Leitsatz (amtlich)
Das Einverständnis des Grundstückseigentümers nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG bezieht sich nur auf die Mitbenutzung, nicht auch auf ihre Unentgeltlichkeit. Es muss nicht ausdrücklich erklärt, sondern kann auch durch ein konkludentes Verhalten zum Ausdruck gebracht werden, aus dem sich klar ergibt, dass die Mitbenutzung nicht bloß geduldet werden soll.
Normenkette
SachenRBerG § 118 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Brandenburg vom 18.6.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerinnen erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerinnen sind Eigentümerinnen eines etwa 3.000 m2 großen Grundstücks in Brandenburg an der Havel, auf dem sich heute ein Wirtschaftsgebäude, ein Schuppen und mehrere in den 70er Jahren errichtete Garagen befinden. Das Grundstück wurde ursprünglich für das Fuhrunternehmen des Rechtsvorgängers der Klägerinnen genutzt; es grenzte zu diesem Zeitpunkt an die öffentliche Straße. Im Jahre 1963 wurden die Nachbargrundstücke zur Errichtung eines Wohnungsneubaukomplexes nach dem Aufbaugesetz enteignet. Im Zuge dieser Maßnahme wurde dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen der an die öffentliche Straße grenzende 227 m2 große Teil seines Grundstücks in einer Tiefe von 15m gegen eine Entschädigung von 5.790 Mark/DDR zur Anlegung eines Grünstreifens neben der Straße enteignet. Als Zufahrt zu dem Grundstück der Klägerinnen, das sonst keine Zufahrt hat, dient seitdem ein etwa 3m breiter, mit Kopfsteinpflaster befestigter Weg an dem Nordrand des enteigneten Streifens. Die Klägerinnen möchten ihr Grundstück verkaufen und verlangen von der Beklagten die Einräumung einer Grunddienstbarkeit zur Absicherung der Zufahrt zu ihrem Grundstück. Sie meinen, die Beklagte schulde ihnen diese unentgeltlich. Ein etwa geschuldetes Entgelt belaufe sich auf allenfalls einmalig 2.835 EUR, bei Ausgestaltung als Rente auf 142 EUR jährlich.
Rz. 2
Das LG hat die Beklagte verurteilt, zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks der Klägerinnen eine Grunddienstbarkeit mit dem beantragten Inhalt zu bewilligen, jedoch Zug um Zug gegen Zahlung entweder einer monatlichen Rente von 75 EUR oder eines einmaligen Entgelts von 15.000 EUR. Das OLG hat die Berufungen beider Parteien mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der Grunddienstbarkeit Zug um Zug gegen Zahlung eines einmaligen Entgelts von 15.000 EUR erfolgt. Dagegen richtet sich die von dem OLG zugelassene Revision der Klägerinnen, die weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur unentgeltlichen Bewilligung der Grunddienstbarkeit, hilfsweise eine Herabsetzung des Entgelts auf einmalig 2.835 EUR oder monatlich 11,83 EUR anstreben.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Klägerinnen von der Beklagten nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG die Einräumung einer Grunddienstbarkeit an dem enteigneten Streifen verlangen, um die Zufahrt zu ihrem eingeschlossenen Grundstück abzusichern. Die Beklagte habe die Einräumung der Grunddienstbarkeit aber nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG von der Zahlung eines einmaligen Entgeltes abhängig machen dürfen. Ein Anspruch auf Entgelt scheide nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG zwar aus, wenn sich der Eigentümer des für die Zufahrt genutzten Grundstücks mit der Mitbenutzung einverstanden erklärt habe. Dieses Einverständnis müsse sich aber auf die dauernde unentgeltliche Nutzung beziehen und müsse, wenn nicht ausdrücklich erklärt, so doch jedenfalls eindeutig sein. Das sei hier nicht festzustellen. Die Beklagte könne die Einräumung der Grunddienstbarkeit nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG auch von der Zahlung des vollen für die Einräumung eines Wegerechts der beanspruchten Art üblichen Entgelts abhängig machen, weil die Klägerinnen ihr Grundstück verkaufen wollten. Das Entgelt entspreche der Werteinbuße, die das dienende Grundstück durch die Belastung erleide. Diese bemisst das Berufungsgericht, sachverständig beraten, mit 15.000 EUR.
II.
Rz. 4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung lässt sich die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der beantragten Grunddienstbarkeit nur Zug um Zug gegen Zahlung eines einmaligen Betrags von 15.000 EUR nicht rechtfertigen.
Rz. 5
1. Die Klägerinnen können von der Beklagten, was nach Anfechtung des Berufungsurteils nur durch die Klägerinnen rechtskräftig feststeht, nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG die Bestellung einer Grunddienstbarkeit zur Sicherung der Zufahrt zu ihrem Grundstück verlangen. Die Beklagte kann die Erfüllung dieses Anspruchs nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG von der Zahlung eines einmaligen Entgelts abhängig machen, wenn ihr ein solches Entgelt nach § 118 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG zusteht.
Rz. 6
2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Mitbenutzer dem Grundstückseigentümer nach § 118 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG grundsätzlich zur Zahlung eines Entgeltes verpflichtet ist. Dieses Entgelt entspräche hier nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG auch dem vollen Betrag des für die mit der beanspruchten Dienstbarkeit verbundenen Beeinträchtigung üblichen Entgelts, weil die Klägerinnen das Grundstück verkaufen und damit die Nutzung des herrschenden und die Mitbenutzung des belasteten Grundstücks ändern möchten. Dass sie das noch nicht getan haben, wäre unerheblich, weil der Ausgleich in einer einmaligen Zahlung erfolgen soll und die Änderung der Nutzung durch die Klägerinnen feststeht. Das Berufungsgericht hat schließlich der Regelung in § 118 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG zutreffend entnommen, dass das Wahlrecht zwischen einer einmaligen und einer Rentenzahlung abweichend von § 262 BGB nicht dem Nutzer als Schuldner des Entgelts, sondern dem Grundstückseigentümer als dessen Gläubiger zustehen soll.
Rz. 7
3. Die gegebene Begründung trägt aber die weitere Annahme des Berufungsgerichts nicht, der Anspruch sei nicht nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG ausgeschlossen. Das Gegenteil ist vielmehr möglich.
Rz. 8
a) Unscharf ist schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG ist der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Entgelt ausgeschlossen, wenn sich der Eigentümer mit der Mitbenutzung einverstanden erklärt hat. Dabei kommt es nicht ohne Weiteres auf das Verhalten des jetzigen Eigentümers oder seiner unmittelbaren Rechtsvorgänger an, wovon das Berufungsgericht aber ausgeht. Das Einverständnis muss, wie die Inanspruchnahme der Mitbenutzung (arg. aus § 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG), vor Ablauf des 2.10.1990 erklärt worden sein. Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass es bei der Aufnahme oder für die Fortsetzung der Mitbenutzung erklärt werden muss (vgl. Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992, 180). Maßgeblich ist deshalb hier, ob die für die Verwaltung des früheren Volkseigentums zuständigen Stellen mit der Nutzung des Wegs auf dem enteigneten Grünstreifen durch die Rechtsvorgänger der Klägerinnen und ihre Garagenmieter einverstanden waren.
Rz. 9
b) Das Einverständnis des damaligen Eigentümers muss sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nur auf die Mitbenutzung als solche und nicht auch auf deren Unentgeltlichkeit beziehen.
Rz. 10
aa) Die Frage ist allerdings umstritten. Nach einer von dem Berufungsgericht geteilten Ansicht muss sich das Einverständnis nicht nur auf die Mitbenutzung, sondern auch auf deren Unentgeltlichkeit beziehen (MünchKomm/BGB/Smid, 4. Aufl., § 118 SachenRBerG Rz. 10; Toussaint in Kimme, Offene Vermögensfragen, § 118 Rz. 5; Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 118 Rz. 11). Nach der Gegenmeinung genügt es, wenn der Eigentümer mit der Mitbenutzung einverstanden ist (Eickmann in Eickmann, SachenRBerG, § 118 Rz. 6; Frenz in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 118 Rz. 3; Baumgart, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 118 SachenRBerG Rz. 3). Beide Ansichten werden nicht näher begründet.
Rz. 11
bb) Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen (Urt. v. 12.1.2007 - V ZR 148/06, NJW-RR 2007, 526, 527). Er entscheidet sie jetzt im zweiten Sinne.
Rz. 12
(1) Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es auf das Einverständnis mit der Mitbenutzung, nicht auch auf ein Einverständnis mit der Unentgeltlichkeit an. In einem von diesem Wortlaut abweichenden Sinne lässt sich die Vorschrift nur auslegen, wenn ihr Wortlaut dem ihr zugedachten Zweck nicht entspricht. Das ist nicht der Fall.
Rz. 13
(2) Die Einräumung einer Dienstbarkeit kann nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG von zwei verschiedenen Gruppen von Nutzern beansprucht werden. Das sind zum einen die Mitbenutzer, die sich mit dem Grundstückseigentümer über die Mitbenutzung verständigt, diese Verständigung aber weder ausdrücklich noch konkludent in einer anderen Vereinbarung (dazu: BGH, Urt. v. 12.5.1999 - V ZR 183/98, VIZ 1999, 489; Urt. v. 7.11.2003 - V ZR 65/03, VIZ 2004, 278, 279; Urt. v. 14.11.2003 - V ZR 72/03, VIZ 2004, 193, 194) schriftlich festgehalten und deshalb im Ergebnis allein die rechtliche Absicherung des Gewollten durch ein Mitbenutzungsrecht versäumt haben. Die andere Gruppe bilden Mitbenutzer, die eine in der DDR bestandsfeste Mitbenutzung (dazu BGH, Urt. v. 19.6.2009 - V ZR 231/08, ZOV 2009, 235) ohne eine solche Verständigung mit dem Grundstückseigentümer erreicht haben. Sie beruht im günstigsten Fall auf einer Duldung des betroffenen Grundstückseigentümers. Sie kann aber auch ohne dessen Wissen, unter Umständen sogar gegen dessen Willen entstanden sein. Das Fehlen einer Verständigung mit dem Grundstückseigentümer rechtfertigt nach Auffassung des Gesetzgebers eine abweichende Behandlung.
Rz. 14
(3) Liegt die Verständigung vor, erleidet der Grundstückseigentümer nach der Wertung des Gesetzgebers durch die Nachholung der noch fehlenden grundbuchlichen Absicherung in den Formen des bürgerlichen Rechts keinen zusätzlichen ausgleichsbedürftigen Nachteil, weil der mit der Dienstbarkeit erzielte Rechtszustand dem schon zu Zeiten der DDR gewollten entspricht (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992, 180). Anders liegt es nach der Einschätzung des Gesetzgebers, wenn der Grundstückseigentümer sein Einverständnis mit der Mitbenutzung nicht erteilt hat. Er muss dann zwar im Hinblick auf den Vertrauensschutz unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 116, 117 SachenRBerG die Mitbenutzung auf Dauer hinnehmen, darf aber einen Ausgleich beanspruchen, weil er sich in der DDR nicht auf eine Mitbenutzung eingelassen hat. Bei diesem Wertungsansatz kommt es allein auf die Zustimmung zur Mitbenutzung, nicht aber darauf an, ob und mit welchem Ergebnis die Beteiligten die Frage des Entgelts erörtert haben. Diesen Ansatz bringt die Vorschrift eindeutig zum Ausdruck. Für eine abweichende Auslegung ist deshalb kein Raum.
Rz. 15
c) Das Einverständnis braucht schließlich nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Der Grundstückseigentümer kann auch durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen, dass er die Mitbenutzung nicht bloß duldet, sondern mit ihr einverstanden ist.
Rz. 16
aa) Diese Frage ist ebenfalls umstritten. Nach einer Ansicht muss das Einverständnis ausdrücklich erklärt werden (LG Berlin VIZ 2002, 586, 588; MünchKomm/BGB/Smid, a.a.O., § 118 SachenRBerG Rz. 10; Eickmann, a.a.O., § 118 Rz. 6 a.E.; Frenz, a.a.O., § 118 Rz. 3; Toussaint, a.a.O., § 118 Rz. 5). Nach anderer Ansicht kann das Einverständnis auch konkludent erklärt werden (Vossius, a.a.O., § 118 Rz. 10). Der Senat folgt der zweiten Meinung.
Rz. 17
bb) Das Einverständnis nach § 118 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG unterliegt keiner bestimmten Form. Der Gesetzgeber verlangt, anders als gem. § 312d Abs. 3 BGB bei dem Ausschluss des Widerrufsrechts bei Verträgen über Dienstleistungen, die auf Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten vollständig erfüllt worden sind, auch nicht, dass das Einverständnis ausdrücklich erklärt werden muss. Das hat zur Folge, dass das Einverständnis wie jede andere rechtsgeschäftliche Erklärung nicht nur ausdrücklich erklärt werden kann, sondern auch durch konkludentes Verhalten (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.1963 - VII ZR 257/61, NJW 1963, 1248; OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 1145 f.; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., Einf. v. § 116 Rz. 6). Strengere Anforderungen könnten nur gelten, wenn das dem Zweck der Vorschrift entspräche. Das ist indessen nicht der Fall. Der Gesetzgeber möchte dem Grundstückseigentümer, der sich mit der Mitbenutzung einverstanden erklärt hat, den Anspruch auf Entgelt abschneiden, weil die Einräumung der Dienstbarkeit für ihn bei wertender Betrachtung keine zusätzliche Vermögenseinbuße bedeutet. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers liegt deshalb in dem Einverständnis mit der Mitbenutzung auch kein Verzicht auf den zudem erst nach dem Wirksamwerden des Beitritts eingeführten Anspruch auf Entgelt, an den strengere Anforderung zu stellen wären (BGH, Urt. v. 30.9.2005 - V ZR 197/04, BGHReport 2006, 4, 5). Vielmehr fehlt es schon an einem Bereinigungstatbestand, der einen Ausgleich durch ein Entgelt erfordert. Unter diesem Gesichtspunkt ist allein entscheidend, dass der Grundstückseigentümer mehr getan hat, als die Mitbenutzung bloß hinzunehmen, und dass sich das aus seinem Verhalten klar ergibt. In welcher Form dieses "Mehr" zum Ausdruck gekommen ist, ist bei der von dem Gesetzgeber verfolgten Wertung unerheblich.
Rz. 18
4. Das Urteil kann schon wegen des Ausgangspunktes, das Einverständnis müsse sich auch auf die Unentgeltlichkeit beziehen, keinen Bestand haben. Es erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (vgl. § 561 ZPO). Das wäre zwar der Fall, wenn die Klägerinnen das hinreichend klare konkludente Einverständnis des Grundstückseigentümers mit der Mitbenutzung nicht schlüssig dargelegt hätten. Nach dem für das Revisionsverfahren als wahr zu unterstellenden Vortrag der Klägerinnen lag bei Aufnahme der Mitbenutzung des enteigneten Grünstreifens eine solche konkludente Zustimmung indessen vor.
Rz. 19
aa) Die Klägerinnen haben vorgetragen, der heute vorhandene Weg sei nach der Enteignung des Grundstücks im Zusammenhang mit der Gestaltung des Grünstreifens auf dem bislang dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen gehörenden Grundstück angelegt und gepflastert worden. Darin läge ein im vorbeschriebenen Sinne klares konkludentes Einverständnis mit einer Mitbenutzung des Grünstreifens. Denn der Weg diente allein als Zufahrt zu dem Grundstück der Klägerinnen. Die Pflasterung des Wegs hatte ersichtlich nur den Zweck, das Befahren mit den Fuhrwerken des Fuhrunternehmens zu ermöglichen, das damals auf dem Grundstück betrieben wurde. Solche Maßnahmen durch den damaligen Rat der Stadt B. als Träger der Aufbaumaßnahme, wie er in dem Enteignungsbescheid vom 10.5.1963 bezeichnet wird, stellen, wenn nicht eine Einladung zur Mitbenutzung, so doch einen eindeutigen Hinweis auf ein Einverständnis mit der durch diese Maßnahmen ermöglichten Mitbenutzung dar.
Rz. 20
Daran ändert es entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nichts, dass dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen eine Entschädigung gezahlt worden ist. Die Berechnung der Entschädigung ist im Gegenteil ein Argument für das bestehende Einverständnis des damaligen Rats der Stadt B. und des von ihm eingesetzten Rechtsträgers von Volkseigentum mit der weiteren Benutzung der Zufahrt - nach der Enteignung als Mitbenutzung von Volkseigentum - durch den Rechtsvorgänger der Klägerinnen. Aus der dazu vorgelegten Berechnung ergibt sich nämlich, dass die Entschädigung ausschließlich für den verhältnismäßig kleinen Grundstücksstreifen an der öffentlichen Straße gezahlt worden ist, der als Grünstreifen vorgesehen war und dazu nach wie vor verwendet wird. Diese Art der Berechnung war nur möglich, wenn ein Einverständnis mit der weiteren Benutzung der Zufahrt bestand. Andernfalls hätte die Enteignung des an der öffentlichen Straße gelegenen Grundstücksstreifens auch das nicht förmlich enteignete übrige große Grundstück weitgehend entwertet, weil es dann zugangslos geworden wäre. Die Entschädigung hätte dann deutlich höher ausfallen müssen.
Rz. 21
bb) Die Klägerinnen haben ferner vorgetragen, auf ihrem Grundstück hätten Mieter ihres Rechtsvorgängers mit staatlicher Bauzustimmung die heute noch vorhandenen Garagen errichtet. Auch dieser Umstand genügt im vorliegenden Fall als Ausdruck eines hinreichend klaren konkludenten Einverständnisses des Grundstückseigentümers. Die Bauzustimmung erging zwar nach § 5 Abs. 6 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8.11.1984 (GBl. I S. 433) und ihren Vorgängerregelungen unbeschadet der Rechte Dritter. Deshalb kommt es grundsätzlich auf die Zustimmung des Grundstückseigentümers selbst an. Hier liegt aber eine entscheidende Besonderheit vor. Aus den Plänen, die die Garagennutzer nach den von den Klägerinnen vorgelegten Verwaltungsvorgängen ihren Bauzustimmungsanträgen an den damaligen Rat der Stadt B. entsprechend § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 5 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke zum Nachweis der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse und der Erschließung beigefügt hatten, ergibt sich nicht nur, dass die Garagen auf dem Grundstück der Klägerinnen errichtet werden sollten. Aus ihnen geht vielmehr auch hervor, dass die Errichtung und die Nutzung der Garagen nur möglich waren, wenn die schon seinerzeit vorhandene Zufahrt auf dem Volkseigentum genutzt werden konnte. Das durfte die Baubehörde des Rats der Stadt B. wegen der Unantastbarkeit von Volkseigentum (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 ZGB a.F.) nur zulassen, wenn der verantwortliche Rechtsträger, nach den Enteignungsunterlagen der ehemals volkseigene Betrieb Kommunale Wohnungswirtschaft B., damit einverstanden war. Aus der Erteilung der Bauzustimmung kann deshalb auf ein Einverständnis des Grundstückseigentümers mit der Mitbenutzung geschlossen werden.
III.
Rz. 22
Beide Gesichtspunkte hat das Berufungsgericht - bei seinem Ansatz folgerichtig - nicht aufgeklärt. Die Sache ist deshalb nicht zur Entscheidung reif und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 23
1. Die Beklagte hat zwar den Vortrag der Klägerinnen zur Anlegung des Wegs auf dem Grünstreifen und zu den Bauzustimmungen bestritten. Sie hat ihr Bestreiten aber nicht näher substantiiert. Ob sie dazu berechtigt war, erscheint zweifelhaft. Die Beklagte dürfte nämlich eine sekundäre Darlegungslast für die Vorgänge treffen, die sie selbst überblickt. Welche Vorgänge das sind, hängt wesentlich davon ab, ob die Beklagte aus dem früheren volkseigene Betrieb Kommunale Wohnungswirtschaft B. hervorgegangen oder eine Neugründung ist. Im ersten Fall wäre zu berücksichtigen, dass dieser frühere volkseigenen Betrieb Rechtsträger und als solcher für die ordnungsgemäße Verwaltung des Volkseigentums verantwortlich war.
Rz. 24
2. Sollte die neue Verhandlung zu dem Ergebnis führen, dass auch ein konkludentes Einverständnis des Eigentümers nicht vorliegt, ist zu prüfen, ob das Sachverständigengutachten zur Höhe des Entgelts überzeugt. Der Sachverständige stützt seine Bewertung entscheidend auf die Annahme eines mittigen Verlaufs des Wegs und der realistischen Möglichkeit einer vollen Ausnutzung des planungsrechtlich zulässigen Bauvolumens. Beide Annahmen haben die Klägerinnen angegriffen. Dabei hat der Sachverständige eingeräumt, dass seine erste Annahme falsch ist. Die zweite Annahme hat er trotz der Lagenachteile des Grundstücks im Wesentlichen nur mit der Kreativität der Architekten und dem Hinweis auf die Bebauung eines sehr kleinen Grundstücks in Be. verteidigt. Mit diesen Schwächen des Gutachtens hat sich das Berufungsgericht in seinem Urteil nicht auseinandergesetzt. Ihnen müsste nachgegangen werden, falls ein Entgeltanspruch zu bejahen sein sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 2305184 |
NJW 2010, 8 |
EBE/BGH 2010 |
NJW-RR 2010, 818 |
ZfIR 2010, 289 |
JZ 2010, 224 |
NotBZ 2010, 377 |
NotBZ 2010, 407 |