Leitsatz (amtlich)
Der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers darf die gebotene Prüfung des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist nicht erst am letzten Tag der in seinem Fristkalender hierzu notierten Frist vornehmen.
Verfahrensgang
LG Potsdam (Beschluss vom 17.09.2003; Aktenzeichen 6 O 639/02) |
Tenor
Der Antrag des Beklagten vom 20.11.2003 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Potsdam vom 17.9.2003 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 12.526,65 Euro.
Gründe
I. Das LG hat durch Urteil vom 17.9.2003 den Beklagten zur Zahlung von 12.526,65 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 2.5.2003 verurteilt. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 19.9.2003 zugestellt worden. Am 1.10.2003 hat der Beklagte Berufung eingelegt. Am 20.11.2003 hat er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Die Begründung der Berufung ist am 21.11.2003 erfolgt.
II. Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten ist zulässig, nachdem er insb. fristgerecht gem. § 234 Abs. 1 ZPO eingelegt worden ist. Er hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Gemäß § 233 ZPO wird einer Partei, die ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Berufung gehindert gewesen ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Hierzu sind gem. § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen – soweit möglich, substantiiert – darzulegen und glaubhaft zu machen; dessen bedarf es insb. für Umstände, aus denen das Fehlen eines Verschuldens hervorgeht (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. § 236 Rz. 6, m.w.N.). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten muss die Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO gegen sich gelten lassen (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rz. 16). Nach diesen Grundsätzen kann hier eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfolgen. Denn es kann nicht angenommen werden, dass es ohne ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zur Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gekommen ist.
Nach der st. Rspr. des BGH (BGH v. 5.11.2002 – VI ZB 40/02, MDR 2003, 299 = BGHReport 2003, 252 = NJW 2003, 437; NJW-RR 2002, 860, jew. m.w.N.) und des Senats (OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.2.2003 – 7 U 178/02) hat der Rechtsanwalt bei fristgebundenen Handlungen, zu denen die Einreichung der Berufungsbegründung bei Gericht gehört, den Fristablauf selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der betreffenden Prozesshandlung vorgelegt wird. Dass solches hier geschehen ist, kann dem Vorbringen des Beklagten nicht entnommen werden. Der Beklagte lässt vortragen, zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sei im Fristenkalender seines Prozessbevollmächtigten eine Vorfrist zum 12.11.2003 eingetragen worden. Ist aber – wovon mangels gegenteiligen Vortrags auszugehen ist – zu diesem Zeitpunkt die Akte dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten vorgelegt worden, so hätte dieser bei Durchführung der gebotenen Prüfung ohne weiteres erkennen können und müssen, dass der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist fehlerhaft am 20.11.2003 eingetragen gewesen ist. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die fehlerhafte Eintragung des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist durch die ansonsten zuverlässige Büroangestellte B. erfolgt ist. Denn die hier in Rede stehenden Prüfungspflicht trifft den Prozessbevollmächtigten des Beklagten selbst und besteht auch bei sorgfältiger Auswahl, Einweisung und Überprüfung des Büropersonals. Eine Durchführung der gebotenen Prüfung ist weder in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags noch in der eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten B. vom 20.11.2003 (Bl. 125 d.A.) erwähnt; sie könnte allerdings auch dann, wenn sie stattgefunden und der Prozessbevollmächtigte fehlerhaft einen Fristablauf erst am 20.11.2003 angenommen hätte, nicht zu einer Wiedereinsetzung führen, da dann ein – vermeidbarer – Fehler des Prozessbevollmächtigten in der Rechtsanwendung vorläge.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Prozessbevollmächtigte nicht gehalten ist, unmittelbar auf die Vorlage zur Vorfrist hin die Akte zu bearbeiten, sondern deren Wiedervorlage am letzten Tag des Fristablaufs verfügen darf, wenn er sich nach sorgfältiger Prüfung davon überzeugt hat, dass die Rechtsmittelbegründung oder ein – erster – Antrag auf Fristverlängerung dann noch rechtzeitig bei Gericht eingereicht werden kann (BGH v. 27.5.1997 – VI ZB 10/97, MDR 1997, 876 = NJW 1997, 2825 [2826]; v. 17.6.1999 – IX ZB 32/99, MDR 1999, 1094 = NJW 1999, 2680). Denn zum einen bedeutet dies nicht, dass der Prozessbevollmächtigte die Akten bis zum letzten Tag des Fristablaufs unbearbeitet lassen darf (BGH v. 17.6.1999 – IX ZB 32/99, MDR 1999, 1094 = NJW 1999, 2680); schon das kann hier aber nicht a...