Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Zustellung US-amerikanischer Sammelklagen (class actions) an die Beschwerdeführerin in Deutschland im Wege der Rechtshilfe nach Maßgabe des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HZÜ) vom 15. November 1965 (BGBl 1977 II S. 1452).
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist ein weltweit operierender Automobilhersteller mit Sitz in Deutschland und Tochtergesellschaften unter anderem in den USA und Kanada. Den beklagten Automobilherstellern und -händlern wird vorgeworfen, kartellrechtswidrige Absprachen getroffen zu haben, mit denen der Import von Fahrzeugen aus dem kanadischen Markt in die USA verhindert worden sei, um das Preisniveau auf dem US-amerikanischen Automobilmarkt hoch zu halten. Dadurch hätten die Käufer von Kraftfahrzeugen in den USA finanzielle Schäden erlitten. In Reaktion auf die behaupteten Kartellrechtsverstöße sind in den USA zahlreiche gegen dieselben Beklagten gerichtete class actions anhängig gemacht worden.
In drei dieser Klageverfahren ersuchten die Kläger den Präsidenten des Amtsgerichts Freiburg als zentrale Behörde für Baden-Württemberg nach Art. 2 HZÜ um Zustellung der Klageschriften an die Beschwerdeführerin gemäß Art. 5 HZÜ. Im Unterschied zum deutschen Recht hat die Zustellung in den USA im Wesentlichen nur die Funktion, über die Anhängigkeit eines Prozesses zu informieren; eine konkrete Eingrenzung des Streitgegenstands ist nicht erforderlich (sog. notice pleading). Nach deutschem Recht ist die ordnungsgemäße Zustellung allerdings Voraussetzung für eine spätere Urteilsanerkennung gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
2. a) Mit Entscheidung vom 23. Juli 2003 und zwei weiteren Entscheidungen vom 25. November 2003 traf der Präsident des Amtsgerichts Freiburg Zustellungsanordnungen, mit denen er den Präsidenten des Amtsgerichts Stuttgart als für die Ausführung der Zustellung zuständige Behörde um Erledigung der Zustellungen bat; die Entgegennahme der Klageschriften durch die Beschwerdeführerin erfolgte indes nicht.
b) Gegen die Zustellungsanordnungen wendete sich die Beschwerdeführerin mit Anträgen auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG an das zuständige Oberlandesgericht. Zur Begründung machte sie geltend, die Zustellungen der Klageschriften hätten nicht angeordnet werden dürfen, weil die Ziele der zugestellten class actions offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstießen und deshalb gemäß Art. 13 Abs. 1 HZÜ abzulehnen gewesen seien. Ihre Einbeziehung in die class actions diene, da sie selbst auf dem US-amerikanischen Markt gar nicht tätig sei, offenkundig nur dem Ziel, durch eine möglichst hohe Zahl von Beklagten und eine möglichst hohe potenzielle Schadenssumme die Vergleichsbereitschaft der Beklagten zu erhöhen. Trotz offensichtlich fehlender rechtlicher Grundlage der Klageforderungen werde in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise unter Ausnutzung der Kostentragungsregeln Druck aufgebaut, um die Beteiligung der Beschwerdeführerin an einem Vergleich zu erzwingen.
3. a) Mit gleichlautenden Beschlüssen vom 14. September 2006 wies das Oberlandesgericht die Anträge als unbegründet zurück. Eine Ablehnung der Zustellung könne nach Art. 13 Abs. 1 HZÜ nur erfolgen, wenn die Zustellung geeignet sei, die Hoheitsrechte oder die Sicherheit des ersuchten Staates zu gefährden; insoweit enthalte diese Bestimmung gerade keinen allgemeinen ordre public-Vorbehalt. Nach der Grundentscheidung, dem HZÜ beizutreten, seien Verfahren vor ausländischen Gerichten grundsätzlich zu fördern und andere Rechtsordnungen und -anschauungen seien auch dann zu achten, wenn sie nicht mit dem deutschen Rechtsverständnis übereinstimmten. Eine Verweigerung der Zustellung komme nur in Betracht, wenn das mit der zuzustellenden Klage verfolgte Ziel offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstoße. Dies sei jedoch nicht der Fall, denn es sei nicht von vornherein offensichtlich, dass die Klage keine substanzielle Grundlage habe und rechtsmissbräuchlich nur dazu genutzt werde, um mit publizistischem Druck und dem Risiko einer Verurteilung einen Marktteilnehmer gefügig zu machen.
b) Die gegen die Beschlüsse gerichteten Anhörungsrügen der Beschwerdeführerin gemäß §§ 29 Abs. 2 EGGVG, 29a FGG wies das Oberlandesgericht als unbegründet, die daneben erhobenen außerordentlichen Beschwerden wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit als unzulässig zurück, wobei die Beschwerdeführerin insoweit auf einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestand, der diese Beschwerden mit Beschlüssen vom 28. März 2007 als unzulässig verwarf.
II.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung in ihren Grundrechten bzw. grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG.
1. Eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ergebe sich daraus, dass Gegenstände der Inlandszustellungen Klagen seien, die vor US-amerikanischen Gerichten ohne jede Grundlage zu ausschließlich rechtsfremden Zwecken erhoben worden seien. Die Klagen seien gegen die Beschwerdeführerin in offensichtlich missbräuchlicher Absicht erhoben worden, um sie unter Ausnutzung der schwachen Beklagtenpositon im US-amerikanischen Zivilprozess und unter Aufbau publizistischen Drucks zu einem Vergleichsabschluss zu zwingen. Die Zustellung solcher Klagen sei auf der Basis von Art. 13 Abs. 1 HZÜ aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen.
2. Da die Zustellung der Klage schon wegen der mit dem Verfahren verbundenen Kostenlast und die zu erwartende Höhe der geltend gemachten Forderungen in die Substanz des Unternehmens der Beschwerdeführerin eingreife, sei auch Art. 14 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen verletzt. Zudem sei nicht nur das bereits Erworbene, sondern auch die Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin betroffen, sodass auch Art. 12 Abs. 1 GG verletzt sei.
3. Weiterhin habe das Oberlandesgericht Karlsruhe mit seinen Beschlüssen vom 14. September 2006 das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt und diese Verletzung durch die auf die Anhörungsrüge ergangene Entscheidung auch nicht ausgeräumt.
III.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Den Verfassungsbeschwerden kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, und die Annahme der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG bezeichneten Rechte angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerden unbegründet sind.
Entscheidungen deutscher Hoheitsträger, mit denen die Inlandszustellung ausländischer Klagen bewirkt wird, können Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzen, wenn das mit der Klage verfolgte Ziel gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt. Diese Voraussetzung ist aber für die hier in Rede stehenden class actions nicht erfüllt.
1. a) Das Haager Zustellungsübereinkommen regelt die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten bei der Zustellung von Schriftstücken in Zivilverfahren. Das Abkommen dient der Harmonisierung der Privatrechtsordnungen, um auf diese Weise die zwischenstaatliche Rechtshilfe bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu vereinfachen. Zentrales Element des Abkommens ist die grundsätzliche Verpflichtung der Vertragsstaaten, Zustellungsersuchen durchzuführen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die im Ausland zuzustellen sind, ihren Empfängern rechtzeitig zur Kenntnis gelangen (vgl. BVerfGE 91, 335 ≪339 f.≫). Liegt ein Zustellungsersuchen in einer Zivil- oder Handelssache im Sinne des Übereinkommens vor, darf die Zustellung nur auf Grundlage der Vorbehaltsklausel des Art. 13 Abs. 1 HZÜ abgelehnt werden.
b) An der Verfassungsmäßigkeit des HZÜ selbst bestehen keine Zweifel. Das Übereinkommen dient wichtigen Belangen des Gemeinwohls, die geeignet sind, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 91, 335 ≪339 ff.≫; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2007 – 2 BvR 1133/04 –, JURIS). Der deutsche Staat schützt den Bürger, der sich im internationalen Rechtsverkehr bewegt, nicht vor der Verantwortlichkeit in einer fremden Rechtsordnung. Vielmehr unterstützt der Staat die Durchsetzung des ausländischen Regelungsanspruchs.
Der Förderung ausländischer Maßnahmen im Rahmen der Rechtshilfe, die der verfassungsmäßigen Ordnung widersprechen, sind allerdings von Verfassungs wegen Grenzen gesetzt. Solchen Grenzen trägt Art. 13 Abs. 1 HZÜ Rechnung, der in seiner deutschen Fassung lautet:
Die Erledigung eines Zustellungsantrags nach diesem Übereinkommen kann nur abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat sie für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Die Erledigung darf nicht allein aus dem Grund abgelehnt werden, dass der ersuchte Staat nach seinem Recht die ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte für die Sache in Anspruch nimmt oder ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für das der Antrag gestellt wird. Über die Ablehnung unterrichtet die Zentrale Behörde unverzüglich die ersuchende Stelle unter Angabe der Gründe.
Dass die Verweigerung der Zustellung auf dieser Grundlage nur unter engen Voraussetzungen zulässig sein soll, ist durch das Interesse an einer schnellen und effektiven Rechtshilfe bei gerichtlichen Zustellungen gerechtfertigt und verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 91, 335 ≪340≫; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2007 – 2 BvR 1133/04 –, JURIS). Denn die generelle Überprüfung ausländischer Klagen am Maßstab der deutschen Rechtsordnung mit der Folge, dass solchen Begehren nicht Folge geleistet werden dürfte, die sich auf dem deutschen Recht unbekannte Rechtsinstitute stützen, läuft dem Grundsatz zuwider, dass fremde Rechtsanschauungen und -ordnungen grundsätzlich zu achten sind, auch wenn sie im Einzelfall mit den deutschen Auffassungen nicht übereinstimmen (vgl. BVerfGE 108, 238 ≪247 f.≫).
c) Trotz dieser grundsätzlichen Entscheidung zu Gunsten der Zustellung der ausländischen Klage ist die Vorbehaltsklausel des Art. 13 Abs. 1 HZÜ jedoch nicht inhaltsleer: Eine Grenze kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dort erreicht sein, wo das mit der Klage verfolgte Ziel “offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstieße” (BVerfGE 91, 335 ≪343≫; 108, 238 ≪247≫). Zwar hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die bloße Möglichkeit der Verhängung von Strafschadenersatz (punitive damages) noch nicht unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt (BVerfGE 91, 335 ≪343 f.≫). Erscheinen entsprechende Schadenersatzforderungen aber von vornherein als rechtsmissbräuchlich, ist die Unvereinbarkeit der Zustellung der Klageschrift mit unverzichtbaren Grundsätzen eines freiheitlichen Rechtsstaats nicht mehr ausgeschlossen. In einem solchen Fall ist es möglich, dass die deutschen Hoheitsträger mit einer positiven Zustellungsentscheidung durch ihre Anwendung und Auslegung des Vorbehalts in Art. 13 Abs. 1 HZÜ Rechte eines Beschwerdeführers grundsätzlich verkennen und unverhältnismäßig einschränken. Als Prüfungsmaßstab kommt hier Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in Betracht. Ob in einem Fall, in dem das mit einer Klage verfolgte Ziel gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt, die Zustellung dieser Klage von den insoweit zuständigen deutschen Hoheitsträgern von Verfassungs wegen abgelehnt werden muss, hat das Bundesverfassungsgericht allerdings noch nicht abschließend entschieden (vgl. BVerfGE 91, 335 ≪343≫; 108, 238 ≪248 f.≫).
2. Diese Frage ist auch im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich, da ein Fall des Verstoßes der Klage gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats nicht gegeben ist. Zwar ergeben sich aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung für den Beklagten in US-amerikanischen class action-Verfahren Erschwernisse. Soweit aber ein Kläger allein die aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung schwächere Position des Beklagten für die Rechtsdurchsetzung ausnutzt, begründet das allein noch nicht den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens; vielmehr müssen das Ziel und die konkreten Umstände des Klageverfahrens auf einen offensichtlichen Rechtsmissbrauch schließen lassen, woran es hier fehlt.
a) Im Wesen von class actions liegt es, dass zahlreiche potenziell Geschädigte in einer class zusammengefasst werden können, ohne sich an dem Prozess aktiv beteiligten zu müssen. Dadurch ist es etwa bei Kartellrechtsverstößen oder größeren Schadensereignissen theoretisch möglich, eine Vielzahl von classes zu bilden und so Sammelklagen vor unterschiedlichen Gerichten anhängig zu machen. Nach Angabe der Beschwerdeführerin ist in einigen der class actions ein pre-trial discovery-Verfahren angeordnet worden. Dieses dem eigentlichen Prozess vorgelagerte Verfahren dient der Ermittlung und Sicherung von Beweisen und liegt im Wesentlichen in den Händen der Parteien, die umfassend zur Vorlegung von Dokumenten verpflichtet sind (s. Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe und Rechtsstaat, 2006, S. 92 f.). Deshalb ist die pre-trial discovery in größeren Verfahren sehr zeit- und kostenintensiv, weshalb sie von den Beklagten nicht selten als so große Belastung empfunden wird, dass auch bei erheblichen Zweifeln an der Berechtigung von Klageforderungen ein Vergleich dem Verfahrensfortgang vorgezogen wird (vgl. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2003, S. 46).
Mit der Klage werden treble damages geltend gemacht, das heißt der im Sinne eines kompensatorischen Schadenersatzes ermittelte Betrag soll verdreifacht und so um Strafschadenersatz (punitive damages) ergänzt werden; bislang sind konkrete Betragsvorstellungen in den class actions allerdings nicht angegeben. Hinzu kommt, dass die class actions eine Art gesamtschuldnerischer Haftung der Beklagten beantragen (joint and several liability). Jeder Beklagte läuft dabei unabhängig von der Reichweite seines Verursachungsbeitrags Gefahr, im Ergebnis auf die gesamte Schadenssumme zu haften (vgl. Hay, US-Amerikanisches Recht, 3. Aufl. 2005, Rn. 407), was den Anreiz eines Vergleichsschlusses weiter erhöht.
Nach dem allgemeinen Grundsatz kann zudem die obsiegende Partei von der unterliegenden Seite nicht die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen (s. dazu Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe und Rechtsstaat, 2006, S. 93 f.; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2003, S. 7 ff.), die Gerichtskosten sind eher gering. Für lediglich auf Behauptungen basierende Klagen, für deren Begründung die Kläger erst auf konkrete Anhaltspunkte im Rahmen der pre-trial discovery hoffen, gibt es also keine negative Anreizwirkung durch die drohende Gesamtkostenlast des Klägers.
All diese Besonderheiten führen ungeachtet der zweifelsohne auch im amerikanischen Zivilprozess gegebenen, in ihrer Wirksamkeit freilich unterschiedlich bewerteten Verteidigungsmöglichkeiten zu Erschwernissen für Beklagte von class actions, die den Hintergrund für die vorliegenden Verfassungsbeschwerden bilden.
b) Weder für sich genommen noch in der Kumulation können aber die dargestellten Rechtsinstitute bereits als solche den Vorwurf begründen, dass auf sie gestützte Klagen mit unverzichtbaren Grundsätzen eines freiheitlichen Rechtsstaats unvereinbar sind.
Zu den dargestellten Rechtsinstituten hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung teilweise bereits Stellung genommen: So hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass eine auf punitive damages gerichtete US-amerikanische Schadenersatzklage nicht gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt (BVerfGE 91, 335 ≪343 ff.≫). Die Unterwerfung unter eine pre-trial discovery kann zwar in Richtung einer “Ausforschung” des Gegners ausgestaltet werden (vgl. Hay, US-Amerikanisches Recht, 3. Aufl. 2005, Rn. 189), die bloße Möglichkeit verstößt aber im Verfahren der Klagezustellung noch nicht gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung (s. schon den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2007 – 2 BvR 1133/04 –, JURIS). Vor einer konkreten gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Beweisaufnahme bedarf es außerdem weiterer Rechtshilfeentscheidungen deutscher Hoheitsträger, bei denen die Rechte der Beschwerdeführerin zu beachten sind (s. das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HBÜ) vom 18. März 1970, BGBl 1977 II S. 1452 ff.).
Dass die Beschwerdeführerin ihre außergerichtlichen Kosten, das heißt in erster Linie ihre Anwaltskosten, nicht ersetzt bekommt, selbst wenn die US-amerikanische Klage sich später als erfolglos erweist, begründet ebenfalls keinen Verstoß gegen unverzichtbare rechtsstaatliche Grundsätze (s. schon den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2007 – 2 BvR 1133/04 –, JURIS). Dies ist vielmehr eine Folge der unternehmerischen Entscheidung, sich für die Beschäftigung von Arbeitnehmern bei Tochterfirmen im Ausland in einer fremden Rechtsordnung zu unterwerfen. Die Risiken gerichtlicher Entscheidungen, die sich in prozessualer und materieller Hinsicht vom deutschen Recht unterscheiden, hat ein Unternehmer, der grenzüberschreitend am Wirtschaftsleben teilnimmt, grundsätzlich zu tragen. Die Entscheidung, der obsiegenden Partei keine Kostenerstattung zukommen zu lassen, beruht auf rechtspolitischen Erwägungen, die zwar von der deutschen Regelung abweichen, die aber nicht grundsätzlich rechtsstaatswidrig sind (vgl. dazu auch BGHZ 118, 312 ≪325 f.≫).
Das Institut der joint and several liability verstößt ebenfalls für sich genommen nicht gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats. Zwar mag dieses Institut den Vergleichsdruck weiter erhöhen, es begründet aber keine Haftung ohne jeden Verursachungsbeitrag des Beklagten. Zudem ist eine gesamtschuldnerische Haftung für eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung auf den gesamten Schaden auch dem deutschen Recht nicht fremd.
Auch die von deutscher Seite grundsätzlich zu respektierende rechtspolitische Entscheidung, für deliktisches Handeln mit einer Vielzahl von Geschädigten Sammelklagen zuzulassen, an denen sich das einzelne Mitglied der class nicht aktiv beteiligen muss, begründet keinen Verstoß gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats, solange auch im class action-Verfahren unabdingbare Verteidigungsrechte gewahrt bleiben. Deshalb kann nicht jeder class action von vornherein die Zustellung versagt werden. Art. 13 Abs. 1 HZÜ verbietet es explizit, die Erledigung eines Zustellungsersuchens allein deshalb abzulehnen, weil der ersuchte Staat ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für das der Antrag gestellt wird.
c) Diese Einschränkung des Vorbehalts auf der völkerrechtlichen Ebene ist mit dem Grundgesetz vereinbar: Im Hinblick auf das Haager Zustellungsübereinkommen hat sich die deutsche Rechtsordnung im Bereich des Zivilprozessrechts für das Recht des ersuchenden Staates geöffnet. Die deutsche öffentliche Gewalt wird für die ersuchende ausländische Behörde tätig, um das in jener Rechtsordnung anhängige innerstaatliche Verfahren über die Grenzen der nationalen Hoheitsgewalt hinaus zu fördern. Dies schließt grundsätzlich auch die Zustellung von Klagen mit ein, die in für die deutsche Rechtsordnung unbekannten Verfahrensarten erhoben worden sind (BVerfGE 108, 238 ≪248≫). Insoweit muss auch im Fall von aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung missbrauchsanfälligen Rechtsinstituten stets danach gefragt werden, ob im Fall der konkreten Klage, um deren Zustellung ersucht wird, der rechtsmissbräuchliche Charakter der Klage offenkundig ist. Nur dann kann ein Verstoß gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats gegeben sein, der deutsche Staatsorgane zur Zurückweisung des Ersuchens verfassungsrechtlich verpflichten und völkerrechtlich berechtigen kann.
Diese Grenzziehung hat zugleich den Vorteil, dass sie neben dem grundrechtlichen Anliegen des Beklagten der ausländischen Klage auch dem verfassungsrechtlichen Ziel, Völkerrechtsverstöße der Bundesrepublik Deutschland so weit wie möglich zu vermeiden (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪317 f.≫; 112, 1 ≪25 f.≫), Rechnung trägt. Die Einhaltung der völkerrechtlichen Grenzen bei der Auslegung und Anwendung von Art. 13 HZÜ durch deutsche Staatsorgane stellt auch keinen Selbstzweck dar; vielmehr sichert nur sie die Befolgung des Haager Zustellungsübereinkommens auch durch die anderen Vertragsstaaten im Interesse der Zustellungsempfänger und hilft so, den Rückgriff auf alternative Zustellungen zu vermeiden, die die Rechtsposition deutscher Beklagter wesentlich erschweren (vgl. dazu Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe und Rechtsstaat, 2006, S. 155 ff.).
d) Ein rechtsmissbräuchlicher Charakter der Klagen ist hier nicht von vornherein offenkundig. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen können regelmäßig darin zu sehen sein, dass die erhobene Klageforderung auch in ihrer Höhe offensichtlich keine Grundlage hat, dass der Beklagte mit dem angegriffenen Verhalten offensichtlich nichts zu tun hat oder dass erheblicher, auch publizistischer Druck aufgebaut wird, um den Beklagten in einen an sich ungerechtfertigten Vergleich zu zwingen (vgl. insoweit auch BVerfGE 108, 238 ≪248≫).
Es ist zunächst nicht offensichtlich, dass die Klageforderung auch in ihrer Höhe keine Grundlage habe. Eine konkrete Schadenshöhe ist von den Klägern noch nicht geltend gemacht und wird von ihnen bisher im Millionenbereich gesehen, wohingegen die Beschwerdeführerin selbst von deutlich höheren Forderungen ausgeht. Es kann in einem solchen Fall nicht Aufgabe der um Zustellung ersuchten deutschen Hoheitsträger sein, selbständig eine mögliche Schadenssumme zu ermitteln und diese ins Verhältnis zu dem schädigenden Ereignis oder gar der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Zustellungsempfängers zu setzen. Bei einer nicht bezifferten Schadenersatzforderung kann deshalb allein eine Evidenzkontrolle daraufhin erfolgen, ob die noch unbezifferte Klageforderung von vornherein als aus der Luft gegriffen erscheint.
Das ist hier nicht der Fall: Die Kläger machen geltend, infolge einer Kartellabsprache sei der Import von Fahrzeugen aus Kanada und damit eine Preissenkung im US-amerikanischen Markt verhindert worden. Dieser Vorwurf entbehrt nicht von vornherein jeder rechtlichen Substanz. Damit ist nichts darüber ausgesagt, ob der Vorwurf einer in die Einzelheiten gehenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung standhält; eine solche Prüfung kann von den deutschen Organen im Zustellungsverfahren verfassungsrechtlich nicht verlangt werden. Vielmehr dient erst die Zustellung dazu, eine entsprechende Überprüfung durch das US-amerikanische Gericht zu ermöglichen.
Es ist auch nicht offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin, wie sie selbst geltend macht, an der angegriffenen Kartellabsprache nicht beteiligt gewesen sein kann. Die Beschwerdeführerin bringt hierzu vor, sie selbst sei auf dem nordamerikanischen Markt nicht aktiv, hier handelten allein ihre mitverklagten Tochtergesellschaften. Damit ist es aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin an einer Absprache selbst beteiligt war, auf ihre Tochtergesellschaften Einfluss genommen hat oder dass sie in irgendeiner anderen Weise haftungsbegründend gehandelt hat; all dies kann ohne nähere Klärung der Tatsachen und ohne eine Untersuchung des US-amerikanischen Kartellrechts auf haftungsbegründende Verhaltensweisen nicht geklärt werden.
Ob die konkrete Prüfung durch das ausländische Gericht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist eine Frage des Anerkennungsverfahrens. Zwar kann durch die Ablehnung der Urteilsanerkennung nach § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nur die Vollstreckung in inländisches Vermögen verhindert werden; die Vollstreckung in ausländisches Vermögen ist aber ein Vorgang, vor dem die deutsche Rechtsordnung von vornherein weder völkerrechtlich schützen kann noch verfassungsrechtlich schützen muss.
3. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin auch nicht in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG.
Eine Verletzung in Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich, weil einer Klagezustellung selbst keine berufsregelnde Tendenz zukommt. Auch eine Verletzung in Art. 14 Abs. 1 GG scheidet mangels einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit in von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgütern durch den Akt der Klagezustellung aus. Die Zustellung einer Klage – gleichgültig ob es sich um eine inländische oder eine ausländische Klage handelt – bezieht den Empfänger in ein Gerichtsverfahren ein, trifft aber keine Entscheidung über den Ausgang des Verfahrens (s. zu beidem bereits den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2007 – 2 BvR 1133/04 –, JURIS).
IV.
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung erledigen sich die Anträge der Beschwerdeführerin auf den Erlass einstweiliger Anordnungen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen