Leitsatz (amtlich)
Vereinbarungen in Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt, die wegen eines fehlenden funktionsfähigen Grundstücksmarkts im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Erhöhung des zunächst vereinbarten Kaufpreises aufgrund einer Nachbewertung der verkauften Grundstücke vorsehen, unterliegen als Preishauptabrede nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG.
Normenkette
AGBG § 8
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden – unter Zurückweisung im übrigen – das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 30. September 1999 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin vom 27. Oktober 1998 abgeändert.
Unter Abweisung des Hauptantrags als zur Zeit unbegründet wird auf den Hilfsantrag festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin den Differenzbetrag zwischen dem mit Kaufvertrag vom 24. September 1991, UR-Nr. des Notars K. in M., vereinbarten Kaufpreis für die Grundstücke
Gemarkung H.
Flur |
Flurstück |
Fläche (qm) |
9 |
91/1 |
1.042 |
9 |
90/2 |
764 |
9 |
90/3 |
380 |
9 |
91/3 |
3.295 |
9 |
325/90 |
2.897 |
9 |
363/90 |
20 |
9 |
364/90 |
148 |
2 |
610/65 |
1.261 |
in Höhe von 8,87 DM/qm
sowie für die Grundstücke
Gemarkung Ha.
Flur |
Flurstück |
Fläche (qm) |
8 |
263/1 |
7.090 |
8 |
902/267 |
949 |
8 |
898/264 |
1.838 |
8 |
900/266 |
948 |
8 |
250 |
1.510 |
8 |
248 |
1.280 |
8 |
253/1 |
2.860 |
8 |
249 |
1.400 |
8 |
945/140 |
28 |
8 |
948/141 |
28 |
8 |
951/142 |
24 |
8 |
969/260 |
587 |
8 |
966/156 |
24 |
8 |
963/153 |
76 |
8 |
960/152 |
128 |
8 |
957/145 |
80 |
8 |
942/138 |
52 |
8 |
939/136 |
104 |
8 |
251 |
1.540 |
in Höhe von 16,55 DM/qm
und dem Wert pro Quadratmeter dieser vorbezeichneten Grundstücke zum Stichtag 1. Juli 1993, der im Wege einer Nachbewertung durch einen von dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer M. zu benennenden öffentlich bestellten Sachverständigen für Grundstücksbewertungen für beide Parteien verbindlich festzustellen ist, abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 3 % p. a. bzw. 0,25 % pro Monat und unter Berücksichtigung einer Obergrenze von 50 % des vorläufigen Wertansatzes/qm binnen einer Frist von 20 Banktagen ab Eingang des Verkehrswertgutachtens bei der Beklagten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1991 erwarb die Beklagte von der P. GmbH mehrere Grundstücksflächen in den Gemarkungen H. (9.807 qm für 8,87 DM/qm = 86.988,09 DM) und Ha. (20.546 qm für 16,55 DM/qm = 340.036,30 DM). Die Klägerin, die damals noch „Treuhandanstalt” hieß, war alleinige Gesellschafterin der Verkäuferin. In § 10 des Kaufvertrags vereinbarten die Vertragsparteien wegen eines fehlenden funktionsfähigen Grundstücksmarkts eine Nachbewertung der veräußerten Flächen. Im einzelnen heißt es dazu:
„(3) Bei der Nachbewertung ist der Verkehrswert des verkauften Grund und Bodens zum 01.07.1993 („Nachbewertungsstichtag”) festzustellen. …
(4) Von dem zu zahlenden Differenzbetrag gem. Abs. 6 dieser Vorschrift ist ein Freibetrag in Höhe von 3,0 % p. a. abzuziehen bzw. 0,25 % pro Monat.
(5) Eine Nachbewertung ist mit für die Parteien verbindlicher Wirkung durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen für Grundstücksbewertung als Schiedsgutachter durchzuführen. Die Treuhand schlägt dem Käufer schriftlich bis zum Nachbewertungsstichtag einen solchen Sachverständigen vor.
Dieser Vorschlag gilt als angenommen, wenn nicht der Käufer binnen eines Monats nach Zugang des Vorschlages schriftlich gegenüber der Treuhand widerspricht. Widerspricht der Käufer und schlägt die Treuhand den Sachverständigen nicht fristgemäß vor, so kann jede Partei den Präsidenten der zuständigen Industrie- und Handelskammer um Ernennung eines Sachverständigen ersuchen, spätestens jedoch bis zum 28.02.1994.
(6) Soweit der von dem Sachverständigen zum Nachbewertungsstichtag festgestellte Wert des verkauften Grund und Bodens den nach Abs. 2 dieser Vorschrift in den Kaufpreis eingegangenen Wert überschreitet, erhöht sich der Kaufpreis nachträglich um den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag. Als Obergrenze einer Nachbewertung hat der Käufer maximal 50 % des vorläufigen Wertansatzes/qm nachzuzahlen.
Der Erhöhungsbetrag ist auf das in diesem Vertrag genannte Konto der Treuhand binnen einer Frist von 20 Banktagen nach endgültiger Feststellung des Verkehrswertes durch den Sachverständigen (maßgeblich für den Fristbeginn ist der Eingang des Verkehrswertgutachtens beim Käufer) zu zahlen.”
Mit Schreiben vom 2. Juli 1993 schlug die Klägerin der Beklagten vor, die Nachbewertung durch den Gutachter M. vornehmen zu lassen. Hiermit erklärte sich die Beklagte mit Schreiben vom 23. Juli 1993 einverstanden. Der Gutachter lehnte den Auftrag jedoch ab. Daraufhin beauftragte die Klägerin einseitig den Sachverständigen R. mit der Nachbewertung. Dieser ermittelte mit Gutachten vom 4. November 1993 den Verkehrswert per 1. Juli 1993 für die Flächen in H. mit 112.780,50 DM und für die Flächen in Ha. mit 678.018 DM. Mit Schreiben vom 10. Februar 1994 übersandte die Klägerin der Beklagten die Gutachten und forderte sie gleichzeitig zur Zahlung von 213.512,20 DM auf. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 25. Februar 1994 mit, daß sie die Gutachten nicht anerkenne. Daraufhin verlangte die Klägerin von der Beklagten mit Schreiben vom 8. März 1994 – unter Richtigstellung eines Rechenfehlers – Zahlung von 194.456,45 DM; gleichzeitig wies sie die Beklagte darauf hin, daß sie auf ihre Kosten einen von der Industrie- und Handelskammer M. öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter mit der Nachbewertung beauftragen könne. Sie bat um Mitteilung einer Entscheidung der Beklagten bis zum 24. März 1994.
Mit Schreiben vom 20. April 1994 schlug die Klägerin der Beklagten – unter Bezugnahme auf ein dem Inhalt nach streitiges Telefongespräch am 12. April 1994 zwischen einem Mitarbeiter der Klägerin und dem Rechtsanwalt der Beklagten – vor, den Gutachterausschuß des Katasteramts B. zu beauftragen, und bat um kurzfristige Rückäußerung. Die Klägerin erinnerte die Beklagte mit Schreiben vom 19. Mai 1994. Nachdem auch dieses Schreiben ohne Reaktion geblieben war, teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 20. Juni 1994 mit, daß sie „unter Anwendung von § 10 Abs. 5 des Kaufvertrags” nunmehr den Gutachterausschuß des Katasteramts B. mit der Erstellung des Nachbewertungsgutachtens beauftragt habe. Die Beklagte ließ mit Anwaltsschreiben vom 8. August 1994 dieser Beauftragung widersprechen, weil es sich bei dem Gutachterausschuß nicht um einen öffentlich bestellten Sachverständigen handele.
Der Gutachterausschuß ermittelte den Verkehrswert für die Flächen in Ha. mit 435.600 DM und für die Flächen in H. mit 118.000 DM. Mit Schreiben vom 7. November 1994 übermittelte die Klägerin der Beklagten die Gutachten und forderte sie zur Zahlung von 119.523,33 DM bis zum 12. Dezember 1994 auf. Mit Anwaltsschreiben vom 7. Dezember 1994 ließ die Beklagte die Gutachten beanstanden und lehnte die Zahlung ab. Nachdem die Beklagte Mahnungen der Klägerin vom 22. Dezember 1994 und 23. Januar 1995 unbeachtet gelassen hatte, teilte ihr die Klägerin mit Schreiben vom 30. August 1996 mit, ein weiteres Gutachten durch den ursprünglich vorgesehenen Sachverständigen M. erstellen lassen zu wollen, um den Bedenken der Beklagten Rechnung zu tragen. Die Beklagte verweigerte jedoch dem Gutachter den Zutritt zu den Grundstücken und lehnte eine Begutachtung ab.
Mit der Behauptung, ihr Mitarbeiter und der Rechtsanwalt der Beklagten hätten sich in dem Telefongespräch am 12. April 1994 über die Einholung eines neuen, für beide Parteien verbindlichen Gutachtens geeinigt, hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 119.523,33 DM nebst 6,5 % Zinsen sowie hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis und dem Wert pro Quadratmeter der verkauften Grundstücke zum Stichtag 1. Juli 1993, der im Wege der Nachbewertung durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen für beide Parteien verbindlich festzustellen ist, abzüglich eines Freibetrags von 3 % p.a. und unter Berücksichtigung der Obergrenze von 50 % des vorläufigen Wertansatzes pro Quadratmeter, beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie zusätzlich „höchst hilfsweise” die Feststellung begehrt hat, daß die Beklagte zur Zahlung des von dem Sachverständigen M. zu ermittelnden Differenzbetrags verpflichtet ist, ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag und ihre auf Feststellung gerichteten Hilfsanträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht die Aktivlegitimation der Klägerin, weil ihr in dem Kaufvertrag vom 24. September 1991 ein eigenes Forderungsrecht gegen die Beklagte eingeräumt worden sei. Die Nachbewertungsklauseln sieht das Berufungsgericht als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des AGB-Gesetzes an; sie seien für eine Vielzahl von Verträgen formuliert und der Beklagten von der Verkäuferin „gestellt” worden. Ob die Klauseln nach § 9 AGBG unwirksam seien, könne dahinstehen; selbst im Fall ihrer Wirksamkeit hätte die Klägerin gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch, weil das Nachbewertungsgutachten nicht auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen erstellt worden sei. Auch die Feststellungsanträge blieben ohne Erfolg, weil eine Nachbewertung nach dem 28. Februar 1994 nicht mehr erfolgen solle.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts zur Aktivlegitimation der Klägerin. Die Vertragsparteien haben ihr das eigene Recht eingeräumt, die Zahlung eines eventuellen höheren Kaufpreises von der Klägerin zu fordern. Das ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB).
2. Mit unzutreffenden Erwägungen hält das Berufungsgericht jedoch den von der Klägerin mit dem Hauptantrag verfolgten Zahlungsanspruch für unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Nachbewertungsklauseln um Individualvereinbarungen, wie die Klägerin meint, oder Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG handelt. Denn in beiden Fällen sind die Klauseln wirksam.
a) Das Gesetz geht in § 433 Abs. 2 BGB von dem Grundsatz der festen Preisbestimmung aus. Danach ändert sich die Höhe des vereinbarten Kaufpreises nicht, selbst wenn sich der Wert des Kaufgegenstands nach Abschluß des Kaufvertrags ändern sollte. Das Risiko eines sinkenden Werts trägt der Käufer; ihm kommt aber andererseits eine Wertsteigerung zugute. Ausnahmen davon können vereinbart werden, denn die Preisbestimmung unterliegt der freien Disposition der Vertragsparteien. Sie sind deswegen nicht gehindert, bei dem Verkauf von Grundstücken deren spätere Nachbewertung mit der Folge einer eventuellen Änderung des Kaufpreises zu vereinbaren. Das kann sowohl individualvertraglich, wobei keine Wirksamkeitsbedenken bestehen, als auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geschehen.
b) Falls es sich hier bei den Nachbewertungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln sollte, wären sie nicht so ungewöhnlich, daß sie nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden wären. Der hier maßgebliche Erwerberkreis (Investoren) mußte nämlich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses damit rechnen, daß sich der in einem Treuhandanstalt-Privatisierungsvertrag vereinbarte Grundstückskaufpreis aufgrund einer Nachbewertung des Kaufgegenstands erhöhen konnte. Ihm kann nicht unbekannt geblieben sein, daß es im Beitrittsgebiet ca. ein Jahr nach der Wiedervereinigung noch keinen funktionsfähigen Grundstücksmarkt gab und deswegen die Vereinbarung eines angemessenen Kaufpreises vielfach nicht möglich war. Auch lag es auf der Hand, mit steigenden Grundstückspreisen zu rechnen. In dem vorliegenden Fall kommt noch hinzu, daß der in dem Kaufvertrag zunächst vereinbarte Kaufpreis ausdrücklich als „vorläufiger Wertansatz” bezeichnet wird. Dies schließt es aus, den Klauseln einen Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (vgl. Senat, BGHZ 109, 197, 201) beizumessen.
Auch eine erhebliche Abweichung vom dispositiven Recht, die ebenfalls eine Ungewöhnlichkeit im Sinne des § 3 AGBG begründen kann (Senatsurt. v. 26. Mai 2000, V ZR 49/99, WM 2000, 2099, 2100 m.w.N.), liegt nicht vor. Bereits vor dem 3. Oktober 1990 konnte eine Nachbewertung, die wegen des Fehlens eines funktionsfähigen Grundstücksmarkts und entsprechender Marktpreise im Beitrittsgebiet durchgeführt werden sollte, nicht nur individualvertraglich, sondern auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Anders sind nämlich die Regelungen in Nr. 4 der Anlage IX zum Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Erster Staatsvertrag, BGBl. II S. 518, 566) nicht zu verstehen. Danach „kann im Rahmen der Vertragsfreiheit mit den üblichen Klauseln vorgesehen werden, den zunächst vereinbarten Grundstückspreis nach Ablauf einer Übergangsfrist einer Überprüfung und nachträglichen Anpassung zu unterziehen”. Für die Zulässigkeit der individualvertraglichen Vereinbarung einer solchen Nachbewertung bedurfte es keiner besonderen Regelung; sie war selbstverständlich. Bereits dies spricht für die Möglichkeit, Nachbewertungsklauseln auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen niederzulegen. Auch entsprach die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in diesem Bereich einem praktischen Bedürfnis. Die gesamte Volkswirtschaft der DDR war zu privatisieren, wozu es tausender von Verträgen bedurfte, in denen die Interessen der Erwerber, der Gesamtwirtschaft und der öffentlichen Hand als Träger des ehemals volkseigenen Vermögens zu berücksichtigen waren. Dieser Prozeß hatte bis zur Wiedervereinigung gerade begonnen und war nicht annähernd abgeschlossen. Da sich danach die tatsächlichen Verhältnisse zunächst nicht wesentlich von den vorherigen unterschieden, lag es nahe, auch nach dem 3. Oktober 1990 die in Nr. 4 der Anlage IX zum Ersten Staatsvertrag enthaltenen Grundsätze der Nachbewertung anzuwenden. Auch dabei drängte sich die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geradezu auf, wenn – wie bei der Vereinbarung einer Nachbewertung von verkauften Grundstücken in Treuhandanstalt-Privatisierungsverträgen – die Regelung des Interessenausgleichs durch typische Vereinbarungen erfolgen konnte. Sie erleichterte es der Treuhandanstalt, ihren Privatisierungsauftrag zu erfüllen. Bei dem Verkauf von Grundstücken war die Aufnahme von Nachbewertungsklauseln in die Kaufverträge nämlich regelmäßig erforderlich, um einerseits schnell privatisieren zu können und andererseits Veräußerungen unter Wert zu verhindern sowie kurzfristige Wertsteigerungen aufgrund öffentlicher Infrastrukturmaßnahmen abzuschöpfen (vgl. Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992, 293, 295; Kiethe, VIZ 1993, 471, 473; Hormann, VIZ 1996, 71, 72). Die Ausgangslage und Interessen der Beteiligten waren immer gleich, so daß die Nachbewertungsvereinbarungen trotz einzelfallbezogener Modifikationen denselben Kerngehalt haben mußten.
c) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Nachbewertungsklauseln einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG unterzogen. Sie scheitert nämlich an § 8 AGBG, weil die Klauseln unmittelbar die Höhe des von der Beklagten letztendlich zu zahlenden Kaufpreises bestimmen. Kontrollfähig sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedoch lediglich Nebenabreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH, Urt. v. 19. Oktober 1999, XI ZR 8/99, NJW 2000, 651 m. umfangr. Nachw.). Sie regeln nicht das Ob und den Umfang von Entgelten, sondern haben die Art und Weise der Erbringung und etwaige Modifikationen als ergänzende Regelung „neben” einer bereits existierenden Preishauptabrede zum Inhalt (Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 8 Rdn. 17). Um derartige Preisnebenabreden geht es hier indessen nicht. Vielmehr enthalten die Nachbewertungsklauseln solche Regelungen, die auch aus der Sicht der Beklagten klar und verständlich die zukünftige, bei Vertragsschluß noch nicht ausreichend bezifferbare Geldforderung nach allgemeinen Kriterien deutlich bestimmbar umschreiben. Das macht die Klauseln kontrollfrei (vgl. Brandner, in: Brandner/Ulmer/Hensen, AGBG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 19).
§ 8 AGBG soll in erster Linie bewirken, daß Abreden der Parteien über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungen, insbesondere über die Höhe des von einer Seite zu zahlenden Preises, der gerichtlichen Nachprüfung entzogen werden; ihre Festlegung ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien, denn es gibt vielfach keine gesetzliche Preisregelung, die bei Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung gemäß § 6 Abs. 2 AGBG an deren Stelle treten könnte (BGH, Urt. v. 9. Dezember 1992, VIII ZR 23/92, WM 1993, 753, 754 m.w.N.). Danach unterliegen die Nachbewertungsklauseln in dem Vertrag vom 24. September 1991 nicht der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG. Denn sie bestimmen unmittelbar den Preis, den die Beklagte für die erworbenen Grundstücke zu zahlen hat, auch wenn er erst nach Vertragsschluß ermittelt wird. Das ergibt sich schon aus der Bezeichnung des in dem Kaufvertrag betragsmäßig vereinbarten Kaufpreises als „vorläufiger Wertansatz”. Daraus wird deutlich, daß die endgültige Höhe des Kaufpreises erst später festgelegt werden sollte. Da sie noch nicht beziffert werden konnte, reichte es aus, daß die Vertragsparteien Regelungen zu dem Verfahren der Kaufpreisfindung vereinbart haben. Denn die aus dem Grundsatz der Privatautonomie folgende Kontrollfreiheit muß hier in gleicher Weise eingreifen wie bei einer Preisbezifferung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, weil auch die vertragliche Festlegung preisbildender Faktoren zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung zählt (BGH, Urt. v. 16. November 1999, KZR 12/97, WM 2000, 367, 371, vorgesehen für BGHZ 143, 128).
Allerdings könnte die Kontrollfreiheit nach § 8 AGBG dann entfallen, wenn die Klauseln ein einseitiges Leistungsänderungsrecht für die Klägerin begründeten (vgl. BGHZ 93, 252, 254; 124, 351, 362). Das ist indessen nicht der Fall. Vielmehr ist sie ebenso wie die Beklagte an das vereinbarte Verfahren zur Ermittlung des endgültigen Kaufpreises gebunden.
3. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin bei der Nachbewertung der verkauften Grundstücke den vereinbarten Verfahrensgang nicht eingehalten hat.
a) Zuzugeben ist der Revision allerdings, daß nach dem Vertragswortlaut die Voraussetzungen für die – vom Berufungsgericht als einzig zulässig erachtete – Anrufung des Präsidenten der zuständigen Industrie- und Handelskammer nicht vorlagen. Denn zum einen hatten sich die Vertragsparteien auf einen Sachverständigen geeinigt, und zum anderen hat die Beklagte durch ihr Einverständnis mit dem verspäteten Vorschlag der Klägerin zu erkennen gegeben, daß sie sich auf den Fristablauf (1. Juli 1993) nicht mehr berufen will.
b) Da der Vertrag für den Fall, daß der Sachverständige den Auftrag ablehnt, keine Regelung enthält, ist er auszulegen. Dabei ist dem Berufungsgericht kein Fehler unterlaufen. Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobene Rüge nach § 551 Nr. 7 ZPO bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht mußte sein Auslegungsergebnis nicht näher begründen, denn eine Unklarheit oder Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe zu einem an sich behandelten Streitstoff fallen nicht unter diese Vorschrift (RGZ 156, 220, 227).
c) Ebenfalls zu Recht sieht das Berufungsgericht die Anrufung des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer als Obliegenheit der Klägerin an. Daran ändert nichts der Umstand, daß nach der vertraglichen Regelung beide Parteien den IHK-Präsidenten anrufen konnten, aber nicht mußten. Entscheidend ist vielmehr, daß die Klägerin ihren Zahlungsanspruch auf ein Sachverständigengutachten stützen muß und die Benennung des Sachverständigen nach dem Gang der Dinge durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer zu erfolgen hatte. Seine Entscheidung sollte für beide Parteien verbindlich sein, weil dieser Verfahrensweg an die Stelle der in dem Vertrag vorgesehenen einvernehmlichen Benennung tritt und deswegen dieselben Rechtswirkungen erzeugen muß. Unbegründet ist der von der Revision in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, bei einer Gebundenheit der Parteien an die Benennung durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer bestünden Bedenken gegen die Wirksamkeit der Benennungsklausel unter dem Gesichtspunkt des § 9 AGBG. Denn abgesehen davon, daß eine Inhaltskontrolle nach dieser Vorschrift ausscheidet, wird die Person des Sachverständigen in der fraglichen Klausel nicht bestimmt und der Beklagten auch nicht aufgezwungen (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 1983, VIII ZR 83/82, WM 1983, 731, 732).
d) Schließlich kann die vom Berufungsgericht angenommene Rechtsfolge nicht als „kraß unverhältnismäßig” angesehen werden, wie die Revision meint. Mit gutem Grund haben die Vertragsparteien ein Verfahren vereinbart, welches die Nachbewertung der verkauften Grundstücke durch einen unabhängigen, von keinen Parteiinteressen beeinflußten Sachverständigen gewährleistet. Hält sich die Klägerin nicht an diese Vereinbarung, kann sie ihren Zahlungsanspruch nicht auf das Ergebnis eines vertragswidrig erstellten Gutachtens stützen.
4. Ebenfalls ohne Erfolg greift die Revision die vom Berufungsgericht unterlassene Beweiserhebung zu der Behauptung der Klägerin an, die Parteien hätten sich in dem Telefongespräch am 12. April 1994 darüber geeinigt, daß ein neues und für beide Parteien verbindliches Gutachten eingeholt werden solle. Denn diese Behauptung beinhaltet kein Einverständnis der Beklagten damit, daß die Klägerin einen völlig anderen als den in dem Vertrag vorgesehenen Gutachter (öffentlich bestellt oder von dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer benannt) vorschlagen und beauftragen durfte. Auf die Frage, ob die behauptete Einigung im Hinblick auf die qualifizierte Schriftformklausel in § 14 Abs. 2 des Kaufvertrags überhaupt wirksam wäre, kommt es somit nicht an.
5. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Revision auch, daß das Berufungsgericht keine Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen hat (§ 319 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB). Zwar hätte es von seinem Standpunkt aus diesen Weg gehen müssen. Der Vorschrift liegt nämlich der Gedanke zugrunde, daß die Leistung immer dann durch Urteil bestimmt werden soll, wenn sich die von den Vertragsparteien in erster Linie gewollte Bestimmung durch einen Dritten als nicht durchführbar erweist (Senatsurt. v. 7. April 2000, V ZR 36/99, WM 2000, 2104, 2105). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht ausgeht, könnte die Klägerin die Leistungsbestimmung durch das Gericht beantragen und, ebenso wie bei einer Leistungsbestimmung durch Urteil nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (s. dazu Senatsurt. v. 24. November 1995, V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1055), unmittelbar auf Zahlung des nach ihrer Meinung von der Beklagten geschuldeten Betrags klagen (vgl. Senatsurt. v. 7. April 2000, aaO, 2106). Aber so liegen die Dinge hier nicht. Derzeit steht nämlich nicht fest, daß der in den Nachbewertungsklauseln vereinbarte Verfahrensweg zur Einholung des Sachverständigengutachtens nicht mehr gangbar ist. Denn nach wie vor besteht die Möglichkeit der Erstellung des Gutachtens durch einen von dem Präsidenten der zuständigen Industrie- und Handelskammer zu benennenden Sachverständigen. Dem steht nicht etwa entgegen, daß nach § 10 Abs. 5 des Kaufvertrags die Anrufung des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer nur bis zum 28. Februar 1994 möglich war. Zwar läßt sich daraus entnehmen, daß nach diesem Zeitpunkt keine Nachbewertung mehr durchgeführt werden sollte, wenn – wie hier – bis dahin das Verfahren zur Benennung des Sachverständigen nicht eingeleitet war. Aber beide Parteien haben sich nach dem Stichtag auf Verhandlungen über die Person des Sachverständigen eingelassen und damit zu erkennen gegeben, daß sie sich nicht auf den Fristablauf berufen wollen. Insbesondere durfte die Klägerin das Schreiben der Beklagten vom 8. August 1994 in diesem Sinne verstehen. Sich jetzt im Widerspruch dazu zu verhalten, ist der Beklagten nach § 242 BGB verwehrt, ohne daß es noch auf den Inhalt des Telefongesprächs vom 12. April 1994 ankommt.
6. Da die Klägerin eine Leistungsbestimmung durch Urteil erst – aber immer noch – beantragen kann, wenn die Wertermittlung durch einen von dem Präsidenten der zuständigen Industrie- und Handelskammer benannten öffentlich bestellten Sachverständigen endgültig scheitern sollte, durfte das Berufungsgericht den auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung gerichteten Hauptantrag der Klage nicht endgültig abweisen. Er ist nämlich lediglich zur Zeit nicht begründet.
III.
Nach alledem hat die Klägerin derzeit einen Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Mehrbetrags, der sich aufgrund einer den vertraglichen Vereinbarungen entsprechenden Nachbewertung der verkauften Grundstücke ergibt. Dieses Begehren enthält der erste Hilfsantrag, den das Berufungsgericht zu Recht als zulässig ansieht. Über ihn kann der Senat selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dabei ist zur Klarstellung in den Urteilstenor aufzunehmen, daß der Sachverständige von dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer M. zu benennen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Tropf, Krüger, Klein, Lemke, Gaier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.01.2001 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547398 |
BGHZ |
BGHZ, 331 |
DB 2001, 753 |
NJW 2001, 2399 |
BGHR 2001, 316 |
BGHR |
BauR 2001, 1153 |
DNotI-Report 2001, 64 |
EWiR 2001, 505 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2001, 282 |
WM 2001, 642 |
ZAP 2001, 583 |
ZIP 2001, 463 |
ZfIR 2001, 365 |
DNotZ 2001, 617 |
MDR 2001, 681 |
NJ 2001, 427 |
NotBZ 2001, 185 |
GuG 2001, 191 |