichtigen, wenn der Geschädigte auch aus Gefährdungshaftung in Anspruch genommen werden könnte, wäre nicht ihm, sondern einem Dritten der Schaden entstanden (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 2013 - VI ZR 150/12, NJW 2013, 3235 Rn. 20; BGH, Urteil vom 23. Juni 1952 - III ZR 297/51, BGHZ 6, 319, 323, juris Rn. 12; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., § 254 Rn. 5, 12). Die Beklagte wäre einem Dritten für den Schaden nach § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG aber schon deshalb nicht ersatzpflichtig, weil keine Anlage im Sinne dieser Norm vorliegt.
Rz. 23
a) Gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG ist der Betreiber einer Anlage, die bestimmt ist, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, einem Dritten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn diese Stoffe aus der Anlage in ein Gewässer gelangen, ohne in dieses eingebracht oder eingeleitet zu sein, und dadurch die Wasserbeschaffenheit nachteilig verändert wird. Der Begriff der Anlage ist weit gefasst. Darunter fallen alle ortsfesten oder ortsveränderlichen Einrichtungen, mit denen im Allgemeinen für eine gewisse Dauer bestimmte, in § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG im Einzelnen aufgeführte Zwecke mit technischen Mitteln verfolgt werden (vgl. BGH, Urteile vom 31. Mai 2007 - III ZR 3/06, BGHZ 172, 287 Rn. 15; vom 22. November 1971 - III ZR 112/69, BGHZ 57, 257, 259 f., juris Rn. 21; jeweils mwN; Kotulla, WHG, 2. Aufl., § 89 Rn. 33).
Rz. 24
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 22 Abs. 2 WHG aF, der Vorgängervorschrift des § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG, haftet der Anlagenbetreiber auch für eine funktionslose, also nicht mehr betriebene Öltankanlage, die noch Öl enthält und damit für ihre Umwelt gefährlich bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - III ZR 198/98, BGHZ 142, 227, 232, juris Rn. 10). Die Literatur ist der Ansicht, auch für die Haftung nach § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG müsse die Anlage nicht mehr in Betrieb sein (vgl. BeckOGK/Gude, WHG, Stand: 01.07.2023, § 89 Rn. 36; Kümper in Schink/Fellenberg, GK-WHG, 2021, § 89 Rn. 47; Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl., Rn. 1498 mwN). § 89 Abs. 2 Satz 1 WHG erfasst seinem Sinn und Zweck nach aber nur "gefährliche Anlagen", also solche, deren bestimmungsgemäße Verwendung typischerweise die Gefahr einer Gewässerverunreinigung mit sich bringt (Kümper in Schink/Fellenberg, GK-WHG, 2021, § 89 Rn. 48; Petersen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 102. EL September 2023, § 89 WHG Rn. 64; Reiff in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl., § 89 Rn. 71; vgl. zur Vorgängervorschrift BGH, Urteil vom 29. November 1979 - III ZR 101/77, BGHZ 76, 35, 42, juris Rn. 29). Bei stillgelegten und/oder teilweise demontierten Anlagen ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese aufgrund ihrer weiter bestehenden oder weggefallenen bzw. erneuerten Bestimmung in diesem Sinn noch gefährlich sind, etwa weil sie weiterhin wassergefährdende Stoffe enthalten.
Rz. 25
Maßgeblich für die Beurteilung der Bestimmung einer Anlage ist, für welche Vorgänge sie von ihrem Inhaber bzw. (früheren) Betreiber (noch) vorgesehen ist. Die Bestimmung der Anlage ist nicht objektiv und unveränderlich festgelegt, sondern vom Willen des Betreibers abhängig (vgl. Petersen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 102. EL September 2023, § 89 WHG Rn. 66; Reiff in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl., § 89 Rn. 70).
Rz. 26
b) Im Streitfall dienten bis zum Entfernen des Öltanks im Keller dieser und die zu ihm führende Rohrleitung nebst Einfüllstutzen als Anlage zum Transport und zur Lagerung von Heizöl als wassergefährdendem Stoff (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 14. Juni 1993 - III ZR 135/92, NJW 1993, 2740, juris Rn. 23; BeckOGK/Gude, WHG, Stand: 01.07.2023, § 89 Rn. 33). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde im Jahr 2007 der Öltank im Keller entfernt, übrig blieben der Einfüllstutzen im Domschacht und ein mit ihm verbundenes Rohrstück, das in den Keller führt. Die verbliebenen Teile dienen seit dem Entfernen des Tanks objektiv und nach dem Willen der Beklagten als Betreiberin nicht mehr dem Befüllen eines Heizöltanks und sind daher nicht mehr zum Transport von Heizöl bestimmt. Eine Gefahr für ein Gewässer durch die Restanlage entstand nur dadurch, dass der Einfüllstutzen und das mit ihm verbundene Rohrstück mit einer aktiven Anlage verwechselt und Öl eingefüllt wurde. Diese Nutzung des "blinden" Einfüllstutzens ist mit der bestimmungswidrigen bzw. missbräuchlichen Nutzung einer noch aktiven, aber zu anderen Zwecken bestimmten Anlage vergleichbar. Die bestimmungswidrige Nutzung einer Anlage ist von der Haftung nach § 89 Abs. 2 Satz 1 WGH nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2002 - III ZR 214/01, VersR 2002, 1555, juris Rn. 10, 12, 16 mwN; BeckOGK/Gude, WHG, Stand: 01.07.2023, § 89 Rn. 37; Kümper in Schink/Fellenberg, GK-WHG, 2021, § 89 Rn. 50; Reiff in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl., § 89 Rn. 70; Kotulla, WHG, 2. Aufl., § 89 Rn. 42). Dies gilt auch für die hier vorliegende Restanlage.
Rz. 27
Diese Überlegungen gelten entsprechend für die Anlagenhaftung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG. Dieser Haftung unterfallen Anlagen, die zur Leitung oder Abgabe von Öl bestimmt sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1993 - III ZR 135/92, NJW 1993, 2740, 2741, juris Rn. 31 f.; Kayser in Filthaut/Piontek/Kayser, Haftpflichtgesetz, 10. Aufl., § 2 Rn. 9). Um eine solche Anlage handelt es sich im Streitfall nach der Demontage des Heizöltanks nicht mehr.
III.
Rz. 28
Das Urteil des Berufungsgerichts ist in vorbezeichnetem Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist noch nicht zur Entscheidung reif. Mit der Frage, ob ein mitwirkendes Verschulden aus anderen als den unter II. 2. dargelegten Gründen in Betracht kommt, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Es ist nicht auszuschließen, dass zu dieser Frage noch weitere Feststellungen getroffen werden können. Deshalb ist die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Seiters |
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von Pentz |
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Müller |
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Allgayer |
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Linder |
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Fundstellen