Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zu einer jüdischen Kultusgemeinde bei Bekenntnisserklärung „mosaisch”
Leitsatz (redaktionell)
1. Die mitgliedschaftliche Zuordnung zu einer Religionsgesellschaft ordnet diese als eigene Angelegenheit selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Wenn staatliche Behörden und Gerichte angehalten werden, etwa im Kirchensteuerrecht, die innerkirchliche Ordnung zugrunde zu legen, soweit sie die entscheidungserheblichen Rechtsbegriffe und Rechtsverhältnisse aus dem kirchlichen Bereich prägt, so liegt darin keine verfassungswidrige Identifizierung des Staates mit der Kirche. Dem entspricht es, die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft mit Wirkung für den weltlichen Bereich (etwa als Voraussetzung für die Kirchensteuerpflicht, Bekenntnissteuer) grundsätzlich nach den Regeln der jeweiligen Religionsgemeinschaft über eine Mitgliedschaft in derselben zu beurteilen.
2. Die Eingliederung in eine Religionsgemeinschaft setzt den wirksam bekundeten positiven Willen des Betroffenen voraus. Eine Eingliederung ist im staatsrechtlichen Bereich dann anerkennungsfähig, wenn sie durch eine positive – wenn auch möglicherweise nur konkludente – Erklärung des Betroffenen legitimiert ist. Eine darüber hinausgehende förmliche Beitrittserklärung ist nicht erforderlich. Der Wille, einer Religionsgemeinschaft angehören zu wollen, kann in vielfältiger Weise, nicht nur gegenüber der Religionsgemeinschaft selbst, zum Ausdruck gebracht werden (hier: Angabe „mosaisch” gegenüber Meldebehörde).
Normenkette
GG Art. 4, 140; WRV Art. 137 Abs. 3 S. 1; MeldeG HE § 3 Abs. 1 Nr. 11
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2010 – BVerwG 7 C 22.09 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 137 Absatz 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung). Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die staatliche Anerkennung der Mitgliedschaft in einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten jüdischen Kultusgemeinde.
1. Die Beschwerdeführerin ist die einzige jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. § 2 Satz 1 ihrer Satzung in der für das Ausgangsverfahren einschlägigen Fassung vom 30. Juni 1991 bestimmt:
„Mitglieder der Jüdischen Gemeinde sind alle Personen jüdischen Glaubens, die in Frankfurt ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und nicht binnen einer Frist von drei Monaten nach ihrem Zuzug nach Frankfurt am Main gegenüber dem Gemeindevorstand schriftlich erklären, dass sie nicht Mitglieder der Gemeinde sein wollen. […].”
Eine Ausrichtung auf eine bestimmte Form des jüdischen Glaubens enthält die Satzung nicht. § 1 der Satzung der Beschwerdeführerin sieht vor, dass Zweck der Gemeinde die Pflege des jüdischen Kultus und die Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder als Angehörige dieser Religionsgemeinschaft ist. Die Beschwerdeführerin definiert sich selbst als „Einheitsgemeinde”, die verschiedene Glaubensrichtungen des Judentums in sich vereint. Die Satzung definiert nicht, wen sie als „Personen jüdischen Glaubens” ansieht. Nach jüdischem Religionsgesetz gilt als Person jüdischen Glaubens jede Person, die von einer jüdischen Mutter abstammt (vgl. Solomon, Judentum, 1999, S. 17; Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 231 f.).
Nach § 3 der Satzung endet die Mitgliedschaft unter anderem durch Wegzug oder Austritt aus der jüdischen Gemeinde nach Bestimmungen des staatlichen Rechts. Gemäß § 8 der Satzung ist die Beschwerdeführerin berechtigt, von ihren Mitgliedern Umlagen und Steuern nach Maßgabe einer Steuerordnung zu erheben und einzuziehen.
2. Die Kläger des Ausgangsverfahrens, ein in Frankreich nach jüdischem Ritus getrautes Ehepaar, sind französische Staatsangehörige jüdischer Religionszugehörigkeit. Die Klägerin war vor ihrem Wegzug aus Frankfurt am Main nach Frankreich, ebenso wie ihre in der Gemeinde aktiven Eltern, Mitglied der Beschwerdeführerin. Bei ihrem Wegzug nach Frankreich erklärte sie nicht ihren Austritt aus der Beschwerdeführerin. Die Kläger des Ausgangsverfahrens gehörten an ihrem Wohnort in Frankreich der dortigen jüdischen Gemeinde an.
Am 8. November 2002 verlegten die Kläger ihren Wohnsitz von Frankreich nach Frankfurt am Main. Im Meldebogen des Einwohnermeldeamts der Stadt Frankfurt am Main vom 11. November 2002 gaben sie in der Rubrik Nr. 6 – Religion – „mosaisch” an. Mit Schreiben vom 12. Mai 2003 begrüßte die Beschwerdeführerin die Kläger des Ausgangsverfahrens als neue Gemeindemitglieder, übersandte ihnen ihre Satzung und forderte sie auf, die dem Schreiben beigefügten Anmeldeformulare zusammen mit entsprechenden Nachweisen der Zugehörigkeit zum Judentum ausgefüllt zurückzusenden.
Die Kläger des Ausgangsverfahrens widersprachen mit Schreiben vom 11. Juni 2003 ihrer Mitgliedschaft in der Beschwerdeführerin und beantragten hilfsweise die Wiedereinsetzung in die versäumte dreimonatige Erklärungsfrist. Hierauf entgegnete die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22. September 2003, dass sich die Mitgliedschaft in einer Religionsgesellschaft nach innerkirchlichem Recht richte, welches die Satzung repräsentiere. Diese knüpfe die Mitgliedschaft an die Abstammung von einer jüdischen Mutter und an den Zuzug nach Frankfurt am Main. Die Kläger des Ausgangsverfahrens seien daher als Mitglieder anzusehen. Zudem kenne die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Beschwerdeführerin aus eigener Erfahrung seit vielen Jahren, so dass sie sich beim Bestehen etwaiger Unsicherheiten habe erkundigen können. Schließlich wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Abstammung, Wohnsitznahme und Bekenntnis für die Begründung einer Mitgliedschaft in einer Religionsgesellschaft ausreichten.
Eine Besprechung zwischen den Klägern des Ausgangsverfahrens und der Beschwerdeführerin am 29. Oktober 2003 führte nicht zum Einvernehmen. Die Kläger betonten dabei erneut, nicht gewusst zu haben, dass sie im Falle der Wohnsitznahme in Frankfurt am Main auch bekenntnissteuerpflichtig werden würden. Sie seien Gemeindemitglieder in Frankreich und hätten kein Interesse, in Frankfurt am Main Bekenntnissteuer zu zahlen, zumal sie zu dieser Zeit hohe Gewinne erwirtschafteten.
Die Kläger erklärten am 29. Oktober 2003 gegenüber dem Amtsgericht Frankfurt am Main ihren Austritt aus der Beschwerdeführerin mit Wirkung zum 31. Oktober 2003. Synagogensteuerbescheide der Beschwerdeführerin sind gegen die Kläger bisher nicht ergangen.
3. Die Klage auf Feststellung, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens vom 11. November 2002 bis zum 30. Oktober 2003 nicht Mitglieder der Beschwerdeführerin gewesen seien, wies das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 20. September 2005 ab. Das Verwaltungsgericht verneinte das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger, da deren Feststellungsklage subsidiär gegenüber einer Anfechtungsklage sei, die sie gegen einen späteren Kirchensteuerbescheid erheben könnten.
4. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 19. Mai 2009 als unbegründet zurück.
Der Antrag der Kläger festzustellen, dass sie vom 8. November 2002 bis zum 31. Oktober 2003 keine Mitglieder der Beschwerdeführerin gewesen seien, sei bei sach- und interessengerechter Auslegung so zu verstehen, dass die Feststellung begehrt werde, die streitige Mitgliedschaft, derer sich die Beschwerdeführerin für den genannten Zeitraum berühme, könne staatlicherseits nicht anerkannt werden und ziehe deshalb keine Rechtsfolgen im staatlichen Bereich nach sich. In dieser Auslegung sei die Feststellungsklage zulässig, aber unbegründet.
Die Kläger seien nach innerkirchlichem Recht mit ihrem Zuzug nach Frankfurt am Main Mitglieder der Beschwerdeführerin geworden. Es gebe keine Gründe, dieser innerkirchlichen Rechtsfolge die staatliche Anerkennung zu versagen. Die nach innerkirchlichem Recht – hier allein durch Abstammung und Wohnsitznahme – begründete Mitgliedschaft könne zwar wegen der Garantie der negativen Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG nicht als Grundlage für staatskirchenrechtliche Anknüpfungen dienen. Denn Art. 4 Abs. 1 GG verbiete es, als Grundlage staatlicher Maßnahmen eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung heranzuziehen, die Personen einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwerfe. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG werde auch durch die Möglichkeit eines Austritts nicht Genüge getan, da die Mitgliedschaft nicht für die Vergangenheit beseitigt werde.
Der Wille, einer Religionsgemeinschaft angehören zu wollen, müsse sich, um staatlicher Anerkennung fähig zu sein, in einem positiven Bekenntnis – hier zum jüdischen Glauben – manifestieren. Eines formalisierten Eintrittsaktes oder einer förmlichen Beitrittserklärung nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts bedürfe es demgegenüber nicht. Sehe das innerkirchliche Recht – wie hier – einen formalisierten Eintrittsakt nicht vor, sei es auch nicht Angelegenheit des Staates, einen solchen zur Begründung der Mitgliedschaft vorzuschreiben. Dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit werde dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der von einer jüdischen Mutter Abstammende in anderer Form seine Bekenntniszugehörigkeit willentlich dokumentiere. Insoweit sei eine persönliche oder durch einen gesetzlichen Vertreter erfolgte, nach außen hin erkennbare und zurechenbare Willensäußerung im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft erforderlich, aber auch ausreichend. Ein derartiges Bekenntnis müsse nicht fortlaufend wiederholt werden.
Im Falle der Kläger des Ausgangsverfahrens sei von dem erforderlichen positiven Bekenntnis zum Judentum auszugehen. Dies ergebe sich zunächst aus der Erklärung der Kläger gegenüber dem Einwohnermeldeamt. Durch den Eintrag „mosaisch” unter der Rubrik Religion hätten sie nach außen hin ihre Zugehörigkeit zur jüdischen Konfession erkennbar erklärt. Ob Bekenntnisangaben gegenüber staatlichen Meldebehörden grundsätzlich geeignet seien, als Bekenntnis zu einer Religionsgemeinschaft angesehen zu werden, könne dahinstehen. Denn im Falle der Kläger komme hinzu, dass sie sich bereits vor ihrem Zuzug nach Frankfurt am Main zum jüdischen Glauben bekannt hätten. Dies ergebe sich unter anderem aus ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde an ihrem Wohnort in Frankreich, aus ihrer Eheschließung dort nach jüdischem Ritus und ihrer Angabe gegenüber der Beschwerdeführerin, sie hielten ihre Mitgliedschaft in der französischen Heimatgemeinde aufrecht. Schließlich sei die Klägerin des Ausgangsverfahrens während eines früheren Aufenthaltes in Frankfurt am Main, also vor ihrem Wegzug nach Frankreich, Mitglied der Beschwerdeführerin gewesen, ohne vor ihrem Wegzug nach Frankreich von der Möglichkeit des Austritts Gebrauch gemacht zu haben. Nach alldem habe den Klägern die Existenz der Beschwerdeführerin als örtlicher jüdischer Gemeinde und damit die Bedeutung der Erklärung der „mosaischen” Religionszugehörigkeit beim Einwohnermeldeamt bewusst sein müssen. In der Gesamtschau ergebe sich daher ein hinreichendes Bekenntnis der Kläger zum jüdischen Glauben.
Dagegen könnten die Kläger nicht einwenden, die Angabe „mosaisch” auf dem Meldebogen sei polyvalent, sie enthalte keine Identifizierung mit der orthodox geprägten Beschwerdeführerin, sondern sei ein Bekenntnis zum progressiven, liberalen Judentum. Ein derartiger geheimer oder jedenfalls nicht hinreichend eindeutiger und für Dritte im Rechtsverkehr nicht zweifelsfrei erkennbarer Vorbehalt sei rechtlich nicht relevant. Dies gelte umso mehr, da jedenfalls die Klägerin vor ihrem Wegzug nach Frankreich Mitglied der Beschwerdeführerin gewesen sei, mithin von deren Existenz wusste, und sich daher bewusst sein musste, dass die Kläger mit der Angabe „mosaisch” ohne Hinzufügung eines einschränkenden Zusatzes ein Bekenntnis zum Judentum abgeben würden, das nach dem objektiven Empfängerhorizont in der Staats- und Kirchenrechtswirklichkeit nur als Bekenntnis zur Beschwerdeführerin als einziger jüdischer Gemeinde in Frankfurt am Main verstanden werden konnte. Im Übrigen sei die von den Klägern vorgenommene Unterscheidung zwischen orthodox und liberal geprägten Gemeinden der Satzung der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen; die Beschwerdeführerin habe in der mündlichen Verhandlung schlüssig erläutert, sie biete sowohl Angebote für Mitglieder mit orthodoxem als auch mit liberalem Glaubensverständnis.
5. Mit dem angegriffenen Urteil vom 23. September 2010 hob das Bundesverwaltungsgericht die Urteile des Verwaltungsgerichts und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs auf. Es stellte fest, dass das staatliche Recht nicht von einer Mitgliedschaft der Kläger bei der Beschwerdeführerin ausgehen könne.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft nur dann im staatlichen Recht anerkannt werden könne, wenn sie vom Willen des Betroffenen getragen sei. Die daraus folgenden Anforderungen an eine Willensbekundung des Betroffenen habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verkannt.
a) Der Hessische Verwaltungsgerichtshof sei weiter zu Recht davon ausgegangen, dass die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft durch die satzungsrechtlichen Bestimmungen der Beschwerdeführerin nicht gewahrt sei. Die Begründung der Mitgliedschaft durch Abstammung finde in der Zurechnung des Elternwillens bei der Kindstaufe „keine Parallele”. Auch mache die Satzungsregelung, wonach die Mitgliedschaft durch eine Erklärung binnen drei Monaten ausgeschlagen werden könne, diese ebenso wenig zu einer vom Willen getragenen Mitgliedschaft. Denn die Satzungsbestimmung knüpfe nicht an eine Bekanntgabe der Satzung gegenüber dem Zuziehenden an, so dass es an einer unabdingbaren positiven Erklärung fehle. Eine alleinige Orientierung an der normativen Ausgestaltung der religionsgemeinschaftlichen Mitgliedschaftsregelung gehe jedoch über den Schutzzweck und die staatliche Schutzpflicht hinsichtlich der negativen Bekenntnisfreiheit hinaus. Für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach staatlichem Recht komme es darauf an, ob der Betroffene zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auf freiwilliger Basis Mitglied der Religionsgemeinschaft gewesen sei. Ob ungeachtet der Satzung im konkreten Einzelfall eine freiwillige Mitgliedschaft angenommen werden könne, richte sich nach einer entsprechenden Willensbekundung.
b) Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe allerdings unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Anforderungen an die erforderliche Willensbekundung der Betroffenen verkannt. Die Willensbekundung müsse sich auf die Mitgliedschaft in der konkreten rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft beziehen. Allein auf die Zuordnung zu einem bestimmten religiösen Bekenntnis im Sinne von Glaubenslehren und -inhalten könne es nicht ankommen. Das Bekenntnis bestimme zwar die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft. Der Übergang vom außerrechtlichen Bekenntnis zur rechtlich relevanten Eingliederung in eine Religionsgesellschaft müsse aber wegen Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG vom Willen getragen sein. Die Willenserklärung müsse nicht den Charakter einer Beitrittserklärung haben. Vielmehr könne sie sich aus verschiedensten Äußerungen und Handlungen ergeben, sofern diese dem Erfordernis nach eindeutigen und nachprüfbaren Tatbeständen als Grundlage der Rechts- und Pflichtenstellung des Betroffenen genüge (mit Verweis auf BVerfGE 30, 415 ≪426≫).
Diesen Anforderungen genüge das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht; es verfehle den rechtlichen Bezugspunkt der gebotenen Willenserklärung. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe auf eine „Gesamtschau” aller Umstände abgestellt und allein solche Willensbekundungen der Kläger herangezogen, aus denen sich nur ihre – unstreitige – Zuwendung und Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben ergebe. Damit habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof zu niedrige Anforderungen an den gebotenen „Bekenntnisakt” gestellt.
Den Angaben der Kläger gegenüber der Meldebehörde als einzigem möglichen Ansatzpunkt für eine willensgetragene Mitgliedschaft in der Beschwerdeführerin könne eine Willensbekundung, der Beklagten angehören zu wollen, nicht entnommen werden. Aus der Angabe „mosaisch” unter der Rubrik Religion im Meldeschein lasse sich nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit und Klarheit erkennen, dass die Kläger der Beschwerdeführerin angehören wollten. Es könne dahinstehen, ob die Kläger in zusätzlichen Erläuterungen darauf hingewiesen worden seien, dass nicht eine allgemeine Auskunft zu Glaubensüberzeugungen verlangt war, sondern die am neuen Wohnort gegebene Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft erklärt werden sollte. Denn dem Eintrag „mosaisch” fehle der eindeutige Bezug zur Beschwerdeführerin. Die Kläger hätten sich nicht der in der hessischen Verwaltungspraxis üblichen Kürzel bedient, mit denen die in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten jüdischen Gemeinden bezeichnet würden und zweifelsfrei zu identifizieren seien (IS: Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main; IL: Kultussteuerberechtigte jüdische Gemeinden im Landesverband Hessen). Der Hinweis auf eine „mosaische” Religionszugehörigkeit lasse angesichts der Tendenz zur Pluralisierung und Rekonfessionalisierung des Judentums die Zuordnung zu einer konkreten jüdischen Gemeinde nicht zu. Der jüdische Glaube könne in verschiedenen Strömungen und Organisationen gelebt werden. Bei der Auswahl sei der Betroffene frei. Daran ändere auch nichts, dass sich die Beschwerdeführerin als Einheitsgemeinde begreife, denn der Gläubige müsse sich diesem Alleinvertretungsanspruch angesichts der ihm zukommenden negativen Bekenntnisfreiheit nicht unterordnen.
c) Schließlich lägen die Voraussetzungen für eine vom Willen getragene Mitgliedschaft auch nicht aufgrund des Umzugs der Kläger vor. Habe sich der Betroffene bereits vor seinem Zuzug einer Religionsgemeinschaft angeschlossen, könne sich nach dem Umzug die Mitgliedschaft dann in der nunmehr örtlich zuständigen Gemeinde fortsetzen, wenn auch diese Mitgliedschaft auf einer freiwilligen Grundlage beruhte. Nach dem Parochialrecht könne eine Religionsgemeinschaft bestimmen, dass alle Angehörigen des jeweiligen Bekenntnisses ipso iure als Mitglieder der örtlich zuständigen Gemeinde gelten. Unmittelbare Bedeutung habe das Parochialrecht, wenn die als öffentlich-rechtliche Körperschaft konstituierte Religionsgemeinschaft, der der Betroffene angehöre, in rechtlich selbständige Einheiten untergliedert sei. Das sei etwa der Fall bei den Diözesen der römisch-katholischen Kirche und den einzelnen Pfarrgemeinden oder den evangelischen Landeskirchen und den einzelnen Kirchengemeinden. Gehe es um die (Neu-)Begründung einer Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft, zu der der Betroffene nach Maßgabe des staatlichen Rechts bislang in keiner mitgliedschaftlichen Beziehung gestanden habe, erlange das Parochialrecht nur mittelbar Bedeutung, nämlich als Teil der am früheren Wohnort auf freiwilliger Basis eingegangenen Rechtspflichten. Ohne eine Einordnung in einen höherstufigen Verband könne sich die Rechtspflicht zur Eingliederung in eine andere Religionsgemeinschaft auch aus Vereinbarungen der Religionsgemeinschaften untereinander ergeben. Ausweislich des Vortrags der Beschwerdeführerin seien zwischen ihr und anderen jüdischen Gemeinden – etwa der jüdischen Gemeinde am bisherigen Wohnort der Kläger in Frankreich – keine entsprechenden „Übernahmevereinbarungen” geschlossen worden. Die Beschwerdeführerin habe betont, dass es einen Automatismus im Übergang der Mitgliedschaft nach dem Selbstverständnis der jüdischen Gemeinden nicht gebe und nicht geben könne, da die Gemeinden jeweils eigenständig seien.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Dabei legt sie neben den Ausführungen ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts ein Privatgutachten von Professor Dr. Lehner, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Wirtschafts- und Steuerrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München, vor. Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem Selbstbestimmungsrecht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung, nachfolgend: WRV) sowie in ihrem Steuererhebungsrecht nach Art. 137 Abs. 6 WRV und dem ihr zustehenden Parochialrecht verletzt, ebenso in ihrem Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Das Bundesverwaltungsgericht verletze in seiner Entscheidung das der Beschwerdeführerin garantierte Selbstbestimmungsrecht auch im Hinblick auf die Berechtigung zu Erhebung von Bekenntnis- und Kirchensteuer aus Art. 137 Abs. 6 WRV, weil die Anforderungen an das für alle geltende Gesetz im Sinne des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV im Hinblick auf die Voraussetzungen der Mitgliedschaft überspannt würden. Bereits in der zwischen den Klägern erfolgten Eheschließung nach jüdischem Ritus komme ein der christlichen Taufe vergleichbares Element der nach außen dokumentierten Freiwilligkeit zum Ausdruck.
Das angegriffene Urteil verletze das Gleichbehandlungsrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG, da das Bundesverwaltungsgericht dem Merkmal der Abstammung von einer jüdischen Mutter nicht die gleiche Bedeutung beigemessen habe wie der christlichen Taufe. Die Abstammung von einer jüdischen Mutter sei aber – abgesehen von der Möglichkeit des Übertritts – die einzige und entscheidende statusstiftende Begründung der Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben. Der Gleichheitssatz werde durch das Bundesverwaltungsgericht durch die benachteiligende Unterscheidung zwischen Abstammung und Taufe verletzt. Für die willentliche Bekenntniszugehörigkeit des Getauften selbst, komme es darauf an, ob er trotz Austrittsmöglichkeit seine Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft aufrechterhalte. Dies müsse auch für Angehörige jüdischen Glaubens gelten. Machten diese von ihrer Möglichkeit des Austritts aus ihrem Bekenntnis keinen Gebrauch, dokumentierten sie damit die freiwillige Zugehörigkeit zu ihrem Bekenntnis.
Unter Bezugnahme auf das vorgelegte Privatgutachten von Professor Dr. Lehner rügt die Beschwerdeführerin, das Bundesverwaltungsgericht habe zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Beschwerdeführerin und der negativen Glaubensfreiheit der Kläger nicht die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung vorgenommen. Mit der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts nach einer Willensbekundung, die sich auf eine konkrete rechtlich verfasste Religionsgemeinschaft beziehen müsse, würden überzogene Anforderungen gestellt. Willensgetragene Bekenntniszugehörigkeit im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 1971 (BVerfGE 30, 415) sei nicht im Sinne eines Bezuges auf eine einzelne Kirche oder eine konkrete Gemeinde zu verstehen, sondern im Sinne eines Bezugs auf eine durch ein bestimmtes Bekenntnis im Sinne von Glaubensinhalten bestimmte Kirchenfamilie im Sinne von Religions- beziehungsweise Glaubensgemeinschaft. Dies finde seine Bestätigung in der bisherigen Rechtsprechung, namentlich des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts.
Zwar sehe auch das Bundesverwaltungsgericht, dass ein bestimmtes Verhalten nach den Umständen des Einzelfalls zugleich mit dem Bekenntnis auf die Mitgliedschaft in der durch dieses Bekenntnis geprägten Religionsgemeinschaft gerichtet sein könne. Außerdem werde nicht der Charakter einer Beitrittserklärung verlangt. Indem das Bundesverwaltungsgericht jedoch, abgesehen von einer Mitgliedschaft am bisherigen Wohnort, allein auf die Angaben gegenüber der Meldebehörde abstelle, überziehe es die Anforderungen an die Intensität des mitgliedschaftsbegründenden Willens. Der Bedeutung des Willens als Grundlage des Bekenntnisses könne nur durch objektive Bewertungskriterien Rechnung getragen werden. Besondere Bedeutung für die Zugehörigkeit zum jüdischen Bekenntnis hätten vorliegend diejenigen Merkmale, die ein Anknüpfen an die Vergleichbarkeit zur Taufe erübrigen würden. Unstreitig sei, dass beide Kläger des Ausgangsverfahrens dem jüdischen Glauben angehörten. Die Vermittlung des Bekenntnisses durch die Taufe schließe andere Formen der Begründung oder Bestätigung des Bekenntnisses nicht aus. Der Begriff „mosaisch” sei nach allgemeinem Verständnis als Synonym für jüdisch und nicht zur Kennzeichnung einer bestimmten Strömung im Judentum zu verstehen. Beim liberalen und orthodoxen Judentum handle es sich um Strömungen innerhalb der jüdischen Religionsgemeinschaft. Das staatliche Neutralitätsgebot verbiete den Gerichten, an derartige Differenzierungen Folgen zu knüpfen, die diesem Neutralitätsgebot widersprächen. Die Orientierung der im allgemeinen Sprachgebrauch eindeutigen Angabe „mosaisch” erfülle diese Voraussetzungen als deutlicher Beleg der willentlichen Bekenntniszugehörigkeit der ohnehin unstreitig dem jüdischen Glauben angehörenden Kläger.
Das Bundesverwaltungsgericht verkenne, dass das Bekenntnis als zentrales Zugehörigkeitsmerkmal nicht voraussetze, dass zwischen der in Betracht kommenden Religionsgesellschaft und der speziellen Glaubensrichtung ihrer Angehörigen Passgenauigkeit im Sinne eines differenzierten Ausschließlichkeitsverhältnisses bestehen müsse. Ausreichend sei vielmehr eine Bekenntnisverwandtschaft, die vorliege, wenn trotz vorhandener Differenzierungen glaubensbedingte Gemeinsamkeiten bestünden. Orthodoxe, konservative und liberale Richtungen innerhalb des jüdischen Glaubens zählten ohne Zweifel zu dem gleichen Bekenntnis, dem des Judentums. Dies finde seine Stütze auch in der institutionellen Einheitlichkeit all dieser Strömungen unter dem Dach des Zentralrats der Juden. Anders könne dies sein, wenn auf demselben Gebiet mehrere jüdische Gemeinden unterschiedlicher Ausrichtung mit Körperschaftsstatus existierten. Im Gebiet der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main sei dies indes nicht der Fall; diese sei eine Einheitsgemeinde.
Das Bundesverwaltungsgericht verfehle seinen zutreffenden Ansatz, wonach der Staat gehalten sei, den Religionsgemeinschaften entgegenstehenden Rechtspositionen ebenfalls Rechnung zu tragen, durch den Verzicht auf jede Abwägung. Auch verkenne das Bundesverwaltungsgericht § 2 der Satzung der Beschwerdeführerin, wonach Zugezogene innerhalb von drei Monaten nach Zuzug nach Frankfurt erklären können, nicht Mitglieder der Beschwerdeführerin zu sein. Diese Regelung eines „votum negativum” habe nur Bedeutung für den Fall, dass im Zuzugsgebiet eine andere bekenntnisverwandte Religionsgemeinschaft existiere, was in Frankfurt gerade nicht der Fall sei.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verletze die Beschwerdeführerin schließlich in dem durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV gewährleisteten Recht, die Zugehörigkeit ihrer Mitglieder durch Parochialrecht zu bestimmen. Auch jüdischen Gemeinden stehe ein derartiges historisch gewachsenes Recht zu. Das Parochialrecht sei verfassungsrechtlich verankert in den Befugnissen der als öffentlich-rechtliche Körperschaften verfassten Religionsgemeinschaften.
III.
1. Die Kläger des Ausgangsverfahrens haben zum Verfahren Stellung genommen. Die Verfassungsbeschwerde ignoriere die Konflikte zwischen orthodoxem und liberalem Judentum. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie sei eine „Einheitsgemeinde”, sei nicht stichhaltig. Anders als andere Jüdische Gemeinden in Deutschland bezeichne sie sich in ihrer Satzung nicht ausdrücklich als „Einheitsgemeinde”, was bedeute, dass sie sich nicht als solche verstehe. Aus mehreren Presseveröffentlichungen sei zu erkennen, dass die Jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main gerade eine orthodoxe Ausrichtung habe. Zwischen orthodoxem und liberalem Judentum bestünden unüberbrückbare Gegensätze und es laufe auf eine Täuschung hinaus, zwischen liberalen und orthodoxen Juden „Bekenntnisidentität” oder „Bekenntnisverwandtschaft” zu suggerieren.
2. Die Bundesregierung, die hessische Landesregierung, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof haben von Stellungnahmen abgesehen.
3. In ihrer Replik bekräftigt die Beschwerdeführerin nochmals ihre Sicht, eine „Einheitsgemeinde” zu sein. Liberale Vertreter des jüdischen Glaubens würden in Gemeinderäumen beherbergt und eine liberale Rabbinerin aus dem erhobenen Bekenntnissteueraufkommen finanziert. Zwar bestünden zwischen liberalen und orthodoxen jüdischen Glaubensauffassungen erhebliche Unterschiede. Solche Unterschiede in der Glaubensauffassung seien jedoch letztlich Wesensmerkmale jeder Religion. Entscheidend sei, dass es sich um Unterschiede innerhalb der jüdischen Religion handle. Der Begriff „mosaisch” auf dem Meldebogen sei synonym für „jüdisch”.
Entscheidungsgründe
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Hiernach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV.
I.
1. Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV garantiert den Religionsgesellschaften die Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (vgl. BVerfGE 46, 73 ≪85≫; 53, 366 ≪391≫; 57, 220 ≪241 f.≫; 70, 138 ≪162≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, Rn. 90, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei kommt diese Garantie den verfassten Kirchen sowie den Religionsgesellschaften nach weiteren Maßgaben in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen zu (vgl. BVerfGE 46, 73 ≪85 f.≫; 53, 366 ≪391≫; 57, 220 ≪242≫; 70, 138 ≪162≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, Rn. 91 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen).
a) Eigene Angelegenheiten in diesem Sinne sind auch die Rechte und Pflichten der Mitglieder der einzelnen Religionsgemeinschaft, insbesondere Bestimmungen, die den Ein- und Austritt, die mitgliedschaftliche Stellung sowie den Ausschluss von Glaubensangehörigen regeln (Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 137 WRV Rn. 33 (Feb. 2003); Magen, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, 1. Aufl. 2002, Art. 140 Rn. 69; vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art.137 WRV Rn. 50, 70 „Mitgliedschaftsrecht”). Die mitgliedschaftliche Zuordnung zu einer Religionsgesellschaft ordnet diese nach Art. 137 Abs. 3 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG als eigene Angelegenheit selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes (BVerfGE 30, 415 ≪422≫). Wenn staatliche Behörden und Gerichte angehalten werden, etwa im Kirchensteuerrecht, die innerkirchliche Ordnung zugrunde zu legen, soweit sie die entscheidungserheblichen Rechtsbegriffe und Rechtsverhältnisse aus dem kirchlichen Bereich prägt, so liegt darin keine verfassungswidrige Identifizierung des Staates mit der Kirche (vgl. BVerfGE 24, 236 ≪247 f.≫; 30, 415 ≪422≫). Dem entspricht es, die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft mit Wirkung für den weltlichen Bereich (etwa als Voraussetzung für die Kirchensteuerpflicht) grundsätzlich nach den Regeln der jeweiligen Religionsgemeinschaft über eine Mitgliedschaft in derselben zu beurteilen (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪422≫).
Das den Religionsgemeinschaften durch Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG verbürgte Selbstbestimmungsrecht verpflichtet den Staat zur Anerkennung ihrer Mitgliedschaftsordnung für seinen Bereich, auch soweit sie von den staatlichen Regeln für Zusammenschlüsse abweicht (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪424≫). Andererseits entspricht es dem Gebot staatlicher Neutralität, dass nicht der Staat bestimmen kann, wer einer Religionsgemeinschaft angehört (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪422≫). Soweit mit Blick auf das Mitgliedschaftsrecht als „eigene Angelegenheit im Sinne des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV ausgeführt wird, dass die Kirche für den Staat verbindlich bestimme, was kraft innerkirchlichen Verfassungsrechts rechtens ist und der Staat diese Ordnung einfach hinzunehmen habe (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪756≫; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 137 WRV Rn. 34 (Feb. 2003), jeweils mit Verweis auf BGHZ 12, 321 ≪323 f.≫), ist dies so zu verstehen und zu präzisieren, dass damit zunächst nur der innerkirchliche Rechtskreis gemeint ist.
b) Denn die Pflicht des Staates, eine religionsgemeinschaftliche Regelung für den weltlichen Rechtsbereich anzuerkennen, besteht nicht grenzenlos (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪756 f.≫). Das Recht der Religionsgemeinschaften zur selbständigen Ordnung ihrer Mitgliedschaft wird nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV durch das für alle geltende Gesetz beschränkt (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪422≫; vgl. zum Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes zuletzt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, Rn. 106 f., zur Veröffentlichung vorgesehen). Als solche Schranke des für alle geltenden Gesetzes im Sinne des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV kommt das Grundrecht der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) eines als Mitglied Herangezogenen als eine Grenze für die staatliche Anerkennung religionsgemeinschaftlicher Regelungen für den weltlichen Bereich in Betracht (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪757≫).
Hiermit korrespondiert, dass das Besteuerungsrecht aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 6 WRV – als eine der maßgeblichen Rechte einer öffentlich-rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft – nicht an eine Mitgliedschaftsregelung anknüpfen darf, welche die Grundrechte des zur Steuer Herangezogenen verletzt (BVerfGE 30, 415 ≪422≫), weil es sich bei dieser Befugnis um ein vom Staat abgeleitetes und in den weltlichen Bereich hineinwirkendes Hoheitsrecht handelt (BVerfGE 19, 206 ≪218≫; 19, 248 ≪251 f.≫; 30, 415 ≪422≫ m.w.N.). Diese Befugnis kann von den Religionsgemeinschaften nicht anders, als wenn der Staat sie selbst ausüben würde, nur in Einklang mit der grundgesetzlichen Ordnung, vor allem mit den Grundrechten, in Anspruch genommen werden (BVerfGE 30, 415 ≪422≫). Wenn dem Staat versagt ist, durch Übertragung hoheitlicher Befugnisse an der Vollziehung der aus der Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft erwachsenden Pflichten mitzuwirken, soweit ihm eine solche Einflussnahme durch das Grundgesetz verboten ist (BVerfGE 30, 415 ≪422 f.≫), gilt dies nicht nur hinsichtlich der Steuererhebung durch Religionsgemeinschaften, sondern umfasst sämtliche sich auf die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft stützenden Anknüpfungen im weltlichen Bereich (vgl. BVerfGE 44, 37 ≪49≫).
c) Insgesamt verbietet Art. 4 Abs. 1 und 2 GG als Grundlage für staatskirchenrechtliche Anknüpfungen (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪423≫ zur Kirchensteuerpflicht) eine Mitgliedschaftsregelung einer Religionsgemeinschaft heranzuziehen, „die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwirft.” Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und mit der ungestörten Religionsausübung einen von staatlicher Einflussnahme freien Rechtsraum, in dem jeder sich eine Lebensform geben kann, die seiner religiösen und weltanschaulichen Überzeugung entspricht (BVerfGE 12, 1 ≪3≫; 30, 415 ≪423≫; 44, 37 ≪49≫). Jeder darf danach über sein Bekenntnis und seine Zugehörigkeit zu einer Kirche, die durch dieses Bekenntnis bestimmt ist, selbst und frei von staatlichem Zwang entscheiden (BVerfGE 30, 415 ≪423≫; 44, 37 ≪49≫). Das schließt die Freiheit, einer Kirche fernzubleiben, ebenso ein wie die Freiheit, sich jederzeit von der kirchlichen Mitgliedschaft mit Wirkung für das staatliche Recht durch Austritt zu befreien. Für Einzelverpflichtungen, die die Mitgliedschaft zur Voraussetzung haben, kann nichts anderes gelten (BVerfGE 44, 37 ≪49≫). Eine Zwangsmitgliedschaft in einer Religionsgesellschaft kann wegen Art. 4 Abs. 1 GG – unbeschadet einer etwaigen theologischen Legitimierung im innerreligionsgemeinschaftlichen Bereich – keine Grundlage für staatskirchenrechtliche Anknüpfungen im weltlichen Rechtskreis sein (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪423 f.≫ zur Kirchensteuer).
d) Abzustellen ist dafür auf den nach dem objektivierten Empfängerhorizont erkennbar gewordenen Willen des Betroffenen. Die Eingliederung in eine Religionsgemeinschaft setzt den wirksam bekundeten positiven Willen des Betroffenen voraus. Eine Eingliederung ist im staatsrechtlichen Bereich dann anerkennungsfähig, wenn sie durch eine positive – wenn auch möglicherweise nur konkludente – Erklärung des Betroffenen legitimiert ist (Engelhardt, ZevKR 41 ≪1996≫, S. 142 ≪156≫). Eine darüber hinausgehende förmliche Beitrittserklärung ist nicht erforderlich (BVerfGE 30, 415 ≪424≫). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 31. März 1971 (BVerfGE 30, 415 ≪424≫) nicht nur festgestellt, dass bereits bei den christlichen Kirchen das Anknüpfen an den Regelfall der Kindstaufe für eine freiwillige Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft – bei bestehender Möglichkeit zum Kirchenaustritt für die Zukunft – ausreichend ist, sondern zudem in verschiedenen Verhaltensweisen ein Bekenntnis zur betroffenen Religionsgemeinschaft gesehen. Der Wille, einer Religionsgemeinschaft angehören zu wollen, kann in vielfältiger Weise, nicht nur gegenüber der Religionsgemeinschaft selbst, zum Ausdruck gebracht werden (vgl. etwa in BVerfGE 30, 415 ≪424 f.≫: Taufe, Konfirmation, Angabe der Bekenntniszugehörigkeit in den Einkommensteuererklärungen, Kirchensteuerzahlungen; zur Taufe vgl. auch BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Nichtannahmebeschluss vom 30. November 1983 – 1 BvR 1016/83 –, NJW 1984, S. 969).
II.
Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben hat das Bundesverwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Bedeutung und Tragweite von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV verkannt.
Dabei sind die Ausgangsüberlegungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu beanstanden (1.). Soweit das Bundesverwaltungsgericht der lediglich auf Wohnsitz und Abstammung abstellenden Mitgliedschaftsregelung der Beschwerdeführerin die Anerkennung im staatlichen Recht versagt, braucht darüber nicht abschließend entschieden zu werden (2. a)). Denn soweit das Bundesverwaltungsgericht die Angaben der Kläger des Ausgangsverfahrens gegenüber der Meldebehörde, „mosaischer” Religionszugehörigkeit zu sein, für die Mitgliedschaft in der konkreten rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft nicht hat genügen lassen, hat es Bedeutung und Tragweite von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV verkannt (2. b)). Ob die Beschwerdeführerin durch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Parochialrecht (2. c)) in ihren Rechten verletzt ist, kann danach ebenso offen gelassen werden, wie die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verletzung weiterer Rechte (3.).
1. a) Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung zunächst zutreffend davon aus, dass sich die Frage der Mitgliedschaft nach dem innerreligionsgemeinschaftlichen Recht richtet, wenn das staatliche Recht an die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft anknüpft. Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht Grenzen des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften in den allgemeinen Gesetzen und dort insbesondere in der negativen Bekenntnisfreiheit sieht, geht es vom zutreffenden verfassungsrechtlichen Maßstab aus. Dies gilt ebenso, wenn das Bundesverwaltungsgericht feststellt, eine Vereinnahmung ohne oder gegen den Willen des Betroffenen könne durch das staatliche Recht nicht anerkannt werden.
b) Soweit das Bundesverwaltungsgericht – weil es die Mitgliedschaftsregelung der Beschwerdeführerin mangels Freiwilligkeit nicht anerkennt (vgl. dazu sogleich 2. a)) – im Anschluss an BFHE 188, 245 ≪249≫ darauf abstellt, dass dann zu prüfen sei, ob eine Willensbekundung festgestellt werden könne, die den Schluss auf eine vom Willen des Betroffenen getragene Zuordnung zu einer Religionsgemeinschaft erlaube, ist dies nicht zu beanstanden. Dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wird dann nämlich dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der von einer jüdischen Mutter Abstammende in anderer Form seine Bekenntniszugehörigkeit willentlich dokumentiert (BFHE 188, 245 ≪248≫; zustimmend von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006, S. 157; ebenso im Ergebnis Magen, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, 1. Aufl. 2002, Art. 140 Rn. 118 und nachfolgend BFH, Urteil vom 28. Januar 2004 – I R 63/02 –, juris, Rn. 13 f.; BFHE 210, 573 ≪574 f.≫; vgl. bereits BFHE 172, 570 ≪574≫).
Wenn die Regelung des Art. 140 GG in Verbindung mit 137 Abs. 3 WRV den Religionsgemeinschaften den Erlass von Mitgliedschaftsregelungen gestattet und das Selbstbestimmungsrecht seine Schranken nur in den allgemeinen Gesetzen findet, namentlich wenn Grundrechte Dritter betroffen sind (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪757≫), dann bedarf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften dann keiner Einschränkung durch die allgemeinen Gesetze, wenn Rechte im konkreten Fall in der konkreten Person des Dritten durch die Mitgliedschaftsregelung nicht verletzt werden. Ist eine Person nach dem Mitgliedschaftsrecht einer Religionsgemeinschaft deren Mitglied und ist dies auch vom (gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden) nach außen erkennbar dokumentierten Willen der betroffenen Person getragen, besteht im konkreten Fall kein Anlass, dem Mitgliedschaftsrecht der Religionsgemeinschaft die staatliche Anerkennung zu versagen.
Gewährt der Staat den Religionsgemeinschaften eine Wirkungsfreiheit, die über ihren eigenen Bereich hinausreicht, muss er im Gegenzug dafür Sorge tragen, dass alle, die gegen ihren Willen von religiösem Einfluss tangiert werden, sich dem wirksam entziehen können (Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 270). Das bedeutet aber, dass er nur insoweit eine Mitgliedschaftsregelung nicht anerkennen muss, soweit diese konkrete individuelle Grundrechtspositionen Dritter verletzt. Würde man bloß auf die mögliche Verletzung von Grundrechten Dritter abstellen, würde man es den Religionsgemeinschaften sogar verwehren, solche Personen nach ihren Grundsätzen (etwa durch Wohnsitz und Abstammung) als ihre Mitglieder anzusehen, die selbst vom Willen getragen Mitglied sein wollen. Ein derartiges Vorgehen würde die Religionsgemeinschaften in ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzen.
Scheidet also eine Verletzung der negativen Glaubensfreiheit dann aus, wenn die Mitgliedschaft des Betroffenen vom nach außen erkennbar dokumentierten Willen der betroffenen Person getragen wird, führt insoweit der Schrankenvorbehalt des allgemeinen Gesetzes zu keiner Einschränkung. Eine mit Art. 4 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Zwangsmitgliedschaft liegt in diesem Fall nicht vor. Damit sind die staatlichen Gerichte aber gehalten, die von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV geschützte Mitgliedschaftsregelung hinzunehmen. Dann bleibt es dabei, dass das den Religionsgemeinschaften durch Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG verbürgte Selbstbestimmungsrecht den Staat zur Anerkennung ihrer Mitgliedschaftsordnung für seinen Bereich verpflichtet, auch soweit sie von den staatlichen Regeln für Zusammenschlüsse abweicht (BVerfGE 30, 415 ≪424≫).
c) Schließlich wahrt das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Forderungen zum Bezugspunkt der Willensbekundung den verfassungsrechtlichen Rahmen.
Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die erforderliche Willensbekundung auf die Mitgliedschaft in der konkreten rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft beziehen. Allein auf die Zuordnung zu einem bestimmten religiösen Bekenntnis im Sinne von Glaubenslehren und -inhalten könne es nicht ankommen. Das Bekenntnis bestimme zwar die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft. Der Übergang vom außerrechtlichen Bekenntnis zur rechtlich relevanten Eingliederung in eine Religionsgesellschaft müsse aber wegen Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG vom Willen getragen sein.
Hiergegen ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Die Anerkennung oder Versagung einer Mitgliedschaft, derer sich eine Religionsgemeinschaft – wie vorliegend die Beschwerdeführerin – berühmt, im weltlichen Recht kann sich aus staatskirchenrechtlicher Perspektive von vornherein nur auf die Mitgliedschaft in einer konkreten rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft beziehen. Nur die jeweiligen (verfassten) Religionsgemeinschaften als Organisationen sind ungeachtet ihrer rechtlichen Organisationsform Träger des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts (Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 137 WRV Rn. 52, 28 f., 31). Träger des Selbstbestimmungsrechts können lediglich Glaubensgemeinschaften sein, die den Begriff der Religionsgemeinschaft mit den damit zusammenhängenden begriffsnotwendigen Eigenschaften verwirklichen (wie etwa das Erfordernis eines auf Dauer angelegten Zusammenschlusses innerhalb eines bestimmten Gebietes im Geltungsbereich des Grundgesetzes; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 137 WRV Rn. 18, 14 (Feb. 2003); vgl. zur darüber hinausgehenden Erstreckung des Selbstbestimmungsrechts auf den Religionsgemeinschaften zugeordnete Einrichtungen BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, Rn. 91 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen). Allein ein bestimmtes Bekenntnis im Sinne von Glaubenslehren und -inhalten genießt diesen Schutz nicht; hierfür fehlt es bereits an einem tauglichen Träger der verbürgten Gewährleistung. Kann ein Konflikt zwischen dem Selbstbestimmungsrecht einer Religionsgemeinschaft und der individuellen Glaubensfreiheit also ohnehin nur gegenüber einer konkreten rechtlich verfassten Religionsgesellschaft – und nicht gegenüber Glaubenslehren und -inhalten als solchen – auftreten, so ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Bundesverwaltungsgericht insoweit fordert, dass sich der Wille desjenigen, dessen entgegenstehendes Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG möglicherweise betroffen ist, auf die Mitgliedschaft in eben dieser rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft beziehen soll. Auch in seiner bisherigen Rechtsprechung stellte das Bundesverfassungsgericht auf den Willen hinsichtlich der konkreten rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft ab (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪425≫: „Willen, der evangelisch-lutherischen Landeskirche [des …] neuen Wohnsitzes anzugehören”). Dies gilt auch deshalb, weil das Bundesverwaltungsgericht seine Sichtweise nicht von vornherein zu Lasten des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften verengt, sondern Raum für entsprechende Auslegung lässt, wenn es anführt, die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Glaubenslehren und der rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft schließe nicht aus, dass nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ein bestimmtes Verhalten zugleich mit dem Bekenntnis auf die Mitgliedschaft in der durch dieses geprägten Religionsgemeinschaft gerichtet sei.
2. a) Ob das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Auffassung, einer sich allein auf Wohnsitz und Abstammung stützenden Mitgliedschaftsregelung sei die Anerkennung im staatlichen Recht zu versagen, die Beschwerdeführerin in ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt hat, kann vorliegend offen bleiben.
Die gegen eine Anerkennung einer auf Wohnsitz und Abstammung sprechenden Stimmen in Literatur und Rechtsprechung (BFHE 188, 245; zunächst noch offengelassen in BFHE 172, 570 ≪574≫; BFH, Urteil vom 28. Januar 2004 – I R 63/02 –, juris, Rn. 14; VG Frankfurt, Urteil vom 26. August 1970 – III/1-E120/69 –, ZevKR 11 ≪1969/70≫, S. 274 ≪276≫; vgl. bereits Badischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29. Dezember 1896, BadVerwZ 1897, 87 ≪89≫; von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪771≫; Magen, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, 1. Aufl. 2002, Art. 140 Rn. 118; von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006, S. 157; Engelhardt, ZevKR 41 ≪1996≫, S. 142 ≪148 f.≫; ders., Die Kirchensteuer in den neuen Bundesländern, 1991, S. 32) rekurrieren darauf, dass eine schlicht an die Abstammung anknüpfende Regelung die Betroffenen ohne ihren Willen und auch ohne den Willen ihrer gesetzlichen Vertreter zu Mitgliedern macht (Engelhardt, ZevKR 41 ≪1996≫, S. 142 ≪148 f.≫). Einem der Taufe vergleichbaren, eine Willenserklärung voraussetzenden Eintrittsakt hätten sich diese Personen gerade nicht unterzogen (von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪771≫).
Demgegenüber darf nach der Gegenauffassung einer auf Wohnsitz und Abstammung gestützten Mitgliedschaftsregelung nicht die staatliche Anerkennung versagt werden (BVerwGE 21, 330 ≪333≫; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 12. August 1982 – I/3 E 739/81 –, KirchE 20, 97 ≪99 f.≫; FG Köln, Urteil vom 23. November 1994 – 11 K 6580/93 –, EFG 1995, 690; Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 281; Kapischke, ZevKR 50 ≪2005≫, S. 112 ≪114≫; im Ergebnis ebenso Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 281 f. Fn. 123; Isensee, JuS 1980 S. 94 ≪98 Fn. 38≫; Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 236; mit Bedenken Säcker, Anmerkung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 1971 – 1 BvR 744/67 –, DVBl 1971, S. 553 ≪554≫; zuvor noch Säcker, BayVBl 1970, S. 314 ≪315 f.≫).
Welcher Auffassung hier der Vorrang zu geben ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn das Bundesverwaltungsgericht verkennt jedenfalls im konkreten Fall die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Beschwerdeführerin (dazu sogleich unter 2. b)).
b) Das Bundesverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles keine ausreichende Willensbekundung der Kläger des Ausgangsverfahrens erkennbar sei, der Beschwerdeführerin angehören zu wollen. Damit hat es Reichweite und Grenzen des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften verkannt, indem es die Anforderungen des im Sinne von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV für alle geltenden Gesetzes im Hinblick auf die Voraussetzungen der Mitgliedschaft zum Nachteil der Beschwerdeführerin verkennt (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪757≫) und überzogene Anforderung an den erkennbaren Willen, der Beschwerdeführerin angehören zu wollen, stellt.
Aus den Angaben der Kläger des Ausgangsverfahrens gegenüber der Meldebehörde lässt sich – erst recht in einer Gesamtschau mit den weiteren Umständen des Einzelfalles – aus Sicht eines objektiven Dritten der nach außen objektiv erklärte Wille der Kläger entnehmen, der Beschwerdeführerin angehören zu wollen.
aa) Angaben gegenüber Meldebehörden sind als Bekenntnisangabe und damit als voluntative Grundlage zur Begründung eines Mitgliedschaftsverhältnisses in einer Religionsgemeinschaft geeignet (kritisch Obermayer, NVwZ 1985, S. 77 ≪79≫; Engelhardt, ZevKR 41 ≪1996≫, S. 142 ≪156≫ und VG Frankfurt, Urteil vom 26. August 1970 – III/1-E120/69 –, ZevKR 11 ≪1969/70≫, S. 274 ≪278≫; soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 11. März 1965 – OS V 23/63 –, KirchE 7, 180 in der Angabe „freireligiös” auf dem Meldebogen nicht als ausreichend angesehen hat, um mit Wirkung im staatlichen Recht Mitglied einer frei-religiösen Gemeinde zu werden, warf der dortige Fall die Besonderheit auf, dass die Klägerin zuvor ausdrücklich aus der betroffenen freireligiösen Gemeinde ausgetreten war.). Für die Frage, ob eine nach dem Recht der Religionsgemeinschaft bestehende Mitgliedschaft gegen den erkennbaren Willen der davon Betroffenen erfolgt, ist es unschädlich, dass die Religionsgemeinschaft lediglich mittelbarer Adressat der meldebehördlichen Angabe ist (vgl. Rausch, ZevKR 36 ≪1991≫, S. 337 ≪384≫). Außerdem geht es vorliegend ausschließlich um die Frage, ob eine nach dem Recht der Religionsgemeinschaft bestehende Mitgliedschaft mit dem erkennbaren Willen der davon Betroffenen erfolgt. Eine förmliche Beitrittserklärung ist nicht erforderlich (BVerfGE 30, 415 ≪424≫). Ein solcher Wille kann in vielfältigen Handlungsweisen und Erklärungen nach außen erkennbar werden, auch gegenüber der Meldebehörde und ohne dass es auf die unmittelbare Kenntnis der Religionsgemeinschaft ankäme. Schließlich richtet sich die Datenerhebung der Meldebehörden auf die „rechtliche Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft” (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 11 MRRG, § 3 Abs. 1 Nr. 11 des Hessischen Meldegesetzes – HMG). Damit hat die Angabe – wie das Bundesverwaltungsgericht auch erkennt – den für die Willenserklärung gebotenen Bezugspunkt.
Es kann hier, wie auch das Bundesverwaltungsgericht annimmt, dahinstehen, ob die Kläger in zusätzlichen Erläuterungen darauf hingewiesen worden sind, dass ungeachtet der Verwendung des weiten Begriffs „Religion” nicht eine allgemeine Auskunft zu Glaubensüberzeugungen verlangt war, sondern die am neuen Wohnort gegebene Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft erklärt werden sollte (vgl. etwa die derzeit geltenden Ausfüllhinweise, Erlass des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport vom 21. Dezember 2010, abgedruckt bei Lüttmann, Melderecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Teil II: Hessen ≪September 2011≫, E 1 II, S. 1).
Denn das Bundesverwaltungsgericht verkennt, dass die Kläger bei ihren Angaben unter der Nr. 6 des Meldebogens „Religion” zwar keine der eindeutigen Abkürzungen genutzt haben, welche die in Hessen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften zweifelsfrei identifizieren (IS: Jüdische Gemeinde Frankfurt a.M., IL: Kultussteuerberechtigte jüdische Gemeinden im Landesverband Hessen, vgl. Lüttmann, Melderecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Teil II: Hessen ≪September 2011≫, F 4 II, S. 1), jedoch aus der Angabe „mosaisch” nach außen hinreichend erkennbar wurde, dass die Kläger der Beschwerdeführerin angehören wollten (vgl. auch demgegenüber Rappoport, in: Birk/Ehlers ≪Hrsg.≫, Aktuelle Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2012, S. 59 ≪61≫, zum entgegengesetzten Fall von Zuordnungsproblemen und Missverständnissen, die gerade aufgrund derartiger Abkürzungen entstehen).
bb) Die Auslegung der Angabe „mosaisch” bei der Meldebehörde, lässt für einen objektiven Dritten nicht erkennbar werden, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens einer bestimmten liberalen Richtung des Judentums angehören wollten. Vielmehr kann der Begriff im vorliegenden Zusammenhang nach außen erkennbar nur als Synonym dafür verstanden werden, „jüdischer” Religionszugehörigkeit zu sein (vgl. nur Wahrig – Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2008, S. 1030; Duden – Die deutsche Rechtschreibung, 25. Aufl. 2009, S. 750; Duden – Das große Fremdwörterbuch, 3. Aufl. 2003, S. 899; Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden, Bd. 6, 3. Aufl. 1999, S. 2645; Klappenbach/Steinitz ≪Hrsg.≫ – Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, Bd. 4, 1975, S. 2559; Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 27, 19. Aufl. 1995, S. 2308; vgl. auch Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 239, der jüdisch, israelitisch und mosaisch als synonym betrachtet). Auch ließ etwa der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 28. Januar 2004 – I R 63/02 –, juris, Rn. 14 f.) die Angabe „jüd.” im Anmeldeblatt für den Kindergarten der Israelitischen Kultusgemeinde als ausreichenden Bekenntnisakt genügen. Die konkrete Bezeichnung anlässlich der polizeilichen Anmeldung als „mosaisch” ließ die Rechtsprechung gleichfalls bereits genügen (BVerwGE 21, 330 ≪333≫, allerdings ließ das Bundesverwaltungsgericht dort bereits Abstammung und Wohnsitz für die Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinde Berlin ausreichen).
cc) Wenn das Bundesverwaltungsgericht angesichts einer von ihm angenommenen Tendenz zur Pluralisierung und Rekonfessionalisierung des Judentums (mit Hinweis auf BVerwGE 116, 86 ≪90≫ und Weber, LKV 2006, 9 ≪10≫) trotz der Zubilligung, dass nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ein bestimmtes Verhalten zugleich mit dem Bekenntnis auf die Mitgliedschaft in der durch dieses geprägten Religionsgemeinschaft gerichtet sein könne, sich daran gehindert sieht, aus der Angabe einer „mosaischen” Religionszugehörigkeit auf die Zuordnung zur konkreten jüdischen Gemeinde zu schließen, verkennt es, dass es sich bei den von den Klägern angeführten unterschiedlichen Strömungen jedenfalls um Strömungen innerhalb des Judentums handelt.
Es entspricht dem Gebot staatlicher Neutralität mit Blick auf die Religionsgemeinschaften, dass nicht der Staat bestimmen kann, wer einer Religionsgemeinschaft angehört (vgl. BVerfGE 30, 415 ≪422≫). Ebenso wenig kann der Staat eine Bewertung religiöser Inhalte vornehmen, denn dem Staat ist es aufgrund seiner Pflicht zur religiös-weltanschaulichen Neutralität nicht gestattet, Glauben und Lehre einer Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten (vgl. BVerfGE 33, 23 ≪29≫; 102, 370 ≪394≫; 108, 282 ≪300≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, Rn. 88, zur Veröffentlichung vorgesehen). Mangels Einsicht und geeigneter Kriterien darf der neutrale Staat im Bereich genuin religiöser Fragen nichts regeln und bestimmen (BVerfGE 102, 370 ≪394≫; vgl. auch BVerfGE 12, 1 ≪4≫; 41, 65 ≪84≫; 72, 278 ≪294≫; 74, 244 ≪255≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 –, Rn. 89, zur Veröffentlichung vorgesehen). Es ist nicht Sache des religiös-weltanschaulich neutralen Staates, darüber zu befinden, welches die grundsätzlichen und übereinstimmenden Glaubensinhalte von verschiedenen Bekenntnissen sind (vgl. BVerfGE 41, 65 ≪84≫ zu den verschiedenen christlichen Bekenntnissen). Der Staat muss auf die Grundsätze der Religionsgemeinschaften Rücksicht nehmen, da er keinen eigenen Standpunkt in der Sache einzunehmen hat (vgl. von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 2, S. 47 ≪78≫). Dies gilt nicht zuletzt wegen der historisch ursprünglichen Funktion der staatlichen Neutralitätspflicht als Friedensfunktion des Staates gegenüber konfessionellen Spannungen (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 137 WRV Rn. 37 m.w.N.). Insbesondere Glaube, Lehre und Kultus sind evident eigene Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 137 WRV Rn. 50; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 137 WRV Rn. 30 (Feb. 2003); Magen, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, 1. Aufl. 2002, Art. 140 Rn. 69).
Auf dieser Grundlage ist es dem Staat verwehrt, Feststellungen dazu zu treffen, wie weit sich die Glaubensinhalte einer bestimmten rechtlich verfassten Religionsgemeinschaft von denen gleich- oder ähnlichgerichteter Religionsgemeinschaften unterscheiden. Versteht sich eine Religionsgemeinschaft als dem jüdischen Glauben verpflichtet, ohne eine weitere Differenzierung in eine bestimmte liberale oder orthodoxe Richtung vorzunehmen, begreift sie sich vielmehr umfassend als Einheitsgemeinde, so ist es dem Staat mangels Einsicht und geeigneter Kriterien verwehrt, diese Beurteilung in Zweifel zu ziehen.
Auch der einzelne Gläubige kann eine derartige Bewertung nicht in Frage stellen. Er ist vielmehr an das von der Religionsgemeinschaft definierte Selbstverständnis gebunden (vgl. Rausch, ZevKR 36 ≪1991≫, S. 337 ≪362≫). Die verfasste Religionsgemeinschaft bestimmt, wie sie Glaube, Lehre und Kultus versteht. Dem kann der Einzelne als Mitglied dieser Religionsgemeinschaft folgen oder, wenn er die Auffassungen der verfassten Religionsgemeinschaft nicht mehr teilt, durch entsprechende Austrittserklärung deutlich machen, dass er nicht mehr Teil einer Religionsgemeinschaft mit entsprechenden (Glaubens-)Auffassungen sein möchte (vgl. z. B. § 26 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg ≪Kirchensteuergesetz – KiStG≫ in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juni 1978; von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006, S. 151 ff.). Auch wenn es um den Eintritt in eine Religionsgemeinschaft geht, bestimmt deren Selbstverständnis ihre Glaubensinhalte und deren Auslegung. Ein etwaiger Vorbehalt einer von der Religionsgemeinschaft als Mitglied betrachteten Person kann nur dann Bedeutung erlangen, wenn dieser nach außen auch erkennbar wird.
dd) Unabhängig hiervon kann vorliegend jedenfalls aus der Gesamtschau der Begleitumstände die Mitgliedschaft in der konkreten Gemeinde bejaht werden.
Zunächst ist zu beachten, dass, anders als bei den christlichen Religionsgemeinschaften, in Hessen keine flächendeckende Struktur jüdischer Ortsgemeinden vorhanden (vgl. zu den zehn im Landesverband Hessen organisierten Gemeinden www.zentralratdjuden.de/de/topic/59.gemeinden.html?landesverband=8) und die Beschwerdeführerin die einzige jüdische Gemeinde in Frankfurt a.M. ist. Dass die Kläger nicht der an ihrem neuen Wohnort ansässigen jüdischen Gemeinde angehören wollten, lässt sich deren Angaben gegenüber der Meldebehörde nicht entnehmen. Es entspricht vielmehr lebensnaher Auslegung, dass, sofern der Anmeldende keine Vorbehalte formuliert, dieser im Zweifel Mitglied der vor Ort befindlichen Gemeinde werden möchte. Wer sich zum Judentum als Religion bekennt, setzt sich der widerleglichen Vermutung aus, damit auch die Ortsgemeinde „als unausweichliche Lebensform dieses Bekenntnisses” anzuerkennen (vgl. Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 239).
Nach dem Verständnis eines unbefangenen Dritten steht die Angabe „mosaisch” als Synonym für „jüdisch” (vgl. oben bb)). Ein Vorbehalt, nur dann Mitglied in einer Religionsgemeinschaft werden zu wollen, wenn diese einer bestimmten – sei es orthodoxen, sei es liberalen – Ausrichtung folgt, kann der Erklärung der Kläger von ihrer Wortbedeutung schon nicht entnommen werden. Zudem muss beachtet werden, dass sich die Beschwerdeführerin nach ihrem über Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Selbstverständnis vorliegend als Einheitsgemeinde versteht, deren Ziel es gerade ist, unterschiedliche Strömungen des Judentums innerhalb einer Gemeinde zu vereinen.
Die von den Klägern vorgenommene Unterscheidung zwischen orthodox und liberal geprägten jüdischen Gemeinden ist der Satzung der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen. Aus § 1 der Satzung der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass Zweck der Gemeinde die Pflege des jüdischen Kultus und die Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder als Angehörige dieser Religionsgemeinschaft ist. Etwaige Differenzierungen in der grundsätzlichen theologischen Ausrichtung der Beschwerdeführerin sind nicht erkennbar. Insbesondere kann der Satzung kein Bekenntnis zur Orthodoxie als einzig akzeptierter oder vertretener Form des jüdischen Glaubens entnommen werden. Die Beschwerdeführerin hat, so bereits der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem der angefochtenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorangegangenen Urteil, deutlich gemacht, sie biete und finanziere auch den nicht orthodoxen Mitgliedern ihrem Glaubensverständnis entsprechende, bedarfsgerechte gemeindliche Dienste, etwa den Anforderungen des liberalen Judentums gerecht werdende Gottesdienste durch hinzugezogene externe, liberale Rabbiner oder eine orthodoxe wie liberale Mitglieder gleichermaßen ansprechende Gemeindezeitung. Dass die Kläger des Ausgangsverfahrens dieser Auffassung entgegentreten, ändert jedoch nichts an der in der Satzung der Klägerin zum Ausdruck kommenden Offenheit der Beschwerdeführerin für verschieden Strömungen innerhalb des Judentums. Eine ausdrückliche Bezeichnung als „Einheitsgemeinde” ist angesichts dieser Offenheit der Satzung entbehrlich. Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 GG kommt es entscheidend auf das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft an. Die Beschwerdeführerin definiert sich als Einheitsgemeinde und bekräftigt erkennbar nach außen die Bedeutung auch liberaler Strömungen innerhalb der Gemeinde ab Ende der 1990er Jahre (vgl. Heuberger, 100 Jahre Westend-Synagoge, Frankfurt am Main 1910-2010, 2010, S. 17; Sonderausgabe der Jüdischen Gemeindezeitung Frankfurt: 60 Jahre Jüdische Gemeinde Frankfurt, S. 35). Als Idealtypus stellt die Einheitsgemeinde letztlich die Vereinigung von Juden aller Strömungen und Ausrichtungen unter einem Dach dar (Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 178).
Wenn das Mitgliedschaftsrecht der einzelnen jüdischen Gemeinden ausdrücklich jeden umfasst, der nach dem jüdischen Religionsgesetz Jude ist und nicht nach den Bestimmungen innerstaatlichen Rechts aus einer Synagogengemeinde ausgetreten ist, dann kommt darin zum Ausdruck, dass jüdische Gemeinden sich nach ihrem Selbstverständnis trotz völliger rechtlicher Autonomie als Teil eines als Ganzes betrachteten übergemeindlichen Judentums ansehen (vgl. Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 238). Die Gemeinde ist Kern und Bezugspunkt des jüdischen und religiösen Lebens. Nach religiöser Tradition existiert keine übergemeindliche Ebene. Überörtliche Zusammenschlüsse haben administrative und repräsentative Aufgaben (Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 177). Ist die Gemeinde im Judentum Kern und Bezugspunkt des religiösen Lebens, dann bedeutet ein wie auch immer geartetes Bekenntnis zum Judentum zugleich die Bejahung der Gemeinde als unausweichliche Lebensform dieses Bekenntnisses (vgl. Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 238 f.).
Dieses Verständnis der Angaben der Kläger des Ausgangsverfahrens drängt sich im vorliegenden Fall umso mehr auf, da zumindest die Klägerin bereits vor ihrem Wegzug nach Frankreich ebenso wie ihre in der dortigen Gemeinde aktiven Eltern Mitglied der Beschwerdeführerin war und Kenntnis von der Existenz der Beschwerdeführerin hatte. Dies dürfte erst recht in Anbetracht der Bedeutung und Größe der Beschwerdeführerin als Großstadtgemeinde im Vergleich zu den übrigen im Land Hessen existierenden jüdischen Gemeinden gelten (vgl. auch zu den Größenverhältnissen Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 191 f., auch zu früheren Mitgliederzahlen; z.B. 1986: ca. 4.800 im Vergleich zu 1.500 Mitgliedern; gegenwärtig hat die Beschwerdeführerin 6.753 Mitglieder, der gesamte Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen K.d.ö.R. 4.861 Mitglieder, Stand: 2013; www.zentralratdjuden.de/de/topic/58.landesverbände.html).
Schließlich hat die Klägerin vor ihrem Wegzug nach Frankreich von der Möglichkeit, den Austritt aus der Beklagten zu erklären, keinen Gebrauch gemacht. Eine nach außen hin erfolgte Distanzierung gegenüber der Beschwerdeführerin ist nicht erkennbar geworden.
ee) Nach alledem mussten sich die Kläger dessen bewusst sein, dass sie mit der Angabe „mosaisch” ohne Hinzufügung eines einschränkenden Zusatzes, sowohl für unbeteiligte Dritte als auch für die Beschwerdeführerin, insbesondere in Kenntnis der früheren Mitgliedschaft der Klägerin, ein Bekenntnis zum Judentum abgegeben haben. Dieses konnte nach dem objektivierten Empfängerhorizont in der Staats- und Kirchenrechtswirklichkeit unter den gegebenen Umständen nur als Bekenntnis zu der Beschwerdeführerin als einziger jüdischer Gemeinde in Frankfurt am Main verstanden werden.
c) Ob das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Ausführungen, in denen es sich gegen die Anwendbarkeit des Parochialrechts (vgl. dazu BVerfGE 102, 370 ≪371≫; Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 137 WRV Rn. 91 (Feb. 2003); von Campenhausen, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 26, S. 755 ≪773≫; von Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006, S. 158 f.; Morlok, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art.137 WRV Rn. 95; Magen, Körperschaftsstatus und Religionsfreiheit, S. 91; die Anwendbarkeit des Parochialrechts bei jüdischen Gemeinden ausdrücklich bejahend Demel, Gebrochene Normalität, 2011, S. 239) im vorliegenden Fall ausspricht, gegen Rechte der Beschwerdeführerin verstößt, kann aufgrund der bereits festgestellten Verletzung der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV offen bleiben.
3. Angesichts des festgestellten Verstoßes bedarf es ebenso wenig einer Entscheidung, ob das angegriffene Urteil noch aus weiteren Gründen und in weiteren Hinsichten Rechte der Beschwerdeführerin verletzt (vgl. BVerfGK 19, 140 ≪148≫). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 6 WRV gewährleisteten Steuererhebungsrechts als auch bezüglich der Rüge einer nicht gerechtfertigten Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG.
C.
1. Das die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV verletzende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist nach § 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Voßkuhle, Landau, Hermanns
Fundstellen
Haufe-Index 7585238 |
HFR 2015, 892 |