Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundkostenanteil für leer stehende Mietwohnungen. Auslegung Wärmelieferungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Zur ergänzenden Vertragsauslegung eines Wärmelieferungsvertrags zwischen einem Energieversorgungsunternehmen und einem Grundstückseigentümer hinsichtlich des Grundkostenanteils für leer stehende Mietwohnungen.
Normenkette
AVBFernwärmeV § 1; HeizkostenV §§ 6-7
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 07.01.2003) |
LG Hamburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen OLG Hamburg v. 7.1.2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Firma t. Gesellschaft für Fernwärme GmbH, die mit der N. H. S. für einen von dieser zu errichtenden Miethäuserkomplex am 20.12.1973 einen Vertrag über den Anschluss an das Fernheizwerk I. geschlossen hatte. Aus diesem Bestand erwarb der Beklagte mehrere Wohngebäude und trat zum 1.11.1989 in den Vertrag v. 20.12.1973 ein. Seit dem 1.3.1989 rechnet die Klägerin die Fernwärme entsprechend der Heizkostenverordnung (HeizkostenV) unter Zugrundelegung eines Verteilungsschlüssels von 50 : 50 zwischen den nach Wohnfläche (Grundkostenanteil) und den nach Verbrauchseinheiten zu verteilenden Kosten ab.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten für die Heizperioden 1.7.1998 bis 30.6.1999 und 1.7.1999 bis 30.6.2000 für die in dem Miethäuserkomplex leer stehenden Wohnungen auf Zahlung der auf diese entfallenden Wärmekosten in Anspruch, die sie mit 59.260,32 DM errechnet hat. Der Beklagte hält sich zur Übernahme dieser Kosten nicht für verpflichtet und hat im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass er auch für den Abrechnungszeitraum 1.7.2000 bis 30.6.2001 zur Zahlung des für leer stehende Wohnungen errechneten Betrages von 90.158,02 DM abzgl. eines Guthabens von 1.298,22 DM nicht verpflichtet sei.
Das LG, das der Klage entsprechend dem Klageantrag durch Versäumnisurteil stattgegeben hatte, hat nach Einspruch des Beklagten dieses Urteil aufrechterhalten und die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG zurückgewiesen.
Mit seiner - vom OLG zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, das LG habe den Beklagten zu Recht verurteilt, die ihm mit den spezifizierten Abrechnungen für die Heizperioden 1998/1999 und 1999/2000 in Rechnung gestellten Fernwärmekosten für die leer stehenden Mietwohnungen zu bezahlen, und seine negative Feststellungsklage betreffend seine Zahlungspflicht bezüglich des für die Heizperiode 2001/2002 in Rechnung gestellten Betrages abgewiesen.
Aus der ergänzenden Vertragsauslegung des die Parteien bindenden Vertrages v. 20.12.1973 folge, dass der Beklagte als Hauseigentümer verpflichtet sei, der Klägerin die für leer stehende Wohnungen anfallenden Fernwärmekosten zu bezahlen. Im Gegensatz zu vermieteten Wohnungen stehe der Klägerin bei leer stehenden Wohnungen kein Mieter gegenüber, mit dem sie einen Kaufvertrag über zu liefernde Fernwärme schließen könne. Dass für diese Wohnungen gleichwohl Kosten anfielen, könne nicht zweifelhaft sein. Zum einen handele es sich um den nach Wohnfläche berechneten Grundkostenanteil, den die Klägerin nicht zu ihren Gunsten minimieren könne. Die Klägerin sei aber auch gehindert, den Verteilungsschlüssel betreffend die auf qm-Wohnfläche und Verbrauch entfallenden Quoten zu ihren Gunsten zu ändern.
Selbst wenn in leer stehenden Wohnungen keine Verbrauchseinheiten gemessen würden, was in fünf Fällen zutreffend gewesen sei, stehe für diese Wohnungen der sog. Grundkostenanteil offen. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung seien diese Wärmekosten dem Beklagten als Hauseigentümer anzulasten. Dieser habe es letztlich zu vertreten, dass der Klägerin für diese Wohnungen kein Vertragspartner zur Verfügung stehe, mit dem sie einen Kaufvertrag über zu liefernde Fernwärme abschließen und auf den sie den streitigen Grundkostenanteil abwälzen könne. Aus in seiner Sphäre liegenden Gründen könne er der Klägerin keinen Vertragspartner zuführen, wobei es nicht darauf ankomme, ob ihn an dem Leerstand ein Verschulden treffe oder dieser eine Folge der allgemeinen Situation des Wohnungsmarktes oder von Strukturproblemen der Gegend sei.
Im Übrigen wiesen die Abrechnungen der Klägerin ganz überwiegend einen Verbrauchsanteil auf, was bedeute, dass bei den vorgenommenen Ablesungen an den Messeinrichtungen ein Verbrauch festgestellt worden sei. Der Beklagte sei insoweit in die Regelung der AVBFernwärmeV und der HeizkostenV gem. § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV einbezogen. Die Abrechnungen enthielten auch keine offensichtlichen Fehler.
II.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision des Beklagten im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Soweit nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die der Klage zu Grunde liegenden Rechnungen der Klägerin einen Verbrauchsanteil aufweisen, ist der Beklagte zur Zahlung des dafür berechneten Entgelts auf Grund eines geschlossenen Wärmelieferungsvertrags verpflichtet. Durch die mit diesen Rechnungen belegte Entnahme von Fernwärme, die den Umständen nach nur von dem Beklagten veranlasst worden sein kann, hat der Beklagte konkludent das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages angenommen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 30.4.2003 - VIII ZR 279/02 unter II 1 a m. w. N., GE 2003, 872). Als Eigentümer hatte er die Verfügungsgewalt und damit den Zutritt zu den fraglichen leer stehenden Wohnungen, so dass er sich einen dort erfolgten Verbrauch von Fernwärme zurechnen lassen muss. Damit schuldet der Beklagte sowohl den Grundkosten- wie den Verbrauchskostenanteil der auf diese Wohnungen entfallenden Rechnungsbeträge.
2. Hinsichtlich der fünf leer stehenden Wohnungen, für welche kein Verbrauch festgestellt worden ist und für die lediglich der Grundkostenanteil gefordert wird, liegt eine Regelungslücke vor.
a) Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, trifft der Vertrag v. 20.12.1973 keine Bestimmung darüber, welcher der Vertragspartner die Fernwärmekosten für leer stehende Wohnungen in den im Eigentum des Beklagten befindlichen Wohngebäuden zu tragen hat. Entgegen der mit der Gegenrüge der Klägerin vertretenen Ansicht lässt die Auslegung des Vertrages v. 20.12.1973 durch das Berufungsgericht Fehler nicht erkennen. Nach § 1 Nr. 2 des Vertrages hat es die Rechtsvorgängerin der Klägerin (in Zukunft: Klägerin) übernommen, die Bewohner und Nutzungsberechtigten der bezeichneten Wohnungen und Gebäude mit Fernwärme zu versorgen. Gemäß § 3 Nr. 1 hat sie sich zu diesem Zweck zum Betrieb des Fernheizwerkes sowie zur Lieferung und Vorhaltung von Wärme für die jederzeitige Deckung des Wärmebedarfs der "Firma" (Rechtsvorgängerin des Beklagten: in Zukunft Beklagter) und der Abnehmer (Wohnungseigentümer, Pächter, Mieter und sonstige Nutzungsberechtigte) verpflichtet. Die Klägerin liefert die Wärme nach Maßgabe des mit den Abnehmern abzuschließenden Wärmeversorgungsvertrages nebst Allgemeinen Bedingungen (§ 3 Nr. 2 des Vertrages), wobei der Beklagte allen Abnehmern im Siedlungsgebiet aufzuerlegen hat, mit der Klägerin bzw. dem jeweiligen Betreiber des Fernheizwerkes den Wärmelieferungsvertrag nebst Allgemeinen Bedingungen zu schließen (§ 5 Nr. 5 des Vertrages). Entsprechend dieser Regelung ist die Klägerin in der Vergangenheit verfahren und hat mit den jeweiligen Mietern des Beklagten eigene Wärmelieferungsverträge geschlossen und mit diesen abgerechnet. Dass mit dem Beklagten als Wohnungseigentümer für die fraglichen leer stehenden Wohnungen ein Wärmelieferungsvertrag konkludent geschlossen worden wäre, ist nicht festgestellt und wegen fehlenden Verbrauchs in diesen Wohnungen auch nicht ersichtlich.
b) Hierin ist eine Lücke in der Vereinbarung der Parteien zu sehen. Bei Abschluss des Vertrags im Jahre 1973, in den der Beklagte als Rechtsnachfolger der "Firma" einbezogen ist, haben die Vertragsparteien nicht bedacht, dass Wohnungen, für die die Klägerin Wärme bereithält, für einen gewissen Zeitraum leerstehen können. Es ist davon auszugehen, dass sie diesen Fall geregelt hätten, wenn sie die Möglichkeit, dass ein Mieter als Vertragspartner der Klägerin nicht zur Verfügung stand, in ihre Erwägungen einbezogen hätten.
Diese Regelungslücke kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden (st. Rspr., vgl. BGH v. 1.2.1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 [73 f.] = MDR 1984, 750; Urt. v. 14.3.1990 - VIII ZR 18/89, MDR 1990, 1102 = WM 1990, 1202 unter II 2 c; Urt. v. 17.4.2002 - VIII ZR 297/01, BGHReport 2002, 1037 = WM 2002, 1229 unter II 1 m. w. N.). Wenn das Berufungsgericht hierbei zu dem Ergebnis gelangt ist, auch insoweit habe der Beklagte als Eigentümer der Wohnungen die Wärmekosten zu tragen, gehört dies zum Bereich der tatrichterlichen Feststellungen und kann in der Revisionsinstanz nur darauf nachgeprüft werden, ob Auslegungs- und Ergänzungsregeln, Denk- oder Erfahrungssätze oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen worden sind (BGH v. 30.3.1990 - V ZR 113/89, BGHZ 111, 110 [115] = MDR 1990, 908; Urt. v. 12.12.1997 - V ZR 250/96, WM 1998, 626 unter II 3).
Solche Fehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Soweit sie geltend macht, es sei der Klägerin ohne weiteres möglich, die Wärmelieferung für die Leerwohnungen einzustellen, was auch in Fällen, in denen die Mieter mit der Bezahlung in Verzug seien, so gehandhabt werde, wodurch die Klägerin Einfluss auf die Wärmelieferung und damit auf die Gesamtkosten nehmen könne, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch geringere Gesamtkosten der Energieversorgung sind lediglich entsprechend dem gewählten, nur unter den - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 2 HeizkostenV abänderbaren Verteilungsschlüssel auf die Nutzer umzulegen (§ 18 Abs. 7 AVBFernwärmeV, § 1 Abs. 3 HeizkostenV). Damit bleibt, sofern ein Wärmelieferungsvertrag mit einem Mieter nicht geschlossen werden kann, der nach der Wohnfläche bemessene Grundkostenanteil ungedeckt.
Demgemäß durfte das Berufungsgericht im Hinblick darauf, dass der Klägerin nach Sinn und Zweck des Vertrags v. 20.12.1973 ein Anspruch auf das Entgelt für die von ihr erbrachten Versorgungsleistungen für die Wohngebäude des Beklagten zustehen sollte, bei angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben und im Hinblick auf die Verkehrssitte (vgl. BGH v. 21.9.1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138 [142] = MDR 1994, 1211; Urt. v. 14.3.1990 - VIII ZR 18/89, MDR 1990, 1102 = WM 1990, 1202 unter II 2 c; Urt. v. 12.12.1997 - V ZR 250/96, WM 1998, 626 unter II 3) annehmen, dass die Vertragsparteien, wenn sie den regelungsbedürftigen Sachverhalt bedacht hätten, auch eine Verpflichtung des Beklagten zur Tragung der verbrauchsunabhängigen Kosten für leer stehende Wohnungen vereinbart hätten. Da die Klägerin dem Beklagten gegenüber zur Vorhaltung und Lieferung der Wärme für die Gebäude vertraglich verpflichtet war und sich darauf langfristig einrichten musste, der Beklagte andererseits seinen Mietern die Verpflichtung aufzuerlegen hatte, ihren Wärmebedarf bei der Klägerin zu decken, entspricht es der Billigkeit, wenn der Beklagte der Klägerin den wohnflächenbezogenen Anteil des Entgelts für den Fall zu erstatten hat, dass er ihr keine abnahmepflichtigen Mieter zur Verfügung stellen konnte.
Im Übrigen ist in einem derartigen Fall für die Verteilung der Betriebskosten in einem Mietverhältnis anerkannt, dass bei der Umlage verbrauchsunabhängiger Betriebskosten der Vermieter im Verhältnis zur Gesamtheit der Mieter im Regelfall den Kostenanteil zu tragen hat, der auf leer stehende Wohnungen entfällt, da er das Vermietungsrisiko trägt (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 8. Aufl., § 556 a BGB Rz. 34 ff.; Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 8. Aufl., § 7 HeizkostenV Rz. 14; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., III Rz. 359; Sternel, WuM 2003, 243 [245 f.]; v. Seldeneck, Betriebskosten im Mietrecht, Rz. 3144).
Fundstellen
Haufe-Index 969400 |
NJW 2003, 2902 |
BGHR 2003, 1185 |
DWW 2003, 302 |
EBE/BGH 2003, 277 |
NZM 2003, 756 |
WM 2004, 739 |
ZMR 2004, 20 |
ZfIR 2003, 881 |
RdE 2003, 309 |
WuM 2003, 503 |
GuT 2003, 192 |
IWR 2003, 67 |