Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenersatzanspruch der Gemeinde für Beseitigung einer Ölspur
Leitsatz (amtlich)
Die Möglichkeit des Kostenersatzes nach § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW schließt nicht von vornherein zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 7 StVG aus.
Normenkette
StVG § 7; BGB § 249; FSHG NW § 41 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Siegen (Urteil vom 14.06.2010; Aktenzeichen 3 S 124/09) |
AG Bad Berleburg (Entscheidung vom 25.11.2009; Aktenzeichen 1 C 60/09) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Siegen vom 14.6.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der Gemeinde B. Ersatz der Kosten für die Beseitigung einer Ölspur.
Rz. 2
Der Beklagte zu 1) ist Halter eines bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Traktors. Am Vormittag des 15.9.2008 verlor der Traktor bei einer Panne Hydrauliköl. Dadurch wurde die im Eigentum der Gemeinde stehende Straße im Bereich der Ortsdurchfahrt verunreinigt. Nachdem die städtische Feuerwehr die verschmutzte Stelle mit Ölbindemittel abgestreut hatte, beauftragte die Gemeinde, um die Verkehrssicherheit der Straße wiederherzustellen, die Firma D. damit, die Ölspur zu entfernen. Die Firma D. reinigte den Straßenbelag mit Spezialfahrzeugen im Nassreinigungsverfahren. Hierfür stellte sie der Gemeinde 2.937,37 EUR in Rechnung. In dieser Höhe trat diese an die Firma D. Ersatzansprüche gegen den Halter und den Haftpflichtversicherer des Traktors ab. Die Firma D. übertrug die Forderungen weiter an die Klägerin.
Rz. 3
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheiden Ansprüche aus § 7 StVG und § 823 BGB gegen die Beklagten aus abgetretenem Recht der Gemeinde aus. Die von der Firma D. in Rechnung gestellten Reinigungskosten seien keine Herstellungskosten i.S.v. § 249 Abs. 2 BGB. Die Gemeinde sei bei der Heranziehung der Firma D. zur Schadensbeseitigung hoheitlich ihrer Verpflichtung zur Gefahrenabwehr und nicht privatrechtlich als Straßeneigentümerin zur Beseitigung des Eigentumsschadens tätig geworden. Die Straßenreinigung sei schlicht-hoheitliches Handeln durch Realakt. Die Ölspur auf der Fahrbahn stelle einen Unglücksfall dar i.S.v. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung des Landes Nordrhein-Westfalen (Feuerschutzhilfeleistungsgesetz - FSHG NW) vom 10.2.1998 (GV. NRW. S. 122). Die Firma D. sei als Verwaltungshelferin zur Gefahrenabwehr tätig geworden. Mit der Beseitigung der Gefahr sei zwar der Eigentumsschaden an der Fahrbahn behoben worden, doch fielen Kosten der Gefahrenabwehr nicht unter die "Herstellungskosten" i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber habe im Feuerschutzhilfeleistungsgesetz eine abschließende Regelung für den Ersatz der Kosten von Hilfsmaßnahmen nach diesem Gesetz getroffen. Diese Regelung schließe für ihren Bereich einen Ersatz von Aufwendungen nach anderen Vorschriften, insb. nach dem Privatrecht aus. Nach der Regelung in § 41 Abs. 1 FSHG NW seien Feuerwehreinsätze grundsätzlich unentgeltlich. Die Gemeinden könnten in bestimmten Fällen nach § 41 Abs. 2 FSHG NW Ersatz der ihnen entstandenen Kosten verlangen, so wenn die Gefahr oder der Schaden beim Betrieb von Kraftfahrzeugen entstanden sei. Eine Regelungslücke, die einen Rückgriff auf andere, insb. privatrechtliche Vorschriften erfordern würde, bestehe daher nicht. Es liefe auch das Satzungserfordernis gem. § 41 Abs. 3 FSHG für die Regelung des Kostenersatzes leer, könnte die Gemeinde die Gefahrenabwehrkosten zusätzlich privatrechtlich als Schaden geltend machen.
Rz. 5
Ein Anspruch der Gemeinde auf Aufwendungsersatz gem. §§ 677, 683 Satz 1 BGB wegen Geschäftsführung ohne Auftrag sei im Hinblick auf die abschließende gesetzliche Kostentragungsregelung ausgeschlossen.
Rz. 6
Die Abtretung eventueller öffentlich-rechtlicher Kostenforderungen der Gemeinde gegen die Beklagten auf Ersatz der Reinigungskosten gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW an die Firma D. sei unzulässig und nichtig. Zwar könnten öffentlich-rechtliche Forderungen grundsätzlich abgetreten werden. Die Abtretung sei aber unwirksam, wenn sie zu einer Umgehung der öffentlich-rechtlichen Verfahrens- und Zuständigkeitsordnung führe und damit den Schutz öffentlicher oder privater Interessen in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtige. Dies sei hier der Fall. Die Erstattungsforderung nach § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW bedürfe der Höhe nach einer behördlichen Festsetzung. Dabei habe die Behörde gem. § 41 Abs. 6 FSHG NW eine Ermessensentscheidung, ob oder in welcher Höhe Kostenersatz verlangt werden solle, zu treffen, auf die die Beklagten einen Rechtsanspruch hätten. Verfahrensrechtlich sei der Kostenersatzanspruch mittels eines Leistungsbescheides und nicht in einem Zivilprozess geltend zu machen. Schließlich stünden der Klägerin aus abgetretenem Recht auch keine Ansprüche der Firma D. zu. Die Firma D. habe gegen die Beklagten keine eigenen vertraglichen Ansprüche. Sie habe lediglich ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinde erfüllt, weshalb auch für sie Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Betracht kämen.
II.
Rz. 7
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 8
1. Allerdings verneint das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision nicht beanstandet einen eigenen Anspruch der Firma D. gegen die Beklagten aus Geschäftsführung ohne Auftrag auf Aufwendungsersatz gem. §§ 677, 683 Satz 1 BGB.
Rz. 9
Beruht die Verpflichtung des Geschäftsführers auf einem wirksam geschlossenen Vertrag, der die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insb. die Entgeltfrage umfassend regelt, kann ein Dritter, dem das Geschäft auch zugute kommt, nicht auf Aufwendungsersatz wegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag in Anspruch genommen werden (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2003 - X ZR 66/01, NJW-RR 2004, 81, 83; v. 15.4.2004 - VII ZR 212/03, NJW-RR 2004, 956). Dies ist hier der Fall. Die Firma D. reinigte die Straße aufgrund eines Vertrages mit einer Entgeltregelung und erfüllte damit ihre vertragliche Verpflichtung.
Rz. 10
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin der öffentlich-rechtliche Kostenersatzanspruch gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW nicht wirksam abgetreten worden ist, stellt die Revision nicht in Frage. Sie ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden.
Rz. 11
Zwar sind öffentlich-rechtliche Forderungen grundsätzlich abtretbar (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1995 - II ZR 75/94, ZIP 1995, 1698, 1699; Staudinger/Busche, BGB (2005), Einleitung zu §§ 398 ff. Rz. 6). Die Vorschriften der §§ 398 ff. BGB sind nach Maßgabe der Besonderheiten der einschlägigen Rechtsmaterie entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, NJW 1993, 1610; LG Bielefeld, Urt. v. 23.10.2009 - 1 O 486/08, juris Rz. 15; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 398 Rz. 9; jurisPK-BGB/Knerr, § 398 Rz. 8, Stand Oktober 2010). Ergibt sich allerdings aus den Besonderheiten des öffentlichen Rechts, insb. aus der Rechtsnatur der Forderung, die Unvereinbarkeit einer Abtretung mit der der Forderung zugrunde liegenden Rechtsordnung, ist die Abtretung nichtig. Dies ist bei der Abtretung öffentlich-rechtlicher Forderungen - insb. an eine Privatperson - dann der Fall, wenn damit die öffentlich-rechtliche Verfahrens- und Zuständigkeitsordnung umgangen und sowohl öffentliche als auch schützenswerte private Interessen in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt würden (vgl. VG Düsseldorf NJW 1981, 1283; LG Bochum, Urt. v. 23.11.2009 - 8 O 647/08, juris Rz. 24; Staudinger/Busche, a.a.O., Einleitung zu §§ 398 ff. Rz. 6). Nach diesen Grundsätzen kann eine Forderung über Kosten, deren Erhebung im Ermessen der Behörde steht und die einer behördlichen Festsetzung der Höhe nach bedarf, vor Erlass des Leistungsbescheids nicht abgetreten werden. Eine solche Forderung entsteht nämlich nicht bereits mit der Verwirklichung des dem Ersatzbegehren zugrunde liegenden Sachverhalts. Sie bedarf der behördlichen Festsetzung. Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen tritt bei Erlass des Leistungsbescheids die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bei Festsetzung der Höhe des Anspruchs und des Leistungspflichtigen (vgl. Steegmann/Steegmann, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, § 41 FSHG Rz. 10, Stand: Dezember 2010). Darauf weist das Berufungsgericht mit Recht hin.
Rz. 12
Eine solche Festsetzung fehlt im Streitfall, von dem Erfordernis einer satzungsmäßigen Regelung des Kostenersatzes gem. § 41 Abs. 3 Satz 1 FSHG NW abgesehen. Mithin war ein etwaiger Kostenersatzanspruch der Gemeinde nach § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW jedenfalls nicht abtretbar (vgl. auch LG Bochum, Urt. v. 23.11.2009 - 8 O 647/08, juris Rz. 24; LG Baden-Baden, Urt. v. 24.7.2009 - 2 O 121/09, juris Rz. 19; AG Euskirchen, Urt. v. 6.8.2009 - 4 C 401/08, juris Rz. 13).
Rz. 13
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Gemeinde könne wegen der insoweit vorrangigen Regelung des § 41 FSHG NW keinen Schadensersatz nach zivilrechtlichen Vorschriften beanspruchen. Der Gemeinde standen dem Grunde nach Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1) gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und gegen die Beklagte zu 2) i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG zu, die an die Klägerin abgetreten wurden.
Rz. 14
a) Dass das aus dem Kraftfahrzeug des Beklagten zu 1) ausgelaufene Hydrauliköl die im Eigentum der Gemeinde stehende Straße in deren bestimmungsgemäßer Verwendung nicht unerheblich beeinträchtigte und mithin eine Sachbeschädigung vorlag, die dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) zuzurechnen ist, wird von keiner Seite in Frage gestellt. Dagegen ist rechtlich auch nichts zu erinnern (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 220/06, VersR 2008, 230 Rz. 8; BGH, Urt. v. 20.12.2006 - IV ZR 325/05, VersR 2007, 200 Rz. 10; OLG Brandenburg, Urt. v. 4.11.2010 - 12 U 53/10, juris Rz. 4). Betriebsstoffe, die von einem im öffentlichen Straßenraum befindlichen Fahrzeug auslaufen, sind dem Betrieb des Fahrzeugs zuzurechnen (vgl. OLG Köln VersR 1983, 287, 289; Greger, Haftungsrecht im Straßenverkehr, 4. Aufl., § 3 Rz. 45; Schneider, MDR 1989, 193, 194). Die zur Reinigung und Wiederherstellung der gefahrlosen Benutzbarkeit der Straße erforderlichen Aufwendungen sind daher grundsätzlich vom Schädiger nach § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB zu ersetzen (vgl. Senat, Urt. v. 6.11.2007 - VI ZR 220/06, a.a.O., Rz. 7; OLG Brandenburg, Urt. v. 4.11.2010 - 12 U 53/10, juris Rz. 4).
Rz. 15
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und anderer Instanzgerichte (vgl. allgemein zur Erstattung von Straßenreinigungskosten OLG Koblenz, GewArch 1978, 351 f.; zur Beseitigung von Ölspuren vgl. LG Bielefeld, Urt. v. 23.10.2009 - 1 O 486/08, juris Rz. 18; LG Bochum, Urt. v. 23.11.2009 - 8 O 647/08, juris Rz. 25; AG Euskirchen, Urt. v. 6.8.2009 - 4 C 401/08, juris Rz. 20; allgemein zu Brauchbarkeitsbeeinträchtigungen Schneider, a.a.O.) schließt die Möglichkeit des Kostenersatzes nach § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW nicht von vornherein zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 7 StVG aus (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 4.11.2010 - 12 U 53/10, juris Rz. 5 f.; LG Bonn, Urt. v. 11.1.2011 - 2 O 329/08, juris Rz. 36).
Rz. 16
aa) Im Streitfall sind schon die Voraussetzungen für den Kostenersatz gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW nicht gegeben, weil der Werklohnanspruch der Firma D. nicht durch einen Feuerwehreinsatz entstanden ist. Kostenersatz mit Leistungsbescheid nach § 41 Abs. 2 und 3 FSHG NW kann grundsätzlich nur für die durch den Einsatz der Feuerwehr entstandenen Kosten, etwa für eigenes Personal und eigene Sachmittel, gefordert werden (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 23.9.2002 - 5 A 149/00, juris Rz. 17 f.). Hingegen sind die durch die Heranziehung von Personen des Privatrechts entstandenen Auslagen nur dann Kosten des Feuerwehreinsatzes, wenn dem Träger der Feuerwehr die Tätigkeit der Personen des Privatrechts als hoheitliches Handeln zuzurechnen ist. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Person des Privatrechts durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist. Dazu bedarf es gesetzlicher Vorschriften, die ausdrücklich anordnen oder nach ihrem Zusammenhang ergeben, dass der private Leistungsträger als Beliehener oder als Verwaltungshelfer tätig wird (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.2007 - KZR 48/05, MedR 2008, 211, Rz. 10; BVerwGE 97, 282, 285).
Rz. 17
Die im Streitfall einschlägigen Bestimmungen des Feuerschutzhilfeleistungsgesetzes NW enthalten keine ausdrückliche Regelung, dass Personen des Privatrechts, die mit der Beseitigung von Straßenverunreinigungen vertraglich beauftragt werden, als Verwaltungshelfer oder Beliehene der Gemeinde handeln. Aber auch aufgrund der festgestellten tatsächlichen Umstände kann die Tätigkeit der Firma D. dem Einsatz der Feuerwehr nicht zugerechnet werden. Die Firma D. wurde erst vertraglich von Seiten der Gemeinde mit der vollständigen Beseitigung der Ölspur beauftragt, nachdem die Feuerwehr diese mit Streumaterial gebunden hatte. Die Ausführung und Organisation der Ölspurbeseitigung blieb vollständig und eigenverantwortlich den Mitarbeitern der Firma D. überlassen, ohne dass auf deren Tätigkeit von einem Bediensteten der gemeindlichen Feuerwehr Einfluss genommen worden wäre. Die Frage, ob nach dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des Feuerschutzhilfeleistungsgesetzes der Einsatz eines privaten Unternehmens zur Beseitigung einer Ölspur zulässig ist (vgl. hierzu VG Arnsberg, Urt. v. 21.2.2011 - 7 K 866/10, juris Rz. 33 ff.; VG Braunschweig, Urt. v. 23.9.2002 - 5 A 149/00, juris Rz. 13, 16), ist im Streitfall schon deshalb nicht entscheidend, weil die Firma D. tätig wurde, ohne dass ein Bediensteter der Feuerwehr am Schadensort anwesend war. Eine der Feuerwehr zurechenbare Tätigkeit des privaten Dritten als Verwaltungshelfer ist bei einem Feuerwehreinsatz jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Feuerwehr - oder zumindest ein mit Leitungsbefugnissen ausgestatteter Feuerwehrbeamter - überhaupt nicht mehr am Einsatzort anwesend ist und sich die Feuerwehr hierdurch, obwohl die Gefahrenlage, der Unglücksfall, oder der öffentliche Notstand noch andauert, vollständig der Einwirkungsmöglichkeit auf den beauftragten Dritten begibt (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2010 - 26 K 1603/09, juris Rz. 35 ff.). Die selbständige Durchführung des Nassreinigungsverfahrens durch die Firma D. war mithin keine Leistung der Feuerwehr.
Rz. 18
bb) Der öffentlich-rechtliche Kostenersatzanspruch nach § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW und der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch der Gemeinde als geschädigter Eigentümerin der Straße erfüllen unterschiedliche Zwecke. Beide Ansprüche stehen nebeneinander.
Rz. 19
(1) Im Streitfall war allein aufgrund der Maßnahmen der Feuerwehr der Zustand der Straße jedenfalls noch nicht wie vor dem Unfall wieder hergestellt. Auf Ersatz der für die Wiederherstellung der Straße erforderlichen Kosten hat die Gemeinde als geschädigte Eigentümerin gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich einen Anspruch.
Rz. 20
Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte statt der Herstellung gem. § 249 Abs. 1 BGB den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Aufgrund der sich aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Ersetzungsbefugnis hat er die freie Wahl der Mittel zur Schadensbehebung (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 397 f. m.w.N.). Verursacht allerdings bei mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt. Nur der für die billigere Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist i.S.v. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Herstellung erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 368 f.; v. 5.3.1985 - VI ZR 204/83, VersR 1985, 593; v. 21.1.1992 - VI ZR 142/91, VersR 1992, 457 f.; v. 17.3.1992 - VI ZR 226/91, VersR 1992, 710 f.). Die Schadensrestitution darf allerdings nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt werden; ihr Ziel ist vielmehr, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne Schadensereignis entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1991 - VI ZR 67/91, BGHZ 115, 375, 378 m.w.N.).
Rz. 21
Dass im Streitfall der Gemeinde eine kostengünstigere Reinigungsalternative mit gleicher Wirkung zur Verfügung gestanden hätte, wurde vom Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig nicht festgestellt. Für die Revision ist mithin von der Erforderlichkeit der Aufwendungen auszugehen. Der Gemeinde stand mithin Ersatz des Kostenaufwands für den Einsatz der Firma D. als zivilrechtlicher Schadensersatz grundsätzlich zu.
Rz. 22
(2) Dieser zivilrechtliche Schadensersatzanspruch ist nicht durch die Regelung in § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW ausgeschlossen (vgl. auch OLG Brandenburg, Urt. v. 4.11.2010 - 12 U 53/10, juris Rz. 5 f.; LG Bonn, Urt. v. 11.1.2011 - 2 O 329/08, juris Rz. 36). Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts und mehrerer Instanzgerichte (vgl. LG Bielefeld, Urt. v. 23.10.2009 - 1 O 486/08, juris Rz. 18; LG Bochum, Urt. v. 23.11.2009 - 8 O 647/08, juris Rz. 25; AG Euskirchen, Urt. v. 6.8.2009 - 4 C 401/08, juris Rz. 20; zur Frage der Zuständigkeit der Zivilgerichte OLG Koblenz, GewArch 1978, 351 f.; Schneider, MDR 1989, 193, 195 allgemein zu Brauchbarkeitsbeeinträchtigungen) widerspricht der Intention des Gesetzgebers und berücksichtigt nicht hinreichend die unterschiedliche Zielrichtung der Ansprüche aus Gefährdungshaftung und des öffentlich-rechtlichen Kostenersatzanspruchs.
Rz. 23
Die Vorgängerregelung in § 36 Abs. 1 Satz 2 FSHG NW in der Fassung vom 25.2.1975 (GV. NRW. S. 182) sah ausdrücklich vor, dass Ansprüche in Fällen der Gefährdungshaftung nach bundesrechtlichen Vorschriften durch die grundsätzliche Unentgeltlichkeit der Feuerwehreinsätze nicht tangiert werden (vgl. LT-Drucks. 7/3961, S. 34; LG Bonn, Urt. v. 11.1.2011 - 2 O 329/08, juris Rz. 36; Steegmann/Steegmann, a.a.O., § 41 Rz. 7). Diese Vorschrift entsprach in ihrem Regelungsgehalt dem der geltenden Brandschutzgesetze anderer Bundesländer. Beispielsweise sieht § 26 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren (NBrandSchG) vom 8.3.1978 (Nds. GVBl. S. 233) vor, dass Ansprüche gegen die Verursacher bei Gefährdungshaftung unberührt bleiben. Dem entspricht die Auffassung des erkennenden Senats, dass es sich bei einer auf § 26 Abs. 1 Satz 2 NBrandSchG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG gestützten Forderung um einen privatrechtlichen Anspruch handle (vgl. Senatsbeschluss v. 20.10.2009 - VI ZR 239/08, juris zu OLG Celle, Urt. v. 13.8.2008 - 14 U 145/08, OLGReport Celle 2008, 964, 965). Durch die Fassung der Nachfolgeregelung in § 36 FSHG NW vom 14.3.1989 (GV. NRW. S. 102), die der hier in Rede stehenden derzeit geltenden Vorschrift des § 41 FSHG NW entspricht, wollte der Gesetzgeber angesichts der durch die verstärkte Motorisierung der Bevölkerung zunehmenden Inanspruchnahme der Feuerwehr die öffentlich-rechtlichen Kostenersatzansprüche zur Erleichterung der Kostenbeitreibung erweitern, weil die Durchsetzung der Ansprüche gegen Verursacher in Fällen der Gefährdungshaftung häufig nicht oder nicht in der erforderlichen Höhe erfolgreich war (LT-Drucks. 10/3178, S. 11; LT-Drucks. 10/3232, S. 1, 15; vgl. Steegmann/Steegmann, a.a.O., Rz. 2). Es sollte lediglich die Kostenbeitreibung für die öffentlichen Leistungsträger erleichtert werden. Hingegen besteht kein Anhalt dafür, dass zivilrechtliche Ansprüche durch die Regelungen der öffentlich-rechtlichen Kostenersatzansprüche ausgeschlossen werden sollten.
Rz. 24
Durch die Möglichkeit der Gemeinden, Ersatzansprüche in Fällen der Gefährdungshaftung im Zivilrechtsweg geltend zu machen, wird auch nicht die in §§ 40 ff. FSHG NW festgelegte Risikozuordnung von Kosten unterlaufen (vgl. dazu OVG NW, NWV Bl. 2007, 437, 438). Primär kostenpflichtig ist nach dem Grundsatz der Kongruenz von Ordnungspflicht und Kostenlast (vgl. OVG NW NZV 1995, 460, 461) grundsätzlich der zur Beseitigung der Störung ordnungsrechtlich Verpflichtete, mithin im Streitfall die Gemeinde. Die primäre Kostenpflicht schließt nicht aus, dass die Kosten auf den Verursacher der Störung verlagert werden und sich der öffentliche Pflichtenträger finanziell auf diese Weise einen Ausgleich verschafft. Dem dient der Kostenersatzanspruch nach § 41 Abs. 2 FSHG NW. Zivilrechtliche Ansprüche auf den Ersatz von Sachschäden aus Gefährdungshaftung, um die es hier geht, dienen in vergleichbarer Weise dazu, dem Schädiger die Kosten für die Beseitigung des Schadens zu überbürden und mithin die Schadenslast von dem primär Belasteten zu nehmen. Auch der Kostenersatzanspruch nach § 41 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FSHG NW knüpft an die Gefährdungshaftung und den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch an. Allerdings wird das Risiko der Durchsetzbarkeit der Ansprüche im Zivilprozess im Hinblick auf die Antragspflicht der Parteien und die Besonderheiten des Beweisrechts im Allgemeinen höher sein als bei der Geltendmachung der Ansprüche durch Leistungsbescheid, für dessen Durchsetzung im Verwaltungsrechtsweg der Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO gilt (vgl. hierzu zuletzt OLG Brandenburg, Urt. v. 4.11.2010 - 12 U 43/10, juris Rz. 5; LG Bonn, Urt. v. 11.1.2011 - 2 O 329/08, juris Rz. 36).
Rz. 25
Zivilrechtliche Gefährdungshaftungsansprüche sind auch nicht im Hinblick auf die Pflicht der Gemeinde zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe ausgeschlossen, Unglücksfällen durch den Einsatz der Feuerwehr zu begegnen. Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit steht der zivilrechtlichen Haftung des Schädigers nicht im Wege (Steegmann/Steegmann, a.a.O., § 41 Rz. 10a). Die Regelungen in § 41 FSHG NW betreffen primär nicht Ansprüche auf Kostenersatz für die Wiederherstellung einer beschädigten Sache. Sie regeln die Kostenerstattung für Maßnahmen zur Abwendung von Gefahren und zur Beseitigung der Folgen von Feuer, Unglücksfällen und bei öffentlichen Notständen (vgl. § 1 Abs. 1 FSHG NW). Diese Maßnahmen können, sie müssen aber nicht zur Behebung eines mit dem Unglücksfall verbundenen Sachschadens der Gemeinde führen. Wäre der Gemeinde für einen Feuerwehreinsatz öffentlich-rechtlicher Kostenersatz aufgrund eines Leistungsbescheids für Maßnahmen zugeflossen, die auch den Eigentumsschaden beseitigt haben, wäre dieser Umstand mit Blick auf das schadensrechtliche Bereicherungsverbot bei der Höhe des Schadensersatzes zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 398; v. 15.2.2005 - VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 165). Solche Umstände haben die Beklagten bisher nicht vorgetragen.
III.
Rz. 26
Nach alldem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen sind, die das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - offen gelassen hat.
Fundstellen
NJW 2011, 6 |
EBE/BGH 2011 |
NVwZ-RR 2011, 925 |
DÖV 2011, 864 |
DAR 2011, 573 |
DAR 2012, 304 |
DVP 2012, 479 |
JA 2012, 66 |
NZV 2011, 595 |
VRS 2011, 285 |
VersR 2011, 1070 |
GV/RP 2011, 571 |
KommJur 2011, 7 |
KommJur 2011, 8 |
RÜ 2011, 627 |
SVR 2012, 178 |
VRR 2011, 422 |
r+s 2011, 442 |
FuHe 2012, 89 |
GK 2011, 374 |
TranspR 2011, 448 |