Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 20.03.2006; Aktenzeichen 13 E 181/06) |
VG Köln (Beschluss vom 04.01.2006; Aktenzeichen 1 L 2056/05) |
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerdeführerin begehrt ihre vorläufige Beiladung zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um eine telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung.
I.
1. Die Beschwerdeführerin betreibt ein Telekommunikationsnetz für breitbandigen Internetverkehr, der insbesondere über so genannte DSL-Anschlüsse geführt wird. Die Deutsche Telekom ist aufgrund einer Zusammenschaltungsanordnung der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zur Zusammenschaltung ihres T-DSL-Anschlussnetzes mit dem Breitbandnetz der Beschwerdeführerin verpflichtet.
Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen genehmigte die für die Zusammenschaltung maßgeblichen Entgelte mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis 30. November 2007. Die Deutsche Telekom stellte bei dem Verwaltungsgericht Köln einen Antrag nach § 123 VwGO i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG auf vorläufige Anordnung eines höheren Entgelts.
2. Als die Beschwerdeführerin von diesem Verfahren Kenntnis erhielt, stellte sie einen Antrag auf Beiladung. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Ein Fall notwendiger Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO liege nicht vor. § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG sei so auszulegen, dass das Gericht nicht selbst eine Zahlung anordnen dürfe, sondern lediglich die Bundesnetzagentur zur Erteilung einer vorläufigen höheren Entgeltgenehmigung verpflichten könne. Aufgrund dieser Auslegung des § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG würden Rechte der Beschwerdeführerin im Fall einer stattgebenden Entscheidung nicht unmittelbar gestaltet oder bestätigt, da die Entscheidung noch von der Bundesnetzagentur umgesetzt werden müsste. Gegen eine Genehmigung der Bundesnetzagentur könnten die Wettbewerber der Antragstellerin sodann um Rechtsschutz nachsuchen, da die gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren für sie keine Bindungswirkung habe. Auch für die in § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG angeordnete Rückwirkung einer Entscheidung in der Hauptsache komme es auf die behördliche vorläufige Entgeltgenehmigung und nicht auf die gerichtliche Entscheidung nach § 123 VwGO i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG an.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Anhörungsrüge nach § 152a VwGO, die das Verwaltungsgericht als unstatthaft verwarf. Eine parallel eingelegte Beschwerde verwarf das Oberverwaltungsgericht unter Verweis auf § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG als unzulässig.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 103 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG. Durch den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts würden ihr prozessuale Rechte in dem Verfahren nach § 123 VwGO i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG versagt, obwohl sie durch die Entscheidung über eine vorläufige Entgeltgenehmigung in ihren Rechten betroffen werde. Gegen die darin liegende Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör müsse ihr von Verfassungs wegen ein Rechtsbehelf eröffnet werden.
Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Beschwerdeführerin eine Anweisung an das Verwaltungsgericht, die Entscheidung nach § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG nur nach vorläufiger Beiladung der Beschwerdeführerin zu treffen. Zur Begründung verweist sie darauf, dass die vorläufige Genehmigung eines erhöhten Entgelts ihr schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile zufügen würde. Die prozessrechtliche Situation der Deutschen Telekom werde dagegen durch eine Beiladung der Beschwerdeführerin nicht verschlechtert, da es in der Sache nur darum gehe, dem erkennenden Gericht zusätzliche Information zur Verfügung zu stellen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn das zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Eine Folgenabwägung ergibt nicht, dass die der Beschwerdeführerin drohenden Nachteile für den Fall, dass sie im Hauptsacheverfahren später Erfolg hätte, die Nachteile überwiegen, die andernfalls für die anderen Beteiligten zu erwarten wäre (zur Folgenabwägung vgl. BVerfGE 88, 173 ≪179 f.≫; 91, 320 ≪326≫; 104, 51 ≪55≫; 106, 253 ≪261≫). Bei der Prüfung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfGE 104, 51 ≪55≫; 108, 45 ≪49≫).
1. Wird die begehrte einstweilige Anordnung über die Beiladung erlassen, bleibt die Verfassungsbeschwerde jedoch in der Hauptsache erfolglos, so könnte in der Zwischenzeit das laufende Verfahren nach § 123 VwGO i.V.m. § 35 Abs. 5 Satz 2 TKG erheblich verzögert werden. Aufgrund der Beiladung hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, selbstständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vorzunehmen (§ 66 VwGO). Zudem wäre nicht auszuschließen, dass aufgrund der Beiladung der Beschwerdeführerin auch andere Leistungsnachfrager, die von der umstrittenen Entgeltgenehmigung betroffen sind, ihre Beiladung beantragen. Der von dem Gericht und den anderen Beteiligten zu verarbeitende Verfahrensstoff würde sich durch die Beiladungen voraussichtlich deutlich erweitern und es wäre in der Folge mit erheblichen Verzögerungen zu rechnen. Daraus könnten jedenfalls der Deutschen Telekom AG als Antragstellerin, eventuell auch anderen Leistungsnachfragern als der Beschwerdeführerin, erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen.
2. Demgegenüber wiegt der Nachteil, den die Beschwerdeführerin voraussichtlich erleidet, wenn die beantragte Anordnung nicht ergeht, ihre Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hat, weniger schwer.
Die ablehnende Entscheidung über die Beiladung ist keine Entscheidung über die Entgeltgenehmigung als solche, hält der Beschwerdeführerin allerdings prozessuale Einwirkungsmöglichkeiten in dem zwischen der Genehmigungsbehörde und der Deutschen Telekom AG geführten Rechtsstreit vor. Die Beschwerdeführerin wird jedoch hinsichtlich ihrer Interessen an einer der Rechtsordnung entsprechenden Entgeltgenehmigung nicht rechtlos gestellt. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass es die Beschwerdeführerin für befugt hält, eine aufgrund der Sachentscheidung ergehende vorläufige Entgeltgenehmigung eigenständig anzufechten. Insofern kommt auch vorläufiger Rechtsschutz in Betracht.
Im Rahmen eines Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entgeltgenehmigung hat die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, ihre rechtlichen Interessen mit allen prozessual vorgesehenen Rechten durchzusetzen und insbesondere alle Kenntnisse ökonomischer oder technischer Art, über die sie verfügt, dem Gericht zugänglich zu machen und so dessen Rechtsauffassung zu beeinflussen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 1512111 |
NVwZ-RR 2006, 580 |