Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung eines grundpfandrechtlich abgesicherten Darlehens am Maßstab des § 138 Abs. 1 oder 2 BGB kann für die Frage des auffälligen Mißverhältnisses zwischen effektivem Vertragszins und marktüblichem Vergleichszins grundsätzlich nur dann auf die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank enthaltenen Zinsangaben für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke zurückgegriffen werden, wenn die Kreditvaluta nicht mehr als 80% des sorgfältig ermittelten Verkehrswerts des belasteten Grundstücks ausmacht.
Normenkette
BGB §§ 138, 607
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten Bank aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde und begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines Darlehensvertrags der Parteien. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 23. September 1994 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 324.000 DM mit einem variablen Nominalzins von 12% und einer Bearbeitungsgebühr von 12.000 DM. Als Laufzeitende war der 30. Juni 1996 vereinbart, für Zins und Tilgung waren gleichbleibende Monatsraten von 3.600 DM sowie eine Schlußrate von 315.633,88 DM vorgesehen. Der anfängliche effektive Jahreszins wurde mit 15,32% angegeben. Als Sicherheiten waren eine erstrangige Grundschuld von 300.000 DM auf einem Wohnungsgrundstück der Klägerin in G., eine erstrangige Grundschuld von 30.000 DM auf einem Objekt in L., eine Mietabtretung sowie die Abtretung einer noch abzuschließenden Lebensversicherung vorgesehen. In der notariellen Urkunde über die Bestellung der Grundschuld in Höhe von 300.000 DM nebst 18% Jahreszinsen unterwarf die Klägerin sich der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Der Darlehensbetrag wurde in der Zeit zwischen dem 27. September 1994 und dem 21. Februar 1995 teils aufgrund einer Weisung der Klägerin und ihres Mannes zur Ablösung von Verbindlichkeiten verwandt, teils an die Klägerin und ihren Mann ausgezahlt. Eine Maklerfirma, an die die Klägerin und ihr Mann sich auf der Suche nach einem Kredit gewandt hatten und die unstreitig zumindest gelegentlich für die Beklagte tätig wird, erhielt eine Vermittlungsgebühr von 12.000 DM.
Im Februar 1996 beantragte die Beklagte aus der Grundschuld die Zwangsversteigerung des Grundstücks in G.
Die Klägerin macht geltend, der Darlehensvertrag vom 23. September 1994 sei wegen Wuchers nichtig und die Nichtigkeit umfasse auch die Grundschuldbestellung.
Das Landgericht hat der Klage, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld für unzulässig zu erklären und die Nichtigkeit des Darlehensvertrags festzustellen, stattgegeben. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZIP 1999, 2092 ff. veröffentlicht ist, hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Darlehensvertrag vom 23. September 1994 sei wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig; zumindest ergebe sich die Nichtigkeit aus § 138 Abs. 1 BGB. Die Nichtigkeit des wucherischen bzw. sittenwidrigen Grundgeschäfts erfasse auch die Grundschuldbestellung.
Die objektiven Voraussetzungen des Wuchertatbestands seien gegeben, weil ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung darin bestehe, daß der Vertragszins des Darlehens mehr als doppelt so hoch wie der marktübliche Vergleichszins sei. Dabei könne für den Vertragszins der von der Beklagten im Darlehensvertrag angegebene anfängliche effektive Jahreszins von 15,32% als Mindestgröße zugrunde gelegt werden, obwohl seine Berechnung nicht nachvollziehbar sei und der tatsächliche anfängliche effektive Jahreszins im Hinblick auf die erforderliche Einbeziehung der Vermittlungsgebühr, auf die Darlehenslaufzeit von nur 21 Monaten sowie auf die zeitlich gestreckte Darlehensauszahlung deutlich höher liegen müsse. Auch ein Vertragszins von 15,32% sei nämlich mehr als doppelt so hoch wie der marktübliche Vergleichszins von 7,63%. Dieser Vergleichszins sei der im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Oktober 1994 für den September 1994 angegebene Durchschnittszinssatz für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke mit zweijähriger Zinsbindung. Der deutlich höhere Durchschnittszins für Ratenkredite komme hier wegen der grundpfandrechtlichen Absicherung des Darlehens als Vergleichsmaßstab nicht in Betracht. Auch der höhere Durchschnittszins von 7,86% für zweijährige Hypothekarkredite mit variablen Zinssätzen scheide als Vergleichsmaßstab aus, weil die Vertragsklausel über die Zinsanpassung hinsichtlich möglicher Zinssenkungen nicht mehr als eine bloße Absichtserklärung der Beklagten enthalte.
Die subjektiven Voraussetzungen des Wuchertatbestands seien ebenfalls erfüllt. Es könne als selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß die Geldmarktsituation der Beklagten bekannt gewesen sei, so daß es keinem Zweifel unterliege, daß die Beklagte um die erhebliche Diskrepanz zwischen dem von ihr verlangten Zinssatz und dem für hypothekarisch gesicherte Kredite üblichen gewußt habe. In Anbetracht der übermäßigen Absicherung ihres Darlehens sei es ausgeschlossen, daß die bedrängte Lage der Klägerin und ihres Mannes der Beklagten unbekannt gewesen sei.
Neben dem Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB seien auch die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB erfüllt. Im Rahmen dieser Vorschrift seien außer der Diskrepanz zwischen dem effektiven Vertragszins und dem marktüblichen Vergleichszins mehrere weitere Umstände zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen. Dazu zählten Unklarheiten in der Vertragsurkunde bezüglich der Darlehenssumme, Bedenken hinsichtlich der zutreffenden Angabe des effektiven Jahreszinses, Unstimmigkeiten in der vertraglichen Zinsanpassungsregelung, die ungewöhnliche Höhe der Bearbeitungsgebühr, die übermäßige Sicherung der Beklagten sowie der Umstand, daß eine neue erstrangige Grundschuld zugunsten der Beklagten habe bestellt werden müssen, obwohl bereits drei Eigentümergrundschulden vorhanden gewesen seien.
Im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB ergreife die Nichtigkeit ebenfalls nicht nur den Darlehensvertrag, sondern auch die Grundschuldbestellung. Gerade die Bestellung der dinglichen Sicherheiten habe zu einem auffälligen Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung beigetragen. Für einen Ratenkredit ohne dingliche Sicherheiten sei nämlich ein effektiver Jahreszins von 15,32% nicht zu beanstanden.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß bei Krediten ein auffälliges Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung in der Regel dann anzunehmen ist, wenn der vertragliche Effektivzins den marktüblichen Vergleichszins um rund 100% übersteigt (BGHZ 104, 102, 105; Senatsurteil vom 11. Dezember 1990 – XI ZR 69/90, WM 1991, 216, 217). Dieser Wert, der keine starre Grenze, sondern nur einen Richtwert darstellt, ist sowohl im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB als auch in dem des § 138 Abs. 2 BGB von Bedeutung (Gundlach/Halstenberg in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 82 Rdn. 12 ff. m.w.Nachw.). Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß es für die Ermittlung des marktüblichen Vergleichszinses die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank herangezogen und dem Umstand, daß die Beklagte eine Teilzahlungsbank ist, keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. BGHZ 80, 153, 162 ff.; Senatsurteil vom 11. Dezember 1990 aaO).
2. Bei der Auswertung der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank sind dem Berufungsgericht jedoch Fehler unterlaufen. Die Heranziehung des Durchschnittszinssatzes für festverzinsliche Hypothekarkredite als Vergleichsmaßstab wird von der Revision mit Recht angegriffen.
a) Auf die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank genannten Durchschnittszinsen für Hypothekarkredite auf Wohngrundstücke durfte im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon deshalb zurückgegriffen werden, weil als Sicherheit für das Darlehen unter anderem auch zwei Grundschulden dienten.
Die Zinsangaben in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank beruhen auf Erhebungen bei Banken und Sparkassen über die Zinskonditionen für erststellige Hypotheken und Grundschulden auf Wohngrundstücke (Joswig ZfIR 2000, 184, 185). Für Hypothekenbanken gilt dabei nach §§ 11, 12 Abs. 1 HGB eine Beleihungsgrenze von 60% des sorgfältig ermittelten Verkaufswerts des Grundstücks. Universalkreditinstitute sind an diese Grenze zwar nicht gebunden. Auch sie gehen aber vielfach von bestimmten Beleihungsgrenzen aus. Bei ihnen werden die Valuten der der Bundesbank gemeldeten Hypothekarkredite in der Regel 80% des Verkehrswerts der belasteten Grundstücke nicht übersteigen und häufig deutlich niedriger liegen (Knops ZfIR 1998, 577, 593 m.w.Nachw.; Joswig aaO S. 186).
Als Hypothekarkredite im Sinne der Monatsberichte der Bundesbank können daher – anders als nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG, der bei grundpfandrechtlich gesicherten Krediten entscheidend auf die Zinshöhe und die sonstigen Kreditkonditionen, nicht aber auf die Einhaltung einer bestimmten Beleihungsgrenze abstellt (Senatsurteil vom 18. April 2000 – XI ZR 193/99, ZIP 2000, 1051, 1053) – nur solche Darlehen gelten, bei denen die Kreditvaluta grundsätzlich nicht mehr als 80% des sorgfältig ermittelten Verkehrswerts des belasteten Grundstücks ausmacht. In der Qualität der grundpfandrechtlichen Absicherung liegt die maßgebliche Erklärung dafür, daß in den Monatsberichten der Bundesbank die Zinsen für Hypothekarkredite regelmäßig erheblich niedriger angegeben werden als für alle anderen Kreditarten.
Im vorliegenden Fall, in dem es wesentlich auf ein auffälliges Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung und damit auch auf das von der Beklagten eingegangene Risiko ankommt, hätte das Berufungsgericht daher die Zinsangaben der Bundesbank für Hypothekarkredite nicht ohne die Klärung der Werthaltigkeit der belasteten Grundstücke als Vergleichsmaßstab heranziehen dürfen. Davon, daß die üblichen Beleihungsgrenzen für Hypothekarkredite im vorliegenden Fall eingehalten wurden, kann angesichts der vom Berufungsgericht angenommenen wirtschaftlichen Zwangslage der Klägerin und ihres Ehemannes nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
b) Ein weiterer Fehler liegt darin, daß das Berufungsgericht auf den Durchschnittszins für Festzinskredite und nicht auf den höheren Durchschnittszins für Kredite mit Gleitzinsen abgestellt hat. Im Ausgangspunkt ist ihm zwar darin zuzustimmen, daß von Gleitzinskrediten im Sinne der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank nur dann gesprochen werden kann, wenn die vertraglichen Vereinbarungen eine Pflicht des Kreditgebers begründen, bei Sinken des Marktzinses auch den Vertragszins zu ermäßigen. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch für den vorliegenden Fall eine solche Rechtspflicht verneint und eine unverbindliche Absichtserklärung der Beklagten angenommen. Unter Ziffer 3.1 des für eine Vielzahl von Anwendungsfällen vorformulierten und daher der Auslegung durch das Revisionsgericht unbeschränkt zugänglichen Darlehensvertrags ist bestimmt, daß die Beklagte „bei Senkungen des Marktzinses … den Zinssatz … in angemessener Weise herabsetzen” wird. Durch diese Bestimmung, über deren Vereinbarkeit mit dem Transparenzgebot hier nicht zu befinden ist, wird eine Rechtspflicht zur Zinsanpassung nach unten begründet. Daran ändert es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts, daß der Darlehensvertrag für den Fall des Unterbleibens der Zinssenkung kein Recht zur außerordentlichen Kündigung vorsieht. Die Durchsetzung einer Zinsermäßigung ist dem Kreditnehmer auch ohne die Sanktion einer außerordentlichen Kündigungsbefugnis möglich. Wenn eine vertraglich geschuldete angemessene Zinsermäßigung hinausgezögert wird oder nicht der Billigkeit entspricht, so kann sie auf Klage durch Urteil vorgenommen werden (§ 315 Abs. 3 BGB).
3. Auch die subjektiven Voraussetzungen des Wuchertatbestands hat das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt.
a) Bei dem subjektiven Tatbestand des § 138 Abs. 2 BGB müssen wegen der weitreichenden Rechtsfolgen der Vorschrift grundsätzlich strenge Anforderungen an die im Einzelfall zu treffenden Feststellungen gestellt werden. Von einer tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale darf nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders grobes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt (Senatsurteil vom 8. Februar 1994 – XI ZR 77/93, WM 1994, 583, 584 m.w.Nachw.). Davon kann im vorliegenden Fall, in dem das Berufungsgericht selbst auf der Grundlage seiner fehlerhaften Erwägungen nur zu einer recht knappen Überschreitung der Grenze zum auffälligen Mißverhältnis gelangt ist, keine Rede sein.
b) Die erforderlichen konkreten Feststellungen zur subjektiven Seite des Wuchertatbestands enthält das Berufungsurteil nicht.
Es fehlen bereits Feststellungen dazu, ob die Klägerin und ihr Mann sich in einer so bedrohlichen Zwangslage befunden haben, daß ihnen kein anderer Ausweg als die Inanspruchnahme des Darlehens blieb. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte sich ein Übermaß an Sicherheiten habe einräumen lassen, legt es nahe, daß die Klägerin und ihr Mann nicht auf die Beklagte angewiesen waren. Auch der naheliegenden Frage, ob nicht eine Verwertung des im Darlehensvertrag unter den Sicherheiten erwähnten Grundstücks in L. möglich gewesen wäre, ist das Berufungsgericht nicht nachgegangen.
Steht somit nicht einmal fest, daß die Klägerin und ihr Mann sich in einer Zwangslage befunden haben, so fehlen erst recht konkrete Feststellungen dazu, ob die Beklagte eine solche Zwangslage gekannt und ausgenutzt hat. Die allgemein gehaltene Erwägung, das Gericht halte es für ausgeschlossen, daß der Beklagten die bedrängte Lage der Eheleute unbekannt gewesen sei, reicht nicht aus.
4. Soweit das Berufungsgericht annimmt, auch aus § 138 Abs. 1 BGB ergebe sich die Nichtigkeit des Darlehensvertrags und der Grundschuldbestellung, beruht dies ebenfalls auf fehlerhaften Erwägungen.
a) Daß das auch im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB erforderliche Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, wurde bereits oben dargelegt. Auch die vom Berufungsgericht im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB zusätzlich herangezogenen weiteren angeblich belastenden Umstände können nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand die Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags nicht begründen.
Von einer die Klägerin und ihren Mann belastenden Unklarheit der Vertragsurkunde hinsichtlich der Darlehenssumme kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Rede sein. Daß die Darlehenssumme 324.000 DM betrug und nach Abzug einer Bearbeitungsgebühr von 12.000 DM ein den Kreditnehmern zur Verfügung gestellter Nettokreditbetrag von 312.000 DM verblieb, ist weder ungewöhnlich noch unklar.
Die zeitlich gestreckte, bis in den Februar 1995 andauernde Darlehensauszahlung kann die Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages nicht begründen, weil sie nicht im Vertrag vorgesehen war, sondern sich aus den Dispositionen der Klägerin und ihres Mannes ergab.
Die Höhe der Bearbeitungsgebühr von 4% kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht als zusätzlicher belastender Umstand neben der Diskrepanz zwischen effektivem Vertragszins und marktüblichem Vergleichszins bewertet werden, weil sie bereits bei der Berechnung des effektiven Vertragszinses berücksichtigt wurde.
Eine übermäßige Absicherung des Darlehens könnte zwar, wenn sie vorläge, als zusätzlicher belastender Umstand bewertet werden. Zur Zeit ist die Frage der übermäßigen Absicherung jedoch noch offen, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Wert der einzelnen im Darlehensvertrag vorgesehenen Sicherheiten getroffen hat. Die Bestellung einer neuen Grundschuld anstelle einer Abtretung bereits eingetragener Eigentümergrundschulden ist vor dem Hintergrund des § 1179 a BGB zu sehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 136, 246).
b) Auch wenn der Darlehensvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig wäre, würde die Wirksamkeit der Grundschuldbestellung dadurch nicht berührt. Anders als beim Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB ergreift die Nichtigkeit eines Darlehens wegen eines sittenwidrigen Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB nicht ohne weiteres die Bestellung von Sicherheiten. Diese bleiben hier vielmehr in der Regel bestehen und dienen der Absicherung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs auf Rückzahlung der Darlehensvaluta (Senatsurteil vom 8. Februar 1994 – XI ZR 77/93, WM 1994, 583, 584). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wäre entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch dann nicht gerechtfertigt, wenn gerade die grundpfandrechtliche Absicherung des Darlehens wegen des bei Realkrediten niedrigeren marktüblichen Vergleichszinses das Darlehen sittenwidrig erscheinen ließe (Joswig aaO S. 189).
III.
Das Berufungsurteil mußte daher aufgehoben werden. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil sowohl die Höhe des anfänglichen effektiven Vertragszinses als auch die des marktüblichen Vergleichszinses sowie die Frage, ob eine Übersicherung der Beklagten vorlag, noch der Klärung bedarf. Deshalb war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bei der Höhe des anfänglichen effektiven Vertragszinses wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, daß in den von der Klägerin und ihrem Mann geschuldeten monatlichen Raten jeweils auch ein Tilgungsanteil enthalten war und deshalb kein gleichbleibender Darlehenssaldo der Berechnung zugrunde gelegt werden kann. Ferner wird das Berufungsgericht klären müssen, ob die Vermittlungsgebühr von 12.000 DM, die die Maklerfirma erhalten hat, in die Berechnung des effektiven Vertragszinses mit einzubeziehen ist. Dabei ist davon auszugehen, daß Vermittlerkosten bei Konsumentenratenkrediten in der Regel der Darlehensgeberin als Teil der Kreditkosten zuzurechnen sind, weil die Einschaltung eines Vermittlers im allgemeinen im überwiegenden Interesse der Teilzahlungsbank liegt und ihr eigene organisatorische und finanzielle Aufwendungen für die Anwerbung von Kunden oder die Unterhaltung von Zweigstellen erspart (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1986 – III ZR 163/85, WM 1986, 1519 f.; Senatsurteil vom 19. Februar 1991 – XI ZR 319/89, WM 1991, 624, 625). Eine Ausnahme von dieser Regel gilt jedoch dann, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles ergibt, daß die Tätigkeit des Vermittlers nicht so sehr im Interesse der Bank, sondern des Kreditnehmers lag oder ihm besondere Vorteile gebracht hat (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1986 aaO S. 1520). Das Berufungsgericht wird daher dem Vortrag der Beklagten nachzugehen haben, daß die Maklerfirma umfassend im Auftrag und Interesse der Klägerin und ihres Ehemannes tätig geworden und die Vermittlung des hier interessierenden Kredits nur ein Teil ihrer Tätigkeit für die Eheleute gewesen sei.
Zur Feststellung des marktüblichen Vergleichszinses wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die grundpfandrechtliche Absicherung des Darlehens nach dem Verkehrswert der beliehenen Objekte seine Einordnung als Hypothekarkredit im Sinne der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank rechtfertigt.
Unterschriften
Nobbe, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Joeres
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.06.2000 durch Bartholomäus, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539483 |
BB 2000, 2275 |
DB 2000, 2471 |
BauR 2001, 137 |
BauR 2001, 684 |
NJW-RR 2000, 1431 |
EWiR 2000, 901 |
MittRhNotK 2000, 335 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1580 |
WuB 2000, 1089 |
ZAP 2000, 1053 |
ZIP 2000, 1376 |
ZfIR 2001, 37 |
MDR 2000, 1260 |
ZBB 2000, 338 |