Entscheidungsstichwort (Thema)
Alleinsorge der Mutter als Gegengewicht zu dominierenden Vater
Leitsatz (redaktionell)
Bei mangelnder Kooperationsfähigkeit der Eltern ist angesichts bestehender Dominanz des Vaters in der Elternbeziehung die elterliche Sorge auf die Mutter allein zu übertragen, um dadurch ein rechtliches Gegengewicht zu schaffen, mit dem die Position der Mutter im Elternkonflikt gestärkt wird.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Brandenburg (Beschluss vom 21.06.2007; Aktenzeichen 44 (42) F 193/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 21.6.2007 verkündete Beschluss des AG - Familiengerichts - Brandenburg an der Havel - 44 (42) F 193/05, soweit er das Sorgerecht betrifft, abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Das Sorgerecht für die Kinder Mu. P., geb. am ... Juli 2000, und Mi. P., geb. am ... Mai 2002, wird auf die Antragstellerin übertragen.
Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gem. § 621e Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige befristete Beschwerde der Antragstellerin ist, soweit sie sich gegen die Entscheidung des AG, es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge für die Kinder Mu. und Mi. der beteiligten Eltern zu belassen, begründet und sie führt zur Aufhebung der gemeinsamen Sorge und zur Übertragung des Sorgerechts auf die Antragstellerin.
1. Entgegen der Auffassung des AG kann es angesichts des erheblichen Konfliktpotentials zwischen den Eltern insbesondere und gerade auch in den Belangen der gemeinsamen Kinder bei dem bislang bestehenden gemeinsamen Sorgerecht nicht bleiben.
Leben die ganz oder in Teilbereichen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, wie hier, nicht nur vorübergehend getrennt, ist gem. § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB auf Antrag - auch ohne die Zustimmung des anderen Elternteils - einem Elternteil die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Diese Regelung bedeutet nicht, dass dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt wird. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung ist. Einer solchen Regelung stünde bereits entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lässt (grundlegend BGH, NJW 2000, 203, 204; ebenso BVerfG NJW-RR 2004, 577). Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist deshalb grundsätzlich - und auch der Senat hat dies wiederholt ausgesprochen - eine auch nach der Trennung fortbestehende Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern zur Kooperation in den das gemeinsame Kind betreffenden Belangen, setzt also insoweit eine tragfähige soziale Beziehung auf der Elternebene zwischen ihnen voraus (BVerfG, a.a.O.).
Daran fehlt es vorliegend. Eine solche Beziehung besteht zwischen den Eltern nicht mehr; nach den insoweit überzeugenden Feststellungen des in I. Instanz erstatteten Gutachtens der Sachverständigen T. sind sie vielmehr gegenwärtig nicht in der Lage, die aus der Paardynamik und dem Trennungsprozess resultierenden Konflikte konstruktiv anzugehen und eine Elternebene (wieder-)herzustellen, in der lösungsorientiert miteinander umgegangen werden kann. Das hindert sie daran, in Belangen, die die gemeinsamen Kinder betreffen, sinnvoll miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Die Kooperationsfähigkeit des Antragsgegners ist durch seine hochgradig widersprüchliche Haltung, einerseits kooperieren zu wollen, andererseits bei Divergenzen den Prozess der Entscheidungsfindung zu umgehen und allein zu entscheiden, eingeschränkt; dies äußert sich in diktatorisch anmutenden, egozentrischen und wenig partnerschaftlichen Verhaltensweisen, denen die Antragstellerin wenig entgegenzusetzen hat und auf die sie mit Rückzug und Vermeidungsstrategien reagiert. Nach der Einschätzung der Sachverständigen kann unter diesen Umständen eine Elternkooperation erst dann gelingen, wenn die grundlegende Konfliktdynamik ("Machtkampf" auf Paarebene) von den Eltern reflektiert und Dritte nicht mehr als "Bündnispartner" instrumentalisiert, sondern als konstruktiver Beistand erlebt werden. Davon indes sind die Eltern jedenfalls zurzeit weit entfernt.
Der Senat hat die diesbezüglichen Ausführungen der Sachverständigen im Einzelnen nachvollzogen und macht sie sich zu Eigen. Die Feststellungen entsprechen den Beobachtungen, die der Senat selbst während der (mehrstündigen) Verhandlungen in den Sitzungen vom 13.12.2007 und vom 3.4.2008 in Bezug auf das Interaktionsverhalten der Eltern gemacht hat. Die Einschätzung wird im Kern auch vom Jugendamt und von der Verfahrenspflegerin geteilt.
2. Bei dieser Sachlage kann das gemeinsame Sorgerecht keinen Bestand haben, zumal sich...