Verfahrensgang
VG Gießen (Urteil vom 04.09.2006; Aktenzeichen 1 E 1218/06.A) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 4. September 2006 – 1 E 1218/06.A – verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Gießen zurückverwiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
- Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerde-Verfahren und für das Verfahren betreffend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
- Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderungen, die an die Abweisung einer Verpflichtungsklage auf Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet zu stellen sind.
1. Der 1967 geborene Beschwerdeführer ist togoischer Staatsangehöriger. Er reiste im Mai 2002 nach Deutschland ein und führte unter Berufung auf politische Verfolgung erfolglos ein Asylverfahren und ein erstes Asylfolgeverfahren durch.
Am 23. Februar 2006 stellte er unter Berufung auf seinen schlechten Gesundheitszustand den hier maßgeblichen weiteren Asylfolgeantrag und legte eine nervenärztliche Bescheinigung vom 16. Januar 2006 vor, wonach er an einer Depression und einer unklaren Epilepsie leide, die seit Oktober 2005 ambulant behandelt würden und deretwegen er vom 1. November 2005 bis 7. Dezember 2005 in stationärer Behandlung gewesen sei. Es bestehe weiterhin eine erhöhte cerebrale Anfallsbereitschaft.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 11. April 2006 die Anträge auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und Abänderung der negativen Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) ab. Der Antrag scheitere bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 51 Abs. 3 VwVfG, da der Beschwerdeführer ihn mehr als drei Monate, nachdem er von dem Grund für das Wiederaufgreifen – der Behandlung seiner Erkrankungen – Kenntnis erlangt habe, gestellt habe. Es seien im Hinblick auf § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 48 oder § 49 VwVfG auch keine individuellen Gründe glaubhaft gemacht worden, die das Bundesamt nach pflichtgemäßem Ermessen veranlassen könnten, das Verwaltungsverfahren wieder zu eröffnen, um eine positive Entscheidung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu treffen. Die früheren Feststellungen zu § 53 AuslG seien weiterhin zutreffend. Auf Grund des vorgelegten Attests lasse sich der erforderliche Schweregrad für eine Erkrankung, die zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben bei einer Rückkehr führen könnte, nicht feststellen.
Mit seiner Klage machte der Beschwerdeführer ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG geltend und berief sich darauf, dass sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Er sei auf eine Vielzahl von Medikamenten und regelmäßige EEG-Untersuchungen angewiesen. Die notwendige medizinische Versorgung sei für ihn in Togo weder finanzierbar, noch seien die ihm verschriebenen Medikamente dort überhaupt zu kaufen. Im Falle einer Abschiebung drohe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, bis hin zur Lebensgefahr. Der Beschwerdeführer legte nervenärztliche Bescheinigungen vom März, Mai und August 2006 vor. Danach seien mehrfach Zustände aufgetreten, bei denen er umgefallen sei, sich Verletzungen zugezogen habe und für längere Zeit bewusstlos gewesen sei. Wegen der Gefahr weiterer Krampfanfälle sei die Umstellung auf ein anderes Medikament erforderlich geworden. Es wurden die Diagnosen einer seit März 2005 bestehenden Epilepsie und einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion gestellt. Trotz der derzeitigen hohen Medikamentendosis bestehe weiterhin eine erhöhte cerebrale Anfallsbereitschaft. Der Beschwerdeführer sei nicht reisefähig. Ergänzend wurden Unterlagen zur mangelhaften medizinischen Versorgung in Togo vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung verwies der Beschwerdeführer auf monatliche Kosten von rund 325 € für die notwendigen Medikamente. Seine Blutwerte hätten sich verschlechtert; eine ärztliche Behandlung sei weiterhin angezeigt. Er sei bereits im Oktober 2002 wegen Symptomen ähnlich denen, deretwegen er sich derzeit in Behandlung befinde, beim Hausarzt vorstellig geworden.
2. Mit Urteil vom 4. September 2006 wies das Verwaltungsgericht Gießen die Klage als offensichtlich unbegründet ab. Zur Begründung führte es aus, dass das Gericht den offensichtlich zutreffenden Ausführungen des Bundesamts folge, denen auch in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegengetreten worden sei. Ein im Asylfolgeverfahren nur nach Maßgabe des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG berücksichtigungsfähiger Sachverhalt sei im Hinblick auf die nur im Streit befindliche Feststellung nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorgetragen worden. Die im Klageverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste seien nicht anders zu beurteilen als das bereits beim Bundesamt vorgelegte Attest vom Januar 2006. Auch insoweit werde auf die offensichtlich zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid verwiesen. Gründe für eine davon abweichende Entscheidung lieferten sie offensichtlich nicht. Wegen der in diesen Attesten bescheinigten Erkrankungen sei der Beschwerdeführer nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung bereits im Oktober 2002 bei seinem Hausarzt in ärztlicher Behandlung gewesen, das heißt, es habe bereits die Möglichkeit zu entsprechendem Sachvortrag im Asylerstverfahren bestanden, jedenfalls aber im ersten Folgeverfahren. Mithin sei der diesbezügliche Vortrag offensichtlich unbeachtlich. Die Frage der Reiseunfähigkeit sei nicht im vorliegenden Verfahren zu prüfen.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass die Klageabweisung als offensichtlich unbegründet unverhältnismäßig sei und Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG verletze. Die Entscheidungsgründe enthielten keine klare Begründung, warum die Klage nicht als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden sei. Der Verweis auf den Bescheid des Bundesamts sei unzulässig und in der Sache auch unzureichend. Das Gericht müsse eine eigene richterliche Überzeugungsbildung erkennen lassen. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Sachvortrag und der einschlägigen Rechtslage fehle. Habe das Gericht Zweifel an den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, hätte es sich aufdrängen müssen, sich weiterer Sachkunde zu bedienen. Die Tatsache der Erkrankung “Epilepsie” sei auch erheblich. Es handele sich um neuen Vortrag, der im Jahr 2002 noch nicht bekannt gewesen sei. Die konkrete Diagnose sei erstmals während des stationären Aufenthalts Ende 2005 gestellt und fristgemäß geltend gemacht worden. Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen hätte ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten und damit einhergehender wesentlicher Verschlimmerung der Erkrankung bejaht werden müssen. Durch die fehlerhafte Verfahrensweise des Gerichts sei die Möglichkeit eines Rechtsmittels abgeschnitten worden.
4. Das Hessische Ministerium der Justiz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Von dieser Möglichkeit wurde nicht Gebrauch gemacht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer ist für die Entscheidung zuständig, da das Bundesverfassungsgericht die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden hat (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Sie nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt die Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet – mit der Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung (vgl. § 78 Abs. 1 AsylVfG) – voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Aus den Entscheidungsgründen muss sich klar ergeben, weshalb das Gericht zu einem Urteil nach § 78 Abs. 1 AsylVfG kommt, warum also die Klage nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 76 ≪95 f.≫; 71, 276 ≪293 f.≫; BVerfGK 1, 298 ≪302≫). Die schlichte Behauptung, die Klage sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (vgl. Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar 1993 – 2 BvR 1869/92 –, InfAuslR 1993, S. 146 ≪149≫ und vom 2. März 1993 – 2 BvR 2075/92 –, juris). Die Darlegung, worauf das Offensichtlichkeitsurteil im Einzelnen gestützt wird, erfordert vor allem dann besondere Sorgfalt, wenn das Bundesamt den Antrag lediglich als (schlicht) unbegründet abgelehnt hat (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1993 – 2 BvR 1214/93 –, InfAuslR 1994, S. 41 ≪42≫).
2. Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Asylgrundrecht und für Verfahren, die auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG (ehemals § 51 Abs. 1 AuslG) gerichtet sind (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. September 2001 – 2 BvR 1392/00 –, InfAuslR 2002, S. 146 ≪148≫ m.w.N.), sondern auch für die Abweisung der Klage auf Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet (offen gelassen im Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2000 – 2 BvR 857/98 –, juris). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die unanfechtbare Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet ergeben sich insoweit aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG muss den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen wirksam Rechnung getragen werden. Die auf der Hand liegende Aussichtslosigkeit der Klage muss sich eindeutig aus der Entscheidung selbst ergeben und die diesbezüglichen Annahmen müssen auf einer hinreichend verlässlichen Grundlage beruhen (vgl. zu den Anforderungen an einen wirkungsvollen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 GG zuletzt den Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. November 2006 – 2 BvR 578/02 und 2 BvR 796/02 –, juris ≪Rn. 152 ff.≫).
Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potentiell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 ≪274≫; 40, 272 ≪275≫; 67, 43 ≪58≫; 84, 34 ≪49≫; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts – hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit – (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪297≫). Ein Instanzenzug kann zwar nicht beansprucht werden; steht aber – wie im Falle der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylVfG) – nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 83, 24 ≪31≫; 87, 48 ≪61 f.≫).
3. Das Verwaltungsgericht verkennt vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die damit einhergehenden Anforderungen an die Effektivität des Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Es legt seiner Entscheidung keinen verfassungsrechtlich tragfähigen Prüfungsmaßstab zugrunde und begründet das Urteil insgesamt nicht nachvollziehbar. Damit ist auch Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzt (vgl. zu einer insoweit im Ansatz vergleichbaren Konstellation den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 1996 – 2 BvR 521/96 –, DVBl 1996, S. 1190).
a) Das Gericht verweist auf § 78 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 30 Abs. 1 AsylVfG und stellt fest, es folge den dazu gemachten offensichtlich zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamts. Damit wird die erforderliche Offensichtlichkeit zwar behauptet, aber in keiner Weise begründet; denn das Bundesamt hatte den Antrag gerade nicht als offensichtlich unbegründet, sondern nur als einfach unbegründet abgelehnt (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1993 – 2 BvR 1214/93 –, InfAuslR 1994, S. 41).
b) Auch aus den weiteren Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung ergibt sich eine nachvollziehbare Begründung für das Offensichtlichkeitsurteil nicht.
aa) Im Asylfolgeverfahren kommt ein Wiederaufgreifen des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder aber des § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG in Betracht. Letzterenfalls besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. März 2000 – BVerwG 9 C 41.99 –, BVerwGE 111, 77 ≪82≫; stRspr).
Das Verwaltungsgericht führt hingegen aus, dass ein im Asylfolgeverfahren nur nach Maßgabe des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG berücksichtigungsfähiger Sachverhalt im Hinblick auf die nur im Streit befindliche Feststellung nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorgetragen sei. Damit wird verkannt, dass auch § 51 Abs. 5 VwVfG mit der Möglichkeit des Wiederaufgreifens im Ermessenswege in den Blick zu nehmen ist. Der bloße Verweis auf den Bescheid des Bundesamts kann in diesem Zusammenhang zudem deshalb nicht genügen, die Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet zu rechtfertigen, weil die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Komplikationen bei der Behandlung seiner Epilepsie erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens deutlich wurden.
bb) Das Urteil wird aber auch im Hinblick auf die Prüfung der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht nachvollziehbar begründet.
Soweit das Verwaltungsgericht lediglich ausführt, dass die im Klageverfahren vorgelegten Atteste nicht anders zu beurteilen seien als dasjenige, das der Beschwerdeführer im behördlichen Verfahren vorgelegt habe, und insoweit pauschal auf die offensichtlich zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid verweist, liegt darin keine nachvollziehbare Subsumtion unter die gesetzlichen Maßstäbe des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG. Weder ist zu erkennen, inwieweit die Dreimonatsfrist im Hinblick auf die erstmals im Januar 2006 nach einem stationären Klinikaufenthalt attestierte und einen Monat später beim Bundesamt geltend gemachte Epilepsieerkrankung überschritten ist, noch wird den erstmals im Klageverfahren vorgelegten Attesten zum derzeitigen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und dem konkreten Behandlungsbedarf überhaupt Rechnung getragen. Soweit das Verwaltungsgericht das Vorbringen zur Erkrankung schon deshalb für “offensichtlich unbeachtlich” hält, weil der Beschwerdeführer bereits 2002 bei seinem Hausarzt in Behandlung gewesen sei, ist auch das nicht tragfähig, weil allein eine Behandlung wegen unklarer Beschwerden ohne entsprechende Diagnose regelmäßig nicht die Obliegenheit begründen kann, sogleich ein Folgeschutzgesuch zu stellen, um nicht später mit sämtlichem Vorbringen zu einer Erkrankung präkludiert zu sein.
cc) Das Verwaltungsgericht hätte auf die im Raum stehende ernsthafte Erkrankung des Beschwerdeführers und das Vorbringen zur fehlenden Behandelbarkeit vor dem Hintergrund des § 51 VwVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG konkret eingehen müssen und gegebenenfalls Ermittlungen zur Schwere der Erkrankung, dem notwendigen Behandlungsbedarf und den möglichen Folgen einer unzureichenden (anderweitigen) Behandlung sowie den Behandlungsmöglichkeiten in Togo anstellen müssen (vgl. zu den rechtlichen Prüfungsmaßstäben bei krankheitsbedingten individuellen Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und zu den Anforderungen an die richterliche Aufklärungspflicht Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2006 – BVerwG 1 B 118.05 –, juris, sowie Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum bislang noch nicht veröffentlichten Urteil vom 17. Oktober 2006 – BVerwG 1 C 18.05 –).
4. Das angegriffene Urteil beruht auf den genannten Grundrechtsverletzungen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Entscheidung gelangt wäre.
Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das angegriffene Urteil auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück.
5. Mit dieser Entscheidung erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
6. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
7. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG. Die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer rechtfertigt eine angemessene Erhöhung des Mindestwerts für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Broß, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen