Leitsatz (amtlich)
1. Die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeitsklage kann auch ohne ein individuelles Rechtsschutzbedürfnis des klagenden Gesellschafters erhoben werden, weil eine derartige Klage nicht allein in seinem Interesse liegt.
2. Ein ehemaliger Geschäftsführer kann gem. § 256 ZPO gegen die GmbH eine Klage auf Feststellung erheben, dass ein Beschluss nichtig ist, mit dem er abberufen werden sollte. Hierfür besteht ein Feststellungsinteresse, wenn er nach dem Abberufungsbeschluss noch für die GmbH als Geschäftsführer tätig geworden ist.
3. Einladungsmängel führen zur Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer GmbH.
Normenkette
AktG §§ 241-242, 248; ZPO § 256
Verfahrensgang
LG Neuruppin (Urteil vom 16.06.2004; Aktenzeichen 6 O 111/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.6.2004 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des LG Neuruppin - 6 O 111/03 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Die Kläger wehren sich gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 16.9.2002, mit denen der Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und Herr B.D. als deren Geschäftsführer bestellt wurde.
Gesellschafter der Beklagten waren zunächst die S. GmbH und die S. GmbH & B.K. in GbR, wobei die S. GmbH einen Geschäftsanteil von 24.750 EUR hielt und der von der GbR gehaltene Geschäftsanteil 250 EUR betrug.
Der Kläger zu 2) wurde zum Geschäftsführer der Beklagten berufen. Er ist bis heute als solcher im Handelsregister eingetragen.
Mit notariellem Vertrag vom 17.8.2001 (Bl. 5-8 d.A.), den Herr B.K. als vollmachtloser Vertreter abschloss, trat die S. GmbH nach Teilung ihres Geschäftsanteils in sechs Anteile fünf dieser Geschäftsanteile an die T. AG, S.J., F.J., S.B. und den Kläger zu 1) ab. Einen Anteil behielt die S. GmbH für sich. Herr B.K. verstarb in der Folgezeit.
Die S. GmbH und die T. AG schlossen am 13.6.2002 einen notariellen Vertrag, in dem die S. GmbH die Abtretung des Geschäftsanteils vom 17.8.2001 genehmigte. Außerdem vereinbarte sie mit der T. AG, dass die Abtretung des Geschäftsanteils aufschiebend bedingt durch die Zahlung des Kaufpreises sein sollte.
Am 16.9.2002 kam es zu einer "außerordentlichen Gesellschafterversammlung" der Beklagten, bei der lediglich die Geschäftsführerin der S. GmbH zugegen war, zugleich in ihrer Eigenschaft "als Vertreterin der GbR aus S. GmbH und dem Nachlass nach B.K.". Nachdem sie festgestellt hatte, "dass das Stammkapital der GmbH vollständig vertreten" sei, und sie auch "auf alle Fristen und Formen aus der Ladung" verzichtet hatte, fasste sie die streitgegenständlichen Gesellschafterbeschlüsse (Bl. 10 d.A.).
Nach Fassung dieser Beschlüsse wurden sowohl der Kläger zu 2) als auch Herr B.D. für die Beklagte als Geschäftsführer tätig.
Das LG Neuruppin erließ auf Antrag der Kläger am 1.10.2002 eine einstweilige Verfügung (Az.: 7 O 21/02), durch die der Beklagten vorerst untersagt wurde, die Beschlüsse vom 16.9.2002 auszuführen. Die Beklagte legte gegen diese einstweilige Verfügung mit Schriftsatz vom 8.10.2002 Widerspruch ein.
Am 29.10.2002 fand eine weitere Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. Im Protokoll ist festgehalten, dass der Vertrag vom 17.8.2001 von den Kindern J., S.B. und möglicherweise auch von der T. AG nicht genehmigt worden sei. Vorsorglich geladen seien die S. GmbH, die GbR aus S. GmbH & B.K. (Nachlass), der Kläger zu 1) und S. B.. Anwesend waren auch Vertreter der T. AG. Als Gesellschafter werden im Protokoll nur die S. GmbH mit 93 % und der Kläger zu 1) mit 6 % des Stammkapitals aufgeführt. In dieser Versammlung fassten "alle Beteiligten" den Beschluss, den Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten abzuberufen; der Kläger zu 2) legte unmittelbar nach seiner Abberufung vorsorglich sein Amt als Geschäftsführer nieder. Die Gesellschafterversammlung bestellte im Anschluss daran mit den Stimmen der S. GmbH Herrn B.D. zum Geschäftsführer, der Kläger zu 1.) stimmte dagegen. Herr B.D. erklärte durch Schreiben vom 30.12.2002 ggü. Frau S.K. (Geschäftsführerin der S. GmbH), er genehmige alle seine als Geschäftsführer der Beklagten getätigten Geschäfte seit dem unwirksamen Beschl. v. 16.9.2002.
Die Gesellschafterbeschlüsse vom 29.10.2002 sind bisher nicht angefochten worden.
Am Tag nach der Gesellschafterversammlung vom 29.10.2002 fand vor dem LG Neuruppin im einstweiligen Verfügungsverfahren der Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Dort erklärte die Beklagte, keine Rechtswirkungen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an die Gesellschafterbeschlüsse vom 16.9.2002 zu knüpfen. Die Kläger erklärten daraufhin die Verfügungsklage für...