Leitsatz (amtlich)
Unterzeichnen Eheleute einen Kreditvertrag zur Finanzierung des Kaufs eines ihren finanziellen Verhältnissen entsprechenden Pkw, der zur Gestaltung und Bewältigung des täglichen Lebens benutzt werden soll, als "Kreditnehmer" und weisen die kreditgebende Bank gemeinsam zur Überweisung der Darlehensvaluta an den Fahrzeughändler an, so ist die Ehefrau als Mitdarlehensnehmerin und nicht als bloße Mithaftende anzusehen, auch wenn der Kaufvertrag über den Pkw vom Ehemann allein abgeschlossen worden ist.
Normenkette
BGB §§ 138, 607
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 27.2.2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines wegen Zahlungsverzuges gekündigten Ratenkredites in Anspruch.
Am 9.3.1999 unterzeichneten die damals 46-jährige Beklagte und ihr Ehemann, nachdem sie sich im Jahre 1998 getrennt hatten, in einer Phase der Wiederannäherung gemeinsam als "Kreditnehmer" einen Ratenkreditvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin). Der Kreditbetrag von 37.172,72 DM einschließlich Zinsen diente der Anschaffung eines Pkw für 26.990 DM. Der Ehemann bezifferte sein monatliches Nettoeinkommen mit 3.000 DM, die arbeitslose Beklagte gab an, monatlich 1.000 DM vom Arbeitsamt zu erhalten.
Mit Schreiben v. 1.4.1999 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die monatlichen Raten nicht - wie vertraglich vereinbart - von dem Konto ihres Ehemannes, sondern von ihrem eigenen Konto abgebucht werden sollten, was in der Folgezeit auch geschah. Während der Zeit des Zusammenlebens wurde der Pkw - es handelte sich um das Einzige Familienauto - u. a. für gemeinsame Einkaufsfahrten genutzt, wobei der Ehemann das Fahrzeug führte, da die Beklagte über keine Fahrerlaubnis verfügte.
Nachdem sich die Eheleute im Juni 2000 erneut getrennt hatten und der Ehemann das Auto in alleinigen Besitz genommen hatte, stellte die Beklagte die Ratenzahlungen ein. Die Klägerin kündigte daraufhin den Darlehensvertrag und nahm die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 11.352,72 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Die Beklagte hält ihre Inanspruchnahme wegen krasser wirtschaftlicher Überforderung für sittenwidrig.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Beklagte zur Zahlung von 11.304,49 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung aus §§ 607 ff. BGB i. V. m. §§ 11, 12 VerbrKrG sowie auf Zahlung von Verzugszinsen aus § 11 Abs. 1 VerbrKrG.
1. Die Beklagte sei lediglich Mithaftende, nicht Darlehensnehmerin, geworden, weil sie kein eigenes Interesse an der zur Anschaffung des Pkw bestimmten Kreditaufnahme gehabt habe. Nur der Ehemann sei zur selbstständigen Nutzung des Autos in der Lage gewesen, da nur er eine Fahrerlaubnis besessen habe. Die gelegentliche Mitnahme der Beklagten sowie der Umstand, dass diese einige Monate nach Vertragsschluss darum gebeten habe, die Darlehensraten nunmehr von ihrem Konto abzubuchen, seien lediglich Anhaltspunkte von geringer Bedeutung. Ebenso komme es auf die im Darlehensvertrag gewählte Bezeichnung der Beklagten als Kreditnehmerin nicht an.
2. Die Mithaftung der Beklagten überfordere diese in krasser Weise, weil sie nicht einmal in der Lage sei, die laufenden Zinsen der Hauptschuld i. H. v. 104 DM monatlich aufzubringen. Ihr monatliches Einkommen von 1.000 DM habe unterhalb der bei Vertragsschluss maßgeblichen Pfändungsfreigrenze von ca. 1.200 DM gelegen. Die Mithaftungsübernahme beruhe hier aber nicht auf einem sittlich anstößigen Ausnutzen der emotionalen Verbundenheit zwischen Hauptschuldner und Mithaftender durch den Kreditgeber. Der Kredit sei nämlich zur Finanzierung eines Hausratsgegenstandes aufgenommen worden und die Kredithöhe habe sich im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute gehalten. Der finanzierte Pkw habe nicht nur den individuellen Zwecken des Hauptschuldners, sondern dem Zusammenleben beider Ehegatten insgesamt gedient. Es habe sich um das einzige Familienfahrzeug gehandelt, das auch für die Gestaltung und Bewältigung des täglichen Lebens der Eheleute eingesetzt worden sei. Die Mithaftungserklärung der Beklagten sei deshalb nicht nur wegen ihrer emotionalen Verbundenheit zum Hauptschuldner, sondern aus rationalen Erwägungen erfolgt.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis, nicht aber in allen Teilen der Begründung stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht nicht als Mitdarlehensnehmerin, sondern als bloß Mithaftende angesehen.
a) Die Qualifizierung der von der Beklagten mit Vertrag v. 9.3.1999 übernommenen Verpflichtung als Darlehensschuld oder aber als Beitrittsschuld ist davon abhängig, ob die Beklagte als gleichberechtigte Vertragspartnerin neben ihrem Ehemann einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben und deshalb gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein sollte, oder aber ob sie aus dem Darlehensvertrag keine Rechte haben, sondern der Klägerin nur zu Sicherungszwecken in Höhe des offenen Darlehensbetrages haften sollte. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen der Verpflichtung als Mitdarlehensnehmer und der Haftung als Beitretender ist die von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge (Madaus, WM 2003, 1705 [1706 f.]). Die Privatautonomie schließt - in den Grenzen der §§ 134 und 138 BGB - die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des vereinbarten Vertragstyps ein, umfasst allerdings nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher Qualifikation (BGH, Urt. v. 13.1.2004 - XI ZR 479/02, MDR 2004, 458 = BGHReport 2004, 453 = WM 2004, 426 [429 f.]). Die kreditgebende Bank hat es deshalb nicht in der Hand, durch eine im Darlehensvertrag gewählte Formulierung wie "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuldner" oder dergleichen einen bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (BGH, Urt. v. 4.12.2001 - XI ZR 56/01, MDR 2002, 347 = BGHReport 2002, 203 = WM 2002, 223 [224]; v. 28.5.2002 - XI ZR 205/01, BGHReport 2002, 990 = MDR 2002, 1202 = WM 2002, 1649 [1650]). Maßgebend ist vielmehr der wirkliche Parteiwille bei Abschluss des Vertrages.
Dieser ist im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Zu den vom BGH anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung (st. Rspr., vgl. BGH v. 10.12.1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13 [16] = MDR 1993, 635; Urt. v. 11.9.2000 - II ZR 34/99, WM 2000, 2371 [2372]) sowie die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1999 - V ZR 360/96, MDR 1998, 1153 = WM 1998, 1883 [1886]; Urt. v. 27.6.2001 - VIII ZR 235/00, MDR 2001, 1281 = BGHReport 2001, 890 = WM 2001, 1863 [1864]). Dem trägt das Berufungsurteil nicht ausreichend Rechnung.
b) Das Berufungsgericht hat dem Wortlaut des Darlehensvertrages unter Hinweis auf das Senatsurteil v. 4.12.2001 (BGH, Urt. v. 4.12.2001 - XI ZR 56/01, MDR 2002, 347 = BGHReport 2002, 203 = WM 2002, 223 [224]) keinerlei Bedeutung beigemessen. Der Hinweis geht fehl. Mit dem Satz, die kreditgebende Bank habe es nicht in der Hand, einen bloß Mithaftenden durch die Bezeichnung als "Mitdarlehensnehmer" im Darlehensvertrag zum gleichberechtigten Kreditnehmer zu machen, sollte in jener Entscheidung zum Ausdruck gebracht werden, dass die rechtliche Einordnung des Vertrages nicht Sache der kreditgebenden Bank ist. Dies bedeutet indes nicht, dass es auf den Wortlaut nicht ankommt. Er ist vielmehr, was das Berufungsgericht nicht beachtet hat, Ausgangspunkt der Auslegung.
Der Wortlaut des Darlehensvertrages v. 9.3.1999 spricht für eine echte Mitvertragspartnerschaft der Beklagten. Sie ist in dem Vertrag ebenso wie ihr Ehemann als "Kreditnehmer" bezeichnet, hat darin im Zusammenwirken mit ihrem Ehemann die Klägerin angewiesen, die Kreditvaluta an den Fahrzeughändler auszuzahlen, und war nach den Vertragsbedingungen gegenüber der Klägerin verpflichtet, die für den Pkw erforderlichen Versicherungen zu unterhalten. Dass die Beklagte abweichend vom Vertragswortlaut nach dem Vertragswillen der Parteien gleichwohl nicht gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin, sondern bloß Mithaftende sein sollte, ist nicht ersichtlich.
c) Dagegen und für eine Qualifizierung der Beklagten als echte Mitdarlehensnehmerin spricht, dass sie, wie nach der Rechtsprechung des Senats erforderlich (BGH v. 14.11.2000 - XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 [41] = MDR 2001, 403 = GmbHR 2001, 247 = BGHReport 2001, 132; Urt. v. 4.12.2001 - XI ZR 56/01, MDR 2002, 347 = BGHReport 2002, 203 = WM 2002, 223 [224]; v. 28.5.2002 - XI ZR 205/01, BGHReport 2002, 990 = MDR 2002, 1202 = WM 2002, 1649 [1650]), ein eigenes Interesse an der Kreditaufnahme hatte. Der Kredit diente der Anschaffung eines Pkw der unteren Mittelklasse, der den finanziellen Verhältnissen der Eheleute entsprach. Es handelte sich um das einzige Fahrzeug der Eheleute, das zur Gestaltung und Bewältigung des täglichen Lebens, z. B. für gemeinsame Einkaufsfahrten, benutzt wurde. Dass der Pkw dabei nur vom Ehemann gesteuert wurde, weil die Beklagte seinerzeit nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohne Belang. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kaufvertrag über den Pkw nur vom Ehemann abgeschlossen worden ist. Auch bei der kreditfinanzierten Anschaffung größerer Hausratsgegenstände wird der Kaufvertrag - vor allem wegen besonderer Kenntnisse oder Erfahrungen eines Ehepartners auf einem bestimmten Gebiet - vielfach nur von einem der Ehegatten abgeschlossen, ohne dass das Interesse auch des anderen Ehepartners am Erwerb des Einrichtungsgegenstands und der Kreditaufnahme zweifelhaft sein kann.
d) Auch nachvertraglich hat sich die Beklagte wie eine echte Darlehensnehmerin verhalten, was Rückschlüsse auf ihren Vertragswillen bei Abschluss des Kreditvertrages zulässt (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2002 - I ZR 304/99, BGHZ 150, 32 [39] = BGHReport 2002, 422; Urt. v. 24.5.2000 - VIII ZR 329/98, WM 2000, 1648 [1652]). Beginnend mit der Ersten am 15.4.1999 fälligen Kreditrate wurden die Raten auf Veranlassung der Beklagten von ihrem eigenen Konto abgebucht. Zwar enthält der Kreditvertrag v. 9.3.1999 nur eine Einzugsermächtigung des Ehemannes zu Gunsten der Klägerin. Die Beklagte, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts über Erfahrungen aus einer früheren Kreditaufnahme verfügte, hat die Klägerin jedoch bereits am 1.4.1999 - nicht, wie vom Berufungsgericht fälschlich ausgeführt, erst einige Monate nach Abschluss des Kreditvertrages - gebeten, die fälligen Raten von ihrem Konto und nicht demjenigen ihres Ehemannes abzubuchen. So verhält sich nur eine echte Mitdarlehensnehmerin, der an der Erfüllung einer eigenen Darlehensschuld gelegen ist, nicht aber eine bloß Mithaftende, die ihre Verpflichtung allein zur Absicherung des Darlehensgebers übernommen hat und dementsprechend hofft, der alleinige Darlehensnehmer werde seinen Verpflichtungen nachkommen und sie nicht in Anspruch genommen werden. Eine bloß Mithaftende wird Zahlungen an den Kreditgeber daher grundsätzlich erst nach Eintritt des Sicherungsfalles leisten. Dies hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Vertragswillens der Parteien nicht berücksichtigt und die Beklagte deshalb zu Unrecht nicht als Mitdarlehensnehmerin, sondern nur als Mithaftende angesehen.
2. Ausgehend von der Qualifizierung der Beklagten als Mitdarlehensnehmerin kommt ein Verstoß des Darlehensvertrages gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) wegen krasser finanzieller Überforderung der Beklagten von vornherein nicht in Betracht. Auf Grund der Vertragsfreiheit ist es grundsätzlich jedem Volljährigen unbenommen, in eigener Verantwortung Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die ihn finanziell überfordern und von ihm notfalls nur unter dauernder Inanspruchnahme auch des pfändungsfreien Einkommens erbracht werden können (BGH v. 19.1.1989 - IX ZR 124/88, BGHZ 106, 269 [272] = MDR 1989, 445; v. 24.11.1992 - XI ZR 98/92, BGHZ 120, 272 [274] = MDR 1993, 138; v. 17.12.1997 - IV ZR 271/96, BGHZ 137, 329 [335]). Abgesehen davon liegt bei Darlehensnehmern, die ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung haben und sich als Gesamtschuldner verpflichten, eine krasse finanzielle Überforderung nur vor, wenn die pfändbaren Einkommen aller Mitdarlehensnehmer zusammen nicht ausreichen, die laufenden Zinsen des Kredits zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.1998 - XI ZR 244/97, MDR 1999, 47 = WM 1998, 2366 f.). Dazu waren die Beklagte und ihr Ehemann indes angesichts ihres monatlichen Nettoeinkommens von insgesamt 4.000 DM ohne weiteres in der Lage.
III.
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Fundstellen
BB 2004, 1414 |
DB 2004, 1493 |
DStZ 2004, 503 |
NWB 2004, 2852 |
BGHR 2004, 1031 |
FamRZ 2004, 1016 |
FuR 2005, 43 |
NJW-RR 2004, 924 |
EWiR 2005, 101 |
JurBüro 2004, 624 |
WM 2004, 1083 |
WuB 2004, 569 |
ZIP 2004, 1039 |
DAR 2004, 385 |
FPR 2004, 637 |
MDR 2004, 820 |
NJ 2004, 462 |
VuR 2004, 260 |
FamRB 2004, 329 |
RdW 2004, 400 |
VRA 2004, 128 |
ZBB 2004, 252 |
ZFE 2004, 213 |
ZGS 2004, 204 |
ZVI 2004, 282 |
JWO-VerbrR 2004, 169 |
Kreditwesen 2004, 889 |