Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des auf Feststellung der Vaterschaft verklagten Mannes i.S.d. § 114 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsverteidigung des auf Feststellung der Vaterschaft verklagten Mannes, der der Mutter in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat, verspricht nur dann Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO, wenn er Tatsachen vorbringt, die bei verständiger Würdigung ernstzunehmende Zweifel an seiner Vaterschaft begründen können. Der Umfang der Darlegungslast richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insb. nach der Art der Beziehung des Beklagten zur Mutter des Kindes.
Normenkette
BGB §§ 1600 ff.; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Strausberg (Beschluss vom 12.08.2005; Aktenzeichen 2 F 466/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig.
Die sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Beklagten kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom AG angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gem. § 572 Abs. 3 ZPO an das AG zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und ggf. in welchem Umfang der Beklagte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 197). Der Akte liegt ein Beiheft "Prozesskostenhilfe" nicht bei, sodass nicht festgestellt werden kann, ob der Beklagte überhaupt schon eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht hat, § 117 Abs. 2 ZPO. Das AG wird den Beklagten auffordern, eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie mit Rücksicht auf einen etwaigen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss (vgl. BGH v. 4.8.2004 - XII ZA 6/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 94 = FamRZ 2004, 1633) auch eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mutter vorzulegen. Auf dieser Grundlage wird das AG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag des Beklagten entscheiden.
Der Rechtsverteidigung des Beklagten kann entgegen der Auffassung des AG die hinreichende Erfolgsaussicht, § 114 ZPO, nicht abgesprochen werden. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 254) besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beklagte mit seinem Begehren, nämlich der Abweisung der auf Feststellung der Vaterschaft gerichteten Klage, durchdringen wird.
Zur Schlüssigkeit einer - hier nicht gegebenen - Vaterschaftsanfechtungsklage gem. §§ 1600 ff. BGB bedarf es der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Annahme, das Kind stamme nicht von dem als Vater geltenden Manne ab. Erforderlich ist etwa die Leugnung des Geschlechtsverkehrs während der Empfängniszeit oder der substantiierte Vortrag von Mehrverkehr (FamVerf/Schael, § 10 Rz. 85). Dabei ist zu beachten, dass im Anfechtungsprozess der anfechtende Mann gem. § 1592 Nr. 1 BGB von Gesetzes wegen der Vater des Kindes ist. Anders liegt es beim Vaterschaftsfeststellungsprozess, wie vorliegend. Hier wird der Beklagte auf Grund des Umstandes, dass er der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat, lediglich als Vater vermutet, § 1600d Abs. 2 Satz 1 BGB. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes, §§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO kommt es primär auf die Feststellung der biologischen Abstammung an, während die Vermutung des § 1600d Abs. 2 BGB nur subsidiär zum Zuge kommt (BayObLG v. 21.4.1999 - 1Z BR 124/98, BayObLGReport 1999, 62 = FamRZ 1999, 1363 [1364]; Scholz/Stein/Eckebrecht, Praxishandbuch Familienrecht, Q Rz. 61). Angesichts dessen sind die Anforderungen an den Vortrag des die Vaterschaft leugnenden Mannes im Vaterschaftsfeststellungsverfahren, gerade im Hinblick auf die Beurteilung der Erfolgsaussicht nach § 114 ZPO, nicht notwendig dieselben wie bei der Vaterschaftsanfechtungsklage. Dem beklagten Mann kann im Vaterschaftsfeststellungsverfahren jedenfalls dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn er bestreitet, mit der Mutter des Klägers in der gesetzlichen Empfängniszeit Verkehr gehabt zu haben oder wenn er substantiiert Mehrverkehr einwendet (FamVerf/Gutjahr, § 10 Rz. 71). Fraglich ist, ob darüber hinaus auch dann hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen ist, wenn sich der beklagte Mann, obwohl er der Mutter des Klägers in der Empfängniszeit beigewohnt hat, seiner Vaterschaft nicht sicher ist und Mehrverkehr der Mutter lediglich für mögl...