Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Wirksamkeit einer Anfechtung wegen Täuschung bei der Beantwortung von Gesundheitsfragen; Verwertbarkeit von formell nicht ordnungsgemäß erhobenen Daten

 

Normenkette

VVG § 16 Abs. 1, §§ 22, 213 Abs. 2 Sätze 1-2; BGB § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1; VVGEG Art. 1

 

Verfahrensgang

LG Cottbus (Urteil vom 29.11.2012; Aktenzeichen 6 O 106/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.11.2012 verkündete Urteil des LG Cottbus - 6 O 106/12 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. In zweiter Instanz streiten die Prozessparteien - im Rahmen einer Feststellungsklage - noch darüber, ob die Beklagte, ein Lebensversicherer, die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ), die neben einer Rentenversicherung mit Wirkung vom 1.5.2004 für die Dauer von 14 Jahren zu den AuM-Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Kopie Anlage B3/GA I 63 ff.) zwischen beiden Seiten abgeschlossen wurde, durch Schreiben vom 16.2.2012 (Kopie Anlage K2/GA I 12 = B1/GA I 52) rechtswirksam - wegen arglistiger Täuschung seitens der im Jahre 1958 geborenen Klägerin mittels der Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen in einem Zusatzformular (Kopie in der Anlage B4/GA I 72 ff.) bei der Antragstellung - angefochten hat. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht dabei die Frage, ob die Beklagte unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 213 VVG anlässlich einer Leistungsprüfung, in die sie Ende 2011 eingetreten ist, personenbezogene Gesundheitsdaten bei behandelnden Ärzten erheben und diese ihrer Anfechtungserklärung zugrunde legen durfte. Zwecks näherer Darstellung des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Prozessgesichte wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (LGU 2 ff.).

Vom LG Cottbus, das in der Vorinstanz entschieden hat, ist der Klage - in dem nach Teilrücknahme verbliebenen Umfange - stattgegeben worden. Begründend hat die Zivilkammer ausgeführt: Die Anfechtungserklärung sei unwirksam, weil die Daten, auf die sie gestützt werde, unzulässig erlangt worden seien und deshalb nicht verwertet werden dürften. Es erweise sich bereits als zweifelhaft, ob die Beklagte ohne schriftlichen Leistungsantrag der Klägerin überhaupt eine Datenerhebung veranlassen durfte. Jedoch liege unabhängig davon ein Verstoß gegen den - im Streitfall bereits anwendbaren - § 213 VVG vor. Die bei der Antragstellung am 25.2.2004 erteilte Schweigepflichtentbindungserklärung (GA I 10) sei auf fünf Jahre befristet gewesen und im Februar 2009 abgelaufen. Ob die zweite Erklärung vom 15.10.2011 (Kopie Anlage B9/GA I 102) rechtsgültig sei, könne offen bleiben, da sie nach dem Gesetz nur zur Prüfung der Leistungspflicht hätte verwendet werden dürfen; hierfür sei lediglich die Beschaffung solcher Informationen erforderlich und statthaft, derer es - bei objektiver Betrachtung aus vorheriger Sicht - zur Beurteilung der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Versicherten (im Streitfall einer Sprunggelenksfraktur) bedürfe, die den aktuellen Leistungsfall ausgelöst haben solle. Allein insoweit bestehe auch eine Mitwirkungsobliegenheit bei der Sachaufklärung. Weil die Beklagte schon gegen ein Datenerhebungsverbot verstoßen habe, dürften hieraus gewonnene Erkenntnisse nicht verwertet werden. Für eine Güterabwägung bleibe kein Raum. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (LGU 5 ff.).

Letzteres ist der Beklagten - zu Händen ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - gemäß deren Empfangsbekenntnis am 13.12.2012 (GA I 163) zugestellt worden. Sie hat am 28.12.2012 (GA I 167) mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel - nach am 13.2.2013 beantragter (GA I 178) und bis zum 13.3.2013 gewährter (GA I 182) Verlängerung der Begründungsfrist - mit einem an diesem Tag bei dem OLG Brandenburg (vorab per Telekopie) eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet (GA I 183 ff.).

Die Beklagte ficht das landgerichtliche Urteil - im Kern ihre bisherigen Darlegungen wiederholend und vertiefend - in vollem Umfange ihrer Beschwer an. Dazu trägt sie speziell Folgendes vor:

Nach der höchstrichterlichen Judikatur habe der Versicherer prinzipiell ein schützenswertes Interesse daran, im Rahmen der Leistungsprüfung auch medizinische Daten zu erheben, die geeignet seien, etwaige Anzeigepflichtverletzungen oder eine arglistige Täusch...

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