Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungspflicht des Unterhaltsverpflichteten bei gesteigerter Erwerbsobliegenheit
Leitsatz (amtlich)
1. Der einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterliegende Unterhaltsverpflichtete muss seine tatsächliche und fiktive Leistungsunfähigkeit eingehend darlegen.
2. Das für den Unterhalt von minderjährigen (erstrangigen) Kindern eingesetzte Einkommen bleibt ohne Auswirkungen auf den Bezug von Leistungen auf Arbeitslosengeld II.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2; SGB II § 11 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Senftenberg (Aktenzeichen 32 F 243/04) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Der Berufungswert beträgt 6.319 EUR.
4. Den Klägerinnen wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G. bewilligt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Regelbetrag für die noch minderjährigen Klägerinnen.
Die am 31.8.1999 geborene Klägerin zu 1) und die am 18.12.1994 geborene Klägerin zu 2) sind die nichtehelich geborenen Kinder des Beklagten. Sie leben bei ihrer Mutter, die sie betreut, versorgt und gesetzlich vertritt. Die Klägerinnen haben vormals Unterhaltsvorschuss erhalten, die Klägerin zu 1) monatlich 106 EUR, die Klägerin zu 2) monatlich 145 EUR. Das Kindergeld bezieht die gesetzliche Vertreterin der Klägerinnen.
Der Beklagte ist gelernter Elektro- und Funkmechaniker. Er ist seit längerem arbeitslos und bezieht staatliche Transferleistungen, zuletzt in Form von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II. Der Beklagte ist - wohl - Alleineigentümer eines in der Finsterwalder Straße 13 in Grünewalde gelegenen, bebauten Grundstückes. Das Haus verfügt zumindest über eine 119 m2 große, durch den Beklagten selbst genutzte und wohl im Obergeschoss gelegene Wohnung. Die im Erdgeschoss befindlichen Räumlichkeiten werden durch den Beklagten gewerblich genutzt zum Betrieb einer Gaststätte. Darüber hinaus existiert noch eine weitere Wohneinheit, die durch den Beklagten vermietet wird. Insgesamt erzielt der Beklagte aus der Vermietung zweier Wohneinheiten monatliche Nettokaltmieteinnahmen von 244 EUR.
Die Klägerinnen haben mit Schreiben vom 23.6.2003 den Beklagten zur Erteilung einer Auskunft über sein Einkommen aufgefordert.
Die Klägerinnen haben behauptet, der Beklagte erziele aus dem Betrieb einer Gaststätte ausreichend Einkünfte, die ihm unter Berücksichtigung des ihm weiter zuzurechnenden Wohnvorteils in die Lage versetzen würden, ihnen den Mindestunterhalt zu zahlen.
Die Klägerinnen haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihnen ab Juli 2003 unter Anrechnung der geleisteten Unterhaltsvorschussbeträge die Regelbeträge gem. der Regelbetragsverordnung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht leistungsfähig zu sein. Im Übrigen habe er sich ausreichend um eine neue Arbeitsstelle bemüht, wofür er auf im Einzelnen dargetane Erwerbsbemühungen (insb. Bl. 46 ff. d.A.) Bezug genommen hat.
Mit dem am 9.9.2005 verkündeten Urteil hat das AG Senftenberg den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung der Regelbeträge unter Anrechnung der erhaltenen Unterhaltsvorschussleistungen verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
Für die Durchführung seiner Berufung hat der Beklagte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt, die ihm der Senat mit Beschl. v. 12.4.2006 versagt hat.
II. Die Berufung ist nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung haben und da die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordert. Das AG hat mit zutreffenden Erwägungen den Beklagten als zumindest fiktiv leistungsfähig zur Zahlung der geltend gemachten Kindesunterhaltsbeträge, bei denen es sich um die Regelbeträge nach der Regelbetragsverordnung und daher den sog. Mindestunterhalt handelt, behandelt.
1. Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH v. 26.9.1984 - IVb ZR 17/83, MDR 1985, 303 = FamRZ 1985, 158 [159]; v. 15.12.1993 - XII ZR 172/92, MDR 1994, 483 = FamRZ 1994, 372 [373]; v. 22.10.1997 - XII ZR 278/95, FamRZ 1998, 357 [359]). Gegenüber minderjährigen Kindern erfährt diese Verpflichtung aufgrund der Vorschrift des § 1603 Abs. 2 BGB eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine noch erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arb...