Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (3. SGB-III-ÄndG) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2624) zum 1. Januar 2000.
I.
1. Die Arbeitslosenhilfe war eine steuerfinanzierte, bedürftigkeitsabhängige Leistung, die Lücken füllen sollte, die sich aus der Begrenzung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung ergaben (vgl. BVerfGE 87, 234 ≪235≫).
a) Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe entstand zum einen nach § 190 Abs. 1 in Verbindung mit § 191 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vom 24. März 1997 (BGBl I S. 594; im Folgenden: SGB III a.F.), wenn der Arbeitslose in der – grundsätzlich ein Jahr dauernden – Vorfrist (§ 192 Satz 1 SGB III a.F.) Arbeitslosengeld bezogen hatte. Für diese Leistung hatte sich die Bezeichnung „Anschluss-Arbeitslosenhilfe” eingebürgert. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld setzte Zeiten einer versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigung voraus. Die Vorfrist für die Entstehung des Anspruchs verlängerte sich in den in § 192 Satz 2 SGB III a.F. genannten Ausnahmefällen auf höchstens drei Jahre. Grundsätzlich wurde die Anschluss-Arbeitslosenhilfe unbefristet gewährt. Der Anspruch erlosch aber unter anderem nach § 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F., wenn ein Jahr keine Leistungen der Arbeitslosenhilfe bezogen wurden. Diese Frist verlängerte sich nach § 196 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vorfrist für die Entstehung eines neuen Anspruchs auf bis zu drei Jahre (vgl. Niesel, SGB III, 1998, § 196 Rn. 15, 16).
Daneben existierte die so genannte originäre Arbeitslosenhilfe. Sie setzte nach § 190 Abs. 1 in Verbindung mit § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. grundsätzlich ein – gegenüber dem Arbeitslosengeld kürzeres – Versicherungspflichtverhältnis in der Vorfrist voraus. Jedoch sah § 191 Abs. 2 bis 4 SGB III a.F. Sonderfälle der originären Arbeitslosenhilfe vor, die nicht an diese Voraussetzung geknüpft waren. Unter anderem genügte nach § 191 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. zum Erwerb eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe der vorausgegangene Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in der Vorfrist. Die originäre Arbeitslosenhilfe war nach § 197 SGB III a.F. auf ein Jahr befristet (vgl. hierzu auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, DVBl 2001, S. 896 f.).
b) Mit der Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2000 wollte der Gesetzgeber zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen und die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit auf Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung konzentrieren (vgl. BTDrucks 14/1523, S. 1 f., 205 f.). Auf Grund der Übergangsregelung des § 434 b Abs. 1 SGB III a.F. wurde Arbeitslosenhilfe, für die die Anspruchsvoraussetzungen zwischen Oktober 1999 bis Dezember 1999 vorlagen, bis zum 31. März 2000 weiter gewährt. Diese Regelung lag dem Ausgangsverfahren der vorliegenden Verfassungsbeschwerde zu Grunde.
c) Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) wurde die Arbeitslosenhilfe insgesamt abgeschafft.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Beschwerdeführerin war von 1986 bis 1993 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sie bezog dann Krankengeld und danach bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 22. September 1994 Arbeitslosengeld. Danach erhielt sie Anschluss-Arbeitslosenhilfe. Diese Leistung stellte das Arbeitsamt zum 30. Juni 1996 ein, weil der Beschwerdeführerin eine unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt worden war. Diese Rente wurde ihr zum 31. Mai 1999 wieder entzogen, weil sie wegen einer Besserung des Gesundheitszustandes nicht mehr erwerbsunfähig war. Daraufhin bewilligte das Arbeitsamt ab dem 1. Juni 1999 originäre Arbeitslosenhilfe nach § 191 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. Nach Erlass des 3. SGB-III-ÄndG und unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 434 b Abs. 1 SGB III hob das Arbeitsamt die Bewilligung zum 31. März 2000 auf. Seitdem bezieht die Beschwerdeführerin Sozialhilfe.
2. Die Klage der Beschwerdeführerin, mit der sie unter anderem eine Verfassungswidrigkeit des 3. SGB-III-ÄndG rügte, blieb ohne Erfolg (vgl. BSG SozR 4-4300 § 434b Nr. 1). Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sie sich gegen die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe. Auch ist sie der Auffassung, der Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit müsse den in § 192 Satz 2 SGB III a.F. genannten Ausnahmen zur Verlängerung der Vorfrist gleichgestellt werden. Sie rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 2 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie des Vertrauensschutzgrundsatzes.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
1. Eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bereits geklärt, unter welchen Umständen Sozialleistungen den Schutz von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG genießen (vgl. BVerfGE 69, 272 ≪300 ff.≫; 92, 365 ≪405≫) und unter welchen Voraussetzungen Art. 3 Abs. 1 (vgl. BVerfGE 111, 176 ≪184≫) und Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 96, 288 ≪302 f.≫) verletzt sind.
2. Auch eine Annahme nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ist nicht angezeigt (vgl. dazu BVerfGE 90, 22 ≪25≫); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Deshalb kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführerin überhaupt ein besonders schwerer Nachteil im Sinne dieser Vorschrift entstanden ist. Zweifel hieran bestehen, weil ihr die Arbeitslosenhilfe lediglich für zwei Monate vorenthalten wurde, denn nach § 197 SGB III a.F. wäre ihr Anspruch ohnehin am 31. Mai 2000 entfallen, und sie in diesem Zeitraum Sozialhilfe bezogen hat.
a) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass der Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente es ausgeschlossen habe, nach der Aufhebung der Rentenbewilligung erneut Anschluss-Arbeitslosenhilfe zu erhalten, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.
aa) Die Beschwerdeführerin ist insoweit nicht beschwert im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG; jedenfalls hat sie dies nicht ausreichend substanziiert dargelegt (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
Sie stützt sich in ihrer Verfassungsbeschwerde allein darauf, der Rentenbezug müsse den in § 192 Satz 2 SGB III a.F. genannten Fällen einer Verlängerung der Vorfrist für die Entstehung eines neuen Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe gleichgestellt werden. Selbst wenn dies so wäre, hätte die Beschwerdeführerin davon aber nicht profitiert. Die Vorfrist verlängerte sich in den Fällen des § 192 Satz 2 SGB III a.F. auf höchstens drei Jahre. Im vorliegenden Fall hätte sie daher nur bis zum 1. Juni 1996 zurückgereicht. Arbeitslosengeld hatte die Beschwerdeführerin jedoch zuletzt am 22. September 1994 bezogen. Nutzen könnte sie aus einer Einbeziehung des Rentenbezugs in die Vorfrist nur ziehen, wenn außerdem die Vorfrist deshalb auf mehr als drei Jahre zu verlängern gewesen wäre. Warum eine derartige Bevorzugung der Rentenbezugszeit gegenüber den anderen in § 192 Satz 2 SGB III a.F. geregelten Fällen geboten sei, hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt.
Denkbar wäre allenfalls, dass die Beschwerdeführerin auf ihren ursprünglichen Anspruch auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe hätte zurückgreifen können, wenn die Zeit ihres Rentenbezugs den in § 196 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. genannten Fällen der Verlängerung der Erlöschensfrist von einem auf drei Jahre gleichgestellt gewesen wäre. Anschluss-Arbeitslosenhilfe hatte sie nämlich zuletzt im Juni 1996 erhalten. Hierauf geht die Beschwerdeführerin aber nicht ein, obwohl das Bundessozialgericht sich mit beiden Regelungskomplexen in der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung befasst hat.
bb) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch nicht ausreichend begründet. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG geltend macht, hat sie sich nicht mit der angegriffenen Entscheidung auseinandergesetzt. Das war hier in besonderem Maße geboten, weil das Bundessozialgericht die Unterschiede zwischen dem Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und jenen Tatbeständen, die zu einer Verlängerung der Vor- oder der Erlöschensfrist führen, herausgearbeitet und dabei auf die weitgehende Lösung Erwerbsunfähiger vom Arbeitsmarkt abgestellt hat. Im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hat die Beschwerdeführerin lediglich pauschal auf ihre Ausführungen zur Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe verwiesen; das genügt angesichts der hier anderen verfassungsrechtlichen Problemlage nicht.
b) Die Verfassungsbeschwerde hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe wendet.
aa) Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Hierbei kann offen bleiben, ob der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe allgemein und insbesondere auf die originäre Arbeitslosenhilfe eine eigentumsrechtliche Position im Sinne des Grundgesetzes darstellten. Zumindest im Falle der Beschwerdeführerin war bereits der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht berührt.
Sozialversicherungsrechtliche Positionen, die dem Einzelnen nach der Art eines Ausschließlichkeitsrechts zugeordnet sind (vgl. BVerfGE 72, 175 ≪195≫), genießen dann den Schutz der Eigentumsgarantie, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und der Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪32 f.≫). Die Beschwerdeführerin hatte für ihren Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe keine Eigenleistungen erbracht. Sie bezog diese Leistung nämlich nur auf Grund des Ausnahmetatbestandes des § 191 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F., nicht nach der auf ein vorausgegangenes Versicherungspflichtverhältnis abstellenden Grundregel des § 191 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. Ihre bis 1993 erbrachten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung hatten zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld geführt und hätten gegebenenfalls einen Anspruch auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe begründet. Dieser Anspruch war jedoch auf Grund ihrer zwischenzeitlichen Erwerbsunfähigkeit und des Rentenbezuges erloschen.
bb) Auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin sieht eine Benachteiligung der Bezieher von Anschluss-Arbeitslosenhilfe, die aufgrund einer (inzwischen wieder entzogenen) Erwerbsunfähigkeitsrente ihre Arbeitslosigkeit unterbrochen haben, im Verhältnis zu solchen Beziehern, die durchgehend Anschluss-Arbeitslosenhilfe erhalten haben. Zur Begründung einer Verletzung von Grundrechten durch die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe ist dies bereits im Ansatz ungeeignet. Zudem ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass Beziehern einer Erwerbsunfähigkeitsrente Arbeitslosenhilfe nicht gewährt wird. Während der Zeit ihrer Erwerbsunfähigkeit stehen sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung; es besteht daher kein Anlass für Leistungen der Arbeitsförderung. Der Gesetzgeber ist durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehalten, die Arbeitslosenhilfe aufleben zu lassen, wenn der Betroffene wieder erwerbsfähig wird und deshalb der Bezug der Rente entfällt. Eine unterschiedliche Behandlung der Anschluss-Arbeitslosenhilfe und der originären Arbeitslosenhilfe ist im Übrigen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, DVBl 2001, S. 896 ≪897≫).
cc) Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG liegt ebenfalls nicht vor; zumindest wird sie in der Verfassungsbeschwerde nicht ausreichend dargelegt. Die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe traf behinderte wie nicht behinderte Arbeitslose, die diese Leistung bezogen, gleichermaßen. Auch eine indirekte Benachteiligung (vgl. hierzu BVerfGE 104, 373 ≪393≫) ist nicht ersichtlich. Sie könnte allenfalls vorliegen, wenn sich unter den Beziehern originärer Arbeitslosenhilfe im Vergleich zu Empfängern anderer Leistungen, vor allem der Anschluss-Arbeitslosenhilfe, ein überproportional hoher Anteil behinderter Arbeitsloser befunden hätte, und dies auf die Behinderung zurückzuführen gewesen wäre. Hierfür ist nichts dargetan oder anderweitig erkennbar.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 1 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen