Leitsatz (amtlich)
Wenn ein hamburgisches Gesundheitsamt eine in Hamburg wohnende Bewerberin um Berufung in ein Beamtenverhältnis in Schleswig-Holstein auf ihre gesundheitliche Eignung untersucht und der schleswig-holsteinischen Einstellungsbehörde ein entsprechendes amtsärztliches Zeugnis erteilt, handelt es sich nicht um Amtshilfe.
Der Amtsarzt eines hamburgischen Gesundheitsamts, der eine in Hamburg wohnende Bewerberin um Berufung in ein Beamtenverhältnis in Schleswig-Holstein untersucht und der schleswig-holsteinischen Einstellungsbehörde ein amtsärztliches Zeugnis über ihre gesundheitliche Eignung als Beamtin erteilt, erfüllt keine Amtspflichten gegenüber dem Land Schleswig-Holstein als einem Dritten im Sinne von § 839 BGB.
Normenkette
HambVwVfG § 4 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 839
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 3. Dezember 1999 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 3, vom 17. April 1998 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das klagende Land Schleswig-Holstein beabsichtigte im Jahre 1993, die als Angestellte an einer Grundschule in E. tätige, in Hamburg wohnende Lehrerin M. Sch. in das Beamtenverhältnis zu übernehmen. Mit Schreiben vom 15. November 1993 forderte das Schulamt Frau Sch. auf, sich von dem für ihren Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt unter Vorlage dieses Schreibens amtsärztlich untersuchen zu lassen; der amtsärztlichen Bescheinigung müsse zu entnehmen sein, ob die Eignung für den Lehrerberuf im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bestehe; das amtsärztliche Gesundheitszeugnis und die Kostenrechnung sollten an das Ministerium für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport des Landes Schleswig-Holstein gesandt werden. Frau Sch. ließ sich am 29. November 1993 unter Vorlage dieses Schreibens vom Gesundheitsamt des Bezirksamts Ei. in Hamburg untersuchen. In einem ihr zur Vorbereitung der Untersuchung ausgehändigten Vordruck beantwortete sie die Frage nach „ernsthaften Erkrankungen” u.a. mit: „Angeborene Hüftdysplasie”. Das Gesundheitsamt erteilte unter dem 13. Dezember 1993 ein amtsärztliches Zeugnis („… ausgestellt auf Ersuchen vom Schulamt des Kreises P. …”) dahin, daß nach den erhobenen Untersuchungsbefunden ärztlicherseits keine Bedenken gegen die Übernahme der untersuchten als Lehrerin in ein Beamtenverhältnis bestünden; Frau Sch. sei für diesen Beruf gesundheitlich geeignet; mit vorzeitigem Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit sei nicht zu rechnen. Anschließend wurde Frau Sch. durch das Ministerium des klagenden Landes mit Wirkung vom 15. Dezember 1993 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Lehrerin z.A. ernannt. Inzwischen ist sie Beamtin auf Lebenszeit.
Anläßlich eines Verfahrens auf Übernahme in den Schuldienst der beklagten Stadt Hamburg im Rahmen eines Lehreraustauschverfahrens wurde Frau Sch. am 17. November 1994 nochmals untersucht, diesmal vom Personalärztlichen Dienst des Senatsamts für den Verwaltungsdienst der Beklagten. Diese Untersuchung und eine orthopädische Zusatzuntersuchung ergaben den Befund, daß wegen einer bestehenden Hüftgelenkserkrankung Bedenken gegen die Tätigkeit als Lehrerin – im Beamtenverhältnis – bestünden. Zwar zeige die Erkrankung derzeit keine Symptomatik. Im Hinblick darauf, daß der Lehrerberuf grundsätzlich im Stehen ausgeübt werde, könne jedoch keine sichere Prognose gestellt werden. Durch längeres Stehen könnten der Verlauf der Erkrankung und die Beschwerden ungünstig beeinflußt werden. Deshalb könnten zukünftige Fehlzeiten oder eine vorzeitige Pensionierung nicht mit einem ausreichend hohen Maß an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Dieser Befund führte dazu, daß die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Beklagten mit Schreiben vom 23. Januar 1995 aus gesundheitlichen Gründen die Übernahme von Frau Sch. als beamtete Lehrerin ablehnte.
Das klagende Land, das seinerseits im Hinblick auf den Gesundheitszustand der von ihm zur Lehrerin auf Lebenszeit ernannten Frau Sch. in Zukunft erhebliche Vermögenseinbußen befürchtet (z.B. im Falle von Beihilfeleistungen, notwendigen Vertretungen und etwa auch einer Frühpensionierung), nimmt die Beklagte – im Hinblick darauf, daß der Schaden noch nicht beziffert werden könne, im Wege einer Feststellungsklage – auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch. Das vom Gesundheitsamt der Beklagten erteilte amtsärztliche Gutachten sei schuldhaft auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage erstellt worden. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beamtenbewerberin wären bei der gebotenen gründlicheren Untersuchung sicher zu erkennen gewesen. Die Beklagte hat eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem klagenden Land in Abrede gestellt. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Feststellungsklage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
A.
Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Mit Recht hat das Berufungsgericht ein Feststellungsinteresse des klagenden Landes i.S. des § 256 Abs. 1 ZPO hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann, bejaht. Das Feststellungsinteresse ist in einem solchen Fall grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und durch die Klageerhebung einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll. Geht es dabei um den Ersatz erst künftig befürchteten Schadens aufgrund einer nach Behauptung des Klägers bereits eingetretenen Rechtsverletzung, so setzt das Feststellungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus; diese ist nur dann zu verneinen, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 – VI ZR 381/99 – NJW 2001, 1431 f). Eine dementsprechende Schadenswahrscheinlichkeit ist im Streitfall ohne weiteres anzunehmen.
B.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Das Berufungsgericht will danach differenzieren, ob das Gesundheitsamt der Beklagten bei der Erteilung des amtsärztlichen Zeugnisses vom 13. Dezember 1993 in „eigener originärer Zuständigkeit” tätig geworden sei oder nicht. Im ersteren Fall habe das Gesundheitsamt Amtspflichten gegenüber dem im Sinne des Amtshaftungsrechts als „Dritter” anzusehenden klagenden Land verletzt, so daß ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegeben sei. Anderenfalls ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz aus den Rechtsgrundsätzen über die Amtshilfe.
I.
Indessen ist nach dem vorliegenden Sachverhalt für einen Ersatzanspruch im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut der Amtshilfe von vornherein kein Raum. Um Amtshilfe handelte es sich bei der in Rede stehenden amtsärztlichen Untersuchung und Zeugniserteilung nicht.
1. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 des hier maßgeblichen Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HambVwVfG; vgl. auch § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) liegt selbst dann, wenn eine Behörde einer anderen Behörde auf Ersuchen ergänzende Hilfe leistet, Amtshilfe im Rechtssinne nicht vor, wenn die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen. Darunter sind alle Aufgaben zu verstehen, die der betreffenden Behörde bereits spezialgesetzlich außerhalb der Amtshilferegelungen als Hilfeleistungen (auch) gegenüber anderen Behörden übertragen sind, für die sich also die Pflicht zur Hilfeleistung nicht erst aufgrund des Ersuchens der auf die Hilfe angewiesenen Behörde ergibt (näher hierzu Kopp/Ramsauer VwVfG 7. Aufl. § 4 Rn. 16; Obermayer VwVfG 3. Aufl. § 4 Rn. 48; Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 5. Aufl. § 4 Rn. 35 ff m.w.N.). Diese Regelung hat ihren inneren Grund darin, daß die von ihr erfaßten Hilfeleistungen in der Regel bestimmten Fachbehörden zugewiesen sind, die häufig eigens zu diesem Zweck errichtet oder zumindest (auch) hierfür mit Dienstkräften und Einrichtungen ausgestattet wurden, um andere Behörden unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Hilfeleistungen zu erbringen, ohne daß der Rückgriff auf die §§ 4 bis 8 des Verwaltungsverfahrensgesetzes notwendig wäre; das vom Gesetzgeber vorgegebene Zusammenwirken bestimmter Behörden, die dafür jeweils mit Teilaufgaben betraut sind, läßt sich nicht mit der Amtshilfe gleichsetzen, die die Aufgabenbewältigung nur in Ausnahmefällen mit fremder Hilfe ermöglichen soll (Obermayer aaO § 4 Rn. 49).
2. In diesem Sinne – also der pflichtgemäßen Wahrnehmung einer eigenen Aufgabe, nicht einer Handlung im Rahmen der Amtshilfe – ist es auch zu werten, wenn Amtsärzte der Gesundheitsämter in Hamburg amtsärztliche Zeugnisse erteilen, die zur Ermittlung gesundheitlicher Befunde gesetzlich vorgeschrieben sind (vgl. OVG Münster NVwZ-RR 1992, 527; OVG Brandenburg Recht im Amt 1998, 299; Stelkens/Bonk/Sachs aaO Rn. 36; Kopp/Ramsauer aaO Rn. 16). Dies gilt auch im Streitfall.
a) Nach § 3 Abs. 1 Nr. III des in Hamburg mit seinen Durchführungsverordnungen als Landesrecht fortgeltenden Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 3. Juli 1934 (RGBl. I S. 531) obliegt den Gesundheitsämtern u.a. die amts-, gerichts- und vertrauensärztliche Tätigkeit, soweit sie den Amtsärzten übertragen ist. § 1 Satz 2 Nr. 5 der Zweiten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 22. Februar 1935 (RGBl. I S. 215) schreibt vor, daß das Gesundheitsamt amtliche Zeugnisse in allen Fällen auszustellen hat, in denen die Beibringung eines amtsärztlichen Zeugnisses „vorgeschrieben” ist. Maßgebliche gesetzliche Vorschrift im letzteren Sinne ist im Streitfall § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein – Landesbeamtengesetz (LBG) – i.d.F. vom 2. Juni 1991 (GVOBl. Schl.-H. S. 275), wonach die gesundheitliche Eignung für das Beamtenverhältnis in der Regel durch Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses nachzuweisen ist. Hierauf beruhte die Anforderung eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses durch das schleswig-holsteinische Ministerium für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport gegenüber dem Schulamt des Kreises P., das seinerseits die Bewerberin, Frau Sch., entsprechend unter dem 15. November 1993 anschrieb und diese hierdurch veranlaßte, das Gesundheitsamt in ihrem Wohnort Hamburg aufzusuchen.
Daß mithin das Gesundheitsamt ein Gesundheitszeugnis erstellt hat, dessen Beibringung im Sinne des hamburgischen Landesrechts „vorgeschrieben” war, kann nicht mit der Erwägung der Revision – in anderem Zusammenhang – in Frage gestellt werden, schleswig-holsteinisches Landesrecht könne seiner Natur nach andere Bundesländer nicht verpflichten. Letzterer Gesichtspunkt schließt nicht die Befugnis des hamburgischen Gesetzgebers aus, den Tatbestand einer (landes-)gesetzlich begründeten Verpflichtung bestimmter (Landes-)Behörden zum Handeln (hier: amtsärztliche Untersuchung und Begutachtung einer Hamburger Bürgerin) nach der jeweiligen Sachlage auch an einen durch Vorschriften eines anderen Bundeslandes ausgelösten „Handlungsbedarf” (hier: Notwendigkeit eines amtsärztlichen Attests im schleswig-holsteinischen Beamteneinstellungsverfahren) anzuknüpfen. Soweit es um die Erstattung amtlicher Gesundheitszeugnisse als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens geht, ist eine derartige – „grenzüberschreitende” und auf Gegenseitigkeit beruhende (vgl. § 22 Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst – Gesundheitsdienst-Gesetz [GDG] vom 26. März 1979 [GVO Bl. Schl.H. S. 244]) – Regelung ausgesprochen sachgerecht und – aus der Sicht der zu begutachtenden Personen, die das Gesundheitsamt ihres Wohnsitzes aufsuchen können – bürgerfreundlich.
b) Folglich erfüllte das Gesundheitsamt der Beklagten mit der Erstellung des amtsärztlichen Zeugnisses betreffend die in Hamburg wohnende Anwärterin für eine Beamtenlaufbahn in Schleswig-Holstein eine „eigene” gesetzliche Verpflichtung nach Hamburger Landesrecht. Daß diese Verpflichtung der hamburgischen Behörde sich hier letztlich erst im Zusammenhang mit gesetzlichen Bestimmungen eines anderen Bundeslandes konkretisierte, ist im vorliegenden Zusammenhang ebensowenig von Belang wie der Umstand, daß im Streitfall das hamburgische Gesundheitsamt nur deshalb anstelle eines der schleswig-holsteinischen Gesundheitsämter (vgl. §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1, 22 GDG) eingeschaltet wurde, weil die betroffene Bewerberin für das Beamtenverhältnis in Schleswig-Holstein ihren Wohnsitz in Hamburg hatte. Auch daraus, daß im Streitfall das hamburgische Gesundheitsamt als staatliche Behörde handelte, wogegen die Gesundheitsämter in Schleswig-Holstein als Behörden eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt in Wahrnehmung von Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung tätig geworden wären (vgl. §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1 GDG), ergibt sich kein Unterschied; auch im letzteren Fall hätte es sich – im Verhältnis zu den für die Einstellung der Lehrer zuständigen Behörden – um die Wahrnehmung „eigener” Aufgaben des jeweiligen schleswig-holsteinischen Gesundheitsamtes gehandelt (vgl. auch Senatsurteil vom 25. April 1960 – III ZR 65/57 – LM BGB § 839 [C] Nr. 56 = VersR 1960, 750).
c) Der Bewertung der Erteilung des amtsärztlichen Zeugnisses durch das Gesundheitsamt der Beklagten vor dem Hintergrund der genannten Vorschriften als Wahrnehmung eigener Aufgaben steht schließlich nicht entgegen, daß die Bewerber für das Lehramt an Hamburger Schulen zur Feststellung ihrer gesundheitlichen Eignung vom Personalärztlichen Dienst (PÄD) untersucht werden (§ 4 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung für Lehrämter an Hamburger Schulen vom 3. Juli 1973 [HambGVBl. S. 255] i.V.m. § 6 des Hamburgischen Beamtengesetzes i.d.F. vom 29. November 1977 – HambBG – [HambGVBl. S. 367]). Es handelt sich hierbei um eine für das Personalwesen von Hamburg eingerichtete Stelle; daß der PÄD für amtsärztliche Untersuchungen zuständig wäre, die für andere Bundesländer benötigt werden, ist nicht ersichtlich, schon gar nicht, daß damit die Zuständigkeit der Gesundheitsämter in solchen Fällen entfallen wäre.
3. Handelte es sich nach allem im Streitfall nicht um Amtshilfe im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne, das heißt nicht um eine bloße Beistands- und Unterstützungshandlung der Gesundheitsbehörde des beklagten Landes in einem für sie „fremden” Verfahren, so scheidet ein darauf gegründeter Regreßanspruch des Klägers gegen die Beklagte – ob nun, wie das Berufungsgericht erwägt, aus § 7 Abs. 2 HambVwVfG oder aus einer entsprechenden Heranziehung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über den Auftrag oder im Sinne einer „internen Ausgleichsverpflichtung nach allgemeinen Grundsätzen” (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG aaO § 7 Rn. 10) – aus.
II.
1. Soweit das Berufungsgericht den vorstehend dargestellten – zutreffenden – Ausgangspunkt einnimmt, daß das Gesundheitsamt der Beklagten in Wahrnehmung eigener Aufgaben und nicht im Wege der Amtshilfe tätig wurde, bejaht es einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG des klagenden Landes gegen die Beklagte. Mit der schuldhaften Verletzung der Amtspflicht zur Erstellung eines ordnungsgemäßen amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses habe das Bezirksamt/Gesundheitsamt Ei. Amtspflichten gegenüber dem klagenden Land als einem „Dritten” im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB verletzt. Unter den vorliegenden Umständen habe nämlich die den begutachtenden Ärzten obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Erstellung eines amtsärztlichen Zeugnisses dem klagenden Land gegenüber in einer Art und Weise bestanden, wie sie charakteristisch für das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt sei. Das klagende Land unterscheide sich insoweit nicht von einem privatrechtlichen Arbeitgeber, der unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes eines künftigen Arbeitnehmers über dessen Eignung für die in Aussicht genommene Tätigkeit zu entscheiden habe. Insoweit habe die Pflicht des Amtsarztes zur ordnungsgemäßen Begutachtung dem klagenden Land gegenüber in gleicher Weise wie gegenüber einem privaten Arbeitgeber bestanden. Es sei auch nicht davon auszugehen, daß der Kläger und die Beklagte im vorliegenden Zusammenhang bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe „gleichsinnig” zusammengewirkt hätten oder ihre Aufgaben so eng miteinander verzahnt gewesen seien, daß ihre Beziehungen zueinander dem Außenstehenden wie etwas Zusammengehöriges hätte erscheinen müssen. Das klagende Land sei – so das Berufungsgericht weiter – in den Schutzbereich der vom Gesundheitsamt verletzten Amtspflicht auch mit seinem Interesse einbezogen gewesen, eine richtige Entscheidung bezüglich der Eignung der Bewerberin für die Einstellung als Beamtin auf Lebenszeit treffen zu können, mit der Folge, daß die Beklagte für dessen durch die fehlerhafte Begutachtung gegebenenfalls eintretende erhebliche Vermögensschäden aufkommen müsse.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgericht haben die – bei der in Rede stehenden Untersuchung und Begutachtung in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelnden (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1994 – III ZR 78/93 – NJW 1994, 2415) – Ärzte der Beklagten keine Amtspflichtverletzungen gegenüber dem klagenden Land als einem „Dritten” begangen.
a) Dritter im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB kann allerdings, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt mit Recht ausführt, auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein. Im allgemeinen werden die unter den verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts bestehenden Pflichten jedoch lediglich solche sein, die eine ordentliche Verwaltung gewährleisten sollen. Eine solche Körperschaft ist – wie das Berufungsgericht ebenfalls im Ansatz richtig sieht – nur dann Dritter, wenn der für die haftpflichtige Behörde tätig gewordene Beamte ihr bei Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist (Senatsurteile BGHZ 116, 312, 315 und vom 21. Januar 1974 – III ZR 13/72 – VersR 1974, 666). Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen, daß sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst (st. Rspr. vgl. BGHZ 116, 312, 315 mit den weiteren Fallbeispielen aaO S. 316).
b) Zu Unrecht ordnet das Berufungsgericht den hier vorliegenden Sachverhalt nicht der letzteren, sondern der ersteren der in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Fallgruppen zu.
aa) Das Berufungsgericht sieht den für seine Ansicht maßgeblichen Anknüpfungspunkt darin, daß vorliegend das klagende Land im Zusammenhang mit der bevorstehenden Entscheidung über die Berufung einer Lehrerin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in gleicher Weise auf ein zutreffendes Gesundheitszeugnis des Amtsarztes angewiesen gewesen sei wie ein privater Arbeitgeber bei der Einstellung eines Arbeitnehmers.
Eine solche Betrachtung könnte in der Tat naheliegen, wenn die Gesundheitsämter nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und ihrer Zweckrichtung – auch – dafür eingerichtet und allgemein verpflichtet wären, amtliche Gesundheitszeugnisse als Entscheidungshilfen – etwa vor der Einstellung von Arbeitnehmern – für den allgemeinen (privaten wie öffentlichen) Arbeitsmarkt auszustellen. Wäre dies so, dann läge die haftungsrechtliche Konsequenz nahe, daß auch die (Vermögens-)Interessen der auf die betreffenden Gesundheitszeugnisse angewiesenen Personen als vom Schutzbereich der Amtspflicht zu ordnungsgemäßer amtsärztlicher Begutachtung umfaßt wären; folgerichtig könnte ein solcher amtshaftungsrechtlicher Drittschutz im Grundsatz auch – etwa als zukünftigen Arbeitgebern bzw. Dienstherren – beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht versagt werden.
Dies sind indessen Erwägungen, die im heutigen Gesundheitswesen, so wie es im Gesetz vorgeschrieben und eingerichtet ist, keine Grundlage haben. Aufgabe der Gesundheitsämter ist nach geltendem Recht in erster Linie die Wahrnehmung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, und zwar primär im Interesse der Allgemeinheit. In diesen Zusammenhang gehört auch die amtsärztliche Gutachtertätigkeit. Sie ist als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens wie dieses dazu bestimmt, unmittelbar den Gesundheitszustand der Bevölkerung und bestimmter Bevölkerungsgruppen zu ermitteln und laufend zu überwachen, ihnen drohende Gefahren festzustellen und zu beseitigen bzw. auf deren Beseitigung hinzuwirken sowie die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt und in Teilen zu schützen und zu fördern (vgl. Pitschas NJW 1986, 2861, 2863 m.w.N.). Auch in Hamburg kann und darf das Gesundheitsamt amtliche Gesundheitszeugnisse nur in den Fällen ausstellen, in denen die Beibringung eines solchen Zeugnisses vorgeschrieben ist (Verordnung vom 22. Februar 1935 aaO). Anlaß für derartige Vorschriften zur Beibringung eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses sind stets Allgemeininteressen (z.B. § 47 Abs. 1 BSeuchG: Tbc-Attest, dazu BVerwG DÖV 1994, 171; § 15e StVZO: Eignung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, s. Senatsurteil vom 5. Mai 1994 aaO; vgl. auch OVG Münster NVwZ-RR 1992, 527: nach den Beihilfevorschriften erforderliche Feststellungen). Dem öffentlichen Interesse dienen selbstredend auch diejenigen Vorschriften, die vor der Einstellung von Beamten in den Staatsdienst eine Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerber – regelmäßig durch die staatlichen Gesundheitsbehörden – verlangen, weil nur gesunde Bedienstete Beamte auf Lebenszeit werden sollen. Vorschriften, die eine vergleichbare Absicherung privater Unternehmer gegen gesundheitliche Mängel ihrer Beschäftigten durch amtsärztliche Gesundheitszeugnisse begründen könnten, gibt es nicht. Für Hamburg schreibt § 20 der Verordnung vom 22. Februar 1935 (aaO) ausdrücklich vor, daß das Gesundheitsamt für Privatpersonen amtliche Zeugnissse nur ausstellen darf, wenn die Begutachtung als Dienstaufgabe erklärt ist. Die Gesundheitsämter sind mithin keine allgemeine amtliche ärztliche Begutachtungseinrichtungen, die etwa für Einstellungsuntersuchungen für den privaten Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden.
bb) Hiernach kann keine Rede davon sein, daß das klagende Land das amtsärztliche Gesundheitszeugnis betreffend eine Beamtenbewerberin genau so entgegengenommen und benutzt hätte wie ein privater Arbeitgeber ein Gesundheitszeugnis über einen einzustellenden Arbeitnehmer. Es handelt sich vielmehr um ein für den speziellen Fall der Berufung in das Beamtenverhältnis gesetzlich vorgeschriebenes Zusammenwirken von mehreren Behörden – hier: sogar in verschiedenen Bundesländern, ohne daß dies der Sache allerdings ein besonderes Gepräge gibt – aus Gründen der Effektivität und der Vereinfachung der Verwaltung:
Wenn die Einstellungsbehörde eines Bundeslandes, statt die gesundheitliche Eignung eines Beamtenbewerbers selbst festzustellen, auf entsprechender gesetzlicher Grundlage die Gesundheitsämter desselben oder aber auch eines anderen Bundeslandes in Anspruch nimmt, so arbeiten im einen wie im anderen Fall beide Behörden – als zusammenwirkende Teile der öffentlichen Verwaltung – auf dasselbe Ziel hin, nämlich die Erhebung eines zutreffenden Gesundheitsbefundes als Eignungsvoraussetzung für eine Person, die zur Verwaltung in besondere Rechtsbeziehungen treten will. So gesehen sind auch im Streitfall das schleswig-holsteinische Ministerium für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport und das hamburgische Gesundheitsamt im Sinne der Rechtsprechung gleichsinnig tätig geworden. Die betroffene Lehrerin hat sich in dem laufenden Verfahren das von „der Verwaltung” verlangte Gesundheitszeugnis bei einer anderen Stelle „der Verwaltung” besorgt.
cc) Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt, der dem Urteil vom 25. April 1960 (III ZR 65/57 – LM BGB § 839 [C] Nr. 56 = VersR 1960, 750) zugrunde lag. Dort hat der Senat ausgesprochen, daß die Pflicht der Meldebehörde einer bayerischen Gemeinde, Aufenthaltsbescheinigungen, die zum Nachweis der anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Bayerischen Entschädigungsgesetzes vom 18. August 1949 (GVBl. 195) verwendet wurden, richtig und wahrheitsgemäß auszustellen, auch als Amtspflicht gegenüber dem Freistaat Bayern im Sinne des § 839 BGB bestanden habe. Die betreffenden Meldebehörden hatten im Rahmen ihres damaligen Aufgabenbereichs den gemeldeten Meldepflichtigen Meldebestätigungen zu erteilen. Derartige Bescheinigungen konnten ohne besondere Zweckbestimmung allgemein im Rechtsverkehr verwendet werden. Sie wirkten im Verhältnis zu den jeweiligen Ansprechpartnern – Privatleuten wie Behörden – wie behördliche Auskünfte. Sie konnten im rechtsgeschäftlichen Verkehr und auch im Umgang mit Behörden eine Vertrauensgrundlage für Vermögensdispositionen – z.B. Zahlungsverpflichtungen – Dritter darstellen. Unter diesem Gesichtspunkt hat der erkennende Senat der unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewilligung einer Entschädigung verpflichteten Entschädigungsstelle, die sich – ohne sonstige gesetzliche oder verwaltungsmäßig organisatorische Verknüpfung – der ihr vorgelegten Meldebestätigung nur als eines von mehreren Mitteln im Rahmen ihrer erforderlichen Ermittlungen bediente, in bezug auf den amtshaftungsrechtlichen Drittschutz die gleiche Stellung zuerkannt wie jedem Bürger, der in vergleichbarer Weise unter Verwendung einer unrichtigen Meldebescheinigung getäuscht worden ist und einen Vermögensschaden erleidet.
Demgegenüber diente im Streitfall das in Rede stehende amtsärztliche Zeugnis des Gesundheitsamtes der Beklagten nur dem einzigen Zweck, der zuständigen Personalbehörde des klagenden Landes – auf einem nur ihr in dieser Weise gesetzlich eröffneten Weg – Erkenntnisse über die gesundheitliche Eignung der Bewerberin und damit eine Grundlage für die Einstellungsentscheidung zu verschaffen.
III.
Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
Weder ist angesichts dessen, daß das Gesundheitsamt der Beklagten bei der Erteilung des vom klagenden Land verwendeten amtsärztlichen Zeugnisses eine eigene gesetzliche Aufgabe erfüllt hat (siehe oben zu I), Raum für die Annahme eines (öffentlich-rechtlichen) Auftragsverhältnisses zwischen den Parteien (vgl. für das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern bei der Auftragsverwaltung Senat BGHZ 16, 95, 99; BVerwGE 12, 253 f), noch kommt eine Einstandspflicht der Beklagten gegenüber dem klagenden Land unter dem Gesichtspunkt des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG in Betracht, wonach der Bund und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung haften. Ob diese Vorschrift auch auf das Verhältnis zwischen den Ländern anwendbar ist, kann offenbleiben. Im Hinblick darauf, daß Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen konkretisierungsbedürftig ist, das vom Verfassungsgeber erwartete Ausführungsgesetz (Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG) jedoch fehlt, kann zwar angenommen werden, daß die Haftungsregelung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG in ihrem Kernbereich schon eine unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage ist. Dieser unmittelbar anwendbare Kernbereich der Haftungsregelung erfaßt jedoch nur vorsätzliche Pflichtverletzungen, wie der
4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ausgesprochen hat (BVerwGE 104, 29), dem der erkennende Senat sich anschließt. Um vorsätzliche Verstöße geht es im Streitfall nicht.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.06.2001 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 613483 |
BGHZ |
BGHZ, 139 |
NJW 2001, 2799 |
BGHR 2001, 632 |
BGHR |
NVwZ 2001, 1198 |
JR 2002, 330 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1730 |
ZBR 2002, 219 |
DÖV 2002, 88 |
VR 2002, 178 |
VersR 2002, 361 |
DVBl. 2001, 1609 |