Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 15.02.2006; Aktenzeichen 1 UZ 1517/05) |
VG Wiesbaden (Urteil vom 15.04.2005; Aktenzeichen 8 E 1915/00(V)) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24≫; 96, 245 ≪248≫). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Soweit der Beschwerdeführer rügt, durch einen fehlenden Hinweis auf die die Rückforderung im Einzelnen regelnde Verwaltungsvorschrift zu § 59 Abs. 5 BBesG in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt zu sein, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Insoweit hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, inwieweit er durch die gerichtlichen Akte in seinem Grundrecht verletzt ist und inwiefern die Entscheidung auf der Grundrechtsverletzung beruht (vgl. BVerfGE 89, 48 ≪60≫). Es gibt keinen Grund, warum der Beschwerdeführer an der Geltendmachung effektiven Rechtsschutzes durch Nichthinweis auf die Verwaltungsvorschriften – die ohnehin nur das Verfahren regeln, aber nicht die Rechtsgrundlage für die Rückforderung darstellen – gehindert worden sei. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern er zur Geltendmachung effektiven Rechtsschutzes bereits im Zeitpunkt der Ernennung eines Hinweises auf die Verwaltungsvorschriften bedurfte. Entweder tritt er die Ausbildung nicht an – wozu er nichts vorgetragen hat – oder er führt, wie vorliegend erst im Falle der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen, einen Rechtsstreit. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch vollumfänglich informiert. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem fehlenden Hinweis auf die Verwaltungsvorschriften und einer Einschränkung der Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht dargetan.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
a) Auf die Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 5 GG kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Es gibt keinen hergebrachten Grundsatz, Angehörige des öffentlichen Dienstes im Ausbildungsverhältnis – mögen sie auch Beamte auf Widerruf sein – zu alimentieren (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Oktober 1992 – 2 BvR 1318/92 –, NVwZ 1993, S. 467). Die Bezüge der Beamten auf Widerruf stellen lediglich eine Hilfe zum Bestreiten des Lebensunterhalts während der Ausbildung dar.
b) Der Beschwerdeführer ist nicht deshalb in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt, weil das diese einschränkende Gesetz, hier § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 BGB, dem Vorbehalt des Gesetzes nicht genügte.
Zwar kann nach Art. 2 Abs. 1 GG jedermann im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen, ein seine Handlungsfreiheit beschränkendes Gesetz gehöre nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung, weil es (formell oder inhaltlich) gegen einzelne Verfassungsbestimmungen verstoße (BVerfGE 6, 32 ≪41≫; 91, 186 ≪200 f.≫). Der Beschwerdeführer verkennt jedoch, dass Grundlage der Rückforderung nicht die nach § 59 Abs. 5 BBesG erlassene Verwaltungsvorschrift, sondern § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 BGB ist (vgl. GKÖD, § 59 BBesG Rn. 19). Hiernach ist klar bestimmt, dass bei Nichteintritt des mit der Ausbildung verfolgten Zweckes die Bezüge zurückgefordert werden können. Dies wäre somit auch ohne die Existenz der Verwaltungsvorschrift möglich. Durch den Verweis auf § 812 BGB ist durch den Gesetzgeber hinreichend klargestellt, welchen Voraussetzungen eine Rückforderung unterliegt.
c) Der Beschwerdeführer ist auch nicht dadurch in seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, weil der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Anforderungen an den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) überspannt hatte.
Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Einrichtung eines bestimmten Rechtszuges (vgl. BVerfGE 92, 365 ≪410≫; 104, 220 ≪231≫). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫; 78, 88 ≪99≫; 84, 366 ≪369 f.≫ sowie 104, 220 ≪232≫). Dies bedeutet für die Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO, dass die Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrages nicht derart überspannt werden dürfen, dass die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leer läuft (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. März 2001 – 1 BvR 1653/99 –, NVwZ 2001, S. 552 ≪553≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 –, NVwZ 2005, S. 1176 ≪1177≫). Das Zulassungsverfahren hat nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen. Dies gilt indes nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst. Die Regelung in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO soll eine allgemeine Fehlerkontrolle in Fällen ermöglichen, die dazu besonderen Anlass geben (Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 –, NVwZ 2000, S. 1163 ≪1164≫). Hinreichende Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dementsprechend schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Sie sind nicht erst gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfGE 110, 77 ≪83≫; zu einem solchen Erfordernis vgl. aber Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 13. Ergänzungslieferung 2006, § 124 Rn. 26b).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Anforderungen nicht überspannt. Vorliegend setzt sich der Verwaltungsgerichtshof mit den vorgebrachten Argumenten des Beschwerdeführers – welche in dieser Form bereits erstinstanzlich angeführt wurden – auseinander. Es stellt daher im Ergebnis keinen Eingriff in Art. 19 Abs. 4 GG dar, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, die Argumente des Beschwerdeführers seien keine schlüssigen Gegenargumente, die die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in Frage stellen. Einen strengeren Maßstab als der oben aufgezeigte hat der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis nicht angelegt, weil er die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente im Einzelnen in Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung würdigt und hiernach zum Ergebnis gelangt, dass ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung nicht bestehen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen