Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozietät von Steuerberatern. Gegenseitige fristlose Kündigung. Schwerwiegende Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten. Wegfall der Vertrauensgrundlage. Beendigung der Sozietät. Gegenseitige Schadensersatzansprüche
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Kündigung einer zweigliedrigen Sozietät aus wichtigem Grund.
Normenkette
BGB § 723 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Limburg a.d. Lahn |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 10. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wer von ihnen aufgrund der gegenseitig erklärten fristlosen Kündigung aus der von ihnen gemeinsam betriebenen Steuerberatungspraxis ausgeschieden ist. Gleichzeitig verlangen sie gegenseitig Schadensersatz; diese Ansprüche verfolgen sie teils mit der Klage, teils mit der Widerklage.
Der Kläger war zum 2. Januar 1994 in die Einzelpraxis des Beklagten eingetreten. Am 13. Oktober 1997 kündigte der Kläger dem Beklagten an, er werde zum 31. Dezember 1997 aus der Sozietät ausscheiden. Es sei für ihn unerheblich, daß diese Ankündigung mit dem gemeinsamen Partnerschaftsvertrag nicht in Einklang stehe. Dieser sah als nächsten ordentlichen Kündigungstermin den 31. Dezember 1999 vor. Ferner kündigte er die Mitnahme von Mandanten mit einem Honorarvolumen von etwa 350.000,00 DM an. Mit Schreiben vom 23. Oktober mahnte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung ab und forderte diesen u.a. auf, seine Erklärung zurückzunehmen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kündigte der Beklagte dem Kläger am 5. November 1997 fristlos. Daraufhin erklärte der Kläger am 7. November 1997 seinerseits die fristlose Kündigung der Sozietät.
Das Landgericht hat entschieden, weder die fristlose Kündigung des Beklagten vom 5. November 1997 noch die fristlose Kündigung des Klägers vom 7. November 1997 sei wirksam. Auf die Anschlußberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht dieses Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, daß die Sozietät durch die fristlose Kündigung des Klägers beendet worden sei. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er seine Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Rüge der Revision, das Berufungsurteil verstoße gegen den Grundsatz der Bindung des Gerichts an die Parteianträge (§ 308 Abs. 1 ZPO), bleibt allerdings ohne Erfolg.
Mit seinem Klageantrag zu 1 hat der Kläger beantragt festzustellen, daß die Sozietät durch die Kündigung vom 7. November 1997 beendet und der Beklagte aus der Partnerschaft ausgeschieden sei. Über diesen Antrag hat das Berufungsgericht entschieden, indem es feststellt, die Sozietät sei durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 7. November 1997 (nicht: 1999) beendet worden. Entgegen der Argumentation der Revision ist ein Unterschied zwischen einer Kündigung der „Sozietät” und einer Kündigung der „Mitgliedschaft” des anderen Partners nicht anzuerkennen. Scheidet aus einer zweigliedrigen Gesellschaft („Sozietät”) einer der beiden Partner dadurch aus, daß ihm berechtigtermaßen aus wichtigem Grund gekündigt worden ist, so ist die Gesellschaft („Sozietät”) damit beendet; das Gesellschaftsvermögen wächst dem allein übrig bleibenden Partner an, der die Kündigung ausgesprochen hat.
II. Mit der Revision bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, ob die von dem Kläger am 7. November 1997 ausgesprochene Kündigung wirksam war.
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, der Ankündigung des Klägers, zum 31. Dezember 1997 aus der Partnerschaft auszuscheiden, lasse sich nicht entnehmen, daß er seine Mitarbeit über diesen Zeitpunkt hinaus ernsthaft und endgültig habe verweigern wollen. Sie genüge nicht den strengen Anforderungen an eine Erfüllungsverweigerung. Diese, dem allgemeinen Schuldrecht entnommene Bewertung ist rechtsfehlerhaft und wird den gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten nicht gerecht.
Ein Personengesellschaftsverhältnis kann gekündigt werden, wenn dem kündigenden Gesellschafter nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Gesellschaft nicht mehr zugemutet werden kann, wobei alle Einzelumstände des Falles – u.a. der Zweck und die Struktur der Gesellschaft, ihre Dauer, die Intensität der persönlichen Zusammenarbeit und der bis zur ordentlichen Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses verbleibende Zeitraum – in eine Gesamtabwägung einzubeziehen sind (Sen.Urt. v. 10. Juni 1996 – II ZR 102/95, WM 1996, 1452 m.w.N.).
2. Demgegenüber betrachtet das Berufungsgericht isoliert die fristlose Kündigung des Beklagten vom 5. November 1997, bezieht die zu dieser Kündigung führenden Gründe jedoch nicht in eine Abwägung der Gesamtumstände ein. Nach dem von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt hat der Kläger die Kündigungserklärung des Beklagten vom 5. November 1997 durch seine vorausgegangene Ankündigung, er werde die Zusammenarbeit mit dem Beklagten ohne Rücksicht auf den bestehenden Partnerschaftsvertrag zum 31. Dezember 1997 beenden, ausgelöst. Die Kündigungserklärung des Beklagten muß deshalb als Reaktion auf das Verhalten des Klägers verstanden werden. Es ist rechtsfehlerhaft, isoliert auf diese Reaktion des Beklagten abzustellen und sie als wichtigen Grund für ein Recht des Klägers zur Kündigung zu verstehen, ohne dessen vorausgegangenes Verhalten in die Bewertung einzubeziehen.
III. Im Gegensatz zu der Kündigung des Klägers wertet das Berufungsgericht die Kündigung des Beklagten vom 5. November 1997 als nicht wirksam. Das hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Es kommt darauf an, ob der Kläger seine gesellschaftsrechtlichen Pflichten durch sein vorausgegangenes Verhalten so schwerwiegend verletzt hat, daß dem Beklagten infolge des dadurch verursachten Zerwürfnisses eine vertrauensvolle Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zumutbar war. Nach dem von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt, dessen Richtigkeit im Revisionsverfahren zu unterstellen ist, spricht alles für die Erfüllung dieser Voraussetzung. Die Ankündigung des Klägers, die Gesellschaft auf jeden Fall zum 31. Dezember 1997 verlassen zu wollen, war eindeutig. Mit dem Anwaltsschreiben vom 31. Oktober 1997 bemüht sich der Kläger um „einen Termin zur gütlichen Einigung über die Auseinandersetzung der Sozietät”. Die Formulierung „Auseinandersetzung” deutet schon für sich auf einen Willen zur Beendigung der Sozietät. Außerdem hat der Kläger geäußert, es interessiere ihn nicht, daß seine Ankündigung, die Sozietät zu verlassen, mit dem Partnerschaftsvertrag nicht in Einklang stehe. Wenn das Berufungsgericht ausführt, der Kläger habe anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen dürfen, es habe auf der Hand gelegen, daß seine Anwälte nicht fristgerecht würden antworten können, ist dies ebenfalls fehlerhaft. Der Beklagte hat in seinem Schreiben vom 23. Oktober 1997 auch eine Entschuldigung für die ihm gegenüber erfolgten persönlichen Entgleisungen durch den Kläger gefordert. Eine solche Entschuldigung wäre auch ohne Mitwirkung der Anwälte möglich gewesen. Zu Unrecht läßt das Berufungsgericht dann bei seiner Entscheidung den vom Beklagten behaupteten, vom Kläger nicht bestrittenen Entzug von Daten und Unterlagen aus der Sozietät außer Betracht. Es führt hierzu aus, ein solcher Entzug sei erst nach der Kündigung erfolgt. Woher es diese Erkenntnis nimmt, legt es nicht dar. Das tiefgreifende Zerwürfnis zwischen den Parteien ergibt sich endlich aus den vom Kläger verfaßten Rundschreiben an die Mandanten der Sozietät vom 6. November 1997. Hierin teilt der Kläger den Mandanten mit, er verfüge über alle erforderlichen Unterlagen zur Fortsetzung der laufenden Beratung.
2. Dieses Verhalten stellt eine schwere, die für ein Verbleiben des Klägers in der Sozietät erforderliche Vertrauensgrundlage nachhaltig erschütternde Pflichtverletzung dar, falls der Kläger nicht seinerseits über gewichtige, zur Kündigung berechtigende Gründe verfügt.
IV. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die etwa erforderlichen ergänzenden Feststellungen treffen und die Gesamtumstände nunmehr gegeneinander abwägen kann. Dabei hat der Senat von § 565 Abs. 1 Satz 2 a.F. ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 28.01.2002 durch Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2002, 644 |
DB 2002, 1365 |
DStR 2002, 868 |
DStZ 2002, 383 |
NWB 2002, 1176 |
BGHR 2002, 417 |
NJW-RR 2002, 704 |
NZG 2002, 417 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 597 |
WuB 2002, 869 |
ZIP 2002, 570 |
AnwBl 2002, 366 |
KÖSDI 2002, 13370 |
MDR 2002, 608 |
KammerForum 2002, 297 |
Mitt. 2002, 567 |
WPK-Mitt. 2002, 269 |