Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Verwaltungsrechtsstreit um Äußerungen einer Landesregierung in einer Stellungnahme gegenüber dem Landtag.
I.
1. Der Beschwerdeführer, amerikanischer Jazz-Pianist und Mitglied der Scientology-Organisation, wandte sich vor den Verwaltungsgerichten gegen Äußerungen in einer Stellungnahme des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg gegenüber dem Landtag dieses Bundeslandes. Darin war der Beschwerdeführer namentlich genannt und ausgeführt worden, das Prinzip der Liberalität, an dem die finanzielle Förderung von Kulturveranstaltungen und Künstlern durch die Landesregierung ausgerichtet sei, stoße an die Grenzen des Hinnehmbaren, „wenn letztlich mit Mitteln des Landes geförderte Künstler ihren Auftritt nachweislich in der Absicht absolvieren, für die Interessen von Gruppierungen … oder Ideen zu werben, die von der Landesregierung für bekämpfenswert erachtet werden”. Künftig müsse eine „Förderung von Veranstaltungen in Frage gestellt werden”, bei denen „aktiv und offen bekennende Scientologen … auftreten”. Die Landesregierung habe daher anlässlich der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1993 von einer ursprünglich von der beauftragten Agentur geplanten Mitwirkung des Beschwerdeführers abgesehen (LTDrucks 11/2051).
Die Klage des Beschwerdeführers blieb in allen Instanzen erfolglos (zum Berufungsurteil vgl. VGH Baden-Württemberg, NJW 1997, S. 754; zur Nichtzulassung der Revision BVerwG, NJW 1998, S. 2919).
2. Mit der Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer die gerichtlichen Entscheidungen an. Er rügt die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind ausweislich der nachstehend unter 2 zitierten Entscheidungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon geklärt.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ist im Ausgangsverfahren nicht verletzt worden. Die Verwaltungsgerichte haben Bedeutung und Schutzumfang dieses Grundrechts bei der Überprüfung der streitgegenständlichen Äußerung nicht grundlegend verkannt (vgl. zum Maßstab BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; stRspr). Es schützt den Einzelnen zwar auch vor fälschlicher Zuschreibung von Mitgliedschaften in Vereinigungen, sofern die Zuschreibung Bedeutung für die Persönlichkeit und deren Bild in der Öffentlichkeit hat. Letzteres kann bei der Bekanntgabe einer Mitgliedschaft bei Scientology der Fall sein. Gegen wahre Tatsachenbehauptungen gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber grundsätzlich keinen Schutz (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪193 ff.≫).
Hier bekennt sich der Beschwerdeführer unbestritten offen zu seiner Scientology-Mitgliedschaft. Der Hinweis darauf in der Stellungnahme des baden-württembergischen Ministeriums gegenüber dem Landesparlament traf also zu. Dass die Äußerung die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre betroffen hätte (vgl. BVerfGE 99, 185 ≪196 f.≫), macht auch die Verfassungsbeschwerde nicht geltend. Soweit sie annimmt, der Beschwerdeführer werde für genauso „bekämpfenswert” gehalten wie Scientology selbst, findet das weder in der genannten Aussage noch in den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte eine Grundlage.
b) Ein Verstoß dieser Entscheidungen gegen Art. 2 Abs. 1 GG, auf den sich der Beschwerdeführer als Ausländer zum Schutz seiner beruflichen Tätigkeit berufen kann (vgl. BVerfGE 78, 179 ≪196 f.≫; 104, 337 ≪346≫), lässt sich gleichfalls nicht feststellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Nennung des Beschwerdeführers als Scientology-Mitglied in der Äußerung der Landesregierung und deren künftiger Subventionierungspraxis bei der Veranstaltung von Jazz-Konzerten.
Hinsichtlich der Nennung des Beschwerdeführers als Mitglied von Scientology gilt im Ergebnis das, was vorstehend zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und im Glykol-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558 und 1428/91 – zu Art. 12 Abs. 1 GG ausgeführt worden ist. Der Einzelne muss die Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen durch eine Regierung hinnehmen, auch wenn die Inhalte sich mittelbar auf die berufliche Tätigkeit negativ auswirken können, vorausgesetzt, die rechtlichen Vorgaben für das Informationshandeln der Regierung sind von dieser beachtet worden (vgl. a.a.O., Umdruck S. 19). Letzteres war hier der Fall. Der Beschwerdeführer bezweifelt das nur insofern, als er die Meinung vertritt, für das Handeln der Landesregierung hätte es einer einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedurft. Dabei wird jedoch schon nicht erkannt, dass der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG nicht berührt ist (vgl. zu Art. 12 Abs. 1 GG BVerfG, Glykol-Beschluss vom 26. Juni 2002, Umdruck S. 19 ff.). Im Übrigen bedarf es für die Informationstätigkeit einer Regierung im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgabe der Staatsleitung über die Zuweisung dieser Aufgabe hinaus auch dann keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung, wenn das Informationshandeln zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 – Osho, Umdruck S. 36 ff.).
Die künftige – in den Einzelheiten noch gar nicht festgelegte – Subventionierungspraxis der Landesregierung im Bereich der Förderung von Musik-Festivals der vom Beschwerdeführer mitgestalteten Art ist als solche nicht Gegenstand des Ausgangsverfahrens gewesen und deshalb wie die in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen insoweit auch nicht im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu würdigen. Dem Beschwerdeführer bleibt unbenommen, insoweit im Bedarfsfall künftig Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
c) Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 GG ist durch die angegriffenen Entscheidungen ebenfalls nicht verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die vom Beschwerdeführer zum Gegenstand seiner Klage gemachte Äußerung der Landesregierung nur am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG überprüft und einen Verstoß dagegen deshalb verneint, weil sich die Äußerung in der Ankündigung einer bestimmten Verfahrensweise bei der künftigen Bezuschussung von Veranstaltungen Dritter erschöpfe, mit dieser Verfahrensweise aber nicht identisch sei und deshalb keine Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers wegen seines Glaubens oder seines Bekenntnisses darstelle. Mit dieser verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Stattdessen macht er geltend, im Unterschied zu Angehörigen der katholischen oder der evangelischen Kirche, die staatlich verpflichtet seien, einen Teil ihrer Einkünfte an die Gemeinschaft abzuführen, stehe es dem Beschwerdeführer frei, Scientology über seinen Mitgliedsbeitrag hinaus durch weitere Gelder zu unterstützen. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit es darauf im Ausgangsverfahren angekommen sein könnte; tatsächliche Feststellungen dazu sind von den Verwaltungsgerichten auch nicht getroffen worden.
d) Auch ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG lässt sich den Entscheidungen dieser Gerichte nicht entnehmen.
Dabei kann dahinstehen, ob das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit dem Beschwerdeführer schon deshalb keinen Schutz gewährt, weil der Organisation, der er angehört, die Verfolgung religiöser oder weltanschaulicher Ziele nur als Vorwand für wirtschaftliche Aktivitäten dient (vgl. BAGE 79, 319 ≪338 ff.≫, und zum Maßstab BVerfG, Osho-Beschluss vom 26. Juni 2002, Umdruck S. 22). Auch wenn dies – wie im Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2002 (NJW 2002, S. 2227 ≪2228≫) – offen bleibt, weil die Verwaltungsgerichte hier tatsächliche Feststellungen zu den Zielen und der Betätigung von Scientology nicht getroffen haben, kommt die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 GG nicht in Betracht.
Beeinträchtigungen dieses Grundrechts in der Person des Beschwerdeführers haben die Verwaltungsgerichte nicht feststellen können. Nach der nicht angegriffenen Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Beschwerdeführer selbst nicht geltend gemacht, dass ihm die Möglichkeit, für sein Bekenntnis zu Scientology öffentlich zu werben, beschnitten werde. Es ist auch nicht erkennbar, dass sein Recht, sich eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zu bilden, sie zu haben und zu bekennen (vgl. BVerfGE 69, 1 ≪33 f.≫; 93, 1 ≪15≫), durch seine Nennung in der in Rede stehenden Regierungsäußerung, durch die Bezeichnung auch der Organisation, der er angehört, und durch die Ankündigung beeinträchtigt sein könnte, die staatliche Förderung von Veranstaltungen in Frage zu stellen, bei denen aktiv bekennende Scientologen auftreten. Gleiches gilt für die angegriffenen Gerichtsentscheidungen. Dass diese den Beschwerdeführer ebenso wenig wie die Äußerung der Landesregierung als „bekämpfenswert” angesehen haben, ist oben zu Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bereits ausgeführt worden.
Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG darin erblickt, dass Konzertveranstalter keine Subventionen mehr erhielten, die Künstler auftreten ließen, die Scientology angehören, bezieht sich das Vorbringen des Beschwerdeführers auf die künftige Subventionierungspraxis der Landesregierung, die nicht Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits war.
Sollte der Beschwerdeführer auch rügen wollen, dass Scientology selbst nicht als „bekämpfenswert” hätte bezeichnet werden dürfen und die Verwaltungsgerichte insoweit die Neutralitätspflicht des Staates in religiös-weltanschaulichen Fragen verkannt hätten, ginge es nicht um die Verteidigung eigener Rechte. Im Übrigen bedeutet die Pflicht zur Neutralität nicht, dass es den staatlichen Verantwortungsträgern von vornherein verwehrt wäre, das Parlament über religiöse und weltanschauliche Gruppen und ihre Tätigkeit zu informieren. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schützt nicht dagegen, dass sich staatliche Organe mit den Trägern dieses Grundrechts öffentlich – auch kritisch – auseinander setzen. Nur die Regelung genuin religiöser oder weltanschaulicher Fragen, nur die parteiergreifende Einmischung in die Überzeugungen, die Handlungen und in die Darstellung Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften sind dem Staat untersagt. Auch darf er solche Gemeinschaften nicht diffamierend, diskriminierend oder verfälschend darstellen (vgl. BVerfG, Osho-Beschluss vom 26. Juni 2002, Umdruck S. 23 f.).
Es ist nicht ersichtlich, dass diese Grenzen hier überschritten wären. In der Äußerung der Landesregierung, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, ist Scientology als „bekämpfenswert” bezeichnet worden. Das ist in Verbindung mit den herangezogenen Belegen weder diffamierend noch diskriminierend. Im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist ausgeführt, im Verfahren seien unwidersprochen Tatsachen vorgetragen worden, die den Schluss zuließen, dass bestimmte Methoden von Scientology die Menschenwürde und die individuelle Freiheit der von ihr angeworbenen Personen gefährdeten, und dass ihre Anschauungen wegen ihrer teils menschenverachtenden und totalitären Tendenzen im Widerspruch zu den freiheitlichen und demokratischen Werten westlicher Demokratien stünden. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen, denen der Beschwerdeführer auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist, begegnet es verfassungsrechtlich keinen Bedenken, dass die Verwaltungsgerichte die Äußerung der Landesregierung gegenüber dem Landtag nicht beanstandet haben.
e) Ihre Entscheidungen beeinträchtigen auch nicht das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
Die Kunstfreiheit, die in dieser Vorschrift garantiert ist, schützt nicht nur den „Werkbereich” des künstlerischen Schaffens, die eigentliche künstlerische Betätigung also, sondern auch den „Wirkbereich” der Darbietung und Verbreitung des Werks, in dem der Öffentlichkeit Zugang zu diesem verschafft wird (vgl. BVerfGE 30, 173 ≪188 f.≫; 67, 213 ≪224≫). Die wirtschaftliche Verwertung eines Kunstwerks wird dagegen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht gewährleistet, ausgenommen vielleicht für den Fall, dass ohne eine wirtschaftliche Auswertung die freie künstlerische Betätigung praktisch nicht mehr möglich wäre (vgl. BVerfGE 31, 229 ≪239 f.≫; 49, 382 ≪392≫).
Nach diesen Maßstäben haben die Verwaltungsgerichte im Ausgangsverfahren nicht gegen die Kunstfreiheit des Beschwerdeführers verstoßen. Der Verwaltungsgerichtshof ist, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre, davon ausgegangen, dass durch die Äußerung der Landesregierung mit der Nennung des Beschwerdeführers und seiner Zugehörigkeit zu Scientology allein weder der Werk- noch der Wirkbereich seiner künstlerischen Tätigkeit als Musiker unmittelbar betroffen sei. Soweit das Gericht darüber hinaus mittelbare Auswirkungen auf den Beschwerdeführer geprüft hat, betreffen diese die künftige Subventionierungspraxis der Landesregierung im Bereich musikalischer Veranstaltungen. Diese Praxis ist jedoch als solche, wie schon mehrfach erwähnt, nicht Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits gewesen.
f) Die Verwaltungsgerichte haben schließlich auch das Recht des Beschwerdeführers auf effektiven Gerichtsschutz und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Von einer Begründung wird insoweit gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 841110 |
NJW 2002, 3458 |
NVwZ 2003, 342 |
JURAtelegramm 2003, 187 |