Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 17.11.2006; Aktenzeichen 7 ME 62/06) |
VG Stade (Beschluss vom 28.02.2006; Aktenzeichen 2 B 69/06) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Sie ist unzulässig. Ihr steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen. Der Beschwerdeführer ist zunächst auf den Rechtsweg in der Hauptsache zu verweisen.
Sind – wie hier – im Eilverfahren ergangene Entscheidungen Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, verlangt § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zwar nicht ohne weiteres, dass der Rechtsweg im Verfahren der Hauptsache erschöpft wird. Der in dieser Norm zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität fordert aber, dass der Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder sie gar zu verhindern. Das bedeutet, dass auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten sein kann, wenn sich dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Chance bietet, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn mit der Verfassungsbeschwerde ausschließlich Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen. Die Notwendigkeit, vorab das Klageverfahren zu betreiben, fehlt allerdings, wenn dies für den Beschwerdeführer nicht zumutbar ist. Das ist der Fall, wenn der Sofortvollzug die beabsichtigte Grundrechtsausübung endgültig verhindert, wenn eine Klage im Hinblick auf entgegenstehende Rechtsprechung der Fachgerichte von vornherein als aussichtslos erscheinen muss, wenn die Verletzung von Grundrechten durch die Eilentscheidung selbst geltend gemacht wird, wie etwa bei der Versagung rechtlichen Gehörs oder einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG durch die Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes, oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 69, 315 ≪340≫; 79, 275 ≪278 f.≫; 86, 15 ≪22 f.≫; 104, 65 ≪70 f.≫).
Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann nicht ausnahmsweise von der Durchführung des Hauptsacheverfahrens abgesehen werden. Der Beschwerdeführer macht eine Grundrechtsverletzung geltend, die sich auf das Hauptsacheverfahren bezieht. Er meint, der Umgebungsschutz nach § 8 Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz (Gesetz vom 30. Mai 1978, Nds. GVBl S. 517, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. November 2004, Nds. GVBl S. 415, NDSchG) müsse bei einer Auslegung der Norm im Lichte von Art. 14 und 19 Abs. 4 GG auch von ihm als Denkmaleigentümer, der Investitionen zur Erhaltung des Denkmals getätigt habe, geltend gemacht werden können. Zur Klärung dieser Frage ist dem Beschwerdeführer die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar.
Der Verweis auf das Hauptsacheverfahren schafft trotz des angeordneten Sofortvollzugs der Genehmigung der sich in der Umgebung des Denkmals befindlichen Windkraftanlagen keine endgültigen Tatsachen. Sollte der Beschwerdeführer im Hauptsacheverfahren obsiegen, kann der Abbruch der Windkraftanlagen immer noch angeordnet werden. Dem dürften keine erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten entgegenstehen. Wie sich aus der Anordnung des Sofortvollzugs vom 19. Dezember 2005 ergibt, hat die Genehmigungsinhaberin gegenüber der zuständigen Behörde eine “Risiko- und Verpflichtungserklärung” abgegeben, nach der sie das Risiko des Sofortvollzugs übernimmt und die Behörde sogar von einer etwaigen Haftung freistellt. Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, er könne wegen des Windparks sein denkmalgeschütztes Eigentum nicht wie geplant verpachten, ist nicht geeignet, den Verweis auf das Hauptsacheverfahren wegen der etwaigen Schaffung endgültiger Tatsachen als unzumutbar erscheinen zu lassen.
Die Durchführung des Hauptsacheverfahrens erscheint auch nicht von vornherein aussichtslos. Zwar geht das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in wohl gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass das (niedersächsische) Denkmalschutzrecht nur allgemeinen Interessen und nicht auch den Interessen Privater wie denen des Denkmaleigentümers diene (vgl. auch: Nds. OVG, Urteil vom 15. Mai 2003 – 1 KN 69/02 –, JURIS; ebenso: Schmaltz/Wiechert, NDSchG, Kommentar, 1998, § 8 Rn. 13). Eine ähnliche Auffassung vertreten für ihr Landesdenkmalschutzrecht auch andere Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 1989, S. 613; OVG Brandenburg, LKV 1998, S. 72 f.; weitere Nachweise bei Spennemann, BauR 2003, S. 1655 ≪1657 ff.≫). Allerdings folgt die fachgerichtliche Rechtsprechung dieser Auffassung nicht einhellig. Eine andere Meinung wird vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertreten (Urteil vom 27. März 1992 – 26 CS 91.3589 –, zitiert nach Viebrock, in: Martin/Krautzberger ≪Hrsg.≫, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 2004, E Rn. 121). Nach seiner Auffassung wäre es schwer verständlich, wenn der Eigentümer eines Baudenkmals, dem durch Gesetz besondere Erhaltungspflichten auferlegt sind, auch solche Veränderungen in der Umgebung dieses Baudenkmals hinzunehmen hätte, die seine Erhaltungsinvestitionen entwerteten. Auch Teile der neueren Literatur sprechen sich dafür aus, dem Denkmaleigentümer Abwehrrechtspositionen einzuräumen (vgl. Viebrock, in: Martin/Krautzberger ≪Hrsg.≫, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 2004, E Rn. 121 f.; Martin, ebenda, G Rn. 135 f.; Spennemann, BauR 2003, S. 1655 ≪1659 ff.≫). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich – soweit ersichtlich – mit der Frage, ob der Denkmaleigentümer wegen Art. 14 GG Vorschriften des Umgebungsschutzes geltend machen können muss, noch nicht abschließend beschäftigt (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1991 – BVerwG 4 C 23.88 –, JURIS, und Urteil vom 9. April 2003 – BVerwG 9 A 37.02 –, JURIS, Rn. 29).
Schließlich bedürfte es im Fall, dass § 8 NDSchG ein Abwehranspruch entnommen würde, wohl weiterer tatsächlicher Aufklärung, insbesondere der Frage, ob der genehmigte Windpark das im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Denkmal tatsächlich beeinträchtigt.
Bei dieser Sachlage kann nicht auf die Beschreitung des Hauptsacherechtsweges verzichtet werden. Dies ergibt sich aus dem Sinn des Subsidiaritätsgrundsatzes, der vor allem sichern soll, dass durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte dem Bundesverfassungsgericht ein nicht nur in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird, sondern dass ihm auch die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere der obersten Bundesgerichte, vermittelt wird (vgl. BVerfGE 86, 15 ≪27≫).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
BauR 2007, 1212 |
BauR 2007, 1453 |
BauR 2009, 1528 |
IDAI 2007, 7 |