Leitsatz (amtlich)

1. Im Streit mehrerer Hinterlegungsbeteiligter über die bessere Berechtigung an dem hinterlegten Gegenstand kann nach § 812 BGB die Abgabe der gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 BbgHintG zum Nachweis der Berechtigung erforderlichen Erklärung verlangt werden.

2. Ungenauigkeiten in einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung sind unschädlich, sofern sie nach Auslegung keinen Zweifel begründen, welche Forderung gepfändet werden soll ("beschlagnahmtes Bargeld" - gemeint: Auskehr hinterlegten Geldes nach dinglichem Arrest auf Antrag der Staatsanwaltschaft).

 

Normenkette

BGB § 812; AO 1977 § 309; StPO § 111d; Brandenb. HinterlegungsG §§ 11, 21

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Urteil vom 03.05.2012; Aktenzeichen 2 O 90/11)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 3.5.2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin des LG Potsdam - Az.: 2 O 90/11 - wird als unzulässig verworfen, soweit sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Bewilligung der Auszahlung des beim AG Potsdam - Hinterlegungsstelle - zum Aktenzeichen 52 HL 98/08 hinterlegten Teilbetrages zur Höhe von 784,78 EUR wendet.

Im Übrigen wird das vorbezeichnete Urteil auf die Berufung des Beklagten abgeändert. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Streitwert für die II. Instanz: bis 290.000,00

 

Gründe

I. Der Kläger ist durch Beschluss des AG Potsdam vom 2.12.2009 (Az.: 35 IN 492/09) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des P. R. (im Folgenden: Schuldner) bestellt worden. Er begehrt vom beklagten Land (im Folgenden: Beklagter) die Freigabe hinterlegten Geldes.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Schuldner wegen der Unterschreitung gesetzlicher Mindestlöhne stellte das Hauptzollamt ... Münzgeld im Werte von 272.855,52 EUR beim Schuldner sicher. Das Geld wurde auf ein Konto des Hauptzollamtes eingezahlt. Gemäß § 111d StPO ordnete das AG Potsdam den dinglichen Arrest in Bezug auf das Geld an. Das Hauptzollamt hinterlegte den Geldbetrag durch Überweisung auf das Konto der Hinterlegungsstelle des AG Potsdam. Als Empfangsberechtigte waren der Schuldner und der Beklagte, vertreten durch den Leitenden Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Potsdam bezeichnet; auf die Annahmeanordnung vom 11.7.2008 (Bl. 10 f. d.A.) wird Bezug genommen. Eine weitere Hinterlegung von 784,78 EUR erfolgte zeitlich nach Insolvenzeröffnung (Annahmeanordnung vom 6.4.2010; Bl. 12 f. d.A.). Die Staatsanwaltschaft Potsdam erklärte nachfolgend die Freigabe der hinterlegten Gelder.

Am 14.10.2008 erließ das Finanzamt ... eine an die Hinterlegungsstelle des AG gerichtete Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 494.174,28 EUR (Bl. 14 d.A.), in der es u.a. heißt:

"(der Schuldner) schuldet dem Land Brandenburg (Vollstreckungsgläubiger) Abgaben im Gesamtbetrag von 494.174,28 EUR. Wegen dieses Anspruchs werden gem. §§ 309 ff. Abgabenordnung (AO) gepfändet: Der Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen Sie auf Herausgabe der in Ihrem Gewahrsam befindlichen Sachen, nämlich des beschlagnahmten Bargeldes. Es wird angeordnet, diese Sachen an den Vollziehungsbeamten des Finanzamts herauszugeben (§ 318 Abs. 2 AO)." Das AG gab am 28.10.2008 eine anerkennende Drittschuldnererklärung ab (Bl. 40 d.A.). Mit Schreiben vom 28.10.2010 teilte das Finanzamt dem AG mit, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf 375.734, 41 EUR eingeschränkt werde (Bl. 41 d.A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein besseres Recht an dem hinterlegten Betrag zu, weil die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten ins Leere gegangen sei. Es sei weder der Drittschuldner richtig bezeichnet, noch richte sich die Pfändung auf das dem Schuldner zustehende Recht. "Beschlagnahmtes Bargeld", welches die Hinterlegungsstelle hätte herausgeben können, sei dort zu keinem Zeitpunkt vorhanden gewesen.

Der Kläger hat beantragt,den Beklagten zu verurteilen, die Auszahlung der bei dem AG Potsdam - Hinterlegungsstelle - zum Aktenzeichen 52 HL 98/08 hinterlegten Gelder an den Kläger zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das LG hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: In Folge der Pfändung und der Erklärung der Hinterlegungsstelle, die Forderung anzuerkennen, habe der Beklagte eine Sperrposition erlangt, die nach dem brandenburgischen Hinterlegungsgesetz (BbgHintG) wirksam sei. Ein Rechtsgrund bestehe im Verhältnis der Parteien nicht. Denn die vom Beklagten ausgebrachte Pfändung sei - ungeachtet ihrer verwaltungsrechtlichen Bestandskraft - unwirksam. Der Beklagte habe nämlich eindeutig einen Anspruch auf Herausgabe von Sachen gepfändet, nicht indes einen Zahlungsanspruch. Aus der Pfändungsverfügung ...

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