Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Ein Unterhaltsschuldner kann sich nach Treu und Glauben nur dann nicht auf seine durch eine Strafhaft bedingte Leistungsunfähigkeit berufen, wenn die Strafhaft auf einem Fehlverhalten beruht, das sich gerade auf die Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltsgläubiger bezieht (Fortführung des Senatsurteils vom 9. Juni 1982 – IVb ZR 704/80 – FamRZ 1982, 913 ff.).
Normenkette
BGB §§ 242, 1603, 1610, 1603 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt an die Kläger zu 1 bis 3 für die Zeit ab 1. April 1998 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung des Beklagten wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das Teilanerkenntnis- und Schlußurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ravensburg vom 27. März 1998 für die Zeit ab 1. April 1998 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger je 1/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten; ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger selbst.
Hinsichtlich der Kosten der Vorinstanzen tragen jeder der Kläger 3/10 und der Beklagte 1/10 der Gerichtskosten. Außerdem tragen jeder der Kläger 3/10 der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beklagte 1/10 der außergerichtlichen Kosten jedes der Kläger; im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Tatbestand:
Die Kläger verlangen von dem Beklagten, ihrem Vater, für die Zeit ab 1. November 1997 Unterhalt in Höhe des damaligen Regelbedarfs.
Die Ehe der Eltern der Kläger ist geschieden. Die Kläger leben bei der sorgeberechtigten Mutter und gehen noch zur Schule. Der Beklagte ist wiederverheiratet; aus der neuen Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen.
Der Beklagte war als angestellter Elektriker beschäftigt. Durch Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 2. April 1998 wurde er wegen zweier Fälle der Vergewaltigung, begangen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern und sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Der Verurteilung liegen im Jahre 1993 begangene Taten des Beklagten gegenüber der damals 11-jährigen Klägerin zu 3 zugrunde. Die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17. November 1998 verworfen. Der Beklagte befindet sich seit Anfang April 1998 in Untersuchungshaft und nunmehr in Strafhaft. Er verfügt seit seiner Inhaftierung über monatliche Einkünfte von 120 DM.
Das Familiengericht hat den Beklagten – vor dessen Inhaftierung – verurteilt, an jeden der Kläger ab 1. November 1997 monatlich 378,67 DM, davon 100 DM aufgrund Anerkenntnisses des Beklagten, zu zahlen.
Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten, der im Berufungsrechtszug an seinem Anerkenntnis nicht festgehalten und sich auf den mit seiner zwischenzeitlichen Inhaftierung verbundenen Verlust seines Erwerbseinkommens berufen hat, die Unterhaltsbeträge geringfügig herabgesetzt und seine weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte nur noch gegen seine Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt für die Zeit ab dem 1. April 1998, der Zeit seiner Inhaftierung, und begehrt, die Klage insoweit in vollem Umfang abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht geht zutreffend davon aus, daß die Berufung des Beklagten auch insoweit zulässig ist, als der Beklagte im Berufungsrechtszug an seinem vor dem Familiengericht erklärten Anerkenntnis nicht festgehalten hat. Die Frage, ob ein Anerkenntnisurteil im Wege der Berufung allein mit dem Ziel angegriffen werden kann, eine Abänderung nach Maßgabe des § 323 ZPO zu erreichen oder ob es hierzu einer Abänderungsklage bedarf, ist streitig (offengelassen im Senatsurteil vom 27. Mai 1981 – IVb ZR 589/80 – FamRZ 1981, 862, 863; bejahend OLG Koblenz FamRZ 1998, 915, 916; OLG Schleswig NJW-RR 1993, 1416; OLG Hamburg FamRZ 1984, 706; Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl., vor § 306 Rdn. 6; Staudigl FamRZ 1980, 221; einschränkend OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1468, 1469; zur Möglichkeit des Widerrufs eines Anerkenntnisses bei nachträglichem Entstehen eines Abänderungsgrundes allgemein: Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 – XII ZR 292/99 – FamRZ 2002, 88, 90), kann aber hier dahinstehen. Eine Berufung ist in einem solchen Fall nach Auffassung des Senats jedenfalls dann zulässig, wenn es sich – wie hier – bei dem mit der Berufung angefochtenen Urteil um ein Teil-Anerkenntnisurteil handelt und das Berufungsgericht ohnehin mit dem nicht vom Teilanerkenntnis betroffenen Teil der Klagansprüche befaßt wird (OLG Karlsruhe aaO).
2. Das Berufungsgericht hält die Berufung des Beklagten jedoch für im wesentlichen unbegründet: Zwar sei der Beklagte aufgrund seiner Haft leistungsunfähig, und die Leistungsunfähigkeit eines Unterhaltsschuldners sei grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn sie selbstverschuldet sei. Doch könne die Berufung eines Unterhaltsschuldners auf eine haftbedingte Leistungsunfähigkeit rechtsmißbräuchlich sein, wenn sich die Straftat, aufgrund derer er in Haft genommen worden sei, gegen den Unterhaltsberechtigten oder dessen nahe Angehörige gerichtet habe. So lägen die Dinge hier: Der Beklagte habe mit seinen sexuellen Verfehlungen gegenüber der Klägerin zu 3, die das Oberlandesgericht – von der Revision unbeanstandet – als erwiesen ansieht, gegen seine Verpflichtung als Vater, in jeder Hinsicht für seine minderjährige Tochter zu sorgen, Schaden von ihr abzuwenden und sie in ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung zu fördern, in nicht zu überbietender Weise verstoßen. Deshalb wäre es ein untragbares Ergebnis, wenn der Beklagte als Konsequenz seiner Tat von seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin zu 3 frei würde. Auch im Verhältnis zu den Klägern zu 1 und 2 könne im Ergebnis nichts anderes gelten: Auch ihnen gegenüber habe sich der Beklagte als Vertrauens- und Autoritätsperson disqualifiziert; auch sie seien durch die Taten, wenngleich nicht körperlich, so doch seelisch persönlich in Mitleidenschaft gezogen. Es sei kein schutzwürdiges ethisches Prinzip erkennbar, das es rechtfertigen könne, den Beklagten, der das Vertrauen seiner Kinder in den Respekt vor ihrer körperlichen und seelischen Integrität mißbraucht habe, aus diesem Mißbrauch durch Wegfall der Unterhaltpflicht mittelbar Vorteile ziehen zu lassen. Zwar habe der Bundesgerichtshof erkannt, daß die durch Strafhaft bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit grundsätzlich immer dann beachtlich sei, wenn sich die Straftat, derentwegen der Unterhaltsschuldner die Strafhaft zu verbüßen habe, nicht gegen den Unterhaltberechtigten selbst, sondern (nur) gegen dessen nahe Angehörige gerichtet habe und dieser Straftat auch kein unterhaltbezogenes Fehlverhalten zugrunde liege. Ausnahmen von diesem Grundsatz habe der Bundesgerichtshof nur bei besonders schweren Verfehlungen gegen nahe Angehörige des Unterhaltsberechtigten, etwa bei Delikten gegen das Leben, erwogen. Ein Sittlichkeitsverbrechen gegen die Schwester des Unterhaltsberechtigten habe der Bundesgerichtshof dagegen für eine unmittelbare unterhaltsrechtliche Betroffenheit nicht ausreichen lassen. Der – so verstandenen – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht zu folgen; rechtsmißbräuchliches Verhalten gegenüber den eigenen Kindern beginne nicht erst dort, wo ein Elternteil seinen Kindern nach dem Leben trachte.
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie geben die bisherige Rechtsprechung des Senats auch nur begrenzt zutreffend wieder:
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein selbstverschuldeter, aber doch ungewollter Arbeitsplatzverlust unterhaltsrechtlich nicht den Fällen freiwilliger Aufgabe einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gleichgestellt werden. Die Berufung des Unterhaltspflichtigen auf seine Leistungsunfähigkeit verstößt vielmehr nur dann gegen Treu und Glauben, wenn das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten des Unterhaltspflichtigen sich seinerseits als eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht darstellt (Senatsurteil vom 9. Juni 1982 – IVb ZR 704/80 – FamRZ 1982, 913, 914). Für den erforderlichen unterhaltsrechtlichen Bezug, insbesondere einer Straftat, reicht es deshalb nicht aus, daß sie für den Arbeitsplatzverlust kausal geworden ist. Auch genügt nicht, daß sich der Arbeitsplatzverlust auf den Lebensstandard nicht nur des Täters, sondern auch seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen auswirkt. Erforderlich ist vielmehr, daß die Strafhaft auf einem Fehlverhalten beruht, das sich gerade auf seine Unterhaltspflicht bezieht.
Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Unterhaltsschuldner sich gerade deshalb in Strafhaft befindet, weil er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Berechtigten verletzt hat, oder wenn gerade die bestrafte vorsätzliche Tat dazu geführt hat, daß der Unterhaltsberechtigte – etwa durch Schädigung seines Vermögens, durch eine Körperverletzung oder durch die Tötung eines vorrangig Unterhaltspflichtigen – (vermehrt) unterhaltsbedürftig geworden ist (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 1982 aaO).
Fehlt es an einem solchen objektiven Unterhaltsbezug der der Strafhaft zugrundeliegenden Tat, kann sich das Fehlverhalten des Täters zwar – auch – als eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht darstellen. Hierzu bedarf es jedoch einer auf den Einzelfall bezogenen Wertung dahin, ob die der Tat zugrundeliegenden Vorstellungen und Antriebe des Täters sich gerade auch auf die Verminderung seiner unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit als Folge seines strafbaren Verhaltens erstreckt haben (Senatsurteile vom 9. Juni 1982 aaO; vom 12. Mai 1993 – XII ZR 24/92 – FamRZ 1993, 1055, 1056 f.; vom 10. November 1993 – XII ZR 113/92 – FamRZ 1994, 240, 241; vom 12. April 2000 – XII ZR 79/98 – FamRZ 2000, 815, 816). Dabei bietet die bloße Vorhersehbarkeit des Arbeitsplatzverlustes, wie der Senat verdeutlicht hat, für sich genommen keinen geeigneten Anknüpfungspunkt, um den unterhaltsrechtlichen Bezug einer vom Unterhaltsschuldner begangenen Straftat zu begründen (Senatsurteil vom 12. April 2000 aaO). Die nachteiligen Folgen, die eine Straftat für den beruflichen Werdegang des Straftäters mit sich bringen kann, werden nämlich bei vernünftiger Betrachtung stets auf der Hand liegen; sie dürften sich zudem auch nicht ohne weiteres auf besonders schwerwiegende Straftaten beschränken lassen. Dem Unterhaltsschuldner ist die Berufung auf die eigene Leistungsunfähigkeit vielmehr nur dann versagt, wenn er seine Leistungsunfähigkeit durch unterhaltsbezogene Mutwilligkeit herbeigeführt hat. Dies hat der Senat für den von § 1579 Nr. 3 BGB erfaßten Fall einer vom Unterhaltsgläubiger selbst verursachten Bedürftigkeit wiederholt entschieden (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 1981 – IVb ZR 593/80 – FamRZ 1981, 1042, 1044 f. und vom 14. Dezember 1983 – IVb ZR 38/82 – FamRZ 1984, 364, 367 f.). Für den umgekehrten, gesetzlich nicht besonders geregelten Fall der vom Unterhaltsschuldner selbst verursachten eigenen Leistungsunfähigkeit können – schon im Hinblick auf den nur von § 242 BGB eingeschränkten Grundsatz des § 1603 Abs. 1 BGB – keine geringeren Anforderungen gelten. Bei Leichtfertigkeit, die gewöhnlich bewußte Fahrlässigkeit sein wird, ergibt sich damit das Erfordernis, daß der Unterhaltsschuldner die Möglichkeit des Eintritts der Leistungsunfähigkeit als Folge seines Verhaltens erkennt und im Bewußtsein dieser Möglichkeit, wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener Folge handelt, wobei er sich unter grober Mißachtung dessen, was jedem einleuchten muß, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Unterhaltsgläubiger über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine Leistungsfähigkeit hinwegsetzt.
b) Ein objektiver Unterhaltsbezug der dem Beklagten zur Last gelegten Straftat liegt ersichtlich nicht vor. Tatsachen, die eine im beschriebenen Sinne unterhaltsbezogene Mutwilligkeit des Beklagten begründen könnten, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Die für die Annahme solcher Mutwilligkeit erforderliche innere Einstellung kann beim Beklagten auch nicht als selbstverständlich unterstellt werden. Der Täter einer Sexualstraftat macht sich – worauf das Oberlandesgericht Koblenz in einem vergleichbaren Fall zutreffend hingewiesen hat (FamRZ 1998, 44) – regelmäßig keine Vorstellungen darüber, daß er aufgrund seiner Tat seinen Arbeitsplatz verlieren und als Folge auch seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit einbüßen werde. Das gilt namentlich dort, wo Sexualdelikte des Vaters gegenüber seinen minderjährigen Kindern in Rede stehen. Gerade in diesem familiären Bereich wird, sofern überhaupt Überlegungen angestellt werden, damit gerechnet, daß die Taten nicht entdeckt oder jedenfalls nicht zur Anzeige gebracht werden (vgl. auch OLG Koblenz aaO). Der Umstand, daß sich letztlich jeder Straftäter der Gefahr der Entdeckung, der Bestrafung und des Arbeitsplatzverlusts bewußt sein müßte, reicht – wie ausgeführt – für den Unterhaltbezug der Straftat aber nicht aus.
c) Das Berufungsgericht geht davon aus, nach der Rechtsprechung des Senats könne der Unterhaltsschuldner die mit seiner Strafhaft einhergehende Leistungsunfähigkeit dem Unterhaltsgläubiger nicht entgegenhalten, wenn dieser – wie hier die Klägerin zu 3 – von der der Haft zugrundeliegenden Straftat unmittelbar betroffen sei. Gleiches müsse dann aber auch für die – als deren Geschwister mitbetroffenen – Kläger zu 1 und 2 gelten. Beides ist nicht richtig: Eine zur Strafhaft führende Straftat ist, wie dargestellt, nicht schon deshalb geeignet, dem Unterhaltsschuldner die Berufung auf seine haftbedingte Leistungsunfähigkeit zu versagen, weil sich die Straftat gegen den Unterhaltsgläubiger gerichtet hat. Dazu bedarf es nach der Rechtsprechung des Senats vielmehr besonderer Umstände, welche das strafbare Verhalten – zumindest auch – als eine Verletzung der dem Täter obliegenden Unterhaltspflicht erscheinen lassen. Ein solcher Unterhaltsbezug, an dessen Erforderlichkeit der Senat festhält, ist – wie ausgeführt – hier jedoch nicht festgestellt. Der Beklagte soll zwar aus seiner Straftat keine Vorteile ziehen. Das ist aber auch nicht der Fall, wenn das Unterhaltsrecht bei der Prüfung der – für eine Unterhaltspflicht notwendigen – Leistungsfähigkeit des Beklagten von dessen tatsächlicher wirtschaftlicher Situation ausgeht. Die vom Senat gebilligte Zurechnung fiktiven Einkommens bei Strafhaft des Unterhaltschuldners findet ihren Grund in der Überlegung, daß niemand allein dadurch von seiner Unterhaltsschuld freikommen soll, daß er gerade diese Unterhaltspflicht verletzt. Eine – darüber hinausgehende – Zurechung fiktiven Einkommens auch bei nichtunterhaltsbezogenem Fehlverhalten des Unterhaltsschuldners, mag es auch gegen den an sich Unterhaltsberechtigten oder ihm nahestehende Personen gerichtet sein, führt zu einer – im Falle der Strafhaft sogar: erneuten – Sanktionierung dieses Verhaltens und gehört nicht zu den Aufgaben des Unterhaltsrechts.
Allerdings hat der Senat in seiner Entscheidung vom 9. Juni 1982 (aaO) nicht ausgeschlossen, daß es über die genannten Fallgestaltungen hinaus Fälle geben mag, in denen die Berufung eines Strafgefangenen auf seine Leistungsunfähigkeit gegen Treu und Glauben verstoße. Die Möglichkeit solcher Ausnahmefälle kann auch hier offen bleiben. Jedenfalls läßt sich – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – aus der in der Senatsentscheidung nicht ausgeschlossenen Möglichkeit solcher Ausnahmefälle kein Grundsatz des Inhalts herleiten, daß sich der eine Freiheitsstrafe verbüßende Straftäter gegenüber dem Opfer seiner Tat, dem er an sich Unterhalt schuldet, auf seine haftbedingte Leistungsunfähigkeit generell nicht berufen kann. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles sind hier auch nicht ersichtlich.
4. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben, soweit es den Klägern Unterhalt für die Zeit ab 1. April 1998 zuerkennt. Der Senat ist in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden, da weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind. Nach den – von der Revision nicht angegriffenen – Feststellungen des Oberlandesgerichts sind die Kläger zwar in vollem Umfang bedürftig. Der Beklagte, dessen Unerhaltspflicht im übrigen nicht im Streit steht, ist jedoch nicht leistungsfähig. Er bezieht, wie vom Oberlandesgericht festgestellt, zwar monatliche Einkünfte von 120 DM; diese Einkünfte müssen, soweit sie nicht ohnehin als Überbrückungsgeld seiner Verfügung entzogen sind (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1982 aaO 794), dem Beklagten jedoch als Hausgeld für notwendige Ausgaben des täglichen Lebens während der Strafhaft verbleiben (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1982 aaO 793). Die Klage war daher in Ansehung des von den Klägern für die Zeit ab 1. April 1998 begehrten Unterhalts in vollem Umfang abzuweisen.
Unterschriften
Hahne, Weber-Monecke, Wagenitz, Ahlt, Vézina
Fundstellen
Haufe-Index 728820 |
NJW 2002, 1799 |
BGHR 2002, 587 |
FamRZ 2002, 813 |
FuR 2002, 236 |
NJW-RR 2002, 1082 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2002, 743 |
EzFamR aktuell 2002, 146 |
FPR 2002, 319 |
MDR 2002, 825 |
ZFE 2002, 227 |