Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit, der dem Zeitpunkt der Anhängigkeit entspricht, zurück, sind ihm die Kosten nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen.
2. Der Anwendungsbereich des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, der ausnahmsweise die Berücksichtigung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs bereits bei der Kostenentscheidung des laufenden Rechtsstreits ermöglicht, ist in einem solchen Fall nicht eröffnet.
3. Hat sich der Verfügungsantrag nach Eingang des Antrages in der Hauptsache erledigt, kann der Antragsteller das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklären. Für eine analoge Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO für den Fall einer Erledigung nach Eingang des Verfügungsantrages bei Gericht besteht kein Anlass.
4. Eine Erledigung des Verfügungsantrages vor seiner Einreichung bei Gericht fällt grundsätzlich in die Risikosphäre des Klägers. Eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO in einem solchen Fall ist nicht gerechtfertigt.
5. Es ist zweifelhaft, ob bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich der nicht berücksichtigte Bieter ein einstweilige Verfügung mit dem Ziel beantragen kann, dem Auftraggeber den Zuschlag zu untersagen. Denn das Zivilrecht lässt nicht allgemein Unterlassungsansprüche als primäre Leistungspflichten zu. Bei einer beabsichtigten Vergabe könnte ein etwaiger Unterlassungsanspruch allenfalls dann erwogen werden, wenn glaubhaft gemacht wäre, dass der Antragsgegner in unredlicher Absicht oder willkürlich vorzugehen droht oder ihm vorsätzlicher Rechtsbruch zu Last zu legen ist.
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2, § 269 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Neuruppin vom 26.4.2011 betreffend die Kostenentscheidung - 3 O 102/11 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 600 EUR.
Der Antrag der Antragstellerin, das Verfahren an das AG zu verweisen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 13.4.2011, Eingang beim LG am selben Tage um 18.31 Uhr, den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel beantragt, dem Antragsgegner den Abschluss des Vergabeverfahrens "Bereich AM B., Fahrbahnmarkierungsarbeiten auf Beton- und Asphaltfahrbahnen, Abrufvertrag 2011" durch Zuschlag an ein anderes Unternehmens als die Antragstellerin zu untersagen.
In diesem Vergabeverfahren, in dem der Auftrag aufgrund des Preises als alleinigem Wertungskriterium vergeben werden sollte, war die Antragstellerin die preisgünstigste Bieterin. Auftraggeber sollte ausweislich der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Antragsgegner, sein.
Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.3.2011 auf, Qualifi-zierungsnachweise für bestimmte Mitarbeiter sowie mindestens drei Referenzen von vergleichbaren Leistungen innerhalb der letzten drei Geschäftsjahre vorzulegen.
Der Antragsgegner schloss nach weiterem Schriftverkehr das Angebot der Antragstellerin vom 15.3.2011 von der Wertung mit der Begründung aus, nachgeforderte Erklärungen oder Nachweise seien nicht vollständig und fristgerecht vorgelegt worden. Dies teilte er der Antragstellerin mit Schreiben vom 4.4.2011, bei ihr eingegangen am 7.4.2011, mit.
Der Antragsgegner teilte dem LG am 14.4.2011 auf telefonische Nachfrage mit, dass der Zuschlag bereits erteilt sei. Das LG informierte die Antragstellerin hiervon und wies außerdem darauf hin, dass der Streitwert unterhalb der Zuständigkeitsgrenze des LG liege. Daraufhin stellte die Antragstellerin am 15.4.2011 zunächst einen Verweisungsantrag. Schließlich hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 18.4.2011 zurückgenommen und beantragt, die Kosten des Verfahrens gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO dem Antragsgegner aufzuerlegen.
Das LG hat mit Beschuss vom 26.4.2011 die Kosten des Verfahrens der Antrag-stellerin auferlegt und den Streitwert auf 2.750 EUR festgesetzt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes seien die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, da der Anlass für die Klage vor Rechtshängigkeit entfallen sei (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO). Auch ohne den bereits erteilten Zuschlag wäre die beantragte einstweilige Verfügung mangels Glaubhaft-machung des Verfügungsanspruchs voraussichtlich nicht erlassen worden. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass die nachgeforderten Erklärungen und Nachweise vorgelegt worden seien. Es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antrag beim unzuständigen Gericht eingereicht worden sei. Der Streitwert betrage lediglich 5 % der Brutto-Angebotssumme der Antragstellerin von 54.777,28 EUR, so dass das AG zuständig gewesen wäre, an das die Sache ...