Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigentümereintragung im Grundbuch. Mangelnde Kennzeichnung als Bodenreformgrundstück
Leitsatz (amtlich)
Weist der Vermerk in Abteilung I des Grundbuchs betreffend die Grundlage der Eigentümereintragung auf einen anderen Erwerbsgrund als das Zuteilungsverfahren nach den Bodenreformvorschriften hin, fehlt es an der Kennzeichnung als Bodenreformgrundstück; die Eintragung des Vermerks in Abteilung II zum Verbot der Verpachtung, Teilung und Veräußerung des Grundstücks ist in einem solchen Fall unerheblich.
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten (noch) um die Verpflichtung des Beklagten zu 1, dem klagenden Land (im folgenden: Kläger) einen Miteigentumsanteil an zwei Flurstücken unentgeltlich aufzulassen und die Eintragung des Klägers als Eigentümer in das Grundbuch zu bewilligen. Dem liegt folgendes zugrunde:
Als Eigentümer der streitbefangenen Flurstücke ist seit Juni/Juli 1947 K. K. eingetragen. In Abteilung I des Grundbuchs ist zum Eigentumserwerb folgendes vermerkt:
„In Ausführung der Anliegersiedlungssache H. H. im Zuge der Bodenreformaufteilung, als im Aufteilungsobjekt B. liegend, vermessen und zugeteilt.”
Weiter war in Abteilung II des Grundbuchs der Bodenreformvermerk eingetragen, wonach die Flurstücke weder ganz noch teilweise veräußert, verpachtet oder verpfändet werden durften; er wurde am 3. November 1995 gelöscht.
Laut Urkunde vom 1. April 1946 erhielt K. K. im Rahmen der Bodenreform ein Grundstück, welches nicht mit den beiden streitbefangenen Flurstücken identisch ist, zugewiesen. Dazu wurde in Abteilung I des Grundbuchs folgendes eingetragen:
„Aufgrund des am 27. September 1946 durch die Kreiskommission zur Ausführung der Bodenreform in T. bestätigten Aufteilungsprotokolls der Gemeindekommission H. eingetragen am 15. Oktober 1946.”
Aus einem Schreiben des Kulturamts P. vom 6. Mai 1942 zur Ansiedlungssache H., Az. H., geht hervor, daß K. K. zusammen mit dem Landwirt K. D. Anliegersiedlungsland erhalten sollte, welches dem Bauern M. B. enteignet worden war.
Im Dezember 1957 beantragte K. K. die Löschung des Bodenreformvermerks hinsichtlich der streitbefangenen Flurstücke. Der Rat des Kreises T. stellte im Januar 1958 einen auf dasselbe Ziel gerichteten Antrag. Darin ist ausgeführt, daß der Sperrvermerk in Abteilung II nicht mehr gerechtfertigt und daher zu löschen sei, weil K. K. im Jahr 1944 von dem damaligen Großgrundbesitzer M. B. Land im Wege eines wegen der Kriegsereignisse nicht zu Ende geführten Siedlungsverfahrens erworben und den Kaufpreis bezahlt habe; die Umschreibung im Grundbuch habe nicht durchgeführt werden können, so daß die gesiedelten Grundstücke zusammen mit dem übrigen Besitz in den Bodenfonds überführt worden seien. Die Löschung des Vermerks unterblieb aus ungeklärten Gründen.
K. K. verstarb im November 1979. Die Beklagten sind seine Erben bzw. Erbeserben.
Die Beklagten zu 2, 3, 4 und 5 haben den auf die unentgeltliche Auflassung ihrer Miteigentumsanteile gerichteten Klageanspruch anerkannt; die Klage gegen die Beklagte zu 6 hat der Kläger zurückgenommen.
Der Kläger meint, bei den streitbefangenen Flurstücken handele es sich um Bodenreformland. Auch der Beklagte zu 1 sei zur unentgeltlichen Auflassung seines Miteigentumsanteils verpflichtet. Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 1 stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Mit der – zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung der Beklagte zu 1 beantragt, erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger keinen Auflassungsanspruch, weil es sich bei den Flurstücken nicht um Grundstücke aus der Bodenreform handele; die Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform in Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB seien deswegen nicht anwendbar. Für die Beurteilung der Frage der Anwendbarkeit dieser Vorschriften komme es regelmäßig auf die formale Kennzeichnung im Grundbuch an, weil sie nach dem Willen des Gesetzgebers die nötige und klare Anknüpfung biete; eine Überprüfung, ob eine Enteignung im Rahmen der Bodenreform oder eine Zuteilung von Bodenreformland nach damaligen Vorstellungen zu Recht erfolgt sei, könne und solle nicht erfolgen. Wenn aber die Grundbucheintragung widersprüchlich sei, weil als Grund der Eigentumsumschreibung ein anderer Erwerbsgrund als die Zuweisung im Rahmen der Bodenreform genannt, der Bodenreformvermerk aber gleichwohl eingetragen sei, würden sich die widerstreitenden Grundbucheintragungen gegenseitig aufheben. So liege der Fall hier. Als Erwerbsgrund sei die Ausführung der Anliegersiedlungssache H. H vermerkt. Hierdurch sei hinreichend dokumentiert, daß keine Zuweisungsentscheidung durch die Bodenreformkommission erfolgt sei, sondern lediglich anläßlich der Bodenreformaufteilung die Anliegersiedlungssache im Grundbuch habe vollzogen werden sollen. Dieses Ergebnis werde durch den Antrag des Rates des Kreises T. auf Löschung des Bodenreformvermerks bestätigt.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
II.
1. Zutreffend – und von der Revision nicht angegriffen – geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Kennzeichnung des Grundstücks im Grundbuch darüber entscheidet, ob die Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform (Art. 233 EGBGB 2. Abschnitt) Anwendung finden. Für den Auflassungsanspruch nach Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1 EGBGB, den der Kläger hier geltend macht, ist allein entscheidend, ob es sich um Flurstücke handelt, die im Grundbuch als solche aus der Bodenreform gekennzeichnet sind (Senat, Urt. v. 20. September 1996, V ZR 119/95, WM 1996, 2207).
2. Im Ergebnis zu Recht nimmt es auch an, daß es an dieser Kennzeichnung fehlt.
a) Art. 233 § 11 Abs. 1, 2 EGBGB knüpft formal an die Kennzeichnung als Bodenreformgrundstück an. Das soll die für die Eigentumszuweisung notwendige Grundbuchklarheit gewährleisten. Allerdings ist im Zweifel nicht die Eintragung des Bodenreformvermerks in Abteilung II des Grundbuchs entscheidend, der das Verbot der Verpachtung, Teilung und Veräußerung des Grundstücks verlautbart. Er besagt nämlich nichts darüber, ob es sich um ein Bodenreformgrundstück handelt, also um ein Grundstück, das nach den Vorschriften über die Bodenreform zugeteilt worden ist, sondern setzt das Vorhandensein eines Bodenreformgrundstücks voraus. Anknüpfungspunkt ist vielmehr der Vermerk in Abteilung I des Grundbuchs betreffend die Grundlage der Eigentümereintragung. Weist er auf einen anderen Erwerbsgrund als das Zuteilungsverfahren nach den Bodenreformvorschriften hin, fehlt es an der Kennzeichnung als Bodenreformgrundstück; die Eintragung des Bodenreformvermerks in Abteilung II ist in einem solchen Fall unerheblich.
b) Die streitbefangenen Flurstücke sind nach den Vermerken in Abteilung I des Grundbuchs keine Bodenreformgrundstücke.
aa) Hinsichtlich des in der Urkunde vom 1. April 1946 bezeichneten Grundstücks verweist die Eintragung in Abteilung I des Grundbuchs auf das durch die Kreiskommission bestätigte Aufteilungsprotokoll der Gemeindekommission; sie gibt damit das Zuteilungsverfahren nach Art. IV Nr. 8 der Verordnung über die Bodenreform in der Provinz Mark Brandenburg vom 6. November 1945 (wiedergegeben bei Döring, Von der Bodenreform zu den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, S. 104 ff.) wieder. Die Eintragungen betreffend die beiden streitbefangenen Flurstücke geben als Erwerbsgrund stattdessen die Ausführung der Anliegersiedlungssache H. H an; der Bezug zur Bodenreform wird lediglich dadurch hergestellt, daß im Zusammenhang mit ihr die Vermessung des Grundbesitzes erfolgte, weil die Flurstücke in demselben Aufteilungsobjekt wie die aus der Bodenreform zugeteilten Grundstücke des ursprünglichen Eigentümers M. B. lagen. Auch aus dem jeweiligen Datum der Eigentumseintragungen wird deutlich, daß K. K. die streitbefangenen Flurstücke nicht im Rahmen der Bodenreform erhalten hat. Die Eintragung hinsichtlich des entsprechend dem Aufteilungsprotokoll der Gemeindekommission zugeteilten Grundstücks erfolgte bereits wenige Tage nach der Bestätigung des Protokolls durch die Kreiskommission; die Eintragungen betreffend die beiden streitbefangenen Flurstücke wurden dagegen erst neun bzw. zehn Monate nach dieser Bestätigung, nämlich nach erfolgter Vermessung, vorgenommen. Diese Handhabung entsprach der damals – teilweise ausdrücklich – staatlich verordneten Vorgehensweise. Danach waren die Gerichte verpflichtet, Eintragungen des im Rahmen der Bodenreform erlangten Eigentums in das Grundbuch aufgrund der von den Kreiskommissionen bestätigten Beschlüsse der Gemeindekommissionen vorzunehmen, ohne die Angaben der Katastervermessungen abzuwarten (s. für Sachsen Art. III der Verordnung über die Grundbucheintragung der Ländereien, die die Bauern aufgrund der Bodenreform erhalten haben, vom 20. März 1946 [wiedergegeben bei Döring aaO, S. 40]).
bb) Die Aufteilung des im Bodenfonds zusammengefaßten Bodens im Rahmen der Bodenreform war auf Versammlungen der landlosen und landarmen Bauern und Siedler des betreffenden Ortes auf Vorschlag der Gemeindekommissionen zur Durchführung der Bodenreform zu beschließen; der Beschluß über die Aufteilung erhielt Gesetzeskraft, nachdem er durch die Kreiskommissionen zur Durchführung der Bodenreform bestätigt worden war (Art. IV Nr. 8 der Verordnung über die Bodenreform in der Provinz Mark Brandenburg). Die Bestätigung war mit der Übergabe einer Urkunde über die Begründung des Bodenreformeigentums an dem zugeteilten Boden verbunden; der Eigentumsübergang wurde in das Grundbuch eingetragen (Bodenrecht, Lehrbuch, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1976, S. 366). Die Eintragung hatte allerdings lediglich deklaratorische Bedeutung (Rechtsgutachten zur Frage der Bodenreform in der SBZ, erstattet durch das Institut für Besatzungsfragen in Tübingen, 1956, S. 156). Danach wurde K. K. nur ein Grundstück zur Größe von 2,75 ha aus der Bodenreform zugeteilt, nicht aber der hier streitige Grundbesitz. Das wird durch die Urkunde vom 1. April 1946 bestätigt; darin heißt es, daß aufgrund der Verordnung der Provinzialverwaltung Brandenburg über die Bodenreform vom 6. September 1945 dem Bauern K. K. ein Grundstück in der genannten Größe, das in der Gemeinde H. liegt und laut dem von der Bodenkommission aufgestellten Verteilungsplan die Nr. 45 hat, rechtskräftig zum persönlichen vererbbaren Eigentum übergeben wird. Eine entsprechende Urkunde für die streitbefangenen Flurstücke fehlt dagegen. Das erklärt die unterschiedlichen Vermerke zu den Grundlagen der Eigentümereintragungen in Abteilung I des Grundbuchs.
cc) Die auch hinsichtlich der streitbefangenen Flurstücke in Abt. II des Grundbuchs eingetragen gewesenen Vermerke zum Verbot der Verpachtung, Teilung und Veräußerung waren somit erkennbar zu Unrecht eingetragen worden. Dafür spricht auch, daß sowohl K. K. als auch der Rat des Kreises T. im Dezember 1957 bzw. im Januar 1958 die Löschung der Vermerke beantragt haben. Ihnen kommt deswegen keine Bedeutung bei der Beantwortung der Frage zu, ob die Flurstücke Bodenreformgrundstücke sind.
d) Da es sich nach alledem nicht um Bodenreformgrundstücke handelt, ist der geltend gemachte Anspruch (Art. 233 § 3 Satz 1 EGBGB) unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Tropf, Klein, Lemke, Schmidt-Räntsch
Fundstellen
Haufe-Index 917233 |
BGHR 2003, 590 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2003, 396 |
ZfIR 2004, 266 |
MDR 2003, 621 |
NJ 2003, 477 |
Rpfleger 2003, 288 |
NotBZ 2003, 196 |