Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.08.2013; Aktenzeichen 67 S 121/12) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist ein Räumungsurteil nach Kündigung einer gemieteten Wohnung wegen Eigenbedarfs.
1. Die Beschwerdeführerin mietete 1987 eine 57,48 qm große Wohnung in B., deren Eigentümer seit 1997 der Kläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger) ist. Er lebte bis zum Jahr 2008 ebenfalls in B. und verzog dann mit seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern nach H.
Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 31. März 2010 das mit der Beschwerdeführerin bestehende Mietverhältnis – unter anderem – wegen Eigenbedarfs. Hinsichtlich des Eigenbedarfs führte er aus, er sei mit seiner Familie berufsbedingt umgezogen, habe in B. allerdings eine im Jahr 1999 geborene, nichteheliche Tochter, für die er gemeinsam mit der Kindesmutter das Umgangs- und Sorgerecht habe. Um dieses auszuüben, sei es erforderlich, dass er sich regelmäßig über mehrere Tage in B. aufhalte. Hierfür benötige er die an die Beschwerdeführerin vermietete Wohnung.
2. Die Räumungsklage des Klägers wurde mit Urteil des Amtsgerichts vom 6. Februar 2012 abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien wurde die Beschwerdeführerin mit dem angegriffenen Urteil des Landgerichts vom 22. August 2013 zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt.
In den Entscheidungsgründen heißt es unter anderem, der Eigennutzungswunsch eines Eigentümers sei grundsätzlich zu respektieren. Zum Schutz des Mieters dürfe er lediglich auf seine Ernsthaftigkeit überprüft werden und darauf, ob er missbräuchlich geltend gemacht werde oder ob der Wohnungswunsch durch eine andere Wohnung des Vermieters befriedigt werden könne. Hier habe der Kläger nachvollziehbare, gewichtige Gründe dargetan und bewiesen, von deren Ernsthaftigkeit die Kammer überzeugt sei.
Die Revision sei nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht gegeben seien. Die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung. Es sei nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Der Kläger habe keine ausreichenden Gründe für die Annahme eines Eigenbedarfs vorgetragen. Das Landgericht habe den Interessen des Klägers in unverhältnismäßiger Weise und ohne sorgfältige Abwägung Vorrang gegenüber den Interessen der Beschwerdeführerin eingeräumt. Der Kläger beabsichtige allenfalls eine seltene Nutzung der von ihr innegehaltenen Wohnung als Zweitwohnung. Im Regelfall stehe die Wohnung leer. Überdies lasse das Urteil des Landgerichts nicht erkennen, aus welchen Gründen die Revision nicht zugelassen worden sei. Eine Zulassung habe indes nahe gelegen. Das Urteil bedrohe die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; denn nach der bisherigen Rechtsprechung komme eine Eigenbedarfskündigung nicht in Betracht, wenn eine Wohnung nur wenige Tage genutzt werde.
4. Während die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin von einer Äußerung ausdrücklich abgesehen hat, sind zum vorliegenden Verfahren folgende Stellungnahmen abgegeben worden:
- Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, ein Grund für die Revisionszulassung liege nicht vor. Insbesondere komme der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs seien die wesentlichen Fragen der Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geklärt. Danach reiche es aus, dass der kündigende Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine begünstigte Person habe. Die vorliegend maßgebliche Frage, ob dies auch im Falle einer beabsichtigten Nutzung als Zweitwohnung gelte, hänge von der dem Tatrichter obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab und sei einer verallgemeinernden, die Revisionszulassung rechtfertigenden Betrachtungsweise nicht zugänglich. Die Revision sei ferner nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen gewesen, denn der zu entscheidende Einzelfall gebe angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Schließlich liege auch kein Fall der Divergenz vor. Das Landgericht habe in seiner Entscheidung bereits keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt.
- Die Bundesrechtsanwaltskammer ist der Ansicht, die angegriffene Entscheidung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Namentlich sei eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Nichtzulassung der Revision nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden.
- Auch nach Einschätzung des Deutschen Anwaltvereins e.V. ist die Verfassungsbeschwerde nicht begründet; denn das Landgericht habe sich bei seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der verfassungsgemäßen Erwägung leiten lassen, dass die Fachgerichte den gefassten Selbstnutzungsentschluss grundsätzlich zu akzeptieren und ihrer Rechtsfindung zugrunde zu legen hätten. Auch die Nichtzulassung der Revision sei nicht zu beanstanden. Eine Zulassung des Rechtsmittels habe nicht nahe gelegen. Die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung, weil es sich, wie die Urteilsbegründung deutlich zeige, um eine Einzelfallentscheidung gehandelt habe.
- Hingegen führt der Deutsche Mietgerichtstag e.V. in seiner Stellungnahme aus, wegen der Verschiedenheit der Lebensverhältnisse falle es schwer, die Anforderungen an eine wirksame Eigenbedarfskündigung einheitlich festzulegen. Die Revision hätte zugelassen werden müssen, weil die Beantwortung der Frage, ob bei zeitweisem Nutzungswillen ein Benötigen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliege, grundsätzliche Bedeutung habe und höchstrichterlich ungeklärt sei. Zudem hätte eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden müssen, weil die Instanzrechtsprechung sehr zersplittert sei und eine einheitliche Grundlage vermissen lasse. Mit ähnlicher Begründung hält auch der Deutsche Mieterbund e.V. eine Zulassung der Revision für geboten.
- Der Verband Haus & Grund Deutschland und der Kläger des Ausgangsverfahrens betonen, das Gericht habe die Entscheidung des Vermieters über seinen Wohnbedarf grundsätzlich zu respektieren.
5. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist insbesondere nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügt; im Übrigen ist sie unzulässig.
Die Verfassungsbeschwerde kann, soweit eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerügt wird, trotz einiger Begründungsdefizite den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG noch genügen. Soweit die Beschwerdeführerin aber eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG rügt, entspricht sie den Substantiierungserfordernissen nicht; insoweit ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.
Dass die Auslegung des einschlägigen Gesetzesrechts durch das Fachgericht Fehler erkennen lasse, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie beruhen könnten, wird nicht dargelegt. Insbesondere setzt sich die Beschwerdeführerin allenfalls oberflächlich und keineswegs hinreichend mit der umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung auseinander (vgl. BVerfGE 68, 361 ≪367 ff.≫; 79, 292 ≪303 ff.≫; 89, 1 ≪6 ff.≫; 89, 237 ≪241 ff.≫).
Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen des Landgerichts wendet, legt sie weder dar, dass relevanter eigener Vortrag im fachgerichtlichen Verfahren übergangen worden sei, noch trägt sie vor, dass sie mittels eigener Beweisangebote oder Anträge das ihr Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht beigetragen habe. Auch dass das Landgericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen haben könnte, wird weder dargelegt noch ist dies – auch angesichts des Umstands, dass das Protokoll zur Beweisaufnahme nicht vorgelegt worden ist – ersichtlich.
2. Soweit die Verfassungsbeschwerde hiernach zulässig ist, bleibt sie in der Sache ohne Erfolg. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Wird in einem Urteil von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Zulassung der Revision kein Gebrauch gemacht, so verstößt dies grundsätzlich dann gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sich die Entscheidung insoweit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 42, 237 ≪241≫; 67, 90 ≪94 f.≫; 87, 282 ≪284 f.≫; zu einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Nichtzulassung eines Rechtsmittels: BVerfGE 125, 104 ≪137≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 –, NJW 2013, S. 3506). Hierfür genügt die nur einfachrechtlich fehlerhafte Handhabung der maßgeblichen Zulassungsvorschriften noch nicht (vgl. BVerfGE 67, 90 ≪95≫; 87, 282 ≪284 f.≫; BVerfGK 2, 202 ≪204≫). Eine fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkürlich ist ein Richterspruch vielmehr nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 4, 1 ≪7≫; 80, 48 ≪51≫ zu Art. 3 Abs. 1 GG). Dabei steht es der Annahme einer willkürlichen Entscheidung entgegen, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪13 f.≫; 96, 189 ≪203≫ zu Art. 3 Abs. 1 GG). Im vorliegenden Fall ist für eine willkürliche Nichtzulassung der Revision nichts ersichtlich, insbesondere werden mit der Verfassungsbeschwerde keine Anhaltpunkte für objektive Willkür des Landgerichts dargetan.
b) Auch unter einem weiteren Gesichtspunkt kann die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg haben. Zwar kommt eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls in Betracht, wenn die Entscheidung des Gerichts über die Nichtzulassung nicht näher begründet ist, obwohl die Zulassung des Rechtsmittels nahe gelegen hätte (vgl. BVerfGK 19, 364 ≪367≫). Die Voraussetzungen eines solchen verfassungsrechtlich relevanten Begründungsdefizits sind im vorliegenden Fall jedoch ebenso wenig gegeben.
aa) Letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen, eingeschlossen solche über die Nichtzulassung der Revision, bedürfen grundsätzlich auch von Verfassungs wegen keiner Begründung (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫). Liegt die Zulassung des Rechtsmittels allerdings nahe, weil vieles dafür spricht, dass die Voraussetzungen der Revisionszulassung vorliegen, so verlangt eine die Zulassung dennoch ablehnende Entscheidung eine nachvollziehbare Begründung, die erkennen lässt, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf sachgerechten Erwägungen beruht (vgl. BVerfGK 2, 202 ≪204≫; 19, 364 ≪367≫). Die Begründungsobliegenheit folgt in dieser Konstellation im Zivilprozess aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie, wenn die Nichteröffnung der weiteren Instanz als Entzug des gesetzlichen Richters gerügt wird, aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Denn ein Berufungsgericht, das die Revision nicht zulässt, entscheidet, falls die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist, unanfechtbar über die Erreichbarkeit von höherinstanzlichem Rechtsschutz im konkreten Fall. Nur mittels einer nachvollziehbaren Begründung sind die Beteiligten und insbesondere das Bundesverfassungsgericht in der Lage zu überprüfen, ob das Gericht das von der Rechtsordnung nicht nur grundsätzlich eröffnete, sondern im konkreten Fall auch nahe liegende Rechtsmittel ineffektiv gemacht (vgl. BVerfGK 19, 364 ≪367≫) und damit den Rechtsuchenden den gesetzlichen Richter entzogen hat.
bb) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Nichtzulassung der Revision nicht mit einer auf den Einzelfall bezogenen Begründung versehen. Dies führt jedoch nicht zu einer Verfassungsverletzung; denn die Zulassung der Revision hat nicht im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung nahe gelegen. Dass sich die Voraussetzungen einer Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO in solcher Weise abzeichneten, lässt sich nicht erkennen. Selbst nach den Darlegungen der Verfassungsbeschwerde ergibt sich weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), noch dass die Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alternative 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 ZPO).
(1) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. statt vieler BGHZ 151, 221 ≪223≫). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2010 – 1 BvR 381/10 –, NJW 2011, S. 1276 ≪1277≫).
Als in diesem Sinne klärungsbedürftig käme vorliegend allenfalls die Frage in Betracht, ob der bloße Wunsch des Eigentümers nach einer Zweitwohnung die Voraussetzungen des Eigenbedarfs im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB erfüllen kann, oder ob umgekehrt die Annahme eines Eigenbedarfs bereits dann ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter bereits eine andere Wohnung besitzt und diese nicht aufgeben, sondern weiterhin nutzen will. Die Zulassung der Revision unter diesem Gesichtspunkt erscheint allerdings nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung der Fachgerichte nicht nahe liegend. Denn die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen einer Eigenbedarfskündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) sind höchstrichterlich geklärt, wobei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts steht. Dass Fachgerichte diese Rechtsprechung in Einzelfällen nicht beachtet haben oder von ihr abgewichen sind, schafft für sich genommen noch keinen neuerlichen Klärungsbedarf.
(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend BGH, Rechtsentscheid vom 20. Januar 1988 – VIII ARZ 4/87 –, NJW 1988, S. 904) reicht zwar allein der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personen dort wohnen zu lassen, für die Annahme von Eigenbedarf noch nicht aus. Ausreichend sind jedoch vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraumes (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 20. Januar 1988 – VIII ARZ 4/87 –, a.a.O.). Weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Vorschrift sei – so der Bundesgerichtshof – zu entnehmen, dass dem Vermieter ein Kündigungsrecht nur zustehe, wenn er oder eine begünstigte Person einen Mangel an Wohnraum habe oder der Vermieter sich in einer wohnbedarfstypischen Lage befinde (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 20. Januar 1988 – VIII ARZ 4/87 –, a.a.O.).
Eine weitere grundsätzliche Beschränkung der Eigenbedarfskündigung – etwa die Forderung nach der Begründung des Lebensmittelpunktes – lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof selbst – wenngleich die Formulierung eines entsprechenden Rechtssatzes mangels Entscheidungserheblichkeit unterblieben ist – davon ausgegangen ist, dass auch ein zeitlich begrenzter Bedarf einer Wohnung die Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung erfüllen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2004 – VIII ZR 246/03 –, NZM 2005, S. 143).
Vor diesem Hintergrund ist weder ersichtlich, dass die in Rede stehende Rechtsfrage nach wie vor klärungsbedürftig ist, noch dass diese – worauf in verschiedenen Stellungnahmen, insbesondere aber vom Bundesgerichtshof hingewiesen wird – einer abstrakten Beurteilung und allgemeinen Klärung überhaupt zugänglich ist. Vielmehr hängt die Entscheidung von der allein dem Tatrichter obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab.
(b) Die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht in Einklang mit der zu den Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 68, 361 ≪367 ff.≫).
(c) Die geschilderten, verfassungsrechtlich unbedenklichen Grundsätze finden sich in der weit überwiegenden Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte wieder (vgl. etwa LG Hamburg, Urteil vom 1. März 1994 – 316 S 168/93 –, WuM 1994, S. 431; LG Hamburg, Urteil vom 7. Mai 1992 – 307 S 409/91 –, NJW-RR 1992, S. 1365; LG Hamburg, Urteil vom 1. März 2001 – 307 S 114/00 –, ZMR 2001, S. 620 ≪622≫; LG Regensburg, Urteil vom 25. Juni 1991 – S 495/90 –, WuM 1992, S. 192; AG München, Urteil vom 2. Dezember 1988 – 222 C 14008/88 –, WuM 1989, S. 299; LG Hamburg, Urteil vom 13. Oktober 1989 – 11 S 43/89 –, WuM 1990, S. 22; LG Berlin, Urteil vom 4. Juni 1996 – 65 S 48/96 –, NJW-RR 1997, S. 74). Soweit ersichtlich wurde der Wunsch einer Zweitwohnung lediglich vereinzelt in erstinstanzlichen Entscheidungen generell als unzureichend zur Begründung eines Eigenbedarfs bewertet (AG Schöneberg, Urteil vom 30. Mai 1991 – 2 C 436/90 –, WuM 1992, S. 19; AG Charlottenburg, Urteil vom 2. Oktober 1992 – 12b C 135/92 –, NJW-RR 1993, S. 908; AG Wolfratshausen, Urteil vom 28. Juni 2012 – 8 C 51/12 –, NZM 2013, S. 758; AG München, Urteil vom 4. Juli 2003 – 433 C 6556/03 –, ZMR 2004, S. 44 ≪45≫; AG Berlin-Köpenick, Urteil vom 17. September 2013 – 14 C 16/13 –, WuM 2013, S. 678). Solche Einzelfälle, in denen entgegen den ansonsten weitgehend beachteten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden wird, führen noch nicht zu einer erneuten Klärungsbedürftigkeit einer bereits geklärten Rechtsfrage. Anderes wäre möglicherweise der Fall, wenn in Rechtsprechung oder Literatur gewichtige und nachhaltige Bedenken gegen die höchstrichterlich entwickelten Grundsätze vorgebracht würden; hierfür ist aber im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin nichts dargetan.
(2) Auch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 1 ZPO) lag hier die Zulassung der Revision nicht nahe. Eine auf diesen Grund gestützte Zulassung der Revision setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall; denn die Grundsätze der Eigenbedarfskündigung sind – wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt – durch die vorliegende ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts bereits hinreichend geklärt.
(3) Schließlich ist die Zulassung der Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) nicht geboten. Die angegriffene Entscheidung gibt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Divergenz. Im Gegenteil kann sich das Landgericht in seinem Urteil auf die allgemeinen, vom Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze der Eigenbedarfskündigung beziehen und wendet diese in tatrichterlicher Würdigung auf den zu entscheidenden Fall an. Eine zulassungsrelevante Divergenz wäre überdies nur dann gegeben, wenn in der angefochtenen Entscheidung ein tragender abstrakter Rechtssatz aufgestellt würde, der von einem tragenden Rechtssatz in der Entscheidung eines höherrangigen oder gleichrangigen anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts abwiche (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02 –, NJW 2003, S. 65 ≪66≫; Beschluss vom 27. März 2003 – V ZR 291/02 –, NJW 2003, S. 1943 ≪1945≫). Auch dies ist vorliegend offenkundig nicht der Fall.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Gaier, Schluckebier, Paulus
Fundstellen
Haufe-Index 6758314 |
NJW 2014, 2417 |
NVwZ 2014, 7 |
NZM 2014, 624 |
ZAP 2014, 607 |
ZMR 2015, 278 |
ZfIR 2014, 4 |
DNotZ 2014, 918 |
JuS 2014, 12 |
MDR 2014, 8 |
WuM 2014, 399 |
ZfSH/SGB 2014, 319 |
GV/RP 2015, 594 |
KomVerw/LSA 2015, 303 |
MietRB 2014, 193 |
RdW 2014, 571 |
FuBW 2015, 601 |
FuHe 2015, 507 |
FuNds 2015, 525 |
IWR 2014, 52 |
KomVerw/B 2015, 296 |
KomVerw/MV 2015, 298 |
KomVerw/S 2015, 305 |
KomVerw/T 2015, 303 |
MK 2014, 94 |