Verfahrensgang
OLG Dresden (Entscheidung vom 28.01.2022; Aktenzeichen 9a U 2240/20) |
LG Chemnitz (Entscheidung vom 10.11.2020; Aktenzeichen 5 O 536/20) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9a. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Januar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten entschieden hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 10. November 2020 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Der Kläger kaufte am 22. September 2010 bei einem Händler einen Neuwagen des Typs VW Touran Trendline TDI 1,6 l zum Kaufpreis von 26.346 €. Dem Kläger entstanden Finanzierungskosten in Höhe von 1.865 € aus einem Kreditvertrag mit einer finanzierenden Bank. Aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs am 2. Oktober 2018 erzielte der Kläger einen Erlös von 6.500 €.
Rz. 3
Die Beklagte ist Herstellerin des von ihr an den Händler verkauften Fahrzeugs und des in dem Fahrzeug verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die die Durchführung einer Emissionsmessung auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.
Rz. 4
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt, nachdem zunächst ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen ihn ergangen ist, sein Zahlungsbegehren in der Hauptsache in Höhe von 12.078,63 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 1) und wegen vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten in Höhe von 1.789,76 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 2) weiterverfolgt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Auf die Berufung des Klägers, mit der er Zahlung in der Hauptsache in Höhe von 8.829,55 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wie in erster Instanz beantragt nebst Zinsen begehrt hat, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Beklagte zur Zahlung von 7.273,39 € nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers erreichen.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die unbeschränkt zugelassene (BGH, Urteil vom 21. März 2022 - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, der Kläger habe nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, der der Höhe nach durch den verjährten Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. §§ 826, 852 Satz 1 BGB fänden im Streitfall Anwendung. Bei einer Neuwagenbestellung durch den Endkunden wie im vorliegenden Fall erlange die Beklagte den Kaufpreis bei wirtschaftlicher Betrachtung - auch wegen des nicht vorhandenen Absatzrisikos des Händlers - nicht auf Kosten des unmittelbaren Vertragspartners, sondern auf Kosten des Endkunden. Welchen Betrag die Beklagte vom Händler konkret vereinnahmt habe, habe keine der Parteien vorgetragen. Bei Erörterung dieser Frage in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht habe der Kläger aus eigener Kenntnis nichts vorgebracht und die Beklagte mangels noch vorhandener Aufzeichnungen keine Angaben machen können. Der auf einer Internet-Recherche basierenden Schätzung des Berufungsgerichts, der Händlereinkaufpreis habe keinesfalls unter 50% des vom Kläger entrichteten Kaufpreises bzw. unter (rund) 13.000 € betragen, sei keine der Parteien entgegengetreten. Da hier der von der Beklagten erlangte Betrag den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.273,39 € (Bruttokaufpreis von 26.346 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.437,61 € abzüglich des erzielten Erlöses aus dem Weiterverkauf in Höhe von 6.500 € zuzüglich Kreditkosten in Höhe von 1.865 €) übersteige, sei der Anspruch in Höhe von 7.273,39 € gegeben, der nach § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen sei.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
Rz. 8
Noch rechtsfehlerfrei und von der Beklagten nicht beanstandet hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB einen Anspruch auf Erstattung des von ihm für das Fahrzeug geleisteten Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und des Erlöses aus dem Weiterverkauf (BGH, Urteil vom 20. Juli 2021 - VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 23) zuzüglich der ihm entstandenen Finanzierungskosten (BGH, Urteil vom 13. April 2021 - VI ZR 274/20, NJW 2021, 2362 Rn. 14) hat, der bei Klageerhebung im Jahr 2020 allerdings verjährt war. Entgegen den Einwänden der Revision tragen seine Feststellungen außerdem die Annahme des Berufungsgerichts, mangels eines eigenen Absatzrisikos des Händlers habe die Beklagte aus dem Fahrzeugverkauf an den Kläger den Händlereinkaufspreis im Sinne der § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB erlangt (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022 - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 27 f.). Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dagegen übersehen, dass der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB Finanzierungskosten nicht umfasst (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022, aaO, Rn. 21) und wie der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB der Vorteilsausgleichung unterliegt (BGH, Urteil vom 20. Juli 2021, aaO, Rn. 25, 29; Urteil vom 21. Februar 2022, aaO, Rn. 16 f.).
III.
Rz. 9
Das Berufungsurteil unterliegt mithin, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).
Rz. 10
Der Senat kann in der Sache selbst erkennen und auf die Revision der Beklagten die Berufung des Klägers insgesamt zurückweisen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insbesondere ist die Sache nicht an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, weitere Feststellungen zur Höhe des Händlereinkaufspreises zu treffen. Das Berufungsgericht hat bei der Ermittlung des Händlereinkaufspreises die dafür geltenden Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 12. September 2022 - VIa ZR 122/22, zVb) richtig angewandt. Es hat außerdem die sich ihm sonst bietenden Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft und mit den Parteien erörtert (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 - III ZR 195/20, NJW-RR 2022, 499 Rn. 8). Dass das Berufungsgericht weitere Erkenntnismöglichkeiten außer Acht gelassen habe, macht die Revisionserwiderung mit einer Gegenrüge nicht geltend. Der Senat kann deshalb zugunsten der Beklagten einen Händlereinkaufspreis von 13.000 € zugrunde legen, von dem nach Verrechnung der vom Kläger bis zum 2. November 2018 (und damit vor Klageerhebung) erzielten Nutzungsvorteile in Höhe von 14.437,61 € und dem Weiterverkaufserlös in Höhe von 6.500 € kein Anspruch verbleibt, ohne dass dem Grundsätze des nationalen Rechts oder des Unionsrechts entgegenstünden (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, zVb).
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Götz |
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Rensen |
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Vogt-Beheim |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15467062 |