Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung. Strafverteidiger. Erhalt einer Abschrift der Honorarvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Eine Honorarvereinbarung ist nicht deswegen unwirksam, weil der Mandant darin bestätigt, eine Abschrift der Vereinbarung erhalten zu haben.
Normenkette
BRAGO § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 29.8.2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung eines Strafverteidigerhonorars i.H.v. 23.094,79 EUR nebst Zinsen abgewiesen wurde.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger verteidigte den Beklagten in einem Strafverfahren vor dem Schöffengericht. Vor Durchführung der Hauptverhandlung unterzeichnete der Beklagte am 7.12.1999 einen als Honorarvereinbarung bezeichneten, vom Kläger gefertigten maschinenschriftlichen Text, in dem es u.a. heißt:
"1. Wegen des Umfangs und der besonderen Bedeutung der Sache wird vereinbart, dass ich statt der gesetzlichen Gebühren ein Honorar i.H.v. 450 DM (in Worten vierhundertfünfzig Deutsche Mark) je Stunde zahle. Ein Viertel des vereinbarten Stundensatzes wird für jede angefangene 15 Minuten berechnet. Bei Tätigkeiten außerhalb des Büros des Verteidigers beginnt die Zeit mit dem Verlassen des Büros und endet mit der Rückkehr im Büro.
Es sind mindestens die gesetzlichen Gebühren vereinbart. Diese Vereinbarung gilt auch im Falle der Hauptverhandlung.
...
5. Ich trete hiermit etwaige Erstattungsansprüche gegen die Staats-/Landeskasse an meinen Verteidiger zur Sicherung seiner Honoraransprüche ab.
6. Ich habe eine Durchschrift dieser Honorarvereinbarung erhalten."
[2] Auf der Grundlage der dem Beklagten unter dem 29.11.2004 erteilten Kostennote fordert der Kläger unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von 2.000 EUR ein Zeithonorar von weiteren 23.094,79 EUR.
[3] Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Honorarvereinbarung für unwirksam erachtet und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Honoraranspruch weiter.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision ist begründet.
I.
[5] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der Honorarabrede handele es sich um einen Vordruck i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Die Regelung in Ziff. 6 hinsichtlich des Empfangsbekenntnisses sei nicht unmittelbar und ausschließlich honorarbezogen. Es diene lediglich dazu, dem Erklärungsempfänger im Streitfall Beweiserleichterungen zu verschaffen. Das Empfangsbekenntnis regele nichts, was sich unmittelbar und ausschließlich auf den Grund oder die Höhe des vereinbarten Honorars beziehe. Ohne Belang sei es, ob die Regelung überhaupt sinnvoll und konkret geeignet sei, den Mandanten zu verwirren. Maßgeblich sei alleine, dass vorgedruckte Honorarabreden, die dem Anwalt eine höhere als die gesetzliche Vergütung verschaffen sollten, von honorarfremden Nebenabreden gänzlich und ohne jede Ausnahme freigehalten werden müssten. Wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO komme der Zeithonorarabrede keine Wirksamkeit zu. Das gesetzliche Honorar betrage gem. §§ 83 ff. BRAGO 1.320 EUR, so dass dem Kläger im Hinblick auf die erfolgte Anzahlung keine weiteren Vergütungsansprüche zustünden.
II.
[6] Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
[7] Nach dem - hier noch anzuwendenden - § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO kann der Rechtsanwalt aus einer Vereinbarung eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur fordern, wenn die Erklärung des Auftraggebers schriftlich abgegeben und nicht in einem Vordruck, der auch andere Erklärungen umfasst, enthalten ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Honorarvereinbarung nicht um einen Vordruck, der auch andere Erklärungen enthält.
[8] 1. Ein Schriftstück, das sich nach seiner äußeren Aufmachung als Formblatt (Formular) darstellt, von dem angenommen werden kann, dass es in gleicher Weise häufiger verwendet wird, ist als Vordruck i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO anzusehen; auf die Art der Herstellung kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 8.6.2004 - IX ZR 119/03, NJW 2004, 2818, 2819; ferner Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO 8. Aufl., § 3 Rz. 17; Madert, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO 15. Aufl., § 3 Rz. 5; Hartmann, Kostengesetze 33. Aufl., § 3 BRAGO Rz. 18).
[9] Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zu Recht festgestellt. Der Umstand, dass das Schriftstück möglicherweise mit der Schreibmaschine angefertigt wurde, stellt die Eigenschaft als Vordruck nicht in Frage (Fraunholz, in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, a.a.O.; Hartmann, Kostengesetze 33. Aufl., a.a.O.). Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die in Ziff. 1, 5 und 6 niedergelegten Regelungen allgemeiner Art sind und sich für eine Vielzahl von Honorarabreden eignen, um das Vergütungsinteresse des Klägers möglichst günstig für unterschiedliche Fallgestaltungen abzudecken. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Honorarabrede, wie vom Kläger ohne näheren Vortrag pauschal geltend gemacht wurde, zwischen den Prozessparteien ausgehandelt wurde. Die Eigenschaft eines Vordrucks i.S.d. § 3 BRAGO knüpft lediglich an die Verwendungsfähigkeit für verschiedene Fallgestaltungen (BGH, Urt. v. 8.6.2004 - IX ZR 119/03, a.a.O.) sowie an den Umstand an, dass es sich um ein vom Anwalt stammendes Schriftstück handelt.
[10] 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts umfasst der Vordruck keine "andere Erklärungen" i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Unbedenklich ist die Aufnahme solcher Nebenabreden, die sich ausschließlich und unmittelbar auf die Honorarabrede beziehen, wie dies etwa bei Bestimmungen über Stundung, Ratenzahlung, Erfüllungsort und außerdem zu vergütende Nebenleistungen der Fall ist (BGH, Urt. v. 12.1.1978 - III ZR 53/76, AnwBl. 1978, 227; v. 8.6.2004 - IX ZR 119/03, a.a.O.).
[11] a) Das hier in Rede stehende Empfangsbekenntnis in Ziff. 6 bezieht sich ausschließlich und unmittelbar auf die Honorarabrede, deren Erhalt der Auftraggeber mit der angeführten Erklärung bestätigt und kann sich auch auf nichts anderes beziehen. Sie erweist sich damit als unschädlich (Hartmann, Kostengesetze 33. Aufl., a.a.O.). Im Übrigen hat das Berufungsgericht selbst festgestellt, dass es sich bei dem angeführten Empfangsbekenntnis um eine übliche, für eine Vielzahl von Honorarvereinbarungen einsetzbare Klausel handelt.
[12] b) Nichts anderes gilt für die in Ziff. 5 vorgesehene Sicherungsabtretung etwaiger Erstattungsansprüche des Beklagten an den Kläger. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Sicherungsabtretung honorarbezogen ist und keine "andere Erklärung" i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO beinhaltet. Die Revisionserwiderung ist der Ansicht, der ausschließliche und unmittelbare Bezug zur Honorarvereinbarung sei nur gegeben, wenn die Abtretung erfüllungshalber in der Honorarabrede aufgenommen werde. Der Bezug ist aber nicht weniger ausschließlich und unmittelbar, wenn die Abtretung sicherungshalber vereinbart wird. Wenn Regelungen über die Erfüllung des Honoraranspruchs unschädlich sind (so z.B. Madert, a.a.O.), muss Entsprechendes auch für Sicherungsvereinbarungen gelten.
III.
[13] Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, sich nicht mit den Berufungsangriffen des Beklagten dagegen befasst hat, dass das LG den Vergütungsanspruch für begründet angesehen hat.
[14] Vereinbart ein Rechtsanwalt bei Strafverteidigungen eine Vergütung, die mehr als das Fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, wie vorliegend nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegeben, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie unangemessen hoch und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO (jetzt: § 3a Abs. 2 RVG) verletzt ist (BGHZ 162, 98, 107 ff.). Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken, sieht der Senat derzeit nicht. Klärungsbedarf besteht jedoch noch hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen der Anwalt die tatsächliche Vermutung der Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung erschüttern kann. An den sehr hohen Anforderungen der Grundsatzentscheidung BGHZ 162, 98, 107 ("ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände") kann möglicherweise nicht in vollem Umfang festgehalten werden (BGH, Urt. v. 12.2.2009 - IX ZR 73/08, Urteilsumdruck S. 4 f Rz. 5). Im Übrigen betraf die Entscheidung BGHZ 162, 98 ein gemischtes Pauschal/Zeithonorar; wie es sich bei einem reinen Zeithonorar verhält, hat der Senat noch nicht entschieden.
Fundstellen
Haufe-Index 2176414 |
DB 2009, 1593 |
DStR 2009, 2171 |
DStRE 2009, 1535 |
NJW 2009, 3301 |
BGHR 2009, 962 |
EBE/BGH 2009 |
FamRZ 2009, 1319 |
FA 2009, 242 |
JurBüro 2009, 483 |
WM 2009, 1379 |
MDR 2009, 1011 |
VersR 2010, 71 |
HRA 2009, 1 |
StRR 2009, 243 |
StV 2010, 92 |
VRR 2009, 243 |
BRAK-Mitt. 2009, 189 |