Tenor

1.1. Das Versäumnisurteil des Senats vom 15.06.2022 bleibt aufrechterhalten.

Der Kläger hat die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 24.01.2019 bei der A. GmbH einen gebrauchten Audi A5 Coupe 2.0 TDI mit einem Kilometerstand von 46.900 km zu einem Kaufpreis von 28.000 EUR. Die Erstzulassung datiert vom 05.10.2016. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten Motor des Typs EA 288 mit der Abgasnorm Euro 6 ausgerüstet. Der Motor verfügt zur Reduktion von Stickoxid-Emissionen und zur Einhaltung der Grenzwerte über eine geregelte Abgasrückführung (AGR) und einen SCR-Katalysator.

Das Fahrzeug ist von einem amtlichen Rückruf nicht betroffen.

Mit Anwaltsschreiben vom 02.09.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises auf Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges auf.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe unzulässige Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Motor verbaut. So verfüge das Fahrzeug über ein Thermofenster, das bei Temperaturen unter 10° und über 30° Celsius greife. Es sei darüber hinaus - ebenso wie der Motor EA 189 - mit einer Software ausgestattet, die Fahrzyklus des NEFZ erkenne; dadurch würden im Prüfstand die NOx-Emissionen reduziert. Dies werde durch interne Unterlagen der Beklagten, den "Statusbericht Diesel KBA-Termin (Technik) 21.10.2015 Wolfsburg" vom 19.10.2015, die Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorlagen EA 288" vom 18.11.2015 und die "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorlagen EA 189" vom 18.11.2015, belegt. Nach einem Gutachten der DUH hielten Fahrzeuge der Beklagten mit dem Motor EA 288 den Grenzwert für NOx-Emissionen nicht ein. Seit April 2020 erfolgten für solche Motoren freiwillige Service-Maßnahmen zum Aufspielen eines Software-Updates. Zur Verwendung von illegalen Abschalteinrichtungen habe die Beklagte gegenüber dem KBA sicherlich im Rahmen der Typengenehmigung keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht.

Die Beklagte hat vorgetragen, in dem Fahrzeug komme keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Bei dem in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommenden Thermofenster zwischen - 24 Grad Celsius und + 70 Grad Celsius handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Erkennung des Prüfstands sei nur dann unzulässig, wenn sie genutzt werde, um die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems so zu verändern, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im normalen Fahrbetrieb verringert werde. Dies sei bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht der Fall, wie auch schon der Untersuchungsbericht Volkswagen vom April 2016 zu EA 288-Motoren Euro 6 festgestellt habe. Insbesondere komme keine Umschaltlogik dergestalt zum Einsatz, dass das Emissionskontrollsystem im Prüfstand in einen abgasoptimierenden Zustand schalte. Das Emissionskontrollsystem arbeite bei voller Funktionsfähigkeit aller Bauteile sowohl im Prüfstand als auch auf der Straße mit identischer Wirksamkeit. Die Fahrkurvenerkennung werde nicht dazu genutzt, Emissionsgrenzwerte einzuhalten, sie habe bei Fahrzeugen mit NOx-Speicherkatalysator oder SCR-Katalysator - näher erläuterte - andere technische Gründe gehabt. Unabhängig von den Ergebnissen der KBA-Felduntersuchung habe die Beklagte entschieden, die Fahrkurven - bzw. die sog. Akustikfunktion - generell ab dem Modelljahreswechsel der Kalenderwoche 22 des Jahres 2016 bei allen EA 288-Fahrzeugen (SCR- wie NSK-Technologie) nicht mehr zu verwenden.

Zudem habe sie dem KBA als zuständiger Typgenehmigungsbehörde am 22.01.2016 die Entwicklung und die neueste technische Abgasrückführung in ihren Diesel-Modellen EA 189 und EA 288 dargestellt und detailliert die bei den EA 288 EU6 zum Einsatz kommende AGR-Technologie vorgestellt. Das KBA habe demnach Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der AGR einschließlich ihrer Applikationsrichtlinie zum Bauteilschutz, aber keine Beanstandungen gehabt. Deswegen unterliege das Fahrzeug auch keinem Rückruf. Aus den Untersuchungen der DUH und anderer Organisationen ergebe sich schon deswegen nichts, weil die Messung im realen Fahrbetrieb erfolge und die ausgewählte Strecke unklar sei und nicht näher erläutert werde. Maßgeblich zur Ermittlung der Emissionswerte sei jedoch das unter den Laborbedingungen des NEFZ vorgenommene Prüfverfahren. Erst durch die Änderung der Rechtslage ab dem 01.09.2017 seien in Europa neue Regelungen für Real Drive Emissions-Tests (RDE) in Kraft getreten, die sich aber allein auf neue typgeprüfte...

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