Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer, Hochschulprofessoren, gegen die Zusammensetzung des Senats ihrer Universität.
I.
1. Die Beschwerdeführer sind Professoren an der juristischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. Durch Verwaltungsgerichtsurteil vom 9. Dezember 2002 wurde festgestellt, dass das Unterlassen der beklagten Universität, in ihrer Grundordnung eine den Prinzipien der Gruppenuniversität genügende Zahl der in den Senat zu wählenden Vertreter der Hochschullehrergruppe zu bestimmen, rechtswidrig sei. Damals waren sämtliche Hochschullehrer im Senat Senatoren kraft Amtes. Nachdem eine vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst angemahnte Änderung der Regelung über die Senatszusammensetzung in der Grundordnung der Universität (GO) in den Hochschulgremien gescheitert war, verfügte das Ministerium im Wege der Ersatzvornahme folgende Fassung des § 7 Abs. 1 GO:
Dem Senat der Universität gehören an:
als stimmberechtigte Mitglieder
Vor der ersten Sitzung des auf dieser Grundlage gewählten Senats – in der unter anderem die Zustimmung zum so genannten Hochschulkonsens auf der Tagesordnung stand, der eine Einstellung des juristischen Studiengangs der Universität zum Wintersemester 2004/2005 vorsieht – erwirkten die Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung, wonach bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in einem Klageverfahren, das die Beschwerdeführer inzwischen eingeleitet haben, Beschlussfassungen im Senat zu unterlassen seien.
Auf die Beschwerde der Universität gegen die einstweilige Anordnung hin entschied das Oberverwaltungsgericht zulasten der Beschwerdeführer. § 7 Abs. 1 GO in der Fassung der ministeriellen Ersatzvornahme sei bei summarischer Prüfung formell und materiell rechtmäßig. Art. 5 Abs. 3 GG verlange für die Zusammensetzung des Senats lediglich, dass die Hochschullehrer im materiellen Sinne die Mehrheit hätten, unabhängig davon, ob es sich um gewählte oder Senatoren kraft Amtes handle. Mit der Zahl von drei gewählten Hochschullehrern genüge die in § 7 Abs. 1 GO vorgesehene Zusammensetzung des Senats den gesetzlichen Anforderungen und auch den Anforderungen des Verwaltungsgerichtsurteils vom 9. Dezember 2002. Ein Eilantrag der Beschwerdeführer hiergegen nach § 32 BVerfGG hatte keinen Erfolg.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
Art. 19 Abs. 4 GG sei verletzt, weil das Oberverwaltungsgericht den Anordnungsanspruch der Beschwerdeführer zu summarisch geprüft und in der Folge verneint habe. Es habe die aus dem Sächsischen Hochschulgesetz (SächsHG) sich ergebenden Mitwirkungsrechte der Beschwerdeführer und damit auch Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 GG verkannt. Im Modell der Gruppenuniversität sei entscheidendes Kriterium für die Repräsentation der Gruppe der Hochschullehrer die Zahl der von ihnen in den Senat zu wählenden Vertreter. Eine nicht nur marginale Repräsentation durch gewählte Vertreter sei auch verfassungsrechtlich geboten, sie sichere den wissenschaftlichen Freiraum der Hochschullehrer. Die Leitungsorgane verträten nicht die spezifischen Interessen der Gruppe der Hochschullehrer.
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Sie wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder verfassungsgerichtlich noch nicht geklärt wären (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫; 51, 268 ≪284 f.≫; 77, 381 ≪400 ff.≫; 79, 69 ≪74≫; 79, 275 ≪278 f.≫; 93, 1 ≪13 f.≫). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Rüge einer Verletzung von Art. 5 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 GG ist unzulässig. Der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität gebietet im Interesse einer Respektierung der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen den Fachgerichten und dem Bundesverfassungsgericht, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle fachgerichtlichen Möglichkeiten zu ergreifen, um der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abzuhelfen (vgl. BVerfGE 68, 376 ≪380≫; 77, 381 ≪400 f.≫; 79, 1 ≪20≫). Dazu kann trotz Erschöpfung des Rechtswegs im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auch die Absolvierung des fachgerichtlichen Hauptsacheverfahrens gehören, soweit nicht eine selbständige Beschwer gerade durch die fachgerichtliche Eilentscheidung gerügt wird. Werden Grundrechtsverletzungen gerügt, die ihrer Art nach im Hauptsacheverfahren behoben werden können, so muss die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren für den Beschwerdeführer allerdings zumutbar sein (vgl. BVerfGE 77, 381 ≪400 ff.≫; 78, 290 ≪301 f.≫; 79, 275 ≪278 f.≫; 104, 65 ≪70 f.≫).
Das ist hier der Fall. Mit dem Abschluss des fachgerichtlichen Eilverfahrens liegt eine abschließende Fallanschauung und Rechtsauffassung der fachgerichtlichen Instanzen, insbesondere auch des Bundesverwaltungsgerichts, noch nicht vor. Ob mit der gegenwärtigen Zusammensetzung des Senats Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 5 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 GG verletzt werden, ist deshalb zunächst im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren zu klären. Dies ist den Beschwerdeführern zuzumuten, obwohl sie aufgrund der Dauer des Hauptsacheverfahrens irreversible Rechtsverluste befürchten. Den Beschwerdeführern insoweit ausreichenden Schutz zu bieten, ist gerade Sache des fachgerichtlichen Eilverfahrens, das die Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 GG zulässig zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellt haben.
2. Die Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG ist jedoch unbegründet.
a) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert über das formelle Recht, die Gerichte anzurufen, hinaus die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫; stRspr). Das gilt auch für den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz. Die Auslegung und Anwendung des § 123 VwGO kann vom Bundesverfassungsgericht aber nur daraufhin überprüft werden, ob sie Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts der Beschwerdeführer auf effektiven Rechtsschutz beruhen (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪74≫). Eine “summarische” Prüfung in dem Sinne, dass die Prüfung im Hauptsacheverfahren eingehender sein und deshalb ein anderes Ergebnis haben kann, ist kennzeichnend für das Eilverfahren und verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Entscheidend ist, dass die Prüfung eingehend genug ist, um die Beschwerdeführer vor erheblichen und unzumutbaren, anders weder abwendbaren noch reparablen Nachteilen effektiv zu schützen (vgl. BVerfGE 79, 69 ≪74≫; 93, 1 ≪13 f.≫).
b) Diesem Maßstab wird die angegriffene Entscheidung gerecht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtslage mit einer den möglichen Rechtsverlusten noch angemessenen Intensität geprüft und damit ausreichenden Eilrechtsschutz gewährt. Die den Beschwerdeführern während des Hauptsacheverfahrens allenfalls drohenden Rechtsverluste sind nicht irreparabel. Den Beschwerdeführern steht es frei, Senatsentscheidungen, die sie inhaltlich nicht mittragen können, anzugreifen und einer gerichtlichen Klärung, notfalls auch im Eilverfahren, zuzuführen. Überdies ist mit hinreichend schwerwiegenden Rechtsverlusten nicht zu rechnen.
aa) Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ist bei der Verteilung der Stimmanteile in Hochschulgremien, die über hinreichend wissenschaftsrelevante Angelegenheiten zu entscheiden haben, den Hochschullehrern im materiellen Sinne als Inhabern der Schlüsselfunktionen des wissenschaftlichen Lebens ein herausgehobenes Gewicht einzuräumen. Dass danach über eine Mehrheit der Hochschullehrer im materiellen Sinne hinaus für die verfassungskonforme Zusammensetzung des Senats eine Mehrheit von Senatoren unabdingbar wäre, die durch die Gruppe der Hochschullehrer oder mindestens mit Hochschullehrermehrheit gewählt worden sind, ist jedenfalls nicht so offensichtlich, dass sie sich dem Oberverwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aufdrängen müsste. Auch in der Gesetzgebung anderer Länder und einem Teil der Literatur wird von der Möglichkeit, Mitglieder kraft Amtes auf die Hochschullehrermehrheit anzurechnen, ausgegangen (vgl. Reich, Hochschulrahmengesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2002, § 37 Rn. 5). Auch nach den gegenwärtigen Regelungen ist die hochschulorganisatorische Teilhabe der Gruppe der Hochschullehrer insgesamt noch so prägend für die im Senat zu treffenden Entscheidungen, dass bis zur abschließenden Klärung der Frage im Hauptsacheverfahren Nachteile für die wissenschaftliche Betätigungsfreiheit der Beschwerdeführer, die ihnen nicht zuzumuten wären, nicht zu befürchten sind.
Wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, sind die Hochschullehrer im materiellen Sinne im Senat in der Mehrheit. Das gilt selbst dann, wenn man den hauptberuflichen Rektor seiner Funktion wegen für die Dauer seiner Amtszeit nicht als Hochschullehrer im materiellen Sinne ansieht. Die Beschwerdeführer sind durch drei per Gruppenwahl in den Senat entsandte Hochschullehrer vertreten. Bei den Dekanen ist aufgrund des Wahlverfahrens sichergestellt, dass sie nicht nur ihre Fakultät vertreten, sondern auch das Vertrauen der Hochschullehrer ihrer Fakultät haben, da sie zur Wahl nicht nur einer Mehrheit im Fakultätsrat, sondern auch einer Mehrheit der dem Fakultätsrat angehörenden Hochschullehrer bedürfen (§ 86 Abs. 1 Satz 4 SächsHG). Auch auf die Wahl der drei zentral gewählten Senatoren kraft Amtes haben die Hochschullehrer wesentlichen Einfluss. Der Rektor wird aufgrund eines Vorschlags des Senats, die Prorektoren werden aufgrund eines Vorschlags des Rektors vom Konzil gewählt, in welchem die Gruppe der Hochschullehrer die Mehrheit hat (§ 94 Abs. 3 Satz 1, 2, Abs. 6 Satz 1, § 91 Abs. 3 SächsHG). Die Beschwerdeführer haben über ihre Mitwirkungsrechte in der Fakultät Gelegenheit, Einfluss auf ihren Dekan zu nehmen; auch hier überwiegt der Einfluss der Hochschullehrer den der Fakultätsmitglieder anderer Gruppen (§ 83 Abs. 2, 3 SächsHG). Im Übrigen gilt für alle Senatoren kraft Amtes, dass sie zwar die Gruppe der Hochschullehrer nicht ausschließlich repräsentieren, jedoch, indem sie selbst Professoren sind, eine weit mehr dieser als den anderen Gruppen entsprechende Interessenlage haben. Bei Senatsentscheidungen, die die wissenschaftliche Betätigung der Beschwerdeführer besonders betreffen, müssen diese zudem in angemessener Form zu Gehör kommen (vgl. BVerfGE 35, 79 ≪128 f.≫; 55, 37 ≪71≫).
bb) Soweit durch die angegriffene Senatszusammensetzung über das von der Wissenschaftsfreiheit Geforderte hinausgehende einfachgesetzlich begründete Mitwirkungsrechte verletzt würden, wären bis zur abschließenden Klärung der Frage im Hauptsacheverfahren diesbezügliche Nachteile für die Beschwerdeführer schon deshalb nicht unzumutbar, weil sie für ihre wissenschaftliche Betätigungsfreiheit unerheblich wären.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 1067430 |
WissR 2004, 70 |