Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 19.03.2012; Aktenzeichen 8 U 152/11) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Urteil des Kammergerichts, mit dem die vor dem Landgericht erfolgreiche Klage des Beschwerdeführers in zweiter Instanz überwiegend abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die Nichtzulassung der Revision.
1. Im Ausgangsverfahren machte der Beschwerdeführer vereinsrechtliche Auskunftsansprüche außerhalb der Mitgliederversammlung geltend; hilfsweise verlangte er Auskunft auf dem nächsten Verbandstag. Das Landgericht hielt den Hauptantrag für begründet und gab der Klage statt. Im Berufungsverfahren änderte das Kammergericht das landgerichtliche Urteil teilweise ab, fasste es neu und wies die Klage im Übrigen ab; Ausführungen zum Hilfsantrag machte es nicht. Die Revision wurde nicht zugelassen.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 9 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Drei Monate nach Zustellung des angegriffenen Urteils hat er seine Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergänzt und unter Verweis auf den Geschäftsverteilungsplan eine fehlende Zuständigkeit des entscheidenden Senats gerügt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie teilweise unzulässig und im Übrigen offensichtlich unbegründet ist.
1. Soweit die Rüge einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darauf gestützt wird, ein nach dem Geschäftsverteilungsplan nicht zuständiger Senat habe über die Berufung entschieden, ist sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG begründet worden. Neuer Sachverhalt kann nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden (vgl. BVerfGE 127, 87 ≪110≫ m.w.N.).
2. Den Rügen von Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht, soweit die Nichtzulassung der Revision wegen behaupteter Divergenz angegriffen wird, der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität entgegen.
a) Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen werden, um die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 112, 50 ≪60≫ m.w.N., stRspr). Es ist daher geboten und auch zumutbar, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe sorgfältig zu prüfen und von ihnen Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (vgl. BVerfGE 68, 376 ≪381≫).
b) Der Beschwerdeführer musste danach einen Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO stellen. Mit diesem Rechtsbehelf hätten die mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen beseitigt werden können (vgl. zur Anhörungsrüge BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2011 – 1 BvR 1468/11 –, juris, Rn. 6; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. November 2012 – 1 BvR 1526/12 – juris, Rn. 13). Im vorliegenden Fall war ein Verfahren nach § 321 ZPO auch nicht offensichtlich aussichtslos.
§ 321 ZPO dient der Ergänzung eines lückenhaften Urteils. Eine Urteilsergänzung kommt auch dann in Betracht, wenn über einen Anspruch versehentlich nur teilweise entschieden wurde oder ein geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch vom Gericht versehentlich übergangen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2009 – VIII ZR 29/09 –, NJW-RR 2010, S. 19 ≪20≫ m.w.N.).
Das Kammergericht hat über die Hilfsanträge nicht entschieden. Das ergibt sich bereits daraus, dass das Gericht zunächst noch auf ein auch vom Beschwerdeführer angeführtes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHZ 152, 339) Bezug nimmt und in Einklang damit den vom Beschwerdeführer (hilfsweise) geltend gemachten Anspruch ausdrücklich und ohne Ausnahme anerkennt, den dahingehenden (Hilfs-)Antrag dann jedoch nicht weiter erörtert.
Bei Erfolg des Ergänzungsantrags hätten die mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen beseitigt werden können. Erst das versehentliche Übergehen des Hilfsantrags führte zu dem mit der Verfassungsbeschwerde gerügten Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung und zur Möglichkeit einer Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG. Wäre der Antrag nach § 321 ZPO gestellt worden, hätte das Kammergericht über den Hilfsantrag entscheiden müssen und es wäre nicht auszuschließen, dass es dem hilfsweise geltend gemachten Auskunftsbegehren stattgegeben hätte, nachdem es einen umfänglichen Auskunftsanspruch insoweit bereits ausdrücklich anerkannt hatte.
3. Soweit der Beschwerdeführer unter Berufung auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt, die Revision hätte wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden müssen, um die Voraussetzung für die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen außerhalb der Mitgliederversammlung zu klären, ist die Rüge unbegründet. Die Zulassung der Revision lag nicht nahe, weil mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung gegeben war. In dem vom Kammergericht zitierten Hinweisbeschluss hatte der Bundesgerichtshof unter Verweis auf die nahezu einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung diese Klärungsbedürftigkeit bereits verneint (BGH, Hinweisbeschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 – NZG 2010, S. 1430 ≪1431≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof Masing Baer
Fundstellen