Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 12.07.2012; Aktenzeichen III ZR 276/11) |
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.11.2011; Aktenzeichen 5 U 48/11) |
LG Wiesbaden (Urteil vom 28.03.2011; Aktenzeichen 13 O 22/10) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 2.500 EUR (in Worten: zweitausendfünfhundert Euro) auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Zivilverfahren in einer dienstvertragsrechtlichen Streitigkeit.
1. Die Beschwerdeführerin ist eine Unternehmensberatungsgesellschaft. Sie hatte mit der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte), einem Bauunternehmen, einen Consulting-Vertrag geschlossen. Gegenstand des Vertrages war die Unterstützung der Beklagten bei der Realisierung ausstehender Werklohnforderungen. Die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung sah eine Festvergütung in Höhe von maximal 19.000 EUR sowie im Erfolgsfall eine Beteiligung an den Erlösen vor. Darüber hinaus war die gesonderte Erstattung von Reisekosten und „Auslagen, insbesondere für ausländische Quellen” vereinbart. Nach Kündigung des Vertrages durch die Beklagte erhob die Beschwerdeführerin Klage auf Zahlung von rund 500.000 EUR, Auskunft und Feststellung. Den bezifferten Zahlungsantrag begründete sie damit, dass es sich hierbei um das Honorar des von ihr eingesetzten Projektleiters S. handele; dieser ist der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beschwerdeführerin. Die Klage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos. Eine gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde wies der Bundesgerichtshof zurück.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Rechte angezeigt.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
a) Dies folgt zum einen daraus, dass die Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs nicht dem Grundsatz der Subsidiarität genügt. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde muss ein Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den in der maßgeblichen Prozessordnung vorgesehenen Rechtsweg erschöpfen. Ausnahmen hiervon sind eng zu begrenzen (vgl. BVerfGE 68, 376 ≪380≫). Wird mit der Verfassungsbeschwerde ein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so zählt die Anhörungsrüge an das Fachgericht zum Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG im Regelfall abhängig ist (vgl. BVerfGE 122, 190 ≪198≫). Das Bundesverfassungsgericht soll nicht mit einem Gehörsverstoß befasst werden, mit dem sich nicht zuvor die Fachgerichte auseinandersetzen konnten. Liegt ein solcher tatsächlich vor und war er entscheidungserheblich (vgl. § 321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO), wird das Fachgericht ihm abhelfen (BVerfGK 11, 368 ≪372≫). Als Endentscheidung, gegen die eine Anfechtungsmöglichkeit nicht gegeben ist, ist der angegriffene Beschluss des Bundesgerichtshofs eine nach § 321a ZPO rügefähige Entscheidung.
Hier hat es die Beschwerdeführerin unterlassen, eine Anhörungsrüge zum Bundesgerichtshof zu erheben. Ihre Argumentation, es habe nicht davon ausgegangen werden können, dass sich der Bundesgerichtshof auf eine Anhörungsrüge mit ihrem Vortrag befasst hätte, kann nicht nachvollzogen werden. Denn dass der Bundesgerichtshof – aus welchen Gründen auch immer – nicht von einer Gehörsverletzung durch das Oberlandesgericht ausgegangen ist, bedeutet nicht, dass bei objektiver Betrachtung auch die Korrektur einer dem Bundesgerichtshof unterlaufenen Gehörsverletzung ausgeschlossen wäre. Dafür, dass eine Anhörungsrüge wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit entbehrlich gewesen wäre (vgl. BVerfGE 126, 1 ≪18≫; BVerfGK 7, 115 ≪116≫; 9, 390 ≪394≫; 11, 368 ≪372≫), ist damit nichts ersichtlich. Das Unterlassen der Einlegung des genannten Rechtsbehelfs hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG, deren Heilung § 321a ZPO bezweckt, sondern insgesamt unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 – 1 BvR 644/05 –, NJW 2005, S. 3059 ≪3059 f.≫).
b) Darüber hinaus ist die Verfassungsbeschwerde in weiten Teilen auch bereits aufgrund mangelnder Substantiierung unzulässig.
aa) Gemäß §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG ist ein Beschwerdeführer gehalten, den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen. Er ist des Weiteren verpflichtet, das angeblich verletzte Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht zu bezeichnen und substantiiert darzutun, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Recht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss der Beschwerdeführer anhand dieser Maßstäbe aufzeigen, inwieweit seine Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt sein sollen (vgl. BVerfGE 101, 331 ≪345 f.≫; 102, 147 ≪164≫).
bb) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG rügt, erfüllt die Verfassungsbeschwerde diese Voraussetzungen nicht. Zwar zitiert die Beschwerdeführerin Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz. Der Sache nach rügt sie unter diesem Obersatz jedoch eine Gehörsverletzung durch den Bundesgerichtshof, da sich dieser „mit den vorgetragenen Nichtzulassungsbeschwerdegründen nicht befasst” und „das klägerseits Vorgetragene nicht verarbeitet” habe. Mit den spezifischen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts zu der verfassungsrechtlichen Frage, unter welchen Umständen die Versperrung des Zugangs zur Revisionsinstanz eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz darstellen kann (vgl. BVerfGE 74, 228 ≪234≫; BVerfGK 11, 235 ≪238 f.≫; 12, 341 ≪343 f.≫; 14, 238 ≪242 f.≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2010 – 1 BvR 1991/09 –, GRUR 2010, S. 1033; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2010 – 1 BvR 2643/07 –, FamRZ 2010, S. 1235 ≪1236 f.≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2010 – 1 BvR 381/10 –, NJW 2011, S. 1276 ≪1277≫; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. April 2011 – 1 BvR 3007/07 –, NJW 2011, S. 2276 ≪2277≫), setzt sich die Verfassungsbeschwerde hingegen mit keinem Wort auseinander.
cc) Soweit die Beschwerdeführerin ausdrücklich Verletzungen ihres Rechts auf rechtliches Gehör rügt, ist die Verfassungsbeschwerde zum Teil ebenfalls nicht hinreichend substantiiert.
(1) Dies folgt allerdings noch nicht daraus, dass die Beschwerdeführerin in ihren Rechtsausführungen vollumfänglich auf Schriftsätze aus dem Ausgangsverfahren verwiesen hat. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht nicht die Aufgabe, in Bezug genommene Dokumente und andere Anlagen auf verfassungsrechtlich relevante Tatsachen oder auf verfassungsrechtlich relevanten Vortrag hin zu durchsuchen (vgl. BVerfGE 80, 257 ≪263≫; 83, 216 ≪228≫). Tatsächlich finden sich die Rügen jedoch auch bereits an früherer Stelle im Beschwerdeschriftsatz, so dass ein Rückgriff auf die in Bezug genommenen Schriftsätze entbehrlich ist.
(2) Allerdings fehlt es auch insoweit in weiten Teilen an einer Auseinandersetzung mit den einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäben. So setzt eine Gehörsverletzung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass der nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Tatsachen- oder Rechtsvortrag für die Entscheidung erheblich war (vgl. BVerfGE 21, 191 ≪194≫; 69, 145 ≪148 f.≫; 70, 288 ≪294≫; 96, 205 ≪216≫; stRspr). Dass dies im Hinblick auf die hier erhobenen Rügen der Fall gewesen sein könnte, ergibt sich aus der Verfassungsbeschwerde jedoch nur zum Teil. So wird nicht ersichtlich, warum es auf den Vortrag zur Angemessenheit der abgerechneten Stundensätze angekommen sein könnte, warum es entgegen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts auf den Vortrag zur Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 628 Abs. 1 BGB angekommen sein könnte, und warum es darauf angekommen sein könnte, welche Anträge im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden dürfen.
2. Selbst dann, wenn die Beschwerdeführerin von der Möglichkeit der vorherigen Erhebung einer Anhörungsrüge Gebrauch gemacht hätte, wäre die Verfassungsbeschwerde – soweit sie nicht überdies aufgrund mangelnder Substantiierung unzulässig ist – in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg gewesen. Denn die gerügten Gehörsverletzungen liegen nicht vor.
a) Der Gehörsgrundsatz verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von dem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 ≪12≫; 87, 1 ≪33≫). Art. 103 Abs. 1 GG schützt weiterhin auch nicht davor, dass das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt, etwa weil es nach Ansicht des Gerichts für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist (vgl. BVerfGE 21, 191 ≪194≫; 69, 145 ≪148 f.≫; 70, 288 ≪294≫; 96, 205 ≪216≫; stRspr). Im Übrigen geht das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich davon aus, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen. Deshalb müssen, damit das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295≫; 70, 288 ≪293≫).
b) Nach diesen Maßstäben ist für eine Gehörsverletzung nichts ersichtlich.
aa) Die Behauptung, dass das Oberlandesgericht auf entscheidungserhebliche Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen wäre, ist unrichtig. So trifft es nicht zu, dass das Oberlandesgericht den Vortrag der Beschwerdeführerin, dass kein Leistungserfolg geschuldet gewesen sei, nicht verarbeitet hätte; tatsächlich wird in der Entscheidung ausgeführt, der Umstand, dass ein Leistungserfolg nicht geschuldet gewesen sei, besage nichts dazu, ob die Vergütung von der Bewirkung eines Erfolgs abhängig gemacht worden sei. Auch den Vortrag, aus der vertraglichen Vereinbarung ergebe sich nicht, dass die Beschwerdeführerin unentgeltlich tätig sein müsse, wenn ein Erfolg nicht eintrete, hat das Oberlandesgericht entgegen der Behauptungen der Verfassungsbeschwerde durchaus berücksichtigt. So hat es ausgeführt, dass hierin eine Verwirklichung des vertraglich übernommenen Risikos liege. Das gleiche gilt für den Vorwurf, es sei Vortrag nicht beachtet worden, wonach im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung Begleitumstände und das Verhalten der Parteien zu berücksichtigen seien. Denn tatsächlich hat sich das Oberlandesgericht eingehend sowohl mit dem vor- als auch dem nachvertraglichen Verhalten der Parteien auseinandergesetzt und dabei insbesondere die erst nachträgliche Abrechnung der Tätigkeit des Projektleiters S. hervorgehoben. Auch ist nicht ersichtlich, dass das Oberlandesgericht im Hinblick auf den Vortrag der Beschwerdeführerin zur Berechtigung der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen weitere Ausführungen hätte machen müssen.
bb) Ebenso wenig finden sich Anhaltspunkte für eine Gehörsverletzung durch den Bundesgerichtshof. Dafür, dass im Hinblick auf die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde eine besondere Begründungspflicht bestanden hätte, obwohl es sich um eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare Entscheidung handelt, ist nichts ersichtlich.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 34 Abs. 2 BVerfGG. Ein Missbrauch liegt unter anderem vor, wenn eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfGK 6, 219; 10, 94 ≪97≫). Von einem Rechtsanwalt, der das Mandat zur Führung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht annimmt, ist zu verlangen, dass er sich mit der verfassungsrechtlichen Materie auseinandersetzt, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den aufgeworfenen Fragen prüft, die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Verfassungsbeschwerde eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnissen seiner Prüfung verhält (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. April 2011 – 1 BvR 791/11 –, juris, Rn. 7). Die vorliegende Verfassungsbeschwerde ist selbst dann, wenn man die fehlende Rechtswegerschöpfung außer Betracht lässt, aus den genannten Gründen in weiten Teilen offensichtlich unzulässig und im Übrigen ersichtlich unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, in der Erfüllung seiner Aufgaben durch substanzlose Verfassungsbeschwerden behindert zu werden.
IV.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Gaier, Schluckebier, Paulus
Fundstellen