Leitsatz (amtlich)
Zur Frage einer stillschweigenden Eigenschaftszusicherung beim Kauf gebrauchter Wärmetauscher.
Normenkette
BGB § 459 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) |
OLG Naumburg |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. Januar 1999 aufgehoben, soweit nicht unter Abänderung des Urteils der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Halle vom 29. September 1998 der Widerklage in Höhe von 21.987,20 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 18. Juli 1997 stattgegeben worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte hatte verschiedene gebrauchte Wärmetauscher auf Lager, an deren Erwerb der Kläger interessiert war. Die Beklagte übersandte ihm einige „Einlagerungsschein(e) f. Apparatelager”, die in entsprechend bezeichneten Rubriken handschriftliche Eintragungen unter anderem über Lagernummer, Bauart, Typ, Baujahr, Abmessung, Leistung, Material und Gewicht des betreffenden Wärmetauschers enthalten. Im unteren Bereich der Einlagerungsscheine befindet sich eine weitere Rubrik mit dem vorgedruckten Text:
„Die Sauberkeit und Freiheit von Quecksilber und anderen gefährlichen Stoffen wird bescheinigt.
Betrieb:
Ruf-Nr.:
Datum:
Unterschrift:”
Die Einlagerungsscheine sind in dieser Rubrik vollständig ausgefüllt und unterschrieben.
Der Kläger besichtigte die Wärmetauscher und suchte mehrere aus, die die Mitarbeiterin K. der Beklagten in einer handschriftlichen Liste mit Lagernummer, Anzahl, Gewicht und Material zusammenstellte. Unter dem 9. Juni 1997 unterzeichneten der Kläger und Frau K. ein Verhandlungsprotokoll, in dem auf die vorbezeichnete Liste verwiesen wird. Ob das Protokoll eine zweite Seite hat, ist streitig. Am folgenden Tag schlossen die Parteien einen von der Beklagten vorbereiteten schriftlichen Vertrag, im dem es eingangs heißt:
„Auf der Grundlage unseres Verkaufsangebots und dem Angebot des Käufers vom 9. Juni 1997 liefert der Verkäufer unter Ausschluß der Gewährleistung und frei von Rechten Dritter ab Lager Z 118
Wärmetauscher aus Altbeständen
gemäß Besichtigung bzw. Absprache. …”
Als Preis sind 800 DM zuzüglich Mehrwertsteuer je Tonne des durch Abwiegen ermittelten Gewichts vereinbart.
Am 10. und 11. Juni 1997 holte der Kläger bei der Beklagten mindestens 48 Wärmetauscher ab. Hierfür stellte ihm die Beklagte am 14. Juli 1997 89.936 DM und am 17. Dezember 1997 weitere 18.464 DM, jeweils zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer, in Rechnung, die der Beklagte bislang nicht bezahlt hat.
Ausweislich eines Telefax-Schreibens vom 26. Juni 1997 bot der Kläger der Firma K. & P. in B. „diverse Wärmetauscher aus Kupfer, Messingen und Edelstahl Gesamtgewicht: ca. 120 Tonnen” zu einem „Angebotspreis” von 760.000 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer an. Gemäß Telefax-Schreiben vom 7. Juli 1997 antwortete die Firma K. & P. unter anderem:
„… Wir beziehen uns auf Ihr Angebot sowie die verschiedenen telefonischen Besprechungen und geben wie folgt in Auftrag:
Ca. 120 t Wärmetauscher wie angeboten und besichtigt, ohne Stahlmantel (dies wurde von Herrn D. [= Kläger] zugesagt) fett- und ölfrei und frei von sonstigen Anhaftungen.
Festpreis: DM 720.000
Lieferzeit: fest KW 29, d.h. spätestens 18.09.1997 oder früher
…
Vertragsstrafe: 50 % des Warenwertes bei Nichteinhaltung des Liefertermins … .”
Am 15. Juli 1997 ließ der Kläger auf seinem Betriebsgelände an einigen Wärmetauschern Schweißarbeiten vornehmen. Dabei erlitten vier Arbeiter Vergiftungen durch Quecksilberdämpfe, weil die innenliegenden Rohre der betreffenden Wärmetauscher mit Quecksilber verseucht waren.
Aufgrund eines Bescheides des Landkreises A. vom 13. November 1997 entfernte die Beklagte am 28. November 1997 von dem Betriebsgelände des Klägers 30 Wärmetauscher. Die anderen Wärmetauscher hatte der Kläger bereits veräußert. Von den verbliebenen 30 Wärmetauschern waren zehn mit Quecksilber verseucht und mußten entsorgt werden; die restlichen 20 Wärmetauscher lagerte die Beklagte zunächst bei sich ein.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihm durch Übersendung der Einlagerungsscheine zugesichert, daß die Wärmetauscher frei von Quecksilber seien. Er behauptet, zum Zeitpunkt des Unfalls am 15. Juli 1997 habe bereits ein bindender Kaufvertrag mit der Firma K. & P. bestanden, den er wegen der Verseuchung der Wärmetauscher nicht habe erfüllen können. Dadurch sei ihm ein Gewinn von (720.000 DM – 89.936 DM =) 630.064 DM entgangen. Weiterer Schaden sei ihm durch Transport- und Krankosten in Höhe von 10.255,40 DM sowie Sachverständigenkosten in Höhe von 9.295 DM entstanden. Ferner schulde er der Firma K. & P. die vereinbarte Vertragsstrafe von 360.000 DM.
Demgemäß hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 649.614,40 DM nebst Zinsen an sich sowie auf Zahlung weiterer 360.000 DM nebst Zinsen an die Firma K. & P., hilfsweise auf Freistellung von dem Vertragsstrafenanspruch der Firma K. & P. in Höhe von 360.000 DM in Anspruch genommen (Klageantrag zu 1). Ferner hat der Kläger die Feststellung beantragt, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Arbeitsunfall vom 15. Juli 1997 zu ersetzen (Klageantrag zu 2), ihn von allen Ansprüchen Dritter im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag vom 10. Juni 1997 und dem Arbeitsunfall vom 15. Juli 1997 freizustellen (Klageantrag zu 3) und für eine ordnungsgemäße Entsorgung der Wärmetauscher auf seinem Betriebsgelände zu sorgen sowie alle Kosten dafür zu tragen (Klageantrag zu 4). Schließlich hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß er nicht verpflichtet ist, den Kaufpreis aus dem Kaufvertrag vom 10. Juni 1997 in Höhe von (89.936 DM + 15 % Mehrwertsteuer =) 103.426,40 DM zu zahlen (Klageantrag zu 5).
Die Beklagte verneint demgegenüber eine konkludente Eigenschaftszusicherung und behauptet unter anderem, bei den Einlagerungsscheinen handele es sich lediglich um betriebsinterne Papiere, deren Übersendung der Kläger allein deswegen erbeten habe, um eine Auswahl nach Material und Gewicht treffen zu können. Widerklagend hat sie den Kläger auf Zahlung von (89.936 DM + 18.464 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer =) 124.660 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe der 20 quecksilberfreien Wärmetauscher in Anspruch genommen.
Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt und hilfsweise seinen Klageantrag zu 5 in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme auf den Klageantrag zu 1 verurteilt, an den Kläger (630.064 DM + 9.295 DM =) 639.361 DM (rechnerisch richtig: 639.359 DM) nebst Zinsen zu zahlen und den Kläger von dem Vertragsstrafenanspruch der Firma K. & P. in Höhe von 360.000 DM nebst Zinsen freizustellen. Ferner hat es den Klageanträgen zu 2 und 4 stattgegeben und die Erledigung des Klageantrags zu 5 festgestellt. Die Klage im übrigen und die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen. Mit der Berufung hat die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage sowie ihren Widerklageantrag, wegen der zwischenzeitlich erfolgten Verschrottung der 20 quecksilberfreien Wärmetauscher ohne die Zug-um-Zug-Einschränkung, weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insofern abgeändert, als es nur eine Erledigung des Klageantrags zu 5 in Höhe von 18.786,40 DM festgestellt und den Kläger auf die Widerklage hin zur Zahlung von 84.640 DM nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt hat. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Mit der Anschlußrevision wendet sich der Kläger dagegen, daß das Berufungsgericht die Erledigung seines Klageantrags zu 5 in Höhe von weniger als 81.439,20 DM festgestellt und der Widerklage in Höhe von mehr als 21.987,20 DM nebst Zinsen stattgegeben hat.
Entscheidungsgründe
A. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe gegen die Beklagte gemäß §§ 459 Abs. 2, 469 Satz 1, 463 BGB einen Schadensersatzanspruch wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft. Die Beklagte habe dem Kläger vor Abschluß des Kaufvertrages durch Übersendung der Einlagerungsscheine konkludent zugesichert, daß die angebotenen Wärmetauscher nicht mit Quecksilber oder anderen gefährlichen Stoffen belastet seien. In den Einlagerungsscheinen werde die Freiheit von Quecksilber und anderen gefährlichen Stoffen bescheinigt. Daß es sich dabei nicht nur um eine Beschaffenheitsangabe handele, ergebe sich bereits aus dem Wort „bescheinigen” und der gesonderten Unterschrift, denn damit übernehme der Unterzeichnende die Verantwortung für eine von ihm nach eigener Prüfung getroffene Feststellung. Die Behauptung der Beklagten, die Bescheinigung der Schadstofffreiheit beziehe sich nur auf die Außenseite der Wärmetauscher, ergebe sich aus der Formulierung nicht. Der Beklagten sei zwar zuzugeben, daß die Bescheinigung offensichtlich nicht für Dritte, sondern nur für ihre betriebsinternen Zwecke bestimmt gewesen sei. Mit der Übersendung der Einlagerungsscheine habe sich die Beklagte jedoch die Bescheinigung der Schadstofffreiheit wegen der hohen Gefährlichkeit von Quecksilberverunreinigungen dem Kläger gegenüber zu eigen gemacht. Die Zusicherung der Schadstofffreiheit habe sich auch auf die verkauften Wärmetauscher bezogen, für die der Kläger keine Einlagerungsscheine erhalten habe. Da alle ihm übersandten Einlagerungsscheine die Bescheinigung enthalten hätten, habe der Kläger davon ausgehen müssen, daß die Beklagte nur solche Wärmetauscher verkaufen wolle, deren Schadstofffreiheit sie garantieren könne. Die angebliche zweite Seite des Verhandlungsprotokolls vom 9. Juni 1997 enthalte keine Erklärung, die der Wirksamkeit der Zusicherung entgegenstehe. Der vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluß lasse die Zusicherung mangels eindeutigen Widerrufs der Beklagten nicht entfallen.
Gemäß § 252 BGB könne der Kläger Ersatz des ihm entgangenen Gewinns aus dem gescheiterten Weiterverkauf der Wärmetauscher an die Firma K. & P. verlangen. Der Kläger habe den Abschluß eines entsprechenden Kaufvertrages durch die erstinstanzliche Aussage des Zeugen K. bewiesen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Weiter habe der Kläger Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten.
Außerdem könne der Kläger Freistellung von dem möglicherweise gegen ihn erhobenen Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 360.000 DM verlangen. Die Höhe der Vertragsstrafe verstoße nicht gegen § 138 Abs. 1 und 2 BGB. Die Beklagte habe insbesondere zu den subjektiven Voraussetzungen dieser Vorschriften nichts vorgetragen.
Der Kläger habe weiter Anspruch auf Freistellung von Ansprüchen der verletzten Arbeiter. Der Vortrag der Beklagten zur Nichteinhaltung der Unfallverhütungsvorschriften sei unsubstantiiert, da es sich um Spekulation handele.
Die Beklagte sei schließlich verpflichtet, die Kosten für die Entsorgung der Wärmetauscher und die Entseuchung des Betriebsgeländes des Klägers zu tragen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Klageantrag zu 5 lediglich in Höhe von 18.756,40 DM erledigt. Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises von insgesamt 124.660 DM bestehe in Höhe von 84.640 DM fort. Er entfalle auch im Rahmen des von dem Kläger geltend gemachten sogenannten großen Schadensersatzanspruchs gemäß §§ 469 Satz 1, 463 Satz 1 BGB nur für die zehn mit Quecksilber verseuchten Wärmetauscher, auf die nach ihrem Gewicht von 43,5 Tonnen bei einem Kaufpreis von 800 DM (zuzüglich Mehrwertsteuer) je Tonne ein Betrag von 40.020 DM entfalle.
B. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
I. Revision der Beklagten
1. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht den vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus §§ 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB auf entgangenen Gewinn und Sachverständigenkosten wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft der gekauften Wärmetauscher zu Unrecht bejaht. Mit Erfolg wendet sich die Revision im Ergebnis gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger vor Abschluß des Kaufvertrages konkludent zugesichert, daß die zum Verkauf stehenden Wärmetauscher nicht mit Quecksilber oder anderen gefährlichen Stoffen belastet seien.
a) Das Berufungsgericht ist allerdings, wie auch die Revision einräumt, in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, daß für die Annahme einer Zusicherung entscheidend ist, ob aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft der Kaufsache zu übernehmen, was auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten geschehen kann, daß jedoch im Hinblick auf die weitreichenden Folgen bei der Annahme einer konkludenten Zusicherung Zurückhaltung geboten ist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 128, 111, 114; 132, 55, 57 f; Urteil vom 13. Dezember 1995 – VIII ZR 328/94, WM 1996, 452 = NJW 1996, 836 unter II 2 a, jew. m.w.Nachw.).
b) Ob danach der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache zugesichert hat, ist zwar eine Frage der tatrichterlichen Vertragsauslegung (BGHZ 128, 111, 114 m.w.Nachw.), die revisionsrechtlich nur beschränkt auf die Verletzung von Auslegungsregeln, Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Verfahrensvorschriften überprüfbar ist (BGHZ 131, 136, 138 m.w.Nachw.). Ein solcher Fehler liegt hier aber vor, weil das Berufungsgericht erhebliche Auslegungsumstände unberücksichtigt gelassen hat.
Das Berufungsgericht hat eine konkludente Eigenschaftszusicherung darin gesehen, daß die Beklagte dem Kläger im Rahmen der Vertragsverhandlungen einige Einlagerungsscheine zu den angebotenen Wärmetauschern übersandt hat, in denen deren „Sauberkeit und Freiheit von Quecksilber und anderen gefährlichen Stoffen” durch gesonderte Unterschrift „bescheinigt” wird. Insoweit hat das Berufungsgericht nicht verkannt, daß die Bescheinigung offensichtlich nicht für Dritte, sondern nur für betriebsinterne Zwecke der Beklagten bestimmt war. Es hat jedoch gemeint, mit der Übersendung habe sich die Beklagte die Bescheinigung der Schadstofffreiheit wegen der hohen Gefährlichkeit von Quecksilberverunreinigungen dem Kläger gegenüber zu eigen gemacht. Diese Auslegung beruht auf einem Rechtsfehler.
aa) Erheblichen Bedenken begegnet bereits die Annahme des Berufungsgerichts, aus dem Wort „bescheinigen” und der gesonderten Unterschrift ergebe sich, daß die in den Einlagerungsscheinen getroffene Feststellung der Schadstofffreiheit der Wärmetauscher nicht nur eine bloße Beschaffenheitsangabe, sondern eine Eigenschaftszusicherung sei. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine Eigenschaftszusicherung voraus, daß aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft der Kaufsache zu übernehmen. Das Berufungsgericht hat nicht dargelegt, daß sich dem Wort „bescheinigen” und der gesonderten Unterschrift die Bereitschaft entnehmen läßt, für die weitreichenden Folgen des Fehlens der Schadstofffreiheit einstehen zu wollen. Das erscheint auch eher fernliegend. Dagegen, daß der Kläger die „Bescheinigung” der Schadstofffreiheit in diesem Sinne verstehen durfte, sprechen mehrere Umstände. Die Bescheinigungen waren ausweislich der angegebenen Daten zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt 1997 jeweils bereits mehrere Jahre alt; zu einem großen Teil stammten sie noch aus der Zeit vor der „Wende” in der ehemaligen DDR. Sie waren, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, nicht für Dritte, sondern nur für betriebsinterne Zwecke der Beklagten bestimmt, wie schon aus der Bezeichnung „Einlagerungsschein f. Apparatelager” hervorgeht. Sie betrafen keine neuwertigen, sondern praktisch schrottreife Sachen. Hinzu kommt, daß bei den Vertragsverhandlungen über eine mögliche Schadstoffbelastung der Wärmetauscher, die jedenfalls äußerlich frei von Gefahrstoffen waren, nicht geredet worden ist. Vielmehr haben die Parteien im schriftlichen Vertrag vom 10. Juni 1997 ausdrücklich einen Gewährleistungsausschluß vereinbart. Ein solcher macht zwar eine bei vorausgegangenen Vertragsverhandlungen abgegebene Eigenschaftszusicherung nicht notwendigerweise hinfällig, sondern kann einschränkend dahin auszulegen sein, daß die mit der Eigenschaftszusicherung übernommene Haftung hiervon unberührt bleibt (BGH, Urteil vom 12. April 1996 – V ZR 83/95, WM 1996, 1730 unter II 1 b m.w.Nachw.; vgl. auch BGHZ 122, 250, 259 m.w.Nachw., zur Durchsetzung von Eigenschaftszusicherungen gegenüber Freizeichnungsklauseln). Das schließt jedoch nicht aus, daß einem Gewährleistungsausschluß für die hier in Rede stehende Frage, ob überhaupt eine Eigenschaftszusicherung erfolgt ist, negative Indizwirkung zukommt.
bb) Letztlich bedarf hier indessen die Frage, ob in der unterschriebenen „Bescheinigung” der Schadstofffreiheit eine Eigenschaftszusicherung oder nur eine Beschaffenheitsangabe gesehen werden kann, keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls hat das Berufungsgericht bei der Annahme, mit der Übersendung habe sich die Beklagte die Bescheinigung der Schadstofffreiheit dem Kläger gegenüber zu eigen gemacht und insoweit eine Einstandspflicht übernommen, erheblichen Vortrag der Beklagten, der auch im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegeben ist, nicht gewürdigt. Die Beklagte hat unter Benennung ihrer Mitarbeiterin K. als Zeugin behauptet, der Kläger habe allein deswegen um Übersendung der Einlagerungsscheine gebeten, um eine Auswahl nach Material und Gewicht der Wärmetauscher treffen zu können. Sofern das nach dem entsprechenden Vortrag des Klägers in der Klageschrift und der Berufungserwiderung nicht sogar unstreitig sein sollte, ist jedenfalls mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz von der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten auszugehen. Dafür, daß es dem Kläger allein auf Material und Gewicht der Wärmetauscher ankam, spricht im übrigen auch die im Verhandlungsprotokoll vom 9. Juni 1997 in Bezug genommene handschriftliche Liste der Mitarbeiterin K. der Beklagten, in der neben den Nummern der vom Kläger ausgewählten Wärmetauscher deren Material und Gewicht ausdrücklich vermerkt sind. Hat aber der Kläger allein deswegen um Übersendung der Einlagerungsscheine gebeten, um eine Auswahl nach Material und Gewicht der Wärmetauscher treffen zu können, erscheint es fernliegend, daß er die Bescheinigung der Schadstofffreiheit in den übersandten Einlagerungsscheinen, die auch nach Ansicht des Berufungsgerichts offensichtlich nicht für Dritte, sondern nur für betriebsinterne Zwecke der Beklagten bestimmt war, als konkludente Eigenschaftszusicherung der Beklagten mit weitreichenden Folgen verstehen durfte. Näher liegt es in diesem Fall vielmehr, daß der Kläger der Übersendung der Einlagerungsscheine keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Beklagten entnehmen durfte, die über den damit verfolgten Zweck, ihm eine Auswahl nach Material und Gewicht der Wärmetauscher zu ermöglichen, hinausgehen. Unter diesen Umständen hätte der Kläger, sofern er auf die Zusicherung der Schadstofffreiheit Wert legte, diese bei den Vertragsverhandlungen ansprechen und – abweichend von dem vereinbarten Gewährleistungsausschluß – in den schriftlichen Vertrag aufnehmen lassen müssen. Da sich das Berufungsgericht mit diesen Fragen nicht auseinandergesetzt hat, ist seine Auslegung unvollständig und damit rechtsfehlerhaft.
c) Erweist sich danach das Berufungsurteil in bezug auf den in Rede stehenden Schadensersatzanspruch aus § 463 Satz 1 BGB bereits aus dem dargelegten Grund als rechtsfehlerhaft, kommt es insoweit auf die weiteren Angriffe der Revision, insbesondere im Hinblick auf die Unvollständigkeit der Aussage des Zeugen K., nicht mehr an.
2. Aus dem Gesagten folgt, daß das Berufungsgericht nach den bisher getroffenen Feststellungen auch den auf §§ 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB gestützten Anspruch des Klägers auf Freistellung von einem möglichen Vertragsstrafenanspruch aus dem behaupteten Kaufvertrag mit der Firma K. & P. zu Unrecht bejaht hat. Hinzu kommt, daß die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsstrafe sei verwirkt, den Rügen der Revision gleichfalls nicht standhält.
a) Ohne Erfolg stellt die Revision allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts zur Überprüfung, die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in Höhe von 50 % des Warenwertes verstoße nicht gegen § 138 Abs. 1 und 2 BGB. Ob der objektive Tatbestand dieser Vorschriften erfüllt ist, bedarf keiner Entscheidung. Nicht zu beanstanden ist jedenfalls die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte nichts zu den subjektiven Voraussetzungen vorgetragen hat. Übergangenen Vortrag der Beklagten hierzu zeigt die Revision nicht auf.
b) Zu Recht weist die Revision jedoch darauf hin, daß die Verwirkung einer Vertragsstrafe nach § 339 BGB ein Verschulden des Verpflichteten voraussetzt. Dieses Erfordernis kann zwar abbedungen werden (BGHZ 72, 174, 178; 82, 399, 402; Urteil vom 29. Juni 1972 – II ZR 101/70, WM 1972, 1277 unter 3 a; Urteil vom 28. Januar 1997 – XI ZR 42/96, WM 1997, 560 unter II 2 a cc). Ob das hier deswegen anzunehmen ist, weil die Vertragsstrafe nach dem Telefax-Schreiben der Firma K. & P. vom 7. Juli 1997 lediglich an die Nichteinhaltung des Liefertermins gebunden ist, hat das Berufungsgericht jedoch ebensowenig geprüft wie die Frage, ob die Nichteinhaltung des Liefertermins durch den Kläger andernfalls unverschuldet ist. Daher ist in der Revisionsinstanz zugunsten der Beklagten davon auszugehen, daß das Verschuldenserfordernis nicht abbedungen wurde. Für die Nichteinhaltung des Liefertermins müßte sich der Kläger der Firma K. & P. gegenüber zwar entlasten (§ 285 BGB). Ein Verschulden des Klägers könnte jedoch deshalb entfallen, weil er angesichts der bei dem Unfall vom 15. Juli 1997 zutage getretenen Vergiftungsgefahr alle Wärmetauscher zunächst auf ihre Quecksilberbelastung prüfen mußte, bevor er sie an die Firma K. & P. ausliefern durfte.
3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht nach dem oben (unter 1) Gesagten auch die – ebenfalls auf §§ 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB gestützte – Feststellung des Landgerichts bestätigt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger „sämtliche künftig entstehenden – materiellen und immateriellen – Schäden” zu ersetzen, die sich aus der Verletzung von vier Arbeitern bei dem Unfall am 15. Juli 1997 ergeben, und daß die Beklagte weiter verpflichtet ist, die Kosten für die Entsorgung der Wärmetauscher und die Entseuchung des Betriebsgeländes des Klägers zu tragen.
Hinsichtlich der erstgenannten Verpflichtung beanstandet die Revision darüber hinaus zu Recht, daß beim Kläger selbst keine immateriellen Schäden in Betracht kommen. Das Landgericht hat ersichtlich Schmerzensgeldansprüche der verletzten Arbeiter gegen den Kläger gemeint. Auch dann, wenn solche Ansprüche gegen den Kläger bestehen sollten, entstünde diesem selbst daraus aber kein immaterieller Schaden.
4. Nach den Ausführungen unter 1 hat das Berufungsgericht schließlich zu Unrecht die Erledigung des Klageantrags zu 5 in Höhe von 18.756,40 DM festgestellt und die Widerklage in Höhe von (124.660 DM – 84.640 DM =) 40.020 DM nebst Zinsen abgewiesen.
Steht dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus §§ 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB mangels Zusicherung der Schadstofffreiheit der Wärmetauscher nicht zu, entfällt der Kaufpreisanspruch der Beklagten aus § 433 Abs. 2 BGB für die zehn mit Quecksilber belasteten Wärmetauscher in Höhe von 40.020 DM nicht. Insbesondere kann der Kläger insoweit wegen des vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschlusses keine Mängeleinrede (§ 478 BGB) erheben.
II. Anschlußrevision des Klägers
Auch die Anschlußrevision des Klägers hat Erfolg. Auf der Grundlage seiner Entscheidung über den Klageantrag zu 1 hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Erledigung des Klageantrags zu 5 nur in Höhe von 18.756,40 DM festgestellt und der auf Zahlung des Kaufpreises für die Wärmetauscher gerichteten Widerklage in Höhe von 84.640 DM nebst Zinsen stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daß der Kläger im Rahmen des von ihm geltend gemachten sogenannten großen Schadensersatzanspruches aus §§ 463 Satz 1, 459 Abs. 2 BGB von seinem entgangenem Gewinn aus dem angeblichem Geschäft mit der Firma K. & P. in Höhe von 720.000 DM bereits selbst den Kaufpreis aus der Rechnung der Beklagten vom 14. Juli 1997 in Höhe von 89.936 DM netto abgezogen hat und ihm dementsprechend unter Berücksichtigung von Sachverständigenkosten in Höhe von 9.295 DM lediglich (720.000 DM – 89.936 DM + 9.295 DM =) 639.361 DM (rechnerisch richtig: 639.359 DM) zugesprochen worden sind. Danach ist zugunsten der Beklagten bereits ein größerer Kaufpreisteil berücksichtigt worden, als ihr nach Ansicht des Berufungsgerichts zusteht (89.936 DM statt 84.640 DM). Schon deswegen durfte das Berufungsgericht den Kläger nicht mehr zur Zahlung eines Kaufpreises von 84.640 DM verurteilen. Dementsprechend ist auch der Klageantrag zu 5 entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht nur in der von ihm angenommenen Höhe von 18.756,40 DM erledigt. Auf die anderweitigen Rügen der Anschlußrevision kommt es danach nicht mehr an.
III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit nicht der Widerklage in der von der Anschlußrevision nicht angegriffenen
Höhe von 21.987,20 DM nebst Zinsen stattgegeben worden ist. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es gemäß den vorstehenden Ausführungen noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. In dem vorbezeichneten Umfang waren daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert, Wiechers
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.06.2000 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541360 |
BGHR |
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