Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Feststellung einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr bei Entscheidungen, die die Gewährung von Vollzugslockerungen betreffen (§ 11 Abs. 2 StVollzG).
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. § 93a BVerfGG).
1. a) Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 StVollzG), so wird er durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt. Das gilt auch für einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten und auch wenn für den Gefangenen Sicherheitsverwahrung angeordnet ist und diese über die Haftdauer hinaus vollstreckt wird. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe oder der Sicherungsverwahrung finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 ≪238≫; 64, 261 ≪272 f.≫; stRspr). Die Vollzugsanstalten sind mithin im Blick auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsstörungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen (BVerfGE a.a.O.). Diesem Ziel dienen unter anderem die Regelungen des § 11 StVollzG, die unter bestimmten Voraussetzungen Vollzugslockerungen ermöglichen.
Handelt es sich um einen Gefangenen, für den Sicherungsverwahrung angeordnet wurde und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bereits mehr als zehn Jahre vollzogen ist, bei dem also die Erledigung der Sicherungsverwahrung und Entlassung des Gefangenen nur noch von der positiven Gefahrenprognose (§ 67 d Abs. 3 StGB) abhängt, fällt die Versagung erstrebter Vollzugslockerungen auch in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 GG garantierten Freiheitsrechts. Vollzugslockerungen geben dem Gefangenen die Möglichkeit, sich in einer für die Gefahrenprognose relevanten Weise zu bewähren. Die Chance, dass das Gericht, welches über die Erledigung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat, zu einer positiven Gefahrenprognose gelangt, kann daher durch die vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert, durch deren Versagung aber verschlechtert werden (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 1997 – 2 BvR 1404/96 –, NJW 1998, S. 1133 ≪1134≫ und vom 22. März 1998 – 2 BvR 77/97 –, NStZ 1998, S. 373 ≪374 f.≫).
b) Die besondere Grundrechtsrelevanz der Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen, die sich hieraus ergibt, muss bei der Auslegung und Anwendung des § 11 Abs. 2 StVollzG berücksichtigt werden. Vollzugslockernde Maßnahmen sind nach dieser Bestimmung nur zulässig, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde. Wenn Entscheidungen über die Fortdauer der Freiheitsentziehung anstehen, für die das im Rahmen etwaiger Vollzugslockerungen an den Tag gelegte Verhalten des Gefangenen von Bedeutung ist, darf die Justizvollzugsanstalt, die über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG zu entscheiden hat, sich bei ihrer diesbezüglichen Prognose nicht auf die pauschale Feststellung beschränken, dass eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sei. Vielmehr hat sie den Sachverhalt umfassend aufzuklären und im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 1997 – 2 BvR 615/97 –, ZfStrVo 1998, S. 180 ≪182 f.≫, vom 13. Dezember 1997 – 2 BvR 1404/96 –, NJW 1998, S. 1133 ≪1134≫ und vom 1. April 1998 – 2 BvR 1951/96 –, NStZ 1998, S. 430; vgl. zu den entsprechenden Anforderungen bei Entscheidungen über die Gewährung von Hafturlaub und bei der richterlichen Entscheidung über die Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus BVerfGE 64, 261 ≪277≫ und BVerfGE 70, 297 ≪312 ff.≫). Betrifft die Prognose einen in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Gefangenen, darf diese Gesamtwürdigung sich insbesondere nicht in einer bloßen Wiederholung von Feststellungen und Einschätzungen erschöpfen, auf denen die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB beruhte.
2. Nach diesem Maßstab sind entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weder die angegriffene Entscheidung der Justizvollzugsanstalt noch die sie bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen im Ergebnis zu beanstanden.
a) Es ist nicht ersichtlich, dass die Justizvollzugsanstalt bei ihrer Verfügung vom 26. März 2001 oder die Strafvollstreckungskammer bei deren gerichtlicher Überprüfung den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hätte oder von einer nicht hinreichend konkreten oder aus sonstigen Gründen unhaltbaren Würdigung des Sachverhalts ausgegangen wäre. Unter Berücksichtigung der Feststellungen zur Lebensgeschichte des Beschwerdeführers, zu seinen Straftaten und seinem Vollzugsverhalten sowie zu seiner Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung unterliegt es keiner verfassungsrechtlichen Beanstandung, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Justizvollzugsanstalt § 11 Abs. 2 StVollzG zutreffend ausgelegt und sich bei der Anwendung der Vorschrift im Rahmen ihres prognostischen Spielraums gehalten hat. Die Justizvollzugsanstalt hat ihre Beurteilung im Rahmen einer eingehenden Gesamtwürdigung getroffen und nicht lediglich aufgrund allgemeiner, pauschaler Feststellungen entschieden. An die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. K. vom 7. Oktober 1998, der eine schrittweise Lockerung der Haftbedingungen für aus ärztlicher Sicht verantwortbar gehalten hatte, war sie nicht gebunden. Ihre eigene, gleichfalls auf psychologischen Sachverstand gestützte abweichende Prognose hat sie in vertretbarer, jedenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf konkrete Anhaltspunkte gestützt, die dafür sprechen, dass die schwerwiegende sexuelle Problematik und darauf beruhende Gefährlichkeit, die sich in den der Unterbringung zugrundeliegenden Straftaten gezeigt hat, nach wie vor unbewältigt sei. Diese Einschätzung wird insbesondere damit begründet, dass – bei im Übrigen undeutlichem Ergebnis bisheriger therapeutischer Bemühungen – der Beschwerdeführer nach wie vor auf dem Standpunkt steht, „kein Sexualstraftäter” zu sein, und sich einer therapeutischen Aufarbeitung der auf diese Weise geleugneten Problematik verweigert. In diesem Zusammenhang wurde sowohl seitens der Justizvollzugsanstalt als auch seitens der Strafvollstreckungskammer in vertretbarer Weise auch der Tatsache Bedeutung zugemessen, dass der Beschwerdeführer dieselbe Verleugnungstendenz auch dem Gutachter gegenüber an den Tag gelegt hat und es diesem nach eigenem Bekunden nur eingeschränkt gelungen ist, die Abwehrhaltung des Beschwerdeführers zu durchbrechen. Die Justizvollzugsanstalt hat daneben auch das ansonsten beanstandungsfreie Verhalten des Beschwerdeführers in ihre Gesamtabwägung einbezogen. Die Strafvollstreckungskammer konnte nach alledem ohne Verstoß gegen Grundrechte des Beschwerdeführers von einer Vertretbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung der Anstaltsleitung ausgehen.
b) Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob die vom Gericht unter Hinweis auf Nr. 6 der Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz vertretene Rechtsauffassung verfassungsrechtlich haltbar ist, dass bei in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten die Gewährung von Vollzugslockerungen konkrete Anhaltspunkte für das Nicht(mehr)bestehen einer Missbrauchsgefahr voraussetze, nicht dagegen umgekehrt konkrete Anhaltspunkte für das (weitere) Vorliegen einer Missbrauchsgefahr dargetan werden müssen, wenn Vollzugslockerungen versagt werden sollen. Auf dieser Rechtsauffassung beruht die Entscheidung des Oberlandesgerichts nämlich ersichtlich nicht. Das Oberlandesgericht nimmt ausdrücklich auf die Beurteilung des Landgerichts Bezug und macht sie sich zu eigen; diese aber stützt sich nicht auf die Annahme, dass Vollzugslockerungen zu verweigern sind oder verweigert werden dürfen, solange keine konkreten Anhaltspunkte für das Nichtbestehen einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr vorliegen, sondern benennt konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Gefahr. Mit der bestätigenden Wiedergabe der diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts hat das Oberlandesgericht seine Entscheidung auf eine Grundlage gestellt, die diese Entscheidung unabhängig davon trägt, ob die Rechtsauffassung, dass konkrete Anhaltspunkte für eine (fortbestehende) Flucht- oder Missbrauchsgefahr gegebenenfalls auch verzichtbar wären, zutrifft oder nicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Jentsch, Broß, Lübbe-Wolff
Fundstellen