Verfahrensgang

LG Cottbus (Aktenzeichen 3 O 121/20)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 27.04.2021, Az. 3 O 121/20, dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf einen Gebührenwert bis 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den beklagten Landkreis im Wege der Amtshaftung auf Ersatz von Verdienstausfall wegen unterbliebener Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für ihre Tochter in Anspruch.

Die Klägerin meldete am 11.07.2017 für ihre am ...2017 geborene Tochter bei der Stadt ... (im Folgenden auch: Stadt) einen Betreuungsbedarf ab dem 01.04.2018 an. Die Stadt, die durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß § 12 Abs. 1 KitaG Bbg verpflichtet ist, auf ihrem Gebiet die betreffenden Aufgaben für den Beklagten durchzuführen, stellte durch Bescheid vom 07.09.2017 einen Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte ab dem 16.02.2018 mit einer täglichen Betreuungszeit bis zu 6,0 Stunden fest. Mit Schreiben vom 17.01.2018 teilte sie der Klägerin mit, dass deren Tochter voraussichtlich erst im Sommer 2018 mit einem Kindergartenplatz versorgt werden könne. Unter dem 21.03.2018 kündigte die Stadt der Klägerin die Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes ab August 2018 an.

Die Klägerin hat behauptet, dass sie aufgrund der verspäteten Zurverfügungstellung des Kindergartenplatzes ihre Erwerbstätigkeit nicht wie geplant habe wiederaufnehmen können, weshalb ihr für den Zeitraum vom 16.04.2018 bis zum 30.06.2018 ein Verdienstausfallschaden in Höhe von insgesamt 5.550,06 EUR entstanden sei. Mit ihrer Klage hat sie den Beklagten auf eine entsprechende Zahlung nebst Verzugszinsen ab dem 26.08.2019 sowie auf Freistellung von den Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 782,07 EUR in Anspruch genommen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat hinsichtlich möglicher Ansprüche nach § 1 StHG die Einrede der Verjährung erhoben und im Übrigen insbesondere geltend gemacht, dass dem Schadensersatzbegehren die fehlende Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz entgegenstehe.

Das Landgericht hat mit Grundurteil vom 27.04.2021 darauf erkannt, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Es hat dafür gehalten, dass der Klägerin aus § 839 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zustehe, weil dieser seine Pflicht verletzt habe, der Tochter der Klägerin einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch, hinsichtlich dessen Höhe der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif sei, scheitere aus vom Landgericht näher ausgeführten Erwägungen auch nicht an der fehlenden Inanspruchnahme primären Rechtsschutzes. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der tragenden Gründe wird auf das Urteil Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit einer Berufung, mit der er den Klageabweisungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung seiner erstinstanzlichen Rechtsauffassung, wonach der Klageforderung § 839 Abs. 3 BGB entgegenstehe, weiterverfolgt.

Er beantragt,

das Grundurteil des Landgerichts Cottbus zum Az. 3 O 121/20 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung, wobei sie ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die nach § 304 Abs. 1, 1. Halbs., § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten wegen der nicht rechtzeitigen Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für ihre am ...2017 geborene Tochter ein Schadensersatzanspruch aus keinem Rechtsgrund zu.

Die Nichterfüllung des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege trotz rechtzeitiger Bedarfsanmeldung durch den örtlich und sachlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt zwar eine Amtspflichtverletzung dar, die unter den weiteren Voraussetzungen von § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG sowie § 1 Abs. 1 StHG einen Anspruch betroffener Eltern auf Ersatz eines hierdurch verursachten Verdienstausfallschadens begründen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2016 - III ZR 278/15 - NJW 2017, 397). Vorliegend sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt.

Das Schadensersatzbegehren der Klägerin scheitert jedenfalls daran, dass sie nicht um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht hat, als absehbar war, dass sie für ihre Tochter den beantragten Betreuungsplatz zum 16.02.20...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge