Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit durch arbeitsgerichtliche Entscheidungen
Beteiligte
des Mitteldeutschen Rundfunks |
Rechtsanwälte Dr. Wolfdieter Küttner und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Rüge der Verletzung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit gegen gerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts.
Entscheidungsgründe
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die von ihr aufgeworfenen Fragen lassen sich mit Hilfe der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (insbesondere BVerfGE 59, 231 ff.; eine weitere Präzisierung ist durch den Beschluss der Kammer vom 18. Februar 2000 – 1 BvR 491/93, 1 BvR 562/93 sowie 1 BvR 624/98 –, AfP 2000, S. 164 ff. erfolgt) klären. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechts angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. zu den Annahmevoraussetzungen BVerfGE 90, 22 ≪26≫). Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit.
1. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst das Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremdem, insbesondere staatlichem Einfluss über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter zu bestimmen, die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Die Rundfunkfreiheit in ihrer Bedeutung als Programmfreiheit gewährleistet, dass Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms Sache des Rundfunks bleiben und sich an publizistischen Kriterien ausrichten können. Das setzt voraus, dass die Sendungen von Personen gestaltet werden, die in der Lage sind, die gebotene Vielfalt in das Programm einzubringen. Die Rundfunkanstalten müssen den Erfordernissen ihres Programmauftrags durch den Einsatz von für die jeweilige Aufgabe qualifizierten Mitarbeitern gerecht werden.
Die Rundfunkfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet, sie findet vielmehr nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Hierzu gehören auch die Bestimmungen des Arbeitsrechts, namentlich des Kündigungsschutzgesetzes, aber auch die hier in Rede stehende Vorschrift des § 613 a BGB. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der dafür zuständigen Arbeitsgerichte. Doch müssen die Gerichte die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (BVerfGE 7, 198 ≪205 ff.≫). Das verlangt in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite.
Hierbei ist auf Seiten der Rundfunkfreiheit der dargestellte Zusammenhang zwischen Programmfreiheit und Personalentscheidungsbefugnis zu berücksichtigen. Auf Seiten der Rundfunkmitarbeiter sind die Rechtsgüter in die Abwägung einzustellen, deren Schutz die besonderen Bestimmungen des Arbeitsrechts bezwecken. Das sind hinsichtlich der die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz, betreffenden Regelungen das Sozialstaatsprinzip und die Berufsfreiheit (BVerfGE 59, 231 ≪261 ff.≫).
Das Ergebnis dieser Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Weder darf den programmgestaltend tätigen Rundfunkmitarbeitern der arbeitsrechtliche Schutz generell versagt werden noch dürfen bei der Entscheidung über diesen Schutz die Regeln und Maßstäbe des Arbeitsrechts in einer Weise auf die Anstellungsverhältnisse dieser Mitarbeiter angewendet werden, die das durch die Verfassung geschützte Recht der Anstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung dieser Mitarbeiter zu bestimmen, unberücksichtigt lässt (BVerfGE 59, 231 ≪265≫).
2. Auf der Grundlage dieses Prüfungsmaßstabes sind die angegriffenen Entscheidungen von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers waren die Arbeitsgerichte von Verfassungs wegen nicht gehalten, aus dem Umstand, dass in Art. 36 des Einigungsvertrages im Unterschied zu Art. 38 des Einigungsvertrages keine Regelung über den Fortbestand bereits bestehender Arbeitsverhältnisse getroffen wurde, den Schluss zu ziehen, dass damit jeglicher Übergang von Arbeitsverhältnissen auf neu gegründete Rundfunkanstalten ausgeschlossen sein sollte. Das Bundesarbeitsgericht hat vielmehr in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Auslegung des einfachen Rechts die Ansicht vertreten, dass mangels einer konkreten Regelung die allgemeinen Bestimmungen Anwendung finden müssten. Zu diesen allgemeinen Bestimmungen gehört auch die Vorschrift des § 613 a BGB. In den angegriffenen Entscheidungen wird auch nicht grundsätzlich verkannt, dass durch den angenommenen Betriebsübergang die Rundfunkfreiheit des Beschwerdeführers berührt sein kann. Der Rundfunkfreiheit soll jedoch bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen werden können, dass der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Beschwerdeführer diesen grundsätzlich nicht hindert, über den Einsatz des Mitarbeiters zu entscheiden und gegebenenfalls eine notwendige (Änderungs-)Kündigung auszusprechen.
Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Gleiches gilt für die Frage, ob die Besonderheiten des Übergangs einer Rundfunkeinrichtung der DDR auf eine Rundfunkanstalt der Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls im Rahmen der (Änderungs-)Kündigung zu berücksichtigen ist. Der Beschwerdeführer hat nämlich in seiner Verfassungsbeschwerde nicht dargelegt, in welcher Hinsicht er durch die Übernahme der hier in Rede stehenden Kläger der Ausgangsverfahren in der von ihm reklamierten Programmfreiheitkonkret beeinträchtigt wird. Ein etwaiger Flexibilitätsbedarf gerade in Bezug auf diese Mitarbeiter legt der Beschwerdeführer nicht dar (vgl. zu dem Gesichtspunkt einer konkreten Darlegung auch den Beschluss der Kammer vom 18. Februar 2000 – 1 BvR 491/93 u.a. –, Umdruck S. 10 f.). In der Verfassungsbeschwerde wird lediglichabstrakt darauf hingewiesen, dass der automatische Übergang von Arbeitsverhältnissen nach § 613 a BGB unmittelbare Bedeutung dafür habe, welche Meinung von welchen Mitarbeitern in das Programm eingebracht werde. Inwiefern der Beschwerdeführer jedoch konkret mit den Tätigkeiten der Kläger der Ausgangsverfahren in programmgestalterischer Hinsicht nicht einverstanden ist und eine anderweitige Programmgestaltung anstrebte bzw. anstrebt, die sich mit ihnen nicht realisieren lässt, bleibt offen. Die Tatsache, dass die Kläger in der früheren DDR in einer staatsabhängigen Rundfunkeinrichtung tätig waren, die unmittelbar dem Ministerrat der DDR unterstellt war und die wegen ihrer Staatsabhängigkeit den totalitären Zielen der DDR-Regierung zu dienen hatte, ist aus dem Blickwinkel der Rundfunkfreiheit nicht ohne Bedeutung. Der Beschwerdeführer muss durch personalbezogene Entscheidungen sichern können, dass er seinen Programmauftrag erfüllen kann, der durch Staatsunabhängigkeit und Parteienferne geprägt ist. Dies gilt auch für die Fortsetzung von Arbeitsverhältnissen im Rahmen eines Betriebsübergangs. Der Betriebsübergang allein begründet aber keine prinzipielle Einschränkung der Programmgestaltungsfreiheit des Beschwerdeführers.
Wenn das Bundesarbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht im Rahmen der durchgeführten Abwägung dem arbeitsrechtlichen Bestandsschutz gegenüber der Rundfunkfreiheit den Vorrang einräumen, ist dies von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, es sei denn, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Programmgestaltungsfreiheit des Beschwerdeführers sprechen. Dafür aber ist nichts vorgetragen worden.
b) Der Beschwerdeführer wird in seinem Grundrecht auf Rundfunkfreiheit auch nicht durch den von den Gerichten zuerkannten Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer des Rechtsstreits verletzt. Auch hier lässt sich der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen, inwieweit die von dem Beschwerdeführer in Aussicht genommene Programmgestaltung während des Rechtsstreits durch die ihm aufgegebene Weiterbeschäftigung der Kläger der Ausgangsverfahren konkret beeinträchtigt worden ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 565203 |
NZA 2000, 1049 |
AP, 0 |