Leitsatz (amtlich)

1. Wird die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vergabekammer zurückgenommen, können nicht nur die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten, sondern auch die im Verfahren vor der Vergabekammer angefallenen Kosten nach dem für das Beschwerdeverfahren geltenden Streitwert vom Rechtspfleger des Beschwerdegerichts festgesetzt werden, auch wenn der Vergabesenat weder eine Streitwertfestsetzung für das Vergabekammerverfahren vorgenommen noch eine Kostenentscheidung für dieses Verfahren getroffen hat.

2. Im Verfahren der Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss bestimmt sich die Beschwer nicht nach einzelnen Positionen, sondern nach der Differenz zwischen dem festgesetzten und dem zur Festsetzung angemeldeten Betrag. Verwandte Gebühren können ausgetauscht werden. Es ist deshalb zulässig, im Beschwerdeverfahren die in der Kostenfestsetzung unberücksichtigt gebliebene Geschäftsgebühr in vollem Umfang festzusetzen und die festgesetzte Verfahrensgebühr, auf die die Geschäftsgebühr anzurechnen ist, zu kürzen.

 

Normenkette

GWB § 78 S. 3, § 120 Abs. 2; ZPO §§ 103-104

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Brandenburg (Aktenzeichen VK 23/10)

 

Tenor

Auf die Erinnerung der Auftraggeberin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des OLG Brandenburg v. 15.7.2011 - Verg W 2/11 - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Beschlusses des Vergabesenates des OLG Brandenburg v. 16.5.2011 - Verg W 2/11 - und aufgrund des Beschlusses der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 2.10.2010 - VK 23/10 - sind vom Antragsteller an Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer 2.323,95 EUR (i.B. zweitausenddreihundertdreiundzwanzig und 95/100 EUR) sowie an Kosten des Beschwerdeverfahrens 4.886,91 EUR (i.B. viertausendachthundertsechsundachtzig und 91/100 EUR) nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 aus 5.873,20 EUR ab dem 20.6.2011 an die Auftraggeberin zu erstatten.

Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Wert: 2.323,95 EUR.

 

Gründe

I. Der Antragsteller hat einen Nachprüfungsantrag gestellt, den die Vergabekammer des Landes Brandenburg mit Beschl. v. 2.8.2010 - VK 23/10 - auf seine Kosten zurückgewiesen hat. Seine sofortige Beschwerde, die er beim Landessozialgericht eingelegt hat, hat er nach Abgabe des Beschwerdeverfahrens an das Brandenburgische OLG zurückgenommen. Der Vergabesenat des OLG hat dem Antragsteller mit Beschluss vom 16.5.2011 die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Verfahren auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde und auf Gestattung des Zuschlags auferlegt.

Die Auftraggeberin hat die Festsetzung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen anwaltlichen Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer und für das Beschwerdeverfahrens i.H.v. 2.323,95 EUR sowie 6.025,09 EUR, insgesamt 8.349,04 EUR, beantragt.

Der Rechtspfleger des OLG hat mit Beschluss vom 15.7.2011 die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auf 5.873,20 EUR festgesetzt. Der Kostenfestsetzungsbeschluss enthält hinsichtlich der festgesetzten Mehrwertsteuer einen Rechenfehler, bei dessen Korrektur richtigerweise ein Betrag i.H.v. 6.025,09 EUR hätte festgesetzt werden müssen.

Eine Festsetzung der Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer lehnte der Rechtspfleger mit der Begründung ab, der Vergabesenat habe keine Kostengrundentscheidung für das Vergabekammerverfahren getroffen. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer seien daher nicht festsetzbar.

Gegen diesen Beschluss, ihr am 5.8.2011 zugestellt, wendet sich die Auftraggeberin mit ihrer am 19.8.2011 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie auch eine Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer begehrt.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 6.9.2011 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die als Erinnerung zu behandelnde sofortige Beschwerde der Auftraggeberin ist gemäß den §§ 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 S. 3 GWB, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 11 Abs. 2 RPflG, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Hat der Rechtspfleger beim Beschwerdegericht die in einem Nachprüfungsverfahren nach dem 4. Buch des GWB entstandenen Kosten festgesetzt, ist gegen seine Entscheidung nicht die sofortige Beschwerde statthaft. Denn die sofortige Beschwerde findet nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der AG und LG statt. Statthaft ist allerdings die Erinnerung nach §§ 567 ZPO, 11 Abs. 1 und 2 RPflG (BGH, Beschl. v. 29.9.2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76, zitiert nach Juris). Es hat deshalb der Richter abschließend über die Erinnerung zu befinden. Das ist hier der Vergabesenat.

Die Erinnerung ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat der Rechtspfleger eine Festsetzung der anwaltlichen Gebühren für das Verfahren vor der Vergabekammer abgelehnt. Richtig ist zwar...

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