Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragungslast bei Änderung von Versorgungsleitungen aufgrund der neuen Trassenführung einer Straße im Beitrittsgebiet
Leitsatz (amtlich)
Erfordert die neue Trassenführung einer Straße im Beitrittsgebiet die Änderung von Versorgungsleitungen, die durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 9 Abs. 1 GBBerG dinglich gesichert sind, hat grundsätzlich der Träger der Straßenbaulast die Kosten zu tragen und nicht das Versorgungsunternehmen, dessen Berechtigung zur Nutzung der alten Trasse auf Sondernutzungsgenehmigungen nach § 13 Abs. 1 S. 1 StraßenVO-DDR beruht (Fortführung von: BGH, Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113).
Normenkette
BGB § 1090 Abs. 2, § 1023 Abs. 1 S. 1; GBBerG § 9; BbgStrG §§ 23, 48 Abs. 11
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 18.01.2005; Aktenzeichen 2 U 66/03) |
LG Potsdam |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Brandenburg v. 18.1.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszuges hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Erstattung von Kosten für die im Zuge des Ausbaus des Knotenpunktes zwischen der Bundesstraße 169 (B 169) und der Landesstraße 55 (L 55) R./S. (Brandenburg) erforderlichen Änderungen an Ferngasleitungen in Anspruch.
Die in Nord-Süd-Richtung verlaufende L 55 wurde in ihrem im südlich der B 169 verlaufenden Teil von mehreren in west-östlicher Richtung verlegten Ferngasleitungen und einem Steuerkabel der Beklagten gekreuzt. Für diese Anlagen bestanden in den Jahren 1971 bis 1989 erteilte Straßensondernutzungsgenehmigungen. Im Zuge von Ausbaumaßnahmen wurde die südliche Einmündung der L 55 in die B 169 etwa 200m verlegt. Die Trasse der Landesstraße wurde deshalb nach Westen verschwenkt. Im Bereich zwischen der Verschwenkung und früheren Einmündung auf die B 169 wurde die L 55 entwidmet und zurückgebaut. Durch die Verschwenkung des Straßenverlaufs entstanden - von einer still gelegten Leitung abgesehen - zwischen den Ferngasleitungen nebst Steuerkabel und der L 55 neue Querungspunkte, die jeweils bezogen auf den westlichen Fahrbahnrand der alten Trasse und dem östlichen Fahrbahnrand der neuen Straße mehr als 100m von den früheren Kreuzungsstellen entfernt liegen. Die Anpassung der Leitungen an den neu entstandenen Querungen sowie die darüber hinaus erforderliche Veränderung eines Anodenfeldes verursachten Kosten, um die die Parteien streiten.
Da sie sich vor Ausführung der Baumaßnahmen nicht darüber einigen konnten, wer die Aufwendungen für die notwendigen Veränderungen an den Leitungen und dem Zubehör zu tragen hatte, schlossen die Parteien im August 1997 Vorfinanzierungsverträge, nach denen die Klägerin die erforderlichen Aufwendungen zunächst übernahm. Die Beklagte verpflichtete sich, diese verzinst zu erstatten, wenn sich ergab, dass sie die Kosten der Leitungsänderungen zu tragen hatte.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe aus dieser Vereinbarung einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte. Ihre auf Verurteilung zur Zahlung von 292.058,33 EUR gerichtete Klage hatte vor dem LG Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer von der Vorinstanz zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Träger der Straßenbaulast habe die Kosten für die Veränderung von Versorgungsleitungen zu tragen, wenn die Umbauten wegen der Änderung der Straße erforderlich würden und das Versorgungsunternehmen ein enteignungsrechtlich geschütztes Leitungsrecht habe. Dies sei hier der Fall. Der Teil der Ferngasleitungen der Beklagten, der von der neuen Trasse der L 55 gekreuzt werde, habe sich vor der Fahrbahnverschwenkung nicht im öffentlichen Straßenraum, sondern auf benachbarten Grundstücken befunden. Dieser Teil des Leitungsverlaufs sei gem. § 9 Abs. 1 des Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG) v. 20.12.1993 (Art. 2 des Registerverfahrenbeschleunigungsgesetzes - RegVBG - BGBl. I, 2182, 2192) durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gesichert gewesen.
II.
Die hiergegen gerichteten Beanstandungen der Revision sind unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht Ersatz der Aufwendungen für die erforderlichen Maßnahmen zur Veränderung der Ferngasleitungen und ihres Zubehörs im Bereich der neuen Strecke der L 55 verlangen.
1. Fehlen, wie hier, besondere Vereinbarungen über die Folgekostenlast, beantwortet sich die Frage, wer diese trägt, mit Blick auf Art. 14 GG und § 1004 BGB danach, ob der Eigentümer der Straße die Verlegung der Leitung, wenn sich das Versorgungsunternehmen hiermit nicht einverstanden erklärt hätte, nur unter Übernahme der Kosten oder gegen Entschädigung hätte durchsetzen können (z.B.: BGH v. 21.6.2001 - III ZR 185/00, BGHZ 148, 129 [135] = BGHReport 2001, 723; Urt. v. 2.3.2000 - III ZR 141/99, BGHZ 144, 29 [50]; Urt. v. 2.4.1998 - III ZR 91/95, BGHZ 138, 266 [268]; Urt. v. 17.3.1994 - III ZR 10/93, BGHZ 125, 293 [295] = MDR 1995, 368; Urt. v. 8.7.1993 - III ZR 146/92, BGHZ 123, 166 [167] = MDR 1993, 1062; Beschl. v. 31.1.2002 - III ZR 136/01, BGHReport 2002, 413 = WM 2002, 1135 [1136]). Die Frage der Kostentragungspflicht ist danach bei durch eine Dienstbarkeit (§§ 1018, 1090 BGB) dinglich gesicherten (vgl. § 1023 BGB) und obligatorischen entgeltlichen Nutzungsrechten wie Miete oder Pacht grundsätzlich zu Gunsten, bei (jederzeit kündbaren) Leih- oder ähnlichen Verhältnissen, die keine nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition vermitteln, grundsätzlich zum Nachteil des Versorgungsunternehmens zu beantworten (z.B.: BGH, Urt. v. 2.3.2000 - III ZR 141/99, BGHZ 144, 29 [51]; Urt. v. 17.3.1994 - III ZR 10/93, BGHZ 125, 293 [298 ff.] = MDR 1995, 368; Urt. v. 8.7.1993 - III ZR 146/92, BGHZ 123, 166 [169 ff.] = MDR 1993, 1062; Beschl. v. 31.1.2002 - III ZR 136/01, BGHReport 2002, 413 = WM 2002, 1135 [1136]).
2. Das Nutzungsrecht der Beklagten für die von den Straßenbaumaßnahmen betroffenen Teile der Erdgasleitungen beruhte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und von der Revision auch nicht beanstandet wird, nicht nur auf den nicht "enteignungsfesten" Sondernutzungserlaubnissen (vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 2.3.2000 - III ZR 141/99, BGHZ 144, 29 [45 ff., 51]; Urt. v. 2.4.1998 - III ZR 91/95, BGHZ 138, 266 [274 ff.]; Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113 [2114]). Vielmehr waren die Leitungen im Bereich der neuen Trasse der L 55 - nur über die in diesem Bereich entstandenen Leitungsverlegungs- und Sicherungskosten streiten die Parteien - vor Ausführung der Straßenbauarbeiten durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gesichert, da sie außerhalb des ursprünglichen Straßenkörpers der L 55 auf Privatgrundstücken verliefen.
a) Nach § 9 Abs. 1 GBBerG werden die im Beitrittsgebiet belegenen Grundstücke, auf denen sich Energiefortleitungsanlagen befinden, außerhalb des Grundbuchs kraft Gesetzes mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet. Begünstigt ist das Unternehmen - hier die Beklagte -, das die betreffende Anlage bei In-Kraft-Treten des Grundbuchbereinigungsgesetzes am 25.12.1993 (vgl. Art. 20 RegVBG) betrieb. Maßgebend sind die am 3.10.1990 bzw. am 25.12.1993 herrschenden tatsächlichen Verhältnisse (BGH, Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113 [2114]). Der Nachweis, dass der Grundstückseigentümer mit dem begünstigten Versorgungsunternehmen oder dessen Rechtsvorgänger vor der Leitungsverlegung eine Nutzungsvereinbarung getroffen hatte - wie dies nach dem DDR-Recht für die Begründung eines energierechtlichen Mitbenutzungsrechts eigentlich notwendig war (vgl. eingehend dazu: BGH, Urt. v. 2.3.2000 - III ZR 141/99, BGHZ 144, 29 [31 ff.]) -, muss nicht geführt werden (BGH, Urt. v. 2.3.2000 - III ZR 141/99, BGHZ 144, 29 [48]; Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113). Die Gasleitungen befanden sich am 3.10.1990 auf den betroffenen Grundstücken. Die Beklagte oder ihr Rechtsvorgänger betrieb diese Leitungen am 25.12.1993.
b) § 9 Abs. 1 GBBerG findet keine Anwendung auf Leitungen über oder in öffentlichen Verkehrswegen (§ 9 Abs. 2, Alt. 2 GBBerG). Vor ihrer Inanspruchnahme durch den Bau der neuen Trasse der L 55 waren die von den hier maßgebenden Bauarbeiten betroffenen Grundstücke jedoch nicht Bestandteil eines Verkehrsweges einschließlich Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113 [2115], m.w.N.). Ferner gilt § 9 Abs. 1 GBBerG nicht, soweit der Grundstückseigentümer als Kunde oder Anschlussnehmer nach den Verordnungen über Allgemeine Versorgungsbedingungen für Elektrizität, Gas oder Fernwärme zur Duldung von Energieanlagen verpflichtet ist (§ 9 Abs. 2, Alt. 1 GBBerG). Dafür, dass diese Voraussetzung hinsichtlich der betroffenen Grundstücke erfüllt ist, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.
c) Auf Grund der der Beklagten im Bereich der Baumaßnahmen zustehenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit hat sie nach § 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1023 Abs. 1 S. 1 Letzter Halbs. BGB nicht die Kosten der straßenbaubedingten Änderungen an den Ferngasleitungen zu tragen (BGH, Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113 [2115], m.w.N.). Wegen der dinglichen Wirkung des auf dem Trassengrundstück lastenden Rechts ist es ohne Belang, ob die Änderung der Leitung von den Grundstückseigentümern verlangt wurde oder nur den Interessen der Klägerin diente, der die Grundstückseigentümer die Inanspruchnahme der Liegenschaften für die Zwecke des Straßenbaus gestatteten (BGH, Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113 [2115], m.w.N.).
3. Die dingliche Sicherung ihres Leitungsrechts würde der Beklagten allerdings, worauf die Revision mit Recht hinweist, nichts nützen, wenn die hier vorgenommenen Änderungen an den Leitungen nur tatsächliche Auswirkungen der - sich auf andere, nicht enteignungsrechtlich geschützte Leitungsteile beziehenden - Verpflichtung der Beklagten wären, ihre Anlagen ohne Kostenerstattung den geänderten Straßenverhältnissen anzupassen (BGH, Urt. v. 21.6.2001 - III ZR 185/00, BGHZ 148, 129 [138] = BGHReport 2001, 723, m.w.N.; Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113 [2115]). So hat der Senat entschieden, dass ein Versorgungsunternehmen die Kosten der Veränderung seiner Leitung im enteignungsrechtlich geschützten Bereich dann selbst tragen muss, wenn es sich um Arbeiten handelt, die als Folge von Leitungsänderungen im Straßengrund (§ 9 Abs. 2 GBBerG) erforderlich wurden (BGH, Urt. v. 21.6.2001 - III ZR 185/00, BGHZ 148, 129 [138] = BGHReport 2001, 723, m.w.N.). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Die Arbeiten, die im Bereich, in dem die Beklagte über eine Dienstbarkeit verfügte, infolge der Verschwenkung der L 55 ausgeführt wurden, waren nicht durch Veränderungen der Leitungen im enteignungsrechtlich nicht geschützten Teil verursacht. Zwar wurden auf Grund des Rückbaus der alten Trasse der L 55 auch dort Leitungsarbeiten ausgeführt. Diese stehen jedoch in keinem technischen Zusammenhang mit den hier kostenmäßig umstrittenen Maßnahmen im nach § 9 Abs. 1 GBBerG geschützten Bereich. Diese Arbeiten wurden allein durch die Anlage der neuen Straßentrasse erforderlich.
4. Schließlich ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für die Anpassung ihrer Leitungen im Bereich der neuen Straßentrasse zu tragen, auch nicht aus den ihr erteilten Sondernutzungsgenehmigungen oder aus § 13 Abs. 3, § 16 Abs. 3 der DDR-Verordnung über die öffentlichen Straßen v. 22.8.1974 - DDR-StraßenVO - (GBl I S. 515).
Zwar enthalten die 1971 und 1975 erteilten Sondernutzungsgenehmigungen, die gem. § 48 Abs. 11 des Brandenburgischen Straßengesetzes v. 11.6.1992 (BbgStrG - GVBl. I S. 912 ff, jetzt gültig: Neufassung v. 31.3.2005, GVBl. I S. 218 ff.) weiter Nutzungsrechte nach § 23 BbgStrG gewähren, für zwei der Gasleitungen die Bedingung, dass die Straßenbauverwaltung aus straßentechnischen oder Gründen der Verkehrssicherheit von dem Inhaber der Sondernutzungserlaubnis die Änderung seiner Anlagen auf seine Kosten verlangen kann. Die genannten Vorschriften der DDR-StraßenVO enthielten vergleichbare Bestimmungen für den Fall von Maßnahmen der Instandhaltung, Erhaltung und Erweiterung an bestehenden öffentlichen Straßen (§ 13 Abs. 3 StraßenVO) und für Änderungen aus straßenbautechnischen Gründen (§ 16 Abs. 3 StraßenVO). Ob und inwieweit die in den Sondernutzungserlaubnissen enthaltenen Bedingungen und die Bestimmungen der DDR-StraßenVO auch nach deren Außer-Kraft-Treten noch Bedeutung haben (BGH, Urt. v. 14.3.2002 - III ZR 147/01, BGHReport 2002, 562 = WM 2002, 2113 [2114]), kann dahinstehen. Sie können nur für den Fall der Veränderung der Gestattungsstraße gelten, nicht jedoch, wenn - wie hier eine neue Trasse im enteignungsrechtlich geschützten Leitungsbereich angelegt wird. Gleiches gilt für die in § 23 Abs. 4 i.V.m. § 18 Abs. 5 BbgStrG enthaltenen Regelungen zur Folgekostenpflicht.
Fundstellen