Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. Achim Groepper aus Frankfurt am Main wird abgelehnt.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Dauer eines Verfahrens auf Strafrestaussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung gemäß § 57a StGB. Der Beschwerdeführer stellte beim zuständigen Landgericht Antrag auf Strafrestaussetzung und Beiordnung eines Rechtsanwalts. Mit seiner Verfassungsbeschwerde beanstandet er die Untätigkeit des Gerichts.
1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt. Sie ist mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig und hat deshalb keine Aussicht auf Erfolg.
a) Nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich erst nach Erschöpfung des Rechtswegs zulässig. Diese Bestimmung ist Ausdruck des im Verfassungsrecht (Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG) verankerten Grundsatzes der Subsidiarität. Dieser verlangt, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde die ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfe ergreift (vgl. BVerfGE 22, 287 ≪290≫; 28, 1 ≪6≫); namentlich muss er den ihm nach der jeweiligen Verfahrensordnung eröffneten Instanzenzug durchlaufen (vgl. BVerfGE 4, 193 ≪198≫; 8, 222 ≪225 f.≫; 31, 364 ≪368≫; 57, 170 ≪180≫). Durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte soll dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere der Obergerichte, vermittelt werden (vgl. BVerfGE 8, 222 ≪227≫; 9, 3 ≪7≫; 68, 376 ≪380≫; 77, 381 ≪401≫). Zugleich entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren (vgl. BVerfGE 47, 144 ≪145≫) und etwaige im Instanzenzug auftretende Fehler durch Selbstkontrolle beheben (vgl. BVerfGE 47, 182 ≪191≫).
Fachgerichtlicher Rechtsschutz ist auch dann vorrangig in Anspruch zu nehmen, wenn die Voraussetzungen der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre umstritten oder noch nicht abschließend geklärt sind und deshalb zweifelhaft ist, ob der in der Sache begehrte Rechtsschutz von dem angerufenen Gericht gewährt wird. In derartigen Fällen ist es grundsätzlich die Aufgabe der Fachgerichte, über die offene Zulässigkeitsfrage nach einfachem Recht unter Berücksichtigung der hierzu vertretenen Rechtsansichten sowie unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben zu entscheiden. Es ist daher einem Beschwerdeführer in der Regel zumutbar, vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe zu prüfen und von ihnen auch Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind. Wird der Rechtsbehelf als unzulässig verworfen, weil die Gerichte die umstrittene Zulässigkeitsfrage zu Ungunsten eines Beschwerdeführers entscheiden, bleibt es ihm unbenommen, im Anschluss an die betreffende fachgerichtliche Entscheidung innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG Verfassungsbeschwerde einzulegen und etwaige Grundrechtsverletzungen durch eine vorangegangene Sachentscheidung zu rügen (vgl. BVerfGE 68, 376 ≪381≫).
b) Die Verfassungsbeschwerde ist nach diesen Grundsätzen unzulässig. Es ist anerkannt, dass sich die Beschwerde auch gegen ein Unterlassen richten kann (vgl. Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 304 Rn. 3). Teilweise wird dies zwar auf den Fall beschränkt, dass die Unterlassung der gebotenen Entscheidung einer endgültigen Ablehnung gleichkommt (so BGH, NJW 1993, S. 1279 ≪1280≫; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, S. 188 ≪189≫; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, S. 189 ≪190≫). Teilweise wird – weniger restriktiv – die Zulässigkeit der Beschwerde dann angenommen, wenn die Untätigkeit faktisch eine Form der Rechtsverweigerung darstellt (Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 3. Juni 2002 – 3 Vollz (WS) 46/02 –). Schließlich wird aber in der Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG die Untätigkeitsbeschwerde zum Rechtsmittelgericht auch in großzügigem Umfang als zulässig angesehen (vgl. BayVGH, NVwZ 2000, S. 693; BayVGH, BayVBl 1978, S. 212 ≪213≫; weitere Nachweise BVerfG, NJW 2001, S. 3615). Danach wäre die Einlegung eines entsprechenden Rechtsmittels nicht offensichtlich unzulässig gewesen.
Der Beschwerdeführer hätte deshalb nicht ohne jede Erfolgsaussicht die Statthaftigkeit des Rechtsmittels geltend machen können. Dementsprechend wäre er gehalten gewesen, gegen die beanstandete Untätigkeit des Landgerichts vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erst das Beschwerdegericht anzurufen. Besondere Umstände, aus denen sich eine Unzumutbarkeit der vorrangigen Inanspruchnahme der Fachgerichte ergeben könnte, hat er nicht geltend gemacht.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO analog).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Osterloh, Mellinghoff
Fundstellen