Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.10.2023; Aktenzeichen VIa ZR 530/22)

BGH (Beschluss vom 31.07.2023; Aktenzeichen VIa ZR 530/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29.03.2021, Az. 11 O 239/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.657,13 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Anspruch.

Der Kläger erwarb aufgrund einer Bestellung vom 15.02.2017 von der R... GmbH in T... einen BMW 520d zu einem Kaufpreis von 28.890,00 EUR brutto; der Kauf wurde durch ein Darlehen vom gleichen Tag finanziert. Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 44.247 km auf. Das Fahrzeug wurde erstmals am 19.12.2013 zugelassen.

In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte und entwickelte Motor des Typs N47, der Schadstoffklasse Euro 6 mit einer Leistung von 135 kw verbaut, der von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen ist. Der Motor und dessen Steuerung wurde von der Systemgenehmigungsbehörde NSAI (National Standards Authority of Ireland) vorab geprüft und zugelassen. Die Bescheinigung wurde dem KBA im Rahmen des Antrags auf Erteilung der Typengenehmigung vorgelegt und von ihm zugrunde gelegt.

Im Zuge der Diskussion um die so genannte VW-Dieselabgasaffäre wurden vom Bundestag Untersuchungen auch bei Fahrzeugmodellen der Beklagten zum Vorliegen von Abschalteinrichtungen angeordnet, die jedoch offiziell zu keinem positiven Befund führten. Die deutsche Umwelthilfe (im Folgenden DUH) unternahm ab dem Jahre 2016 Fahrversuche auf einer Teststrecke mit verschiedenen Modellen. Die zu sogenannten RealDriveEmission (RDE) durchgeführten Fahrversuche im realen Straßenverkehr ergaben Stickstoffwerte, die im Mittel den für den Rollenstand maßgeblichen Wert der Schadstoffklasse Euro 5 und 6 überstiegen.

Mit Anwaltsschreiben vom 13.07.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich Deliktszinsen bis zum 27.07.2020 auf Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges auf.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über diverse unzulässige Abschalteinrichtungen. Nur so lasse sich erklären, dass von der Beklagten hergestellte Fahrzeuge die Schadstoffgrenzwerte (NOx) der Euronorm 6 im realen Straßenbetrieb im Unterschied zu den Messergebnissen auf dem Prüfstand im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens massiv überschritten. Dies hätten insbesondere Messungen des Bundesumweltamtes sowie der Deutschen Umwelthilfe ergeben, wonach bei vergleichbaren Motoren der zulässige Grenzwert an NOx von 80 mg/km deutlich überschritten werde. Diese Messergebnisse seien auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar, da in den getesteten Fahrzeugen ebenfalls ein Motor der Beklagten des Typs N47 verbaut sei.

In dem Fahrzeug sei ein Thermofenster eingebaut, das bewirke, dass nur in einem Temperaturbereich von + 17 bis + 33 Grad Celsius die Emissionsstrategie zu 100 % funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasreinigung iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet. Da diese Abschaltung von den Außentemperaturen abhänge, sei die Abschaltung in den kalten Monaten von November bis einschließlich Februar dauerhaft aktiv und eher die Regel als die Ausnahme.

Darüber hinaus erkenne die Motorsteuerungssoftware im Rahmen des sog. "Hard Cycle Beating" anhand diverser Parameter, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand des Typgenehmigungsverfahrens befinde, nur in diesem Fall funktioniere die Abgasreinigung optimal; sofern sich das Fahrzeug im Normalbetrieb befinde, werde das Abgasrückführungsventil im Unterschied zum Betrieb auf dem Prüfstand - jedenfalls ab 3000 Umdrehungen - komplett geschlossen und eine Abgasrückführung finde nicht mehr statt. Werde der Fahrzyklus des NEFZ durchlaufen, werde die Abgasrückführung entsprechend aktiviert. Werde hingegen der NEFZ-Zyklus in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen, werde die Abgasrückführung reduziert, wie auch Tests des englischen "Department for Transport" gezeigt hätten. Ferner sei eine Standzeiterkennung implementiert: Stehe das Fahrzeug zur "Konditionierung" 6 Stunden oder länger in einer Umgebungstemperatur von 20-30 Grad Celsius, werde die Prüfstandserkennung aktiviert. Wie der frühere Vorstandsvorsitzende der Beklagten Herr D... eingeräumt habe, sei bei der Beklagten eine intern als 14/15-V Funktion bezeichnete Abschalteinrichtung vorhanden gewesen, die mit der bei Volkswagen eingesetzten Umschaltlogik vergleichbar sei.

Hinsichtlich des - nach dem Vortrag des Klägers - eingebauten SCR-Katalysators werde be...

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