Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 19. Juli 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Bank nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage aus einer als Garantie bezeichneten Erklärung für Verbindlichkeiten einer Kommanditgesellschaft in Anspruch.
Die Mutter der Beklagten entschloß sich im Jahr 1996 zur Fortführung eines in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft betriebenen Unternehmens, dessen Betriebsleiterin sie früher gewesen war. Zu diesem Zweck trat sie als Komplementärin in die KG ein. Die Beklagte übernahm eine Kommanditeinlage von 810.000 DM. Stille Gesellschafterin der KG wurde gemäß Gesellschafts- und Beteiligungsvertrag vom 10. Dezember 1996 die M. Beteiligungsgesellschaft mbH (M.) mit einer Einlage von ebenfalls 810.000 DM. Für die Beteiligung war an die M. u.a. ein Festentgelt in Höhe von zunächst jährlich 7,75% der Beteiligungssumme zu zahlen, das sich mit Ablauf des dritten Verlustjahres auf jährlich 8,25% erhöhen sollte.
Gemäß § 6 des Vertrages, der mit „Rückzahlungsgarantien” überschrieben ist, garantierten die Beklagte und ihre Mutter der M. u.a. die Rückzahlung der Einlage und die Zahlung rückständigen Beteiligungsentgelts. Als weitere Garantin trat die Klägerin auf. Im Innenverhältnis zu ihr waren aber die Beklagte und ihre Mutter allein verpflichtet.
Die Beklagte, eine damals 30 Jahre alte Diplomjuristin, verheiratet und kinderlos, war seit 1992 als selbständige Finanz- und Versorgungsberaterin tätig. Ausweislich des Einkommenssteuerbescheides für 1996 betrugen ihre jährlichen Einnahmen 18.241 DM. In einer Selbstauskunft vom 20. Juni 1996 hatte sie ihr Jahreseinkommen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hingegen auf 64.000 DM beziffert. Ihr Bankguthaben hatte sie dort mit 21.000 DM und den Wert von Grundeigentum, das mit Grundpfandrechten in Höhe von 145.000 DM belastet war, mit 145.000 DM angegeben. Die Klägerin hat den Verkehrswert des belasteten, der Beklagten nur zu ein halb zustehenden Grundstücks hingegen auf 300.000 DM beziffert. Sie hat zudem eine Gewinnermittlung der Beklagten vorgelegt, die für den Zeitraum 1. Januar 1995 bis 30. September 1995 einen Gewinn von 73.310,86 DM und für das Vorjahr einen solchen von 46.906,01 DM auswies.
Nachdem die KG im November 1999 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, kündigte die M. ihre Beteiligung fristlos und nahm die Klägerin aus der Garantie auf Zahlung von 690.000 DM in Anspruch. Die Klägerin verlangt ihrerseits von der Beklagten und deren – mittlerweile rechtskräftig verurteilter – Mutter Zahlung.
Die Beklagte macht die Sittenwidrigkeit der als Garantie bezeichneten Erklärung wegen krasser finanzieller Überforderung geltend. Sie sei nicht in der Lage gewesen, auch nur das laufende zinsähnliche Beteiligungsentgelt aus ihrem pfändbaren Einkommen zu tilgen. Die Gesellschafterstellung habe sie nur als Strohfrau und die Garantie nur aufgrund familiären Drucks übernommen. Sie sei geschäftsunerfahren gewesen. Auch seien ihr gegenüber die aus der Übernahme der Garantie folgenden Risiken verharmlost worden.
Das Landgericht hat der Teilklage auf Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Bei der getroffenen Vereinbarung handele es sich trotz der anders lautenden Bezeichnung nicht um eine Garantie, sondern um eine Bürgschaft, da die Verpflichtung der Beklagten die Verbindlichkeiten der KG gegenüber der M. unstreitig nur akzessorisch habe sichern sollen und die Beklagte als Kommanditistin kein starkes eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erfüllung der Hauptverpflichtung gehabt habe. Die Bürgschaft sei wegen krasser finanzieller Überforderung der Bürgin sittenwidrig. Die Beklagte sei bei Berücksichtigung ihres pfändbaren Einkommens und Vermögens nicht in der Lage, auch nur die für die stille Beteiligung anfallenden laufenden Verbindlichkeiten von jährlich rund 70.000 DM zu tragen. Dies gelte auch dann, wenn man zugunsten der Klägerin von dem in der Selbstauskunft vom 20. Juni 1996 angegebenen Jahreseinkommen von 64.000 DM und dem von der Klägerin behaupteten Verkehrswert des Grundstücks in Höhe von 300.000 DM ausgehe. Aus dem in der Gewinnermittlung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 1995 ausgewiesenen Gewinn von 73.310,86 DM lasse sich zwar theoretisch ein Jahresgewinn von rund 98.000 DM hochrechnen. Ein solcher Gewinn könne aber nicht zugrunde gelegt werden, da er die realistische Einkommenserwartung nicht zutreffend wiedergebe, nachdem in der Gewinnermittlung zugleich ausgewiesen sei, daß die Beklagte im Jahr zuvor lediglich 46.906,01 DM Gewinn erwirtschaftet habe. Die Klägerin habe ferner berücksichtigen müssen, daß die Beklagte für die Übernahme des Kommanditanteils von 810.000 DM noch den Kaufpreis in einer Rate zu 110.000 DM und sieben jährlichen Folgeraten von 100.000 DM habe zahlen müssen. Auf den mit dem Erwerb des Kommanditanteils verbundenen Vermögenszuwachs komme es nicht an, da der Kommanditanteil im Falle der Insolvenz des Hauptschuldners keinen Wert mehr habe. Die Beklagte habe die Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit zu ihrer Mutter übernommen. Mit dem Erwerb der bloßen Kommanditistenstellung habe sie keinen eigenen geldwerten Vorteil erlangt, zumal sie nach dem Beteiligungsvertrag auf Tantiemezahlungen und Gewinnausschüttungen solange verzichtet habe, bis das wirtschaftliche Eigenkapital der KG einen Anteil von mindestens 10% der Bilanzsumme erreicht habe.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Ohne Erfolg beanstandet die Revision allerdings die Auslegung des Berufungsgerichts, es handele sich bei der sogenannten Rückzahlungsgarantie – entgegen dem Wortlaut – um eine Bürgschaft. Die Auslegung einer Individualvereinbarung durch den Tatrichter kann revisionsrechtlich nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie gesetzliche und allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder auf Verfahrensverstößen beruht (BGH, Urteile vom 29. März 2000 – VIII ZR 297/98, WM 2000, 1289, 1291 f., vom 3. April 2000 – II ZR 194/98, WM 2000, 1195, 1196 und vom 25. Juni 2002 – XI ZR 239/01, WM 2002, 1687, 1688). Derartige Fehler werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind nicht erkennbar.
Angesichts der für das Revisionsverfahren bindenden Feststellung des Berufungsgerichts, die Verpflichtung der Beklagten habe nach dem unstreitigen Sachverhalt nur akzessorisch sein sollen, hält sich das Berufungsgericht mit seiner Auslegung vielmehr innerhalb des dem Tatrichter zur Verfügung stehenden Spielraums. Die Auslegung ist jedenfalls möglich, da das wichtigste Auslegungskriterium dafür, ob in einer Haftungserklärung eine Garantie oder aber eine Bürgschaft zu sehen ist, die Frage ist, ob der für eine fremde Schuld Eintretende unter allen Umständen für den Leistungserfolg einstehen will, also unabhängig vom Entstehen und Fortbestand der fremden Schuld; im Zweifel ist zum Schutz des Verpflichteten eine Bürgschaft anzunehmen (Schmitz in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 92 Rdn. 5).
2. Im Ergebnis zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte werde durch die Übernahme der Bürgschaft finanziell kraß überfordert.
a) Nach der inzwischen übereinstimmenden Rechtsprechung des IX. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes liegt eine solche Überforderung des Bürgen oder Mitverpflichteten bei nicht ganz geringen Bankschulden grundsätzlich vor, wenn er innerhalb der vertraglich festgelegten Kreditlaufzeit voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens dauerhaft aufbringen kann (BGHZ 136, 347, 351; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 27. Januar 2000 – IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; vom 13. November 2001 – XI ZR 82/01, WM 2002, 125, 126; vom 4. Dezember 2001 – XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14. Mai 2002 – XI ZR 50/01, WM 2002 1347, 1348 und XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351 sowie vom 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648). Bei der Beurteilung der krassen finanziellen Überforderung von Bürgen und Mithaftenden ist pfändbares Vermögen in der Weise zu berücksichtigen, daß der ermittelte Wert von der Bürgschafts- oder mitübernommenen Schuld abgezogen wird. Nur wenn der pfändbare Teil des Einkommens des Bürgen oder Mithaftenden die auf den so ermittelten Schuldbetrag entfallenden laufenden Zinsen voraussichtlich nicht abdeckt, liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor (Senatsurteil vom 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 10).
b) So ist es hier, ohne daß es auf die vom Berufungsgericht berücksichtigten Ratenzahlungsverpflichtungen der Beklagten aus dem Erwerb des Kommanditanteils ankommt.
aa) Richtig und von der Revision nicht beanstandet ist zunächst, daß das Berufungsgericht das für die stille Einlage von 810.000 DM zu entrichtende jährliche Entgelt als zinsähnliche Leistung behandelt hat. Daraus resultiert eine monatliche Belastung der Beklagten in Höhe von 4.595,10 DM, selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin nur das laufende Festentgelt für die stille Beteiligung in Höhe von anfänglich 7,75% berücksichtigt und von den – bestrittenen – Vermögensverhältnissen der Beklagten ausgeht, wie sie sich aus der Selbstauskunft vom 20. Juni 1996 unter Berücksichtigung des von der Klägerin behaupteten Grundstücksverkehrswertes ergeben.
Das pfändbare Vermögen der Beklagten bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages betrug entgegen der Auffassung der Revision nur 98.500 DM. Die Beklagte verfügte über ein Bankguthaben von 21.000 DM und war zu ein halb mitbeteiligt an einem Grundstück mit einem Verkehrswert von 300.000 DM, das mit valutierenden Grundpfandrechten von 145.000 DM belastet war. Diese Belastung ist der banküblichen Praxis entsprechend bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten vermögensmindernd zu berücksichtigen; denn im Falle der Veräußerung des Grundstücksanteils der Beklagten stünde nur der um die Belastung geminderte Erlös zur Erfüllung ihrer Bürgschaftsschuld zur Verfügung (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2002 – XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1349 und vom 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648). Dies wären hier, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, 77.500 DM. Diese sowie das Bankguthaben von 21.000 DM sind danach von der Bürgschaftsschuld von 810.000 DM abzuziehen, so daß sich bei Berücksichtigung des Festentgelts von jährlich 7,75% die genannte monatliche Belastung von 4.595,10 DM ergibt.
Der Wert des noch nicht bezahlten Kommanditanteils der Beklagten war entgegen der Ansicht der Revision nicht anzusetzen. Er war, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, im Falle der Insolvenz der Hauptschuldnerin wertlos und stand deshalb gerade bei Eintritt des Bürgschaftsfalls als Vermögensgegenstand zur Befriedigung der Gläubigerin nicht zur Verfügung.
bb) Die laufende Zinslast konnte die Beklagte allein nicht aus dem pfändbaren Teil ihres Einkommens tragen. Nach der vom Berufungsgericht zugrundegelegten Selbstauskunft vom 20. Juni 1996 verfügte die Beklagte über jährliche Einnahmen von 64.000 DM. Das in der Gewinnermittlung für 1995 ausgewiesene höhere Einkommen hat das Berufungsgericht zu Recht nicht berücksichtigt. Der Einwand der Revision, das Berufungsgericht habe einen Jahresgewinn von 98.000 DM ermittelt, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr zu Recht darauf verwiesen, daß angesichts der im übrigen wesentlich niedriger liegenden Jahresgewinne realistischerweise nicht von der nachhaltigen Erzielbarkeit eines solchen Jahreseinkommens ausgegangen werden könne. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das in der Selbstauskunft angegebene Jahreseinkommen der gleichfalls als Bürgin haftenden Mutter der Beklagten sowie ihres Ehemannes unberücksichtigt gelassen. Die Beklagte haftete für die Bürgschaftsschuld über 810.000 DM gemäß § 769 BGB zusammen mit ihrer Mutter als Gesamtschuldnerin, d.h. die Gläubigerin konnte von ihr die gesamte Leistung verlangen. Es ist danach allein auf die Leistungsfähigkeit der Beklagten abzustellen. Das Einkommen ihrer Mutter resultierte nur aus deren Tätigkeit für die Hauptschuldnerin, verminderte das Risiko der Beklagten bei Eintritt des Bürgschaftsfalles also nicht. Das Einkommen des Ehemannes der Beklagten ist für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit nur insofern von Bedeutung, als bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrages ihres Einkommens keine Unterhaltspflichten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648). Auszugehen ist daher von einem Jahreseinkommen der Beklagten in Höhe von 64.000 DM, d.h. monatlichen Einkünften von 5.333,33 DM. Der 1996 nach § 850 c ZPO monatlich pfändbare Betrag beläuft sich danach auf 3.337,03 DM und bleibt damit erheblich hinter der monatlichen Belastung zurück.
3. Nicht rechtsfehlerfrei ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, die krasse finanzielle Überforderung habe hier die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft der Beklagten zur Folge.
a) Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Familienangehöriger entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 – IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411; Senat BGHZ 146, 37 ff.; Senatsurteil vom 15. Januar 2002 – XI ZR 98/01, WM 2002, 436 f., jeweils m.w.Nachw.) gelten für die Bürgschaft der Beklagten als einziger Kommanditistin der Hauptschuldnerin grundsätzlich nicht.
aa) Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der maßgeblich beteiligten Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden (BGHZ 137, 329, 336; BGH, Urteile vom 11. Dezember 1997 – IX ZR 274/96, WM 1998, 235, 236, insoweit in BGHZ 137, 292 ff. nicht abgedruckt; vom 16. Dezember 1999 – IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 516; vom 18. September 2001 – IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157 und Senatsurteil vom 15. Januar 2002 – XI ZR 98/01, WM 2002, 436). Das gilt – wie der Senat bereits mit Urteil vom 28. Mai 2002 (XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648) in einem ebenfalls die Beklagte betreffenden Verfahren entschieden hat – in gleicher Weise, wenn der Kredit einer Kommanditgesellschaft gewährt und vom Kommanditisten eine entsprechende Sicherheit verlangt wird. Auch in diesem Fall kann die kreditgebende Bank im allgemeinen davon ausgehen, daß bei einem Gesellschafterbürgen, der einen bedeutsamen Gesellschaftsanteil hält, das eigene wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht und er schon deshalb durch die Haftung kein unzumutbares Risiko auf sich nimmt. Auch hier begründen daher weder die krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten die Vermutung der Sittenwidrigkeit (vgl. Senatsurteile vom 15. Januar 2002 aaO S. 436 f. und vom 28. Mai 2002 aaO, jeweils m.w.Nachw.).
bb) Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn der Gesellschafter – wie die Beklagte dies behauptet – lediglich die Funktion eines Strohmannes hat. Nur wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, daß derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften naher Angehöriger entsprechend (Senatsurteile vom 15. Januar 2002 aaO S. 437 m.w.Nachw. und vom 28. Mai 2002 aaO S. 1649). Wird die Bank in die wirtschaftlichen Hintergründe der Gesellschaftsgründung so einbezogen, daß für sie die wirklichen Motive des Bürgen klar hervortreten, so darf sie davor nicht die Augen verschließen. Erkennt das Kreditinstitut infolge der ihm offenbarten Tatsachen, daß derjenige, der die Haftung übernehmen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters nur aus emotionaler Abhängigkeit übernommen hat, er also keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, ist der überforderte Bürge in gleicher Weise schutzwürdig wie in den typischen Fällen von Haftungserklärungen für die Verbindlichkeiten von Personen, denen er emotional eng verbunden ist (BGHZ 137, 329, 337; BGH, Urteil vom 18. September 2001 – IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157; Senatsurteil vom 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1649).
b) Das Berufungsgericht hat bislang weder zu der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Beklagte lediglich als Strohfrau ohne eigene wirtschaftliche Interessen Gesellschafterin geworden war, ausreichende Feststellungen getroffen noch zu der Frage, ob das der Klägerin bekannt war oder sie davor die Augen verschlossen hat.
Zwar hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit mit ihrer Mutter übernommen. Es fehlt aber an Feststellungen, daß die Verbundenheit zu ihrer Mutter für die Beklagte der einzige Beweggrund zur Übernahme der Bürgschaft war. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es bei einem Gesellschafterbürgen außerdem zusätzlicher – bisher fehlender – Feststellungen dazu, daß für das Kreditinstitut das mangelnde eigene wirtschaftliche Interesse des Bürgen und die Übernahme nur aus persönlicher Verbundenheit klar ersichtlich war. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß die Beklagte nach dem Beteiligungsvertrag auf Tantiemezahlungen und Gewinnausschüttungen solange verzichtet habe, bis das wirtschaftliche Eigenkapital einen Anteil von mindestens 10% der Bilanzsumme erreicht habe, läßt es unberücksichtigt, daß die Beklagte mittelfristig gesehen durchaus wirtschaftliche Interessen mit der KG verfolgt haben könnte.
III.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO a.F.).
Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine finanziell belastende Bürgschaftsübernahme auch aufgrund besonderer erschwerender, dem Kreditinstitut zurechenbarer Umstände sittenwidrig sein. Das ist etwa der Fall, wenn das Kreditinstitut die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen ausgenutzt oder die Willensbildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung, Schaffung einer seelischen Zwangslage oder die Ausübung unzulässigen Drucks beeinträchtigt hat (vgl. BGHZ 125, 206, 210; 128, 230, 232; 132, 328, 329 f.; 137, 329, 333; BGH, Urteile vom 15. Februar 1996 – IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592; vom 16. Januar 1997 – IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512 sowie Senatsurteile vom 15. Januar 2002 – XI ZR 98/01, WM 2002, 436, 437 und vom 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1649). Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigt aber auch dies die Annahme der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft hier nicht.
1. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin habe ihre geschäftliche Unerfahrenheit ausgenutzt. Wie der Senat mit Urteil vom 28. Mai 2002 (XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1649) entschieden hat, scheidet dieser Umstand, der in der Praxis bei einem Kommanditisten ohnedies so gut wie nie zu bejahen sein wird (Nobbe/Kirchhof aaO S. 15), hier angesichts der Berufsausbildung der Beklagten als Diplomjuristin und ihrer seit 1992 ausgeübten Tätigkeit als Finanz- und Versorgungsberaterin aus.
2. Ohne Erfolg bleibt auch der Hinweis der Beklagten, sie sei von ihrem Vater massiv unter Druck gesetzt worden. Hieraus läßt sich schon deshalb keine zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führende seelische Zwangslage der Beklagten herleiten, weil nicht dargetan ist, daß diese Umstände der Gläubigerin bekannt geworden sind.
3. Soweit die Beklagte behauptet hat, ihr gegenüber sei die Übernahme der Bürgschaft verharmlost worden, handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft (mit)begründen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 – IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in BGHZ 137, 329 ff. nicht abgedruckt; Urteil vom 8. November 2001 – IX ZR 46/99, WM 2002, 919, 922 und Senatsurteil vom 28. Mai 2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1649 m.w.Nachw.). Allerdings hat sich das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht von der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten überzeugen können. Das Berufungsgericht hat sich mit den gegen diese Beweiswürdigung gerichteten Angriffen – von seinem Standpunkt aus konsequent – bislang noch nicht befaßt.
IV.
Das Berufungsurteil war danach aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
Unterschriften
Nobbe, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Siol ist wegen Urlaubs gehindert, seine Unterschrift beizufügen Nobbe, Bungeroth, Joeres, Mayen
Fundstellen
Haufe-Index 871071 |
BuW 2003, 691 |
BGHR 2002, 1097 |
GmbH-StB 2003, 8 |
EWiR 2003, 209 |
KTS 2003, 254 |
ZIP 2002, 2249 |
NJ 2003, 254 |
GmbHR 2002, 1234 |
ZBB 2003, 30 |