Leitsatz (amtlich)
Für die Bestimmung der Restnutzungsdauer von Gebäuden kommt es allein auf deren Zustand im Zeitpunkt der formlos möglichen Geltendmachung von Bereinigungsansprüchen an. Nachträglich vorgenommene Investitionen bleiben unberücksichtigt, mögen diese auch schon vorher geplant und die entsprechenden Fördermittel dafür schon vor diesem Zeitpunkt bewilligt worden sein.
Normenkette
SachenRBerG § 31 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Thürigner Oberlandesgerichts in Jena vom 2. November 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin betreibt eine Milchviehanlage in Gebäuden, die teilweise auf Grundstücken stehen, die dem Beklagten gehören (Flurstücke Nr. 629/2; 103/1 und 100), zum anderen Teil auf Grundstücken errichtet sind, an denen die Klägerin in den Jahren 1992 bis 1996 Eigentum erworben hat. Gebaut wurden die Gebäude von der LPG „S.” G. .
Die Klägerin unterbreitete dem Beklagten am 6. Juli 1995 ein Angebot zum Ankauf der Grundstücksflächen und beantragte im August 1995 die Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens, das im Oktober 1995 ausgesetzt wurde.
Nach der Geltendmachung ihrer Ankaufsberechtigung hat die Klägerin Sanierungsmaßnahmen an den Gebäuden durchgeführt. Die hierfür benötigten Fördermittel waren auf der Grundlage des eingereichten betrieblichen Sanierungs- und Entwicklungsplanes sukzessive in den Jahren 1994 bis 1997 bewilligt worden.
Die Klägerin hat mit der Behauptung, sie sei Rechtsnachfolgerin der genannten LPG, zuletzt die Feststellung ihrer Ankaufsberechtigung für die nach Plananlagen näher bezeichneten Teilflächen aus den Flurstücken Nr. 629/2, 103/1 und 100 begehrt. Der Beklagte hat behauptet, die Restnutzungsdauer der Gebäude betrage zum maßgeblichen Zeitpunkt weniger als 25 Jahre.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf Berufung des Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, die die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage zwar insoweit für unzulässig, als sie sich auf konkret bezeichnete Teilflächen bezieht. Sie enthalte jedoch eine nach § 108 SachenRBerG zulässige Klage auf Feststellung des Bestehens der Anspruchsberechtigung. Die Klägerin sei zwar als Rechtsnachfolgerin der LPG „S.” und Nutzerin der streitgegenständlichen Grundstücke aktivlegitimiert. Sie sei jedoch nicht ankaufsberechtigt, der Beklagte könne den Abschluß eines entsprechenden Kaufvertrages verweigern (§ 31 Abs. 1 SachenRBerG), weil die Restnutzungsdauer der Gebäude weniger als 25 Jahre betrage. Maßgeblich für die Beurteilung der Restnutzungsdauer sei der Zeitpunkt des Ankaufsverlangens am 6. Juli 1995. Die danach durchgeführten Sanierungsmaßnahmen müßten außer Betracht bleiben, auch wenn sie schon vorher geplant und die entsprechenden Fördermittel teilweise schon bewilligt gewesen seien. Ohne Berücksichtigung der am maßgeblichen Stichtag noch nicht durchgeführten Investitionen habe die Restnutzungsdauer der Gesamtanlage weniger als 25 Jahre betragen.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung stand. Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß ein Ankaufsrecht der Klägerin (§ 61 Abs. 1 SachenRBerG) an der vom Beklagten erhobenen Einrede nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG scheitert.
1. Ohne Erfolg will die Revision für die Stichtagsermittlung in erster Linie auf ein notariell beurkundetes Angebot abstellen, das weder behauptet noch festgestellt sei. Sie bezieht sich dabei auf Literaturstimmen, die für den Zeitpunkt der Bodenwertermittlung und das hierfür maßgebliche „Angebot zum Vertragsabschluß” (§ 19 Abs. 1 SachenRBerG) ein notariell beurkundetes Angebot fordern (vgl. z.B. Zimmermann in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Sachenrechtsbereinigungsgesetz § 19 Rdn. 13 m.w.N.). Für § 31 Abs. 1 SachenRBerG ist dies jedoch der falsche Ansatz, weil diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach allein auf den Zeitpunkt abstellt, „in dem der Nutzer Ansprüche … geltend macht”. § 19 Abs. 1 SachenRBerG knüpft dagegen an ein konkretes „Angebot zum Vertragsabschluß” mit bestimmtem Inhalt an (vgl. Zimmermann aaO, § 19 Rdn. 5 ff), um Manipulationen der Beteiligten durch Verzögerung des Vertragsschlusses in der Hoffnung auf eine günstigere Preisentwicklung entgegenzuwirken (Zimmermann aaO § 19 Rdn. 4 m.w.N.). Zweck der Einrede nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG ist es aber, wegen des von der Restnutzungsdauer abhängigen geringen Bodenwertanteils Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf Ankauf oder Erbbaurechtsbestellung überhaupt auszuschließen. Dafür genügt es, auf die Geltendmachung entsprechender Ansprüche abzustellen. Für den Verlust des Wahlrechts nach § 15 Abs. 1 SachenRBerG reicht im übrigen eine schriftliche Erklärung (§ 16 Abs. 1 SachenRBerG). Mit der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist auch, wenn die Revision hilfsweise den Zeitpunkt des Antrags auf Einleitung des notariellen Vermittlungsverfahrens (August 1995) für maßgeblich hält. Insoweit legt sie allerdings nur dar, daß schon vor diesem Zeitpunkt der Klägerin wesentliche Fördermittel bewilligt worden seien.
2. Rechtlich zutreffend läßt das Berufungsgericht die Investitionen der Klägerin zur umfassenden Gebäudemodernisierung unberücksichtigt, die sie nach dem 6. Juli 1995 vorgenommen hat, mögen diese auch schon vorher geplant und die entsprechenden Fördermittel dafür schon vor diesem Zeitpunkt teilweise bewilligt worden sein. Der gesetzliche Wortlaut ist insoweit eindeutig, was die Revision – abgesehen von dem unter Ziff. 1 behandelten Gesichtspunkt – offenbar selbst nicht bezweifelt. Dementsprechend wird der Zeitpunkt der Anspruchstellung in der Literatur für allein maßgeblich gehalten (vgl. Erman/F. Ebbing, BGB, 10. Aufl., § 31 SachenRBerG Rdn. 5; Knauber, RVI, B 410 SachenRBerG § 31 Rdn. 10; Rothe in Eickmann, § 31 SachenRBerG Rdn. 12; nicht ausdrücklich angesprochen, aber ohne weiteres davon ausgehend: Soergel/Hartmann, 12. Aufl. Anh. zu § 233 EGBGB, § 31 SachenRBerG Rdn. 1; MünchKomm-BGB/Wendtland, 3. Aufl. § 31 SachenRBerG Rdn. 1).
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist eine davon abweichende Auslegung nicht geboten. Der Sinn der Einredemöglichkeit nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG besteht darin, den Bereinigungsanspruch auf diejenigen Anspruchssteller zu beschränken, deren Gebäude mit längerer Restnutzungsdauer eine dingliche Absicherung rechtfertigt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Nutzer die Möglichkeit erhalten sollte, sich durch erst nach Anspruchstellung vorgenommene Investitionen in die Vorteile der Sachenrechtsbereinigung (vgl. z.B. das Halbwertprinzip § 43 Abs. 1 und § 68 Abs. 1 SachenRBerG) quasi „einzukaufen”.
a) Eine Gesetzeslücke besteht nicht. Der Gesetzgeber hat nicht übersehen, daß in den neuen Bundesländern gerade landwirtschaftlich und gewerblich genutzte Gebäude an einem Reparaturstau litten und die Betriebe nicht rechtzeitig in der Lage sein würden, bis zu dem nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG maßgeblichen Zeitpunkt bauliche Investitionen durchzuführen. Bei Erlaß des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes im September 1994 war diese Ausgangslage hinreichend bekannt.
§ 31 SachenRBerG zielt auf einen Interessenausgleich. Für die Vorteile der Sachenrechtsbereinigung (auf Kosten der Grundeigentümer) wird an den bei Anspruchstellung vorhandenen Gebäudezustand angeknüpft, der allein eine dingliche Absicherung sinnvoll erscheinen läßt. Unterhalb einer Restnutzungsdauer von 25 Jahren bleibt der Gebäudenutzer nicht schutzlos, sondern hat grundsätzlich Anspruch auf Abschluß eines Mietvertrages mit einer der Nutzungsdauer angepaßten Laufzeit (§ 31 Abs. 2 SachenRBerG). Die nach Anspruchstellung getätigten Investitionen werden nicht bedeutungslos, sondern spielen nach Beendigung des Mietverhältnisses noch eine Rolle, soweit sie den Ankaufswert erhöht haben oder den nicht ankaufsbereiten Grundeigentümer zum Angebot einer Vertragsverlängerung für die „restliche Standdauer des Gebäudes” zwingen (§ 31 Abs. 5 SachenRBerG).
b) Vor dem Hintergrund dieser Interessenabwägung ist nicht ohne Bedeutung, daß die durch das Moratorium (Art. 233 § 2 a EGBGB) geschützten Nutzer ohnehin einen Zeitraum von rund vier Jahren ab Wiedervereinigung bis zum Inkrafttreten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes für Investitionen zur Verfügung hatten und ihnen danach über die Bestimmung des Zeitpunkts der Anspruchstellung jedenfalls noch ein gewisser Spielraum verblieb. Der Senat muß deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden, ob und wie die Grundstückseigentümer dieser Tatsache Rechnung tragen können, etwa in dem sie schon vor Anspruchstellung die Einrede erheben (vgl. Rothe aaO, § 31 SachenRBerG Rdn. 12; Wilhelm aaO, § 31 SachenRBerG Rdn. 10 a) oder analog § 16 Abs. 2 SachenRBerG den Eigentümer unter gleichzeitiger Erhebung der Einrede zu einer Erklärung zwingen (vgl. Knauber aaO, § 31 SachenRBerG Rdn. 9).
c) Zutreffend ist auch die Überlegung des Berufungsgerichts, daß der Nutzer vor entsprechenden Planungen und Investitionen sich über die Restnutzungsdauer der Gebäude informieren und durch möglichst frühzeitige Geltendmachung eines Bereinigungsanspruchs (die in Grenzfällen der maßgeblichen Restnutzungsdauer ohnehin in seinem Interesse liegt) feststellen kann, ob der Grundstückseigentümer die Einrede nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG erhebt. Die Klägerin hat hier investiert in Kenntnis der Tatsache, daß der Grundstückseigentümer das Ankaufsrecht bestreitet, und damit bewußt das Risiko übernommen, die Grundstücke nicht erwerben zu können.
d) Soweit die Revision geltend macht, Art. 233 § 2 b EGBGB spreche für eine verstärkte Berücksichtigung der unternehmerischen Belange des Nutzers und der durch diese Vorschrift geschaffene „Investitionsschutz” kollidiere mit der Sachenrechtsbereinigung, ist dies nicht nachvollziehbar. Das durch Bauten einer LPG in Ausübung ihres früheren Nutzungsrechts entstandene selbständige Gebäudeeigentum (vgl. § 27 LPGG 1982) ist unbestreitbar. Es gewährt aber keinen „Investitionsschutz” und „zwingt” die Nachfolgeunternehmen auch nicht zu Investitionen. Das Gebäudeeigentum kollidiert auch nicht mit Sinn und Zweck der Sachenrechtsbereinigung. Gerade mit § 31 Abs. 1 SachenRBerG wurde klargestellt, daß auch bei Vorliegen der grundsätzlichen Voraussetzungen (§§ 1, 2 SachenRBerG) ein davon ausgenommener Bereich verbleibt, in dem zwar selbständiges Gebäudeeigentum besteht, gleichwohl aber ein Bereinigungsanspruch an zu geringer Restnutzungsdauer scheitert.
e) An dieser Beurteilung ändert sich schließlich nichts dadurch, daß die Betriebsgebäude der Klägerin nunmehr teilweise auch auf Grundstücksflächen stehen, die sie in den Jahren 1992 bis 1996 erst erwerben konnte. Damit wird die Sachenrechtsbereinigung im Verhältnis zum Beklagten nicht tangiert. § 31 Abs. 1 SachenRBerG hebt allein und ohne Unterschied auf die Restnutzungsdauer des Gebäudes ab. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß auch insoweit eine Gesetzeslücke nicht feststellbar ist, weil – insbesondere im Bereich landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften – es bekanntermaßen häufig vorkam, daß Gebäude auf Grundstücken errichtet wurden, die verschiedenen Eigentümern gehörten. Daß die Klägerin trotz zu geringer Restnutzungsdauer der Gebäude einen Bereinigungsanspruch gegenüber dem Beklagten dadurch erwerben soll, daß sie mit anderen Grundstückseigentümern zu einer Vereinbarung gelangt, läßt sich nicht rechtfertigen. Durch den Erwerb anderer Grundstücke, auf den der Beklagte zudem keinen Einfluß hatte, ändert sich am zu geringen Bodenwertanteil im Verhältnis zum Beklagten nichts.
4. Das Berufungsgericht hat ausgehend von § 16 Abs. 4 WertV – von der Revision unangegriffen – festgestellt (§ 561 Abs. 2 ZPO), daß ohne Berücksichtigung der nachträglichen Investitionen die Restnutzungsdauer des Rinderstalles mit Melkhaus, des Bergeraums mit Rübenbunker und Verbindungsbau sowie des Durchfahrtssilos jeweils nur 15 Jahre und die eines weiteren Bergeraumes 25 Jahre beträgt. Es hat daraus in betriebswirtschaftlicher Gesamtwürdigung die Restnutzungsdauer der Gesamtanlage auf weniger als 25 Jahre bestimmt, was die Revision ebenfalls nicht angreift. Soweit sie für den Rinderstall mit Melkhaus (Hauptgebäude) zu einer Restnutzungsdauer von 25 Jahren gelangt, beruht dies auf ihrem falschen rechtlichen Ansatz, mit dem sie die nachträglichen Investitionen berücksichtigt wissen will.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.09.2000 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556300 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2001, 39 |
WM 2000, 2513 |
ZAP-Ost 2000, 715 |
NJ 2001, 145 |
GuG 2001, 318 |